Zusammenfassung
Der primäre Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) wird meist durch eine idiopathische Hyperplasie oder ein Aldosteron-produzierendes Adenom der Nebennierenrinde verursacht. Durch die Aldosteron-bedingte gesteigerte Natrium- und Wasserretention kommt es bei betroffenen Patienten zu einer schwer medikamentös einstellbaren arteriellen Hypertonie; der primäre Hyperaldosteronismus ist die häufigste Ursache für eine therapierefraktäre sekundäre Hypertonie. Hypokaliämien treten bei einem Teil der Fälle auf. Die Therapie bei idiopathischer Nebennierenrindenhyperplasie erfolgt medikamentös mit Aldosteronantagonisten; Aldosteron-bildende Adenome werden operativ entfernt.
Epidemiologie
- Zählt zu den häufigsten Ursachen einer sekundären Hypertonie [1][2]
- Geschlecht: ♀ > ♂ (2:1)
- In jeder Altersgruppe möglich [3]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Idiopathische, meist bilaterale Hyperplasie der Nebennierenrinde (⅔ der Fälle, sog. idiopathischer Hyperaldosteronismus) [4][5] [6]
- Aldosteronproduzierendes Nebennierenrindenadenom (⅓ der Fälle) [4][5] [6]
- Selten familiärer Hyperaldosteronismus
- Nebennierenrindenkarzinome mit Aldosteronproduktion sind äußerst selten
Klassifikation
- Normokaliämisch: Insb. bei einer Hyperplasie der Nebennierenrinde [7]
- Hypokaliämisch: Insb. beim Aldosteron-produzierenden Nebennierenrindenadenom (Auftreten einer Hypokaliämie in rund der Hälfte der Fälle mit Adenom) [7]
Pathophysiologie
Physiologie
- Aldosteronwirkung: Einbau verschiedener Kanäle und Transporter in die Nierentubuli
- Folgen
- Physiologische Stimulation: Über Angiotensin II im Rahmen einer Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems und über eine erhöhte Kaliumkonzentration
- Siehe auch: Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
Pathomechanismus
- Exzessive Aldosteronausschüttung → Natrium- und Wasserretention → arterielle Hypertonie mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko(!) [5][7]
- Ggf. mangelnde Kaliumretention → Hypokaliämie
- Negative Rückkopplung innerhalb des RAAS → Unterdrückung der Reninausschüttung
- Kennzeichen der Aldosteronausschüttung beim primären Hyperaldosteronismus [7]
- Inadäquate Höhe im Bezug zum Natriumspiegel
- Autonomie von den üblichen Regulatoren
- Nicht-Supprimierbarkeit durch Volumen- und Natriumbelastung
Symptomatik
- Medikamentös schwer einstellbare arterielle Hypertonie
- Bei Vorhandensein einer Hypokaliämie : Adynamie, Muskelschwäche, Obstipation, milder Diabetes insipidus mit Polyurie und Polydipsie
-
Metabolische Alkalose
- Führt u.a. zu Missempfindungen der Haut
Die vollständige Manifestation der klassischen Trias aus Hypertonie, Hypokaliämie und Alkalose ist nur selten anzutreffen!
Diagnostik
Indikationen zum Screening auf einen primären Hyperaldosteronismus [5][7]
- Allgemeine Hinweise auf das Vorliegen einer sekundären Hypertonie, z.B. therapieresistente Hypertonie (>140/90 mmHg) bei Einsatz von mind. 3 Antihypertensiva
- Erhöhtes Risiko eines ursächlichen primären Hyperaldosteronismus: Vorliegen einer arteriellen Hypertonie in Kombination mit
- Spontaner Hypokaliämie
- Inzidentalome der Nebennierenrinde
- Primärem Hyperaldosteronismus bei Verwandten 1. Grades
- Auftreten von arterieller Hypertonie oder Schlaganfällen in der Verwandtschaft vor dem 40. Lebensjahr
Screening auf einen primären Hyperaldosteronismus
- Bestimmung des Aldosteron-Renin-Quotienten [5]
- Durchführung
- Ambulante morgendliche Blutentnahme beim sitzenden Patienten und Bestimmung der Aldosteron- und Reninkonzentration
- Vorheriges Pausieren von Medikamenten mit Einfluss auf das RAAS sowie des Konsums von Lakritze für 4 Wochen
- Interpretation: Eine Erhöhung des Aldosteron-Renin-Quotienten (z.B. auf >19 bei Angaben der Hormonkonzentrationen in pg/mL) deutet auf einen primären Hyperaldosteronismus hin → Durchführung eines Bestätigungstests für einen primären Hyperaldosteronismus (bspw. Kochsalzbelastungstest)
- Durchführung
- Unterstützende Laborbefunde
- Blut
- Aldosteronkonzentration↑
- Reninkonzentration und -aktivität↓
- Hypokaliämie
- Metabolische Alkalose
- Urin: Aldosteronkonzentration↑ und Aldosteronmetabolite↑ im 24-h-Urin
- Blut
Vor der Diagnostik müssen rechtzeitig alle Medikamente abgesetzt werden, die das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (Diuretika, Betablocker, ACE-Hemmer, AT1-Rezeptor-Blocker und Aliskiren) beeinflussen, da diese das Ergebnis stark verfälschen könnten!
Bestätigungstests für einen primären Hyperaldosteronismus
- Funktion: Messung der Supprimierbarkeit von Aldosteron
- Kochsalzbelastungstest
- Durchführung
- Infusion von 2 L isotoner Kochsalzlösung über 4 h (Volumen- und Natriumbelastung)
- Messung der Aldosteronkonzentrationen zu Beginn und Ende der Infusion
- Interpretation
- Physiologischerweise führt die Volumen- und Natriumbelastung zu einer Suppression des RAAS und damit der Aldosteronsekretion
- Eine fehlende Suppression der Aldosteronsekretion (Aldosteronkonzentration >50 ng/L) spricht für einen Hyperaldosteronismus
- Relative Kontraindikationen: Erkrankungen mit Volumenbelastung des Kreislaufs (Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz), Herzrhythmusstörungen, arterielle Hypertonie
- Durchführung
- Fludrocortisonhemmtest
- Durchführung
- Exogene Gabe von Mineralocorticoiden (0,1 mg Fludrocortison alle 6 h über 4 Tage) im Rahmen eines stationären Aufenthalts
- Gleichzeitige Substitution von NaCl und Kalium
- Messung der Konzentrationen von Renin und Aldosteron am Vormittag des 4. Tages in sitzender Position
- Interpretation
- Durch die negative Rückkopplung kommt es physiologischerweise bei exogener Mineralocorticoidgabe zu einem signifikanten Aldosteronabfall
- Aldosteronkonzentrationen <50 ng/L: Ausschluss eines primären Hyperaldosteronismus
- Eine mangelnde Aldosteronsuppression (Aldosteronkonzentrationen >60 ng/L) bestätigt den V.a. das Vorliegen eines primären Hyperaldosteronismus
- Durch die negative Rückkopplung kommt es physiologischerweise bei exogener Mineralocorticoidgabe zu einem signifikanten Aldosteronabfall
- Diagnostische Bedeutung: Der Fludrocortisonhemmtest gilt zwar aufgrund seiner Spezifität als diagnostischer Goldstandard, wird aufgrund seines (Zeit‑)Aufwands allerdings seltener als der Kochsalzbelastungstest durchgeführt
- Durchführung
- Kochsalzbelastungstest
Verfahren zur Bestimmung der Ursache des primären Hyperaldosteronismus
- CT oder MRT des Abdomens: Darstellung von Raumforderungen, zum Ausschluss von adrenalen Karzinomen
- Insb. bei Patienten >40 zeigen sich hier jedoch vermehrt hormonell inaktive adrenale Raumforderungen (geringe Spezifität), während sehr kleine Aldosteron-produzierende Adenome (<5 mm) in der Bildgebung oft nicht detektiert werden (geringe Sensitivität) [5]
- Differenzialdiagnosen bei Inzidentalomen der Nebenniere (auszugsweise) [8]
- Hormonell inaktive Adenome der Nebennierenrinde (häufigste)
- Cortisol-bildende Adenome der Nebennierenrinde
- Aldosteron-bildende Adenome der Nebennierenrinde
- Phäochromozytome
- Nebennierenrindenkarzinome
- Differenzialdiagnosen bei Inzidentalomen der Nebenniere (auszugsweise) [8]
- Insb. bei Patienten >40 zeigen sich hier jedoch vermehrt hormonell inaktive adrenale Raumforderungen (geringe Spezifität), während sehr kleine Aldosteron-produzierende Adenome (<5 mm) in der Bildgebung oft nicht detektiert werden (geringe Sensitivität) [5]
- Differenzialdiagnosen Adenom und idiopathische Hyperplasie der NNR
- Orthostasetest
- Das Adenom ist von der physiologischen Regulation entkoppelt und „autonom“
- Orthostasetest
- Bei weiterhin unklarer Befundlage (Nicht-Übereinstimmung von hormoneller und bildgebender Diagnostik, Großteil der Fälle [5]):Katheterisierung der Nebennierenvenen und seitengetrennte Bestimmung der Aldosteronkonzentration
- Durchführung
- Zugangsweg ist üblicherweise über die V. femoralis
- Messung der Aldosteronkonzentration in beiden Nebennierenvenen
- Zur Kontrolle einer erfolgreichen Katheterisierung außerdem Messung der Cortisolkonzentration in beiden Nebennierenvenen sowie in einer peripheren Vene
- Interpretation
- Aldosterongradient zwischen beiden Nebennierenvenen: Hinweis auf Nebennierenadenome
- Kein Aldosterongradient: Hinweis auf bilaterale Nebennierenrindenhyperplasie
- Durchführung
Bildgebende Verfahren sollen erst nach Sicherung einer hormonellen Erkrankung eingesetzt werden (DGIM - Klug entscheiden in der Endokrinologie)
Differenzialdiagnosen
- Pseudohyperaldosteronismus: Klinisches Bild eines Hyperaldosteronismus bei niedrigen(!) Aldosteron- und Reninspiegeln [9], z.B. durch
- "Lakritzabusus": Ein übermäßiger Verzehr von Lakritzprodukten kann über eine Störung des Cortisolabbaus zu einer Hypertonie mit Hypokaliämie und Hypernatriämie führen
- Genetische Mutation der 11β-Hydroxysteroiddehydrogenase
- Liddle-Syndrom
- Sekundärer Hyperaldosteronismus: Stimulation der Aldosteronfreisetzung durch eine Reninerhöhung
- Nierenarterienstenose
- Chronische Niereninsuffizienz
- Fortgeschrittene Herzinsuffizienz
- Diuretika
- Laxantienabusus
- Fortgeschrittene Leberfunktionsstörung
- Inzidentalom [10]
Jede zufällig entdeckte Raumforderung der Nebenniere (Inzidentalom) soll endokrinologisch abgeklärt werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Inneren Medizin)
Wurde im CT eine Raumforderung als gutartiges Inzidentalom der Nebenniere eingestuft (< 4 cm, < 10 Hounsfield-Einheiten), ist eine weitere Bildgebung nicht gerechtfertigt. (DGIM - Klug entscheiden in der Inneren Medizin)
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Idiopathischer Hyperaldosteronismus [7]
- Medikamentöse Therapie mit Aldosteronantagonisten
- Spironolacton
- Mittel der Wahl in den letzten Jahrzehnten
- Vorteil: Effektive Senkung des Blutdrucks
- Nachteil: Geringere Selektivität gegenüber anderen Steroidrezeptoren → Häufige endokrine Nebenwirkungen (Gynäkomastie bei 10% der Fälle bei männlichen Patienten, Zyklusstörungen bei weiblichen Patientinnen usw.)
- Eplerenon (Off-Label Use!)
- Neueres Medikament
- Vorteil: Selektiver Rezeptorantagonist → Keine endokrinen Nebenwirkungen
- Nachteile: Weniger effektive Senkung des Blutdrucks in Studien, teurer
- Spironolacton
Aldosteronproduzierendes Nebennierenrindenadenom (bzw. unilaterale Nebennierenrindenhyperplasie) [7]
- Unilaterale Adrenalektomie→ Senkung des Blutdrucks (Zielwerte < 140/90 mmHg) in ca. 50% der Fälle
- Empfohlener Zugangsweg: Laparoskopie
- Präoperative Einstellung des Blutdrucks und (falls vorhanden) der Hypokaliämie (siehe auch: Hypokaliämie - Therapie)
- Ggf. Verlegung der Operation zugunsten einer vorherigen Therapie mit Aldosteronantagonisten
- Vorteil gegenüber einer rein medikamentösen Therapie: Geringere postoperative Notwendigkeit antihypertensiver Medikamente, ersparte Nebenwirkungen der Aldosteronantagonisten
- Bei Ablehnung oder Inoperabilität: Medikamentöse Therapie mit Aldosteronantagonisten
Studientelegramme zum Thema
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Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom)
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- E26.-: Hyperaldosteronismus
- E26.0: Primärer Hyperaldosteronismus
- Conn-Syndrom
- Primärer Aldosteronismus durch Nebennierenrindenhyperplasie (beidseitig)
- E26.1: Sekundärer Hyperaldosteronismus
- E26.8: Sonstiger Hyperaldosteronismus
- E26.9: Hyperaldosteronismus, nicht näher bezeichnet
- E26.0: Primärer Hyperaldosteronismus
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.