Zusammenfassung
Der Diabetes insipidus ist eine seltene endokrinologische Erkrankung, die aus einem Mangel oder einer verminderten Wirkung des antidiuretischen Hormons (ADH) resultiert. In der Folge fehlt der Einbau von Aquaporinen in der Niere, sodass es zu großen Mengen unkonzentrierten Urins kommt (Polyurie). Kompensatorisch führt dies zu einem ausgeprägten Durstgefühl mit erhöhter Trinkmenge (Polydipsie).
Es wird eine zentrale von einer renalen Form unterschieden und differenzialdiagnostisch von der primären Polydipsie abgegrenzt. Dem Diabetes insipidus centralis liegt ein ADH-Mangel zugrunde, der am häufigsten idiopathisch, aber auch durch Tumoren oder Operationen der Hypophyse verursacht werden kann. Der deutlich seltenere Diabetes insipidus renalis wird durch ein vermindertes Ansprechen der Niere gegenüber ADH bewirkt und tritt am häufigsten medikamentenassoziiert (z.B. Lithium) auf.
Diagnostisch ist neben der Bestimmung der Serum- und Urinosmolalität der Durstversuch ein etablierter Test, bei dem es unter fehlender Hydrierung („Dursten“) nicht zu einer Harnkonzentrierung kommt. Zunehmend relevant zur Differenzierung der zentralen von der renalen Form ist die stimulierte oder unstimulierte Bestimmung von Copeptin, einer abgespalteten Peptidkette des ADH-Prohormons. Entscheidend für die kausale Therapie ist die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache. Besonders beim Diabetes insipidus centralis ist zudem die Gabe des ADH-Analogons Desmopressin indiziert. Bei der renalen Ursache ist eine supportive Behandlung mit einer natriumarmen Ernährung oder Thiaziddiuretika möglich.
Epidemiologie
- Prävalenz: Seltene Erkrankung mit 4 Fällen/100.000 Einwohner:innen
- Geschlecht: ♂ = ♀
- Alter: In jedem Lebensalter
- Erkrankungsbeginn bei hereditärer Ursache: 1. Lebensmonat bis zur 3. Lebensdekade
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Man unterscheidet den Diabetes insipidus centralis vom Diabetes insipidus renalis. Im angloamerikanischen Raum wird die primäre Polydipsie auch als Unterform dem Diabetes insipidus zugerechnet (siehe auch: Primäre Polydipsie).
Diabetes insipidus centralis/neurohormonalis (häufigste Form) [1][2][4][5][6][7]
Verursacht durch ungenügende/fehlende Produktion von antidiuretischem Hormon (ADH) im Hypothalamus (Syntheseort) bzw. ungenügende/fehlende Speicherung oder Freisetzung aus dem Hypophysenhinterlappen (Speicherort)
Erworben (circa 90%)
- Idiopathisch: Häufigste Form bei Erwachsenen (30–50%)
- Postoperativ nach neurochirurgischen Eingriffen: Insb. der Hypophyse [8][9]
- Schädelhirntrauma
- Vaskulär
- Zerebrale oder hypothalamische Blutung
- Hirninfarkt
- Aneurysma
- Hirntumor
- Primärer Hirntumor (häufigste Ursache bei Kindern) insb. Kraniopharyngeom, Germinom, Meningeom, Gliome, Hypophysenadenome [10]
- Metastase (insb. Bronchial- und Mammakarzinom, Lymphom)
- Entzündung
- Infektion
- Radiotherapie [1]
- Schwangerschaft (siehe auch: Diabetes insipidus in der Schwangerschaft)
- Defekte der Osmorezeptoren des Hypothalamus, Sonderform: Diabetes insipidus mit Adipsie
Hereditär (circa 10%) [1][3][5]
- Mutation im AVP-Gen (autosomal-dominant, häufigste hereditäre Form)
- Wolfram-Syndrom durch Mutation im WFS1-Gen (Wolframin) (autosomal-rezessiv) [11]
Am häufigsten tritt der Diabetes insipidus centralis ohne klar erkennbare Ursache (idiopathisch) auf!
Diabetes insipidus renalis (selten)
Verursacht durch fehlende hormonelle Wirkung des ADH am distalen Tubulus und Sammelrohr der Niere infolge insensitiver Rezeptoren [1][2][4]
Erworben
- Medikamentös-toxisch
- Lithium (häufigste Ursache) [2][5]
- Tetrazyklin, Cisplatin, Foscarnet, Clozapin, Amphotericin B, Aminoglycoside [12]
- Elektrolytstörungen
- Hämatologische Erkrankungen
- Übermäßiger Eiweißkonsum
Hereditär
- Meist Mutationen in AVPR2-Gen (X-chromosomal)
- Selten Mutationen in Aquaporin-2-Gen (autosomal-rezessiv oder autosomal-dominant)
Der Diabetes insipidus renalis ist selten und tritt am häufigsten infolge einer Behandlung mit Lithium auf!
Pathophysiologie
Regulation der Harnkonzentrierung
- Wasserhaushalt des Körpers wird über Durstgefühl, ADH und Nieren reguliert (siehe auch: Wasserhaushalt)
-
ADH steuert Wasserhaushalt über hypothalamisch-hypophysäres System
- Synthese im Hypothalamus → Verschluss in Vesikeln → Transport entlang der Neurone im Hypophysenstiel in den Hypophysenhinterlappen mithilfe von Neurophysin II → Speicherung in Hypophyse als Prohormon
- Serumosmolalität↑ (Registrierung über Osmorezeptoren) oder Blutdruck↓ (Registrierung über Barorezeptoren) → Abspaltung von Copeptin (Peptid) → Ausschüttung von ADH aus der Hypophyse ins Blut
- ADH bindet an V2-Rezeptoren der distalen Tubuli und Sammelrohre der Niere → Expression und Einbau von Aquaporin-2 (AQP2) ↑ → Rückresorption von freiem Wasser aus dem Urin ↑ → Konzentrierung des Harns ↑
Diabetes insipidus centralis
- ADH↓ durch verminderte Synthese, fehlenden Transport in Hypophyse oder fehlende Ausschüttung [5]
- Bindung von ADH an Rezeptoren der Niere ↓ → Expression und Einbau von Aquaporin-2 (AQP2) ↓
- Rückresorption von freiem Wasser aus dem Urin ↓ → Ausscheidung von unkonzentriertem Harn ↑ (Polyurie)
- Serumosmolalität↑ → Durstgefühl↑ → Trinkmenge↑ (Polydipsie)
Diabetes insipidus renalis
- ADH normwertig, aber verminderte Sensitivität der V2-Rezeptoren in den distalen Tubuli und Sammelrohren der Niere
- Expression und Einbau von Aquaporin-2 (AQP2) ↓
- Rückresorption von freiem Wasser aus dem Urin ↓ → Ausscheidung von unkonzentriertem Harn ↑ (Polyurie)
- Serumosmolalität↑ → Durstgefühl↑ → Trinkmenge↑ (Polydipsie)
Symptomatik
Das klinische Bild des Diabetes insipidus wird durch das Polyurie-Polydipsie-Syndrom geprägt. Weitere Symptome sind unspezifisch oder auf die zugrunde liegende Ursache des Diabetes insipidus zurückzuführen (z.B. Sehstörungen bei Hirntumor).
- Leitsymptom: Polyurie-Polydipsie-Syndrom
- Weitere Symptome
- Schlaflosigkeit
- Bevorzugung kalter Getränke
-
Dehydrierung
- Gewichtsveränderung
- Abgeschlagenheit und Myalgien
- Obstipation
- Hypotonie bis zu hypovolämischem Schock
- Desorientierung, Bewusstlosigkeit, epileptische Anfälle
- Weitere Symptome durch die Grunderkrankung (z.B. Sehstörungen bei Hirntumor)
- Kinder: Häufiger auch unspezifische Beschwerden [3][10]
- Symptombeginn: Meist plötzlich
- Langsam progredient bei Menschen mit AVP-Mutation, Entzündung oder nach Radiotherapie [13]
Bei fehlender Nykturie ist ein Diabetes insipidus praktisch ausgeschlossen!
Verlaufs- und Sonderformen
Primäre Polydipsie [1][5][12][14]
- Definition: Übermäßiger Flüssigkeitskonsum (Polydipsie) unterschiedlicher Ursache führt zu Polyurie trotz zunächst adäquater ADH-Freisetzung und -Wirkung, differenzialdiagnostisch schwierig vom Diabetes insipidus zu unterscheiden
- Ätiologie
- Verminderter osmotischer Grenzwert für das Durstempfinden
- Assoziiert mit Tumoren, Schädelhirntraumen und vaskulären Veränderungen
- Medikamentös-toxisch: Bspw. Anticholinergika
- Psychogene Polydipsie: Assoziiert mit psychiatrischen Erkrankungen, insb. Schizophrenie, schizoaffektive Störung, bipolare Störung und Anorexia nervosa
- Habituelle Polydipsie: Steigende Prävalenz bei gesundheitsbewussten Menschen
- Beer Potomania
- Symptome [13]
- Langsamer Beginn
- Polyurie
- Polydipsie
- Nykturie
- Diagnostik: Diagnostik des Polyurie-Polydipsie-Syndroms (siehe auch: Diabetes insipidus - Diagnostik)
- Therapie: Bislang keine evidenzbasierte Therapie verfügbar
- Behandlung der zugrunde liegenden psychiatrischen/neurologischen Erkrankung anstreben
- Ggf. Verhaltenstherapie
- Bei vermehrtem Trinken durch trockenen Mund: Lutschen von Zitronenbonbons, Mund anfeuchten
- Komplikationen: Hyponatriämien und Wasserintoxikationen
- Prognose: Nach Therapie der psychiatrischen/neurologischen Erkrankung teilweise regredient [2]
Die Symptome unterscheiden sich zwischen Diabetes insipidus centralis/renalis und der primären Polydipsie kaum, sodass zur Differenzierung die Diagnostik entscheidend ist! [13]
Diabetes insipidus mit Adipsie [3][15]
- Durch Defekte der Osmorezeptoren tritt kein/vermindertes Durstgefühl auf → Keine (ausreichende) kompensatorische Flüssigkeitsaufnahme
- Häufig in Kombination mit einer anderen Ursache des Diabetes insipidus
- Gehäuftes Auftreten von Komplikationen (z.B. symptomatische Hypernatriämien )
- Therapie: Grundsätzlich analog zur Therapie des Diabetes insipidus centralis
- Trainieren der Flüssigkeitsaufnahme zu festen Zeiten
Diagnostik
Anamnese [1]
- Beginn der Symptomatik (schleichend, plötzlich)
- Beschreibung der Polyurie (Menge, Häufigkeit)
- Vorgeschichte (Schädelhirntrauma, neurochirurgische Operationen, Meningitis in der Kindheit, bekannte Neoplasie)
- Begleitsymptome (Kopfschmerzen, Sehstörungen)
- Symptome einer Hypophyseninsuffizienz (Wachstumsminderung, Zyklusveränderungen, Adynamie)
- Psychiatrische Vorerkrankungen
- Familienanamnese
Körperliche Untersuchung [1]
- Ausmaß der Dehydrierung: Blutdruck, Puls, Hautturgor, Feuchtigkeit der Schleimhäute, Körpergewicht
- Augen: Gesichtsfeldprüfung, Augenbeweglichkeit, Doppelbilder
- Ggf. Haut und Lymphknoten
Labordiagnostik [1][2][4][5][8][12][16]
Die Labordiagnostik des Polyurie-Polydipsie-Syndroms kann in drei Schritte untergliedert werden:
- 24-h-Sammelurin
- Allgemeine Labordiagnostik
- Spezielle Diagnostik
Häufige und einfach auszuschließende Differenzialdiagnosen einer Polyurie sollten zunächst ausgeschlossen werden, insb. Diabetes mellitus, Hyperkalzämie oder eine (übermäßige) Diuretika-Einnahme!
24-h-Sammelurin
- Indikation: Nachweis einer hypotonen Polyurie
- Polyurie: Erwachsene: >50 mL/kgKG/24 h oder >3 L/d
- Hypoosmolalität des Urins: <800 mOsm/kg
- Vorbereitung: Diuretika und SGLT2-Inhibitoren für mind. 24 h zuvor pausieren
- Durchführung: 24-h-Sammelurin mit Kreatininbestimmung
- Interpretation
- Hypotone Polyurie → Mit allgemeiner Labordiagnostik fortfahren
- Fehlende Polyurie oder isotoner/hypertoner Harn → Diabetes insipidus - Differenzialdiagnosen bedenken
Allgemeine Labordiagnostik [1][5][12]
- Natrium und Osmolalität im Serum: Eingrenzung des Krankheitsbildes
- Natrium↓ (<135 mmol/L) und/oder Osmolalität↓ (<280 mOsm/kg): Primäre Polydipsie
- Natrium und Osmolalität sind normwertig [13] → Spezielle Diagnostik
- Natrium↑ (>147 mmol/L) und/oder Osmolalität↑ (>300 mOsm/kg): Verdacht auf Diabetes insipidus → Spezielle Diagnostik
- Kreatinin im Serum: Ausschluss einer Nierenfunktionsschädigung
- Elektrolyte im Serum (Natrium, Kalium, Calcium): Ausschluss von Elektrolytstörungen
- Glucose, HbA1c: Ausschluss eines Diabetes mellitus
Üblicherweise ist bei einem Diabetes insipidus die Urinosmolalität vermindert, während die Serumosmolalität erhöht ist!
Spezielle Diagnostik [1][2][4][5]
Übersicht spezielle Diagnostik bei Diabetes insipidus | ||||
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Test | Indikation | Erklärung | Vorteile | Nachteile |
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Desmopressin-Test, Teil des Durstversuchs |
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Durstversuch [1][12][18]
- Definition: Diagnostischer Test, um einen Diabetes insipidus mittels fehlender Hydratation („Dursten“) festzustellen; normalerweise wird beim Dursten der Harn zunehmend konzentriert, beim Diabetes insipidus bleibt diese Regulation aus [18]
- Durchführung
- Vorbereitung
- Absetzen von Diuretika für mind. 24 h
- Koffein- und Nikotinverzicht für mind. 24 h
- Elektrolytveränderungen ausgleichen
- Basiswerte messen
- Urin-/Serumosmolalität, Serumnatrium
- Körpergewicht, Blutdruck, Herzfrequenz
- Monitoring während des Tests
- Stündliche Messung: Körpergewicht, Blutdruck und Puls
- 2-stündliche Messung: Urinmenge und -osmolalität, Serumosmolalität und -natrium
- Durchführung für 17 h oder Abbruch bei
- Serumnatrium ≥146–150 mmol/L
- Gewichtsverlust von >3% des Eigengewichts
- Schwindel, orthostatische Dysregulation, nicht aushaltbares Durstgefühl
- Ggf. Ergänzung mit Desmopressin-Test
- Vorbereitung
- Interpretation
- Urinosmolalität↑ ≥800 mOsm/kg: Unauffällig
- Urinosmolalität↔︎ 300–800 mOsm/kg: Primäre Polydipsie oder unvollständiger Diabetes insipidus centralis
- Urinosmolalität↓ <300 mOsm/kg: Diabetes insipidus
Bei der primären Polydipsie steigt nach mehrstündigem Dursten die Urinosmolalität an, bei Vorliegen eines Diabetes insipidus nicht!
Desmopressin-Test [1]
- Definition: Teil des Durstversuchs; ist im Durstversuch eine Harnkonzentrierung ausgeblieben, kann mittels anschließender Desmopressin-Gabe (ADH-Analogon) zwischen Diabetes insipidus centralis und Diabetes insipidus renalis differenziert werden
- Durchführung
- Gabe des ADH-Analogons Desmopressin [19] am Ende des Durstversuchs oder eine Stunde vor Ende des Tests
- Bestimmung Urinosmolalität vor und nach Gabe
- Interpretation [20]
- Nach Durstversuch Urinosmolalität <300 mOsm/kg und nach ADH-Gabe
- Urinosmolalität↑ >50%: Diabetes insipidus centralis
- Urinosmolalität↑ ≤50%: Diabetes insipidus renalis
- Nach Durstversuch Urinosmolalität 300–800 mOsm/kg und nach ADH-Gabe
- Urinosmolalität↑ >9%: Unvollständiger Diabetes insipidus centralis
- Urinosmolalität↑ <9%: Primäre Polydipsie
- Nach Durstversuch Urinosmolalität <300 mOsm/kg und nach ADH-Gabe
Copeptin-Basiswert-Messung [21]
- Definition: Nachweis von Copeptin im Blut, das die ADH-Konzentration widerspiegelt
- Durchführung: Blutabnahme und Messung des Copeptins ohne vorheriges Dursten
- Interpretation
- >21,4 pmol/L ohne Flüssigkeitsrestriktion: Diabetes insipidus renalis [16][21]
- <2,6 pmol/L (insb. mit Flüssigkeitsrestriktion für >8 h): Diabetes insipidus centralis [1][12][16]
- 2,6–21,4 pmol/L oder <2,6 pmol/L ohne Flüssigkeitsrestriktion: Weitere Diagnostik
Hypertone kochsalzstimulierte Copeptin-Messung [1][4][13][20]
- Definition: Diagnostischer Test, bei dem mit der Infusion von NaCl 3% die Konzentrierung des Harns und damit die Ausschüttung von ADH stimuliert und anhand der Messung von Copeptin bestimmt wird
- Durchführung: Strenges Protokoll; dauert 2–3 h
- Infusion von NaCl 3% (erst 250 mL Bolus über 10–15 min, dann 0,15 mL/kgKG/min)
- Alle 30 min: Messung Serumnatrium und Urinosmolalität
- Beendigung bei Serumnatrium ≥150 mmol/L
- Copeptin-Messung am Ende
- Rehydrierung: Patient:in trinkt Wasser (30 mL/kgKG innerhalb von 30 min), anschließend i.v. Gabe von 5%iger Glucose 500 mL/h für 1 h mit erneuter anschließender Natrium-Messung
- Infusion von NaCl 3% (erst 250 mL Bolus über 10–15 min, dann 0,15 mL/kgKG/min)
- Interpretation
- Copeptin >4,9 pmol/L: Primäre Polydipsie
- Copeptin ≤4,9 pmol/L: Diabetes insipidus centralis
Arginin-stimulierte Copeptin-Messung [1][17]
- Definition: Diagnostischer Test, bei dem mit der Gabe von Arginin die ADH-Ausschüttung stimuliert wird; wird aktuell noch nicht regelhaft angewendet [1][17]
- Durchführung: Infusion von Arginin, 60 min später Messung von Copeptin
- Gelegentlich Übelkeit und Erbrechen
- Interpretation
- Copeptin >3,8 pmol/L: Primäre Polydipsie
- Copeptin <3,8 pmol/L: Diabetes insipidus centralis
Genetische Untersuchung [10]
- Indikation: Erkrankte mit einer positiven Familienanamnese oder bei idiopathischem Diabetes insipidus bei Kindern
- Durchführung: In speziellen Zentren
Differenzialdiagnose des idiopathischen Diabetes insipidus centralis [1][12]
- Anamnese und körperliche Untersuchung
- cMRT: Wichtigste Maßnahme
- Wiederholung nach 3–6 Monaten bei weiterhin fehlenden Hinweisen
- Screening auf Hypophyseninsuffizienz: Morgendliche Bestimmung von GH, Prolactin, ACTH, TSH, FSH, and LH und deren Zielhormonen IGF-1, Cortisol, fT3/fT4, Testosteron und Östradiol
- Wiederholung nach 3–6 Monaten bei weiterhin fehlenden Hinweisen
- Screening auf Systemerkrankung: Differenzialblutbild, Elektrolyte, Leber- und Nierenfunktion, CRP, BSG
- Spezielle Diagnostik erwägen
- Lumbalpunktion
- IgG4
- β-hCG, AFP
- Röntgen-Thorax bzw. Bestimmung ACE + löslicher IL-2-Rezeptor
- Haut-, Lymphknoten- bzw. Lungenbiopsie
Die genaue ätiologische Eingrenzung des Diabetes insipidus centralis mittels MRT des Kopfes und weiterer Diagnostik ist entscheidend für die bestmögliche Therapie!
Differenzialdiagnosen
- Diabetes mellitus
- Hyperkalzämie
- (Übermäßige) Einnahme von Diuretikum/SGLT2-Inhibitor [4]
- Benigne Prostatahyperplasie
- Harnwegsinfektion
- Harninkontinenz
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Allgemeine Maßnahmen
- Behandlung der Grunderkrankung ist entscheidend (z.B. Tumorresektion, Absetzen der Medikation) [5]
- Bei Aufnahme ins Krankenhaus Spezialist:in für Endokrinologie konsultieren [22]
Die wichtigste Maßnahme ist die Behandlung der Grunderkrankung!
Flüssigkeitsgabe [1][5][22]
- Wichtigste Akutmaßnahme bei Dehydrierung oder Hypernatriämie (z.T. lebensbedrohlich)
- Meist reguliert das Durstgefühl die kompensatorische Aufnahme bei Flüssigkeitsverlusten, außer bei
- Kindern, Bewusstlosen (z.B. postoperativ), Menschen mit funktioneller Einschränkung
- Diabetes insipidus mit Adipsie
- Indikation
- Hypernatriämie/Hyperosmolalität des Blutes
- Normonatriämie/Euosmolalität des Blutes
- Volumenmangel/hypovolämischer Schock
- Durchführung: Grundsätzlich besser p.o. als i.v., schnellstmögliche Umstellung auf p.o.
- Bei Hypernatriämie/Hyperosmolalität des Blutes
- p.o. mit hypoosmolarer Flüssigkeit (Milch/Wasser), sonst i.v. (Glucose 5%)
- Zu schnelle Korrektur der Hypernatriämie unbedingt vermeiden (>0,5 mmol/L/h oder >10 mmol/L/24 h), siehe auch: Hirnödem bei Ausgleich einer Hypernatriämie
- Bei Normonatriämie/Euosmolalität des Blutes
- p.o. , sonst i.v. (Vollelektrolytlösung) und
- Desmopressin nach zuvor festgelegter Dosierung unverändert verabreichen
- Bei Volumenmangel/hypovolämischer Schock
- p.o. mit hypoosmolarer Flüssigkeit (Milch/Wasser), sonst i.v. (Glucose 5%), bei hypovolämischem Schock: Vollelektrolytlösung
- 50% des Flüssigkeitsdefizits in den ersten 24 h ausgleichen, weiterer Ausgleich innerhalb der nächsten 48–72 h (unter Beachtung des Serumnatriums) [5]
- Flüssigkeitsdefizit = 0,6 × Körpergewicht (in kg, vor Erkrankung) × (1-140/[Na+ in mmol/L)
- Bei Hypernatriämie/Hyperosmolalität des Blutes
- Monitoring: Kontrolle des Flüssigkeitshaushalts, Bilanzierung von Ein- und Ausfuhr, Serumnatrium, ggf. Anpassung der Volumengabe [22]
- Wache Erkrankte, die eigenständig Medikation einnehmen können und weder Hypernatriämie noch Flüssigkeitsdefizit haben: Alle 24 h
- Postoperative bewusstlose Erkrankte: Alle 12 h
- Kritisch kranke Patient:innen oder dekompensierter Diabetes insipidus: Alle 4 h, nach Stabilisierung alle 12 h
- Verlegung auf eine Intermediate-Care-Station oder Intensivstation frühzeitig evaluieren
Bei fehlender Wasserzufuhr (z.B. bei Pflegebedürftigkeit und Kindern) kann es zu schwerer Dehydratation und Bewusstlosigkeit kommen!
Die Flüssigkeitsgabe ist die wichtigste Akutmaßnahme und sollte möglichst p.o. mit hypoosmolarer Flüssigkeit erfolgen!
Aufklärung der Erkrankten
- Ziel: Dehydrierung und Elektrolytstörungen verhindern
- Anpassung der Trinkmenge an Alltag, Bewegung und Wetter
- Wichtigkeit der Desmopressin-Einnahme
- Trinken nach Durstgefühl
- Ausnahme: Diabetes insipidus mit Adipsie
- Komplexe Behandlung durch endokrinologisches Zentrum
- Flüssigkeitsaufnahme nach täglicher Routine und Körpergewichtsmessung in Abhängigkeit von der Desmopressin-Einnahme
- Ausnahme: Diabetes insipidus mit Adipsie
Diabetes insipidus centralis [1][4][5][10]
Desmopressin (ADH-Analogon)
- Mechanismus: ADH-Mangel wird durch synthetisches ADH-Analogon (Vasopressin-Analogon) Desmopressin ausgeglichen → Besserung durch Gabe hat auch diagnostischen Wert
- Ziel: Symptomatik des Polyurie-Polydipsie-Syndroms reduzieren ohne das Auftreten von Hyponatriämien (Hinweis auf Übertherapie)
- Dosierung: Nasal, i.v. oder p.o. (initial i.v./nasal zur besseren Steuerung, später p.o.)
- Langsame Eindosierung, da individuelle Dosis notwendig
- Empirischer Beginn mit niedrigster Dosis (bei kritisch Erkrankten zunächst am besten i.v.)
- i.v./s.c. [1][5][19] oder intranasal [1][23]
- Sublingual [24]
- p.o. [1][25]
- Zunächst Diurese zwischen Gaben zulassen (erst nach erneuter Polyurie wieder Desmopressin verabreichen) und später feste Gaben und Dosierung etablieren
- Wichtige Nebenwirkung: Hyponatriämie und Wasserintoxikation (siehe auch: Komplikationen des Diabetes insipidus)
- Therapiesteuerung: Messung des Körpergewichts, Serumnatriums und der Flüssigkeitsein- und -ausfuhr (Bilanzierung) [22]
- Bei bewusstlosen Erkrankten mind. 2× tgl.
- Unter i.v. Flüssigkeitsgabe mind. 1× tgl.
- Bei Eindosierung (mehrfach) täglich, dann Intervalle verlängern
- Dauer: Bei Symptomatik fortsetzen, je nach Ursache auch lebenslang
- Sonderfall: Desmopressin im postoperativen Verlauf [5][10]
- Intravenöse Gabe bevorzugen
- Adjustierung der Desmopressin-Gabe bei meist transienter Symptomatik mind. täglich
- Sehr engmaschige Kontrolle des Serumnatrium: Alle 4–6 h
Um häufige Hyponatriämien unter Desmopressin zu vermeiden, sollte eine langsame Eindosierung unter engmaschiger Überwachung mit Kontrolle des Serumnatriums erfolgen!
Diabetes insipidus renalis [1][2][4]
- Desmopressin in (sub‑)maximaler Dosis (Hinweise zur Eindosierung, siehe auch: Desmopressin)
- Thiazide (in Kombination mit natriumarmer Ernährung) [26]
- Natriumarme Ernährung [2]
- Ggf. NSAR
- Ggf. Amilorid bei Lithium-induziertem Diabetes insipidus, falls Lithium nicht abgesetzt werden kann
Komplikationen
Auftreten
- Keine (ausreichende) kompensatorische Flüssigkeitsaufnahme [1][22]
- Diabetes insipidus mit Adipsie
- Fehlender Zugang zu Wasser (Bewusstlosigkeit, Kinder, funktionelle Einschränkung)
- Erkrankung mit z.B. Durchfall oder Fieber, die Flüssigkeitsgleichgewicht dekompensieren lässt
- Bei verpasster/verspäteter Einnahme von Desmopressin, z.B. bei Krankenhauseinlieferung [1][22]
Besonders auf Komplikationen achten sollte man bei fehlender kompensatorischer Flüssigkeitsaufnahme oder bei Hospitalisierung von Erkrankten (auch bei anderer Ursache)!
Durch korrektes Flüssigkeitsmanagement von Personen mit Diabetes insipidus können Komplikationen vermieden werden!
Hyponatriämie [22][27]
- Ursache: Mögliche Nebenwirkung der Therapie mit Desmopressin
- Häufigkeit: Bei 30% der ambulanten Erkrankten unter Desmopressin-Therapie
- Meist mild und asymptomatisch
- Selten schwer, dann bei reduzierter Therapieadhärenz
- Therapie: Hier nur Besonderheiten der Hyponatriämie unter Desmopressin (siehe auch: Therapie der Hyponatriämie)
- Endokrinologische Expertise einholen
- Zwei Möglichkeiten der Behandlung
- Desmopressin pausieren: Gefahr des (zu) schnellen Natriumanstiegs (>10–12 mmol/d bzw. >0,5 mmol/L/h)
- Desmopressin weitergeben: Hyponatriämie mit NaCl 3% unter intensivmedizinischer Überwachung korrigieren
- Prävention: Adäquate (Ein‑)Dosierung von Desmopressin (siehe auch: Therapie des Diabetes insipidus)
Hypernatriämie [22][27]
- Ursache: Durch Ausscheidung hypotonen Urins und fehlender kompensatorischer Flüssigkeitsaufnahme kommt es zur Hyperosmolalität/Hypernatriämie im Blut
- Bei Diabetes insipidus mit Adipsie
- Durch inadäquate i.v. Flüssigkeitsgabe, bspw. bei Krankenhausaufenthalten
- Häufigkeit: Insbesondere bei hospitalisierten Patient:innen mit Diabetes insipidus
- Therapie siehe: Therapie des Diabetes insipidus
- Prävention: Adäquates Flüssigkeitsmanagement bei Menschen mit Diabetes insipidus im Krankenhaus (siehe auch: Therapie des Diabetes insipidus)
Durch adäquates Flüssigkeitsmanagement bei Menschen mit Diabetes insipidus im Krankenhaus können Hypernatriämien vermieden werden!
Hyperkoagulabilität [1][27]
- Erhöhtes Risiko für Thromboembolien und Lungenarterienembolien bei Dehydrierung und Hypernatriämie, insb. bei Immobilität
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
Im Folgenden wird die Prognose für den Diabetes insipidus im Erwachsenenalter aufgeführt. Die Prognose der anderen Entitäten siehe: Diabetes insipidus in der Kindheit, Diabetes insipidus in der Schwangerschaft und primäre Polydipsie.
- Diabetes insipidus centralis [1][2]
- Grundsätzlich gut, jedoch stark abhängig von der Ätiologie
- Schlechter bei maligner Genese
- Meist vollständig regredient bei postoperativem Auftreten [9]
- Verschlechtert die Prognose einer Grunderkrankung wie Hypophyseninsuffizienz [20] oder Schädelhirntrauma [28]
- Grundsätzlich gut, jedoch stark abhängig von der Ätiologie
- Diabetes insipidus renalis [1][2]
- Oft vollständig regredient bei medikamentös-toxischer Ursache insb. bei erst kurzer Einnahme des Medikaments
Menschen mit fehlender Kontrolle der Polyurie haben eine deutlich reduzierte Lebensqualität – die Einstellung der Medikation ist daher entscheidend! [2]
Diabetes insipidus bei Kindern
Der Diabetes insipidus im Kindesalter ist eine seltene Erkrankung. Die meisten generellen Informationen zum Krankheitsbild finden sich weiter oben. Im Folgenden werden nur die Besonderheiten der Diagnostik und Therapie bei Kindern besprochen.
Diagnostik [3][5][6][10][29][30]
Die Labordiagnostik des Polyurie-Polydipsie-Syndroms bei Kindern kann in drei Schritte untergliedert werden:
- 24-h-Urinmessung
- Allgemeine Labordiagnostik
- Spezielle Diagnostik
Häufige und einfach auszuschließende Differenzialdiagnosen einer Polyurie sollten zunächst ausgeschlossen werden, insb. Diabetes mellitus, Hyperkalzämie oder die (übermäßige) Einnahme von Diuretika!
24-h-Urinmessung
- 24-h-Sammelurin mit Kreatininbestimmung
- Polyurie: Pathologisch erhöhte Urinausscheidung >2 L/m2/24 h
- Neugeborene: >150 mL/kgKG/24 h
- ≤2 Jahren: >100 mL/kgKG/24 h
- >2 Jahre: ≥40–50 mL/kgKG/24 h
- Hypoosmolalität des Urins: <600 mOsm/kg
- Polyurie: Pathologisch erhöhte Urinausscheidung >2 L/m2/24 h
- Interpretation
- Hypotone Polyurie: Weitere Diagnostik
- Fehlende Polyurie oder isotoner/hypertoner Harn: Differenzialdiagnosen bedenken
Allgemeine Labordiagnostik [6][10][29]
- Bestimmung von Serum- und Urinosmolalität
- Serumosmolalität <270 mOsm/kg: Primäre Polydipsie
- Serumosmolalität >300 mOsm/kg und Urinosmolalität <300 mOsm/kg: Diabetes insipidus
- Alle anderen Konstellationen: Durstversuch
- Kreatinin im Serum
- Elektrolyte im Serum: Natrium, Kalium, Calcium
- Glucose: Im Urin und Serum, ggf. HbA1c
Spezielle Labordiagnostik
- Durstversuch ist diagnostischer Goldstandard
- Neue diagnostische Methoden für Kinder noch nicht hinreichend untersucht (Copeptin-Basiswert-Messung, hypertone kochsalzstimulierte Copeptin-Messung, Arginin-stimulierte Copeptin-Messung)
Durstversuch bei Kindern [3][10][29]
- Definition: Diagnostischer Test, um einen Diabetes insipidus mittels fehlender Hydratation („Dursten“) festzustellen [18]
- Durchführung
- Basiswerte messen
- Serumnatrium sollte vor Testbeginn <143–145 mmol/L und -osmolalität <300 mOsm/kg sein
- Urinosmolalität bestimmen
- Leichtes Frühstück mit wenig Flüssigkeit, dann Beginn des Durstens
- Monitoring während des Tests
- Jede h: Körpergewicht, Blutdruck, Puls, Urinvolumen und Durstgefühl
- Alle 2 h: Glucose, Harnstoff, Serumosmolalität, Urinosmolalität
- Durchführung für 7–10 h oder Abbruch bei
- Serumosmolalität ≥295 mmol/L
- Urinosmolalität <300 mOsm/kg
- Reduktion des Körpergewichts >5%
- Serumnatrium >143–145 mmol/L
- Abschlusswerte bestimmen: Urinosmolalität
- Ggf. Ergänzung mit Desmopressin-Test
- Basiswerte messen
- Interpretation
- Serumosmolalität >300 mOsm/kg oder Urinosmolalität <300 mOsm/kg oder Urin-/Serumosmolalität <1: Diabetes insipidus
- Urinosmolalität 300–750 mOsm/kg: Partieller Diabetes insipidus oder primäre Polydipsie
- Urinosmolalität >750 mOsm/kg: Primäre Polydipsie
Bei Neugeborenen und Kleinkindern ist das Verhältnis der Urin-/Serumosmolalität ≥1,5 oder eine Urinosmolalität >450 mOsm/kg nach dem Durstversuch ein Hinweis auf eine adäquate Urinkonzentrierung!
Der Durstversuch ist bei Kleinkindern (insb. Neugeborenen) wegen möglicher Dehydrierung streng zu indizieren und engmaschig zu überwachen!
Desmopressin-Test bei Kindern [6][10][29]
- Definition: Teil des Durstversuchs; ist im Durstversuch Harnkonzentrierung ausgeblieben, kann mittels anschließender Desmopressin-Gabe (ADH-Analogon) zwischen Diabetes insipidus centralis und Diabetes insipidus renalis differenziert werden
- Durchführung
- Verabreichung von Desmopressin am Ende des Durstversuchs
- i.v.
- Kinder <1 Jahr [19]
- Kinder >1 Jahr [19]
- Intranasal [10][23]
- Kinder <1 Jahr [23]
- Kinder >1 Jahr [23]
- i.v.
- Messung von Urinmenge und -osmolalität für 4 h
- Abschlusswerte bestimmen: Serum- und Urinosmolalität, Serumnatrium, Harnstoff, Glucose
- Rehydrierung
- Verabreichung von Desmopressin am Ende des Durstversuchs
- Interpretation
- Urinosmolalität↑ und Urinmenge↓: Diabetes insipidus centralis
- Urinosmolalität und Urinmenge ↔︎: Diabetes insipidus renalis
Weitere Diagnostik [5][10]
- Genetische Untersuchung: Bei positiver Familienanamnese und/oder idiopathischem Diabetes insipidus
- Durchführung: In speziellen Zentren, da verschiedene Mutationen möglich (siehe oben: Ätiologie)
- Screening auf Hypophyseninsuffizienz: Bei Diabetes insipidus centralis
- cMRT: Wichtigste Maßnahme zur ätiologischen Klärung bei Diabetes insipidus centralis
- Alle 3–6 Monate
- Ggf. Biopsie erwägen bei Hypophysenstiel >6,5 mm, Hypophysenvergrößerung oder Beteiligung des 3. Ventrikels
- Screening auf Systemerkrankung: Bei idiopathischem Diabetes insipidus
- Durchführung: Differenzialblutbild, Elektrolyte, Leber- und Nierenfunktion, CRP, BSG
Therapie
Die Therapie des Diabetes insipidus gliedert sich in allgemeine Maßnahmen, die für alle Kinder relevant sind, und die spezifische, von der Ätiologie abhängige Therapie.
Allgemeine Maßnahmen [5]
- Ausgleich des Flüssigkeitsdefizits: Bei Zeichen der Dehydrierung oder Hypernatriämie
- Anbieten von Flüssigkeit
- Grundsätzlich besser p.o. als i.v. oder schnellstmögliche Umstellung auf p.o.
- p.o. mit hypoosmolarer Flüssigkeit (Milch/Wasser), sonst i.v. (Glucose 5%)
- Zu schnelle Korrektur der Hypernatriämie unbedingt vermeiden (>0,5 mmol/L/h oder >10 mmol/L/24 h) (siehe auch: Hirnödem bei Ausgleich einer Hypernatriämie)
- Behebung der Ursache: Bspw. Tumorresektion, Absetzen der Medikation, Ausgleich von Elektrolytstörungen
- Aufklärung der Kinder und Eltern
- Gefahr der Dehydrierung und Hypernatriämie
- Anpassung der Trinkmenge an Alltag, Bewegung und Wetter
- Wichtigkeit der (regelmäßigen) Medikationseinnahme
- Trinken nach Durstgefühl
- Ausnahme: Diabetes insipidus mit Adipsie
- Flüssigkeitsaufnahme nach täglicher Routine und Körpergewichtsmessung in Abhängigkeit von der Desmopressin-Einnahme
- Komplexe (Mit‑)Behandlung durch endokrinologisches Zentrum
- Ausnahme: Diabetes insipidus mit Adipsie
Bei fehlender Wasserzufuhr kann es zu schwerer Dehydrierung und Bewusstlosigkeit kommen!
Die wichtigste Maßnahme ist die Behandlung der Ursache!
Diabetes insipidus centralis [1][4][5][10]
Der ADH-Mangel beim Diabetes insipidus centralis kann durch das synthetische ADH-Analogon Desmopressin oder durch Thiazide verbessert werden. Bei Neugeborenen gelten Besonderheiten.
Desmopressin (pädiatrisch)
- Mechanismus: ADH-Mangel wird durch synthetisches ADH-Analogon Desmopressin ausgeglichen → Besserung durch Gabe hat auch diagnostischen Wert
- Ziel: Reduktion der Polyurie-Polydipsie ohne Hyponatriämien als Zeichen der Übertherapie
- Eindosierung
- Langsam, da individuelle Dosis notwendig
- Zunächst Applikation nasal oder i.v. zur besseren Steuerung, später oral
- Empirischer Beginn: Möglichst niedrige Dosis
- Intranasal [10] [10][23]
- p.o. [10][25]
- Sublingual [24] [10][24]
- i.v.: Nur wenn p.o. oder intranasal nicht möglich
- Kinder <1 Jahr [10][19]
- Kinder ≥1 Jahr [10][19]
- Wichtige Nebenwirkung: Hyponatriämie und Wasserintoxikation (siehe auch: Komplikationen des Diabetes insipidus)
- Therapiesteuerung: Messung des Körpergewichts, Serumnatriums und der Flüssigkeitsein- und -ausfuhr (Bilanzierung) [22]
- Dauer: Bei Symptomatik fortsetzen, je nach Ursache auch lebenslang
Um häufige Hyponatriämien unter Desmopressin zu vermeiden, sollte eine langsame Eindosierung unter engmaschiger Überwachung mit Kontrolle des Serumnatriums erfolgen!
Diabetes insipidus renalis [1][2]
- Thiazide [26]
- Natriumarme Ernährung
- Ggf. Desmopressin in (sub‑)maximaler Dosis
Besonderheiten bei Neugeborenen mit angeborenem Diabetes insipidus [6][10][29]
- Wichtigste Maßnahme: Muttermilch anpassen auf hypoosmolare, natriumarme Milch
- Ggf. zusätzlich bei Diabetes insipidus centralis: Desmopressin intranasal [23] [10]
- Ggf. zusätzlich bei Diabetes insipidus renalis: Thiazide, ggf. mit Amilorid bei Thiazid-induzierter Hypokaliämie [26]
Diabetes insipidus in der Schwangerschaft
Definition [2][31]
- Neuauftreten oder Demaskierung eines zuvor vorhandenen Diabetes insipidus in der Schwangerschaft
Epidemiologie [5][6][31]
- Inzidenz: 1:25.000 Schwangerschaften
- Erhöhtes Risiko: HELLP, andere Leberfunktionsstörung
Pathophysiologie [5][32]
- Plazentare Vasopressinase: Baut ADH ab
- Höchste Werte der Vasopressinase im 3. Trimester
- Werte fallen nach der Geburt bis 2 Wochen postpartum ab
Symptomatik [2]
- Beginn: Am Ende des 2. oder im 3. Trimester
- Siehe: Symptomatik des Diabetes insipidus
Diagnostik [1][2][5]
In diesem Abschnitt wird nur auf die Besonderheiten der Diagnostik in der Schwangerschaft eingegangen, weitere Informationen siehe auch: Diagnostik des Diabetes insipidus.
- Allgemeine Labordiagnostik: Natrium und Osmolalität im Serum zur Eingrenzung des Krankheitsbildes
- Natrium↓ (<135 mmol/L) und/oder Serumosmolalität↓ (<300 mOsm/kg) → Primäre Polydipsie [2]
- Urinosmolalität <300 mOsm/L und Serumosmolalität >285 mOsm/kg → Diabetes insipidus [2]
- Natrium↑ (>146 mmol/L) und/oder Serumosmolalität↑ (>300 mOsm/kg): Verdacht auf Diabetes insipidus → Spezielle Diagnostik erwägen
- Natrium und Serumosmolalität sind normwertig [13] → Spezielle Diagnostik erwägen
- Spezielle Labordiagnostik
- Keine Durchführung von Durstversuchen oder hypertoner Kochsalzstimulation wegen potenzieller Plazentainsuffizienz und Hypernatriämien [5]
- Copeptin-Basiswert-Messung bislang nicht etabliert
Therapie
In diesem Abschnitt wird nur auf die Besonderheiten der Therapie in der Schwangerschaft eingegangen, weitere Informationen siehe auch: Therapie des Diabetes insipidus.
- Desmopressin [5][33]
- Meist höhere Dosierungen nötig, weitere Hinweise siehe: Desmopressin
Prognose [2][5]
- Meist rückläufig innerhalb weniger Tage nach Geburt
- Erhöhtes Risiko einer Präeklampsie im Verlauf der Schwangerschaft
- Erneute Symptomatik mit weiterer Schwangerschaft möglich
- Höheres Risiko, später einen Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- E23.-: Unterfunktion und andere Störungen der Hypophyse
- Inklusive: Aufgeführte Zustände, unabhängig davon, ob die Störung in der Hypophyse oder im Hypothalamus liegt.
- Exklusive: Hypopituitarismus nach medizinischen Maßnahmen (E89.3)
- E23.2: Diabetes insipidus
- Exklusive: Renaler Diabetes insipidus (N25.1)
- N25.-: Krankheiten infolge Schädigung der tubulären Nierenfunktion
- Exklusive: Stoffwechselstörungen, unter E70–E90 klassifizierbar
- N25.1: Renaler Diabetes insipidus
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 90-2019-3/3: Argininstimulierte Copeptinmessung in der Diagnostik des Diabetes insipidus
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