Zusammenfassung
Eine Rektusdiastase liegt vor, wenn die beiden Hälften des geraden Bauchmuskels in der Mitte (Linea alba) mehr als 2 cm auseinanderweichen. Hierdurch können sich Bauchorgane vorwölben, ohne dass jedoch eine Einklemmungsgefahr besteht, da die Faszie durchgehend intakt bleibt. Es handelt sich bei der Rektusdiastase also nicht um eine Hernie. Neben kosmetischen Beeinträchtigungen leiden Betroffene häufig an Bauch- und Rückenschmerzen.
Während sich die Rektusdiastase des Neugeborenen und der Schwangeren i.d.R. spontan zurückbilden, besteht bei allen anderen Betroffenen eine Therapieindikation. Die Therapie sollte mit Physiotherapie zur gezielten Stärkung der Rumpfmuskulatur beginnen. Bei ausbleibender Besserung, sehr weitem Abstand, funktionellen Beschwerden oder begleitenden Hernien sollte eine operative Therapie erwogen werden.
Definition
- Rektusdiastase: Ausdünnung und Weitung der Linea alba zwischen der rechten und linken Hälfte des M. rectus abdominis
- >2 cm (bei Erwachsenen)
- Intakte Faszie
- Sonderformen
- Physiologische Rektusdiastase beim Säugling: Auftreten innerhalb des ersten Lebensjahres
- Rektusdiastase im Wochenbett: Auftreten bis zu 8 Wochen nach Entbindung [1][2]
Epidemiologie und Ätiologie
Epidemiologie
- Inzidenz: Nicht genau bekannt
- Geschlechterverteilung: ♀ > ♂
- Häufig Frauen postpartum [4]
- Seltener Männer mit Adipositas
Ätiologie
- Angeboren
- Stark laterale Insertion des M. rectus abdominis am Rippenbogen [5]
- Veränderungen der Kollagenstruktur
- Ehlers-Danlos-Syndrom
- Erworben: Dysbalance zwischen abdominellem Druck und Stabilität des Bindegewebes
- Abdominelle Druckerhöhung, bspw. bei
- Adipositas, insb. Stammfettsucht [6][7][8]
- Schwerem Heben/Krafttraining
- Husten
- Z.n. Schwangerschaft, insb. bei
- Mehrlingsschwangerschaft
- Großem Fötus
- Multiparität [7]
- Verminderung der Bindegewebestabilität , bspw. bei
- Diabetes mellitus [6][7][8]
- Höherem Lebensalter
- Z.n. abdominellen Operationen wie Sectio caesarea
- Hormonellen Veränderungen
- Abdominelle Druckerhöhung, bspw. bei
Bei einer Schwangerschaft kommt es immer zur Kombination aus erhöhtem abdominellen Druck und verringerter Stabilität des Bindegewebes, weshalb die meisten Rektusdiastasen nach Schwangerschaften auftreten!
Symptomatik
- Häufig asymptomatisch
- Tastbare Lücke im Bereich der Linea alba
- Bauchschmerzen
- Bei angespannter Bauchmuskulatur: Vorwölbung der Bauchorgane [6]
- Ggf. runder, hängender Bauch im Stehen
- Ggf. Begleithernien
- Folgebeschwerden
- Instabilität der Rumpfmuskulatur führt bspw. zu
- Rückenschmerzen
- Atembeschwerden
- Hüftschmerzen
- Beckenbodenbeschwerden: Bspw. Organvorfall, Urin-, seltener Stuhlinkontinenz
- Obstipation, Meteorismus
- Instabilität der Rumpfmuskulatur führt bspw. zu
Klassifikation
Klassifikation nach der European Hernia Society (EHS) [1]
- Kriterien: Ätiologie, Distanz, Begleithernien
- Anwendung: Im klinischen Alltag
Klassifikation nach der European Hernia Society (EHS) | ||
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Typ | Distanz | Begleithernie [9] |
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Klassifikation der Deutschen Hernien Gesellschaft (DHG) und der International Endohernia Society (IEHS) [7]
- Kriterien: Distanz, Lokalisation, Länge, Begleithernien, Hautzustand, Schmerz, Z.n. Operationen, Schwangerschaften
- Anwendung: In klinischen Studien zur Evaluation verschiedener OP-Verfahren
Diagnostik
- Anamnese
- Funktionelle Beschwerden
- Vorausgegangene abdominelle Operationen oder Schwangerschaften
- Vorerkrankungen, insb. Ehlers-Danlos-Syndrom, Rauchen, Diabetes mellitus
- Beruf und Freizeitaktivitäten
- Körperliche Untersuchung
- Im Stehen: Inspektion
- Im Liegen: Palpation und Messen des max. Abstands
- In Ruhe
- Unter Anspannung: Bspw. Aufrichten aus dem Liegen ohne Abstützen mit den Händen
- Messmethoden : Messschieber, Fingerbreite-Methode
- Bildgebung
- Sonografie: Messen des max. Abstands
- CT (oder MRT): Ausnahmefälle, bspw. bei [6][9]
- Verdacht auf eine Begleithernie
- Verdacht auf eine andere Diagnose
- Zur OP-Planung
Differenzialdiagnosen
- Hernien [9]
- Andere Ursachen für abdominelle Schmerzen, bspw.
- Ulcus ventriculi/duodeni
- Erkrankungen der Gallenblase
- Pankreatitis
Liegt augenscheinlich eine Rektusdiastase vor, sollten bei Bauchschmerzen dennoch andere mögliche intraabdominelle Differenzialdiagnosen nicht gänzlich außer Acht gelassen werden!
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Konservative Therapie
- Physiotherapie : Stärkung der Rumpfmuskulatur
- Unterstützend: Bspw. Bauchbinde, Taping
- Gewichtsabnahme
- Chirurgische Therapie
- Indikationen
- Funktionelle Beschwerden
- Distanz >5 cm nach ≥6 Monaten Physiotherapie
- Begleithernie
- Frauen: 2 Jahre nach letzter Entbindung, Familienplanung abgeschlossen
- Methoden
- Faszienduplikatur (ggf. netzbasiert): Ohne Begleithernie oder bei Begleithernie <1 cm
- Netzbasierte Verfahren : Bei Begleithernie >1 cm
- Laparoskopisch oder offen
- Onlay-Netzplastik oder Sublay-Netzplastik
- Postoperative Maßnahmen
- Tragen einer Bauchbinde
- Körperliche Schonung
- Indikationen
Eine Rektusdiastase sollte bei Beschwerden unbedingt therapiert werden!
Komplikationen
- Bei konservativer Therapie
- Äußere Hernien der Mittellinie [9]
- Instabile Rumpfmuskulatur, Rückenschmerzen, Beckenbodenbeschwerden, Obstipation [1]
- Erhöhtes Platzbauchrisiko nach Laparotomie bei anderer Indikation
- Keine Inkarzerationsgefahr, da kein Fasziendefekt
- Nach chirurgischer Therapie
- Serom
- Wundinfekt
- Chronisches Schmerzsyndrom, Sensibilitätsverlust [9]
- Siehe auch: Allgemeine postoperative Komplikationen
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prävention
- Prävention der Entstehung einer Rektusdiastase
- Maßnahme: Abdominelle Druckerhöhung vermeiden/reduzieren
- Prävention einer postpartalen Persistenz der Rektusdiastase
- Maßnahme: Kräftigung der Bauchmuskulatur vor Eintritt einer Schwangerschaft [2]
- Siehe auch: Wochenbettgymnastik und Rückbildungskurs
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- M62.-: Sonstige Muskelkrankheiten
- M62.0-: Muskeldiastase
- M62.08: Muskeldiastase: Sonstige (Hals, Kopf, Rippen, Rumpf, Schädel, Wirbelsäule)
- M62.09: Muskeldiastase: Nicht näher bezeichnete Lokalisation
- M62.0-: Muskeldiastase
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.