Zusammenfassung
Das Cushing-Syndrom beschreibt die klinische Ausprägung eines Hypercortisolismus, wobei die Ursache der Mehrzahl der Cushing-Syndrome in der exogenen, iatrogenen Zuführung von Glucocorticoiden liegt. Die endogenen Cushing-Syndrome sind deutlich seltener und lassen sich in zentrale, ektope und adrenale Formen unterscheiden, wobei meist benigne Tumoren für die vermehrte Hormonausschüttung verantwortlich sind. Klinisch zeigen sich infolge des erhöhten Glucocorticoidspiegels unter anderem typische Symptome wie stammbetonte Adipositas, Striae rubrae, eine periphere Muskelatrophie und bei Frauen als Folge einer Androgenzunahme Menstruationsstörungen und Virilisierungen. Diagnostisch kommen, außer der reinen Bestimmung von ACTH und CRH im Plasma, unterschiedliche Suppressions- und Stimulationstests mit Messung des Cortisolspiegels zum Einsatz, die differenzialdiagnostisch zwischen den verschiedenen endogenen Cushing-Syndromformen unterscheiden lassen. Die Therapie besteht in der Regel bei relevanter Symptomatik in der operativen Tumorentfernung. Bei Inoperabilität oder palliativer Situation kommen strahlentherapeutische und medikamentöse Verfahren in Betracht (Cortisolsynthese-Blockade in Kombination mit anderen Zytostatika).
Ätiologie
Exogenes Cushing-Syndrom
-
Mehrzahl der Cushing-Syndrome
- Häufige, iatrogene Nebenwirkung induziert durch eine Langzeitbehandlung mit Glucocorticoiden
Endogenes Cushing-Syndrom
- Primärer Hypercortisolismus: ACTH-unabhängige Form
- Adrenal
- Selten Dysplasien, Hyperplasien
- Cortisolsynthetisierende Nebennierenrinden-Tumoren
- Adrenal
- Sekundärer Hypercortisolismus: ACTH-abhängige Form
- Zentral
- Morbus Cushing: Es handelt sich um die häufigste Form der endogenen Cushing-Syndrome, die in ca. 80% der Fälle auf Mikroadenome des Hypophysenvorderlappens zurückgeht.
- Ektop (ACTHom)
- ACTH-Sekretion im Rahmen eines paraneoplastischen Syndroms (häufig kleinzelliges Bronchialkarzinom, Karzinoid)
- Zentral
Bei Erwachsenen häufig Adenome, bei Kindern häufig Karzinome!
Das exogene Cushing-Syndrom ist häufig, die endogenen Formen des Cushing-Syndroms dagegen selten!
Symptomatik
Wirkung des erhöhten Glucocorticoidspiegels
- Umverteilung des Körperfetts
- Osteoporose
- Adynamie, Myopathie mit Muskelatrophie
- Herabgesetzte Glucosetoleranz
- Arterielle Hypertonie (ca. 90%)
- Hautverdünnung, Striae rubrae bzw. Striae distensae, Wundheilungsverzögerung, Hautblutungen (multiple Hämatome, Ekchymosen), Plethora
- Psychische Veränderungen (Dysphorie, Euphorie, depressive Episoden)
ACTH-abhängige Formen
-
Stimulierung der Steroidsynthese der Nebennieren durch hohe ACTH-Spiegel → Androgene↑
- ♀: Menstruationsstörungen, Hirsutismus, Virilisierung
-
Mineralocorticoide in der Regel unverändert → Regulation vorwiegend über das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
- Mineralocorticoide Komponente der Glucocorticoide führt aber dennoch zu einer vermehrten mineralocorticoiden Wirkung → Hypervolämie, arterielle Hypertonie
Diagnostik
Klinische Chemie
- Leukozytose (durch Granulozytose), Thrombozytose, Erythrozytose
- Eosinopenie, Lymphopenie und Monozytopenie
- Hyperglykämie
- Hyperlipidämie (Hypercholesterin- und Hypertriglyceridämie)
- Hypokaliämie
Hormonlabor
Die Hormondiagnostik erfolgt immer vor einer bildgebenden Diagnostik .
Initiale Diagnosesicherung des Hypercortisolismus [1][2][3]
- Erhöhte Ausscheidung von freiem Cortisol im 24-h-Urin: Normwerte ca. 20–150 μg/Tag
- Erhöhter Cortisolspiegel in Serum bzw. Speichel um Mitternacht : Normwerte Serum <2 μg/dL, Normwerte im Speichel laborabhängig
- Dexamethason-Hemmtest
- Grundlegendes Prinzip: Verwendung von Dexamethason, da es (bei erhaltenem Feedbackmechanismus) eine ACTH-Hemmung auslöst, ohne die laborchemische Serumcortisol-Messung wesentlich zu beeinflussen
- Niedrigdosierter Dexamethason-Kurztest
- Durchführung: Nach nächtlicher Gabe von 1–2 mg Dexamethason wird morgens das Serumcortisol bestimmt; Dexamethason führt physiologischerweise zur Hemmung der ACTH-Sekretion in der Hypophyse
- Ergebnis: Bei allen Formen des Cushing-Syndroms bleibt eine Supprimierung der Glucocorticoidsynthese aus
- Niedrigdosierter Dexamethason-Langtest
- Durchführung: Morgens wird Serumcortisol bestimmt; dann Gabe von 4× 0,5 mg Dexamethason pro Tag über 2 Tage; erneute Serumcortisolbestimmung am Morgen des 3. Tages
- Ergebnis: Bei allen Formen des Cushing-Syndroms bleibt eine Supprimierung der Glucocorticoidsynthese aus
- Hochdosierter Dexamethason-Langtest: Zur weiteren Differenzialdiagnostik
- Veraltet: Kein Anstieg des Cortisols im Insulin-Hypoglykämie-Test
Der Dexamethason-Hemmtest ist (zusammen mit der ACTH-Bestimmung) die primäre Untersuchungsmethode, da er bei allen Formen des Hypercortisolismus pathologisch ausfällt!
Verschiedene Medikamente (Kontrazeptiva, Anfallssuppressiva) sowie Grunderkrankungen (Depression, Alkoholismus) können zu falsch-positiven Ergebnissen im Dexamethason-Kurztest führen![2][4]
Weiterführende Differenzialdiagnostik
Cortisol und ACTH unterliegen einer zirkadianen Rhythmik und werden von anderen Hormonen und exogenen Faktoren (Stress, Emotionen, Müdigkeit etc.) beeinflusst. Auffällige Werte sind aus diesen Gründen nicht aussagekräftig, weshalb CRH-Test, zentrale ACTH-Bestimmung und Dexamethason-Hemmtest zur Differenzialdiagnostik durchgeführt werden müssen.
- Plasma-ACTH
- CRH-Test
- Zentrale ACTH-Bestimmung: Zur Differenzierung zwischen hypophysärem Cushing-Syndrom und ektoper ACTH-Produktion kann eine selektive Katheterisierung der Vv. jugulares und der Sinus petrosi vorgenommen werden
- Nur beim hypophysären Morbus Cushing und einer hypothalamischen Überfunktion findet sich ein ACTH-Konzentrationsgradient oder auch eine Seitendifferenz
- Hochdosierter Dexamethason-Langtest
- Grundlegendes Prinzip: Verwendung von Dexamethason, da es (bei erhaltenem Feedbackmechanismus) eine ACTH-Hemmung auslöst, ohne die laborchemische Serumcortisol-Messung wesentlich zu beeinflussen
- Durchführung: Nach zweimaliger nächtlicher Gabe von 8 mg Dexamethason wird das Serumcortisol bestimmt
- Ergebnis: Bei zentraler Ursache (hypothalamische Überfunktion oder Mikroadenom der Hypophyse) gelingt eine Supprimierung des Serumcortisols um mindestens 50%
ACTH-Spiegel | CRH-Test | Dexamethason-Hemmtest | ||
---|---|---|---|---|
Kurztest | Langtest | |||
Normal | n | ACTH↑, Cortisol↑ | Cortisol↓ | Cortisol↓ |
Adrenal | ↓ | ACTH↔︎ , Cortisol↔︎ | Cortisol↔︎ | Cortisol↔︎ |
Zentral | ↑ | ACTH↑, Cortisol↑ | Cortisol↔︎ | Cortisol↓ |
Ektop | ↑ | ACTH↔︎ , Cortisol↔︎ | Cortisol↔︎ | Cortisol↔︎ |
Nur das zentrale Cushing-Syndrom bleibt (partiell) sensibel für eine Hemmung (hochdosierter Dexamethason-Hemmtest) oder Stimulation (CRH-Test)!
Bildgebung
- CT und/oder MRT des Abdomens
- CT und/oder MRT des Schädels
- Weitere Bildgebung bei Verdacht auf ektopes Cushing-Syndrom
Bildgebende Verfahren sollen erst nach Sicherung einer hormonellen Erkrankung eingesetzt werden. Ein laborchemischer Nachweis einer hormonellen Erkrankung soll immer der Bildgebung vorausgehen. (DGIM - Klug entscheiden in der Endokrinologie)
Therapie
- Operative Therapie: Standardtherapie bei den unterschiedlichen Formen des Cushing-Syndroms
- Präoperativ: Ggf. Normalisierung von Elektrolyt- und Blutzuckerwerten
- Operativ
-
Hypophysenadenom
- Mittel der 1. Wahl: Transnasale operative Adenomentfernung
- Alternativ (wenn Operation kontraindiziert): Protonenbestrahlung der Hypophyse
- ACTH-produzierender ektoper Tumor → Wenn möglich: Tumorresektion
- Nebennierenrindentumor → Laparoskopische oder offene Adrenalektomie
-
Hypophysenadenom
- Postoperativ: Substitutionstherapie mit Glucocorticoiden (sonst Gefahr der Addison-Krise)
- Ggf. Dosiserhöhung bei erhöhtem Glucocorticoidbedarf (z.B. im Rahmen von febrilen Infekten, Brechdurchfall)
- Medikamentöse Therapie: Bei inoperablen Nebennierenrinden-Karzinomen oder inoperablem Tumor mit ektoper paraneoplastischer ACTH-Bildung
- Blockade der Cortisolsynthese mit adrenostatischen Substanzen (z.B. Ketoconazol ) oder Mitotan (Nebennierenrinden-Zytostatikum) in Kombination mit klassischen Zytostatika (z.B. Etoposid, Anthracyclinen oder Platinderivaten)
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Cushing-Syndrom (Hypercortisolismus)
Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- E24.-: Cushing-Syndrom
- E24.0: Hypophysäres Cushing-Syndrom
- Hypophysärer Hyperadrenokortizismus
- Morbus Cushing
- Überproduktion von ACTH der Adenohypophyse
- E24.1: Nelson-Tumor
- E24.2: Arzneimittelinduziertes Cushing-Syndrom
- E24.3: Ektopisches ACTH-Syndrom
- E24.4: Alkoholinduziertes Pseudo-Cushing-Syndrom
- E24.8: Sonstiges Cushing-Syndrom
- E24.9: Cushing-Syndrom, nicht näher bezeichnet
- E24.0: Hypophysäres Cushing-Syndrom
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.