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Trigeminusneuralgie

Letzte Aktualisierung: 24.2.2025

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Bei der Trigeminusneuralgie handelt es sich um einen blitzartig einschießenden einseitigen Gesichtsschmerz. Er ist extrem stark und tritt bevorzugt im Versorgungsgebiet des 2. und 3. Trigeminusastes auf. Der Schmerz hält einige Sekunden an und kann bis zu 100-mal pro Tag auftreten. Schmerzereignisse sind in Ruhe möglich oder können durch Triggerfaktoren wie Kauen oder Berührung ausgelöst werden. Der Leidensdruck der Betroffenen ist sehr hoch. Man unterscheidet eine klassische Form, der ein pathologischer Kontakt zwischen N. trigeminus und einem Gefäß zugrunde liegt, von einer sekundären Form, die bspw. im Rahmen einer Multiplen Sklerose auftritt. Lässt sich bildgebend keine ursächliche strukturelle Läsion feststellen, spricht man von einer idiopathischen Trigeminusneuralgie. Alle drei Formen können mit rein paroxysmalen Schmerzattacken einhergehen oder aber auch von einem Dauerschmerz begleitet sein. Die medikamentöse Behandlung erfolgt v.a. mit Carbamazepin. Auch eine operative Dekompression (mikrovaskuläre Dekompression nach Jannetta), eine Ausschaltung von Schmerzfasern durch Hitze oder eine Bestrahlung des N. trigeminus können sinnvoll sein.

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Epidemiologietoggle arrow icon

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Symptomatiktoggle arrow icon

  • Leitsymptom: Blitzartig einschießende, heftige, einseitige Gesichtsschmerzen
    • Mögliche Triggerfaktoren: Kauen, Schlucken, Sprechen oder Berührungen (bspw. beim Waschen des Gesichts, Zähneputzen etc.)
    • Auftreten als einzelne Attacke oder in Serien, teilweise bis zu 100×/Tag
    • Betroffen ist meist der 2. (N. maxillaris) und/oder der 3. Trigeminusast (N. mandibularis)
  • Mögliche Begleitphänomene
    • Reflektorische Spasmen der mimischen Muskulatur während der Attacke
    • Dumpfer Dauerschmerz zwischen den Attacken [1]

Die Trigeminusneuralgie ist durch blitzartig einschießende, heftige, einseitige Gesichtsschmerzen gekennzeichnet, die sowohl spontan auftreten als auch durch Kauen, Schlucken, Sprechen oder Berührungen ausgelöst werden können!

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Diagnostiktoggle arrow icon

Übersicht der Diagnostik bei Trigeminusneuralgie [1]
Diagnostik Trigeminusneuralgie Trigeminusneuropathie
Klassisch Sekundär Idiopathisch
Anamnese und klinische Untersuchung
  • Keine spezifischen Symptome zur Abgrenzung von anderen Formen einer Trigeminusneuralgie vorhanden
  • Häufig junges Alter
  • Zusätzliche Hinweise auf Grunderkrankung möglich, bspw. beidseitige Symptomatik, sensible Ausfälle
  • Keine spezifischen Symptome zur Abgrenzung von anderen Formen einer Trigeminusneuralgie vorhanden
  • Gesichtsschmerz im Bereich des N. trigeminus
    • I.d.R. Dauerschmerz
    • Kaum Schmerzattacken, eher keine Triggerfaktoren
  • Zusätzlich meist sensible Ausfälle vorhanden
MRT
  • Pathologischer Gefäß-Nerven-Kontakt mit Atrophie der Nervenwurzel
  • Grunderkrankung vorhanden, die Trigeminusneuralgie erklärt
  • I.d.R. Normalbefund
Neurophysiologie
  • I.d.R. Normalbefund
  • Oft Nachweis einer Schädigung des betroffenen Nervenastes
  • I.d.R. Normalbefund
  • Nachweis einer Schädigung des betroffenen Nervenastes
Liquorpunktion
  • Ohne pathologischen Befund
  • Je nach Grunderkrankung
  • Ohne pathologischen Befund
  • Je nach Grunderkrankung

Ein Gefäß-Nerven-Kontakt ohne eine Atrophie der Nervenwurzel kommt auch bei Gesunden oder auf der Gegenseite häufig vor und hat an sich keinen pathologischen Wert!

Anamnese und klinische Untersuchung [1]

Diagnosekriterien der Trigeminusneuralgie der International Headache Society [1]

Diagnosekriterien der Trigeminusneuralgie der International Headache Society
Kriterien Beschreibung
A
  • Wiederholt auftretende, anfallsartige, einseitige Schmerzattacken
    • Mind. ein Ast des N. trigeminus betroffen
    • Keine Ausstrahlung in ein anderes Gebiet vorhanden
    • Kriterien B und C erfüllt
B
  • Schmerz besitzt alle folgenden Charakteristika
    • Dauer: <1 s bis zu 2 min
    • Intensität: Sehr stark
    • Qualität: Scharf, einschießend oder stechend (wie ein Stromstoß)
C
  • Auslöser der Schmerzattacken: I.d.R. nicht-schmerzhafte Reize im Gebiet des N. trigeminus
D
  • Beschwerden können nicht auf andere Erkrankung zurückgeführt werden

Apparative Diagnostik [1]

  • cMRT
    • Indikation: Ausschluss/Nachweis von Raumforderungen, demyelinisierenden Prozessen (MS) und anderen Ursachen einer sekundären Trigeminusneuralgie
    • Durchführung: T2-gewichtete Dünnschichtdarstellung des N. trigeminus und des Hirnstammes, ggf. zusätzliche Sequenzen
  • cCT: Hochaufgelöste CT-Angiografie bei Kontraindikationen für cMRT oder cCT bei V.a. knöcherne Läsionen
  • Interpretation der Befunde: Gefäß-Nerven-Kontakt nicht zwingend pathologisch
    • Klassische Trigeminusneuralgie: Zusätzlicher Nachweis einer neurovaskulären Kompression mit morphologischen Veränderungen der Wurzel des N. trigeminus mittels MRT oder im chirurgischen Eingriff
    • Sekundäre Trigeminusneuralgie: Zusätzlicher Nachweis einer Grunderkrankung, die Neuralgie verursachen kann
    • Idiopathische Trigeminusneuralgie: Kein Nachweis eines pathologischen Gefäß-Nerven-Kontakts oder einer anderen auslösenden Erkrankung

Die Diagnosesicherung der Trigeminusneuralgie erfolgt klinisch (anhand der typischen Schmerzsymptomatik), die Abgrenzung der drei Formen anhand der Bildgebung!

Neurophysiologische Diagnostik (fakultativ)

  • Ziel: Nachweis einer weiteren Funktionsstörung des N. trigeminus (bspw. Sensibilitätsstörung) [1]
  • Blinkreflex
    • Ziel: Nachweis einer Affektion des 1. Trigeminusastes (N. ophthalmicus)
    • Befund
      • Klassische Trigeminusneuralgie: Häufig normal
      • Sekundäre Trigeminusneuralgie: Fehlen der Reflexantworten 1 und 2 möglich
  • Trigeminus-SEP
    • Ziel: Nachweis einer Affektion des 2. und 3. Trigeminusastes (N. maxillaris bzw. N. mandibularis)
    • Befund
      • Klassische Trigeminusneuralgie: Häufig normal
      • Sekundäre Trigeminusneuralgie: Verlängerte Latenzen im betroffenen Ast möglich
  • Masseterhemmreflex (Kieferöffnungsreflex)
    • Ziel: Nachweis einer Affektion des 3. Trigeminusastes (N. mandibularis)
    • Befund
      • Klassische Trigeminusneuralgie: Häufig normal
      • Sekundäre Trigeminusneuralgie: Abnorme Befunde beider Reflexantworten möglich

Weitere Diagnostik

  • Liquorpunktion
  • Bei atypischen Befunden: HNO-ärztliche, zahnärztliche oder stomatologische Vorstellung
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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Therapietoggle arrow icon

Allgemeine Therapieprinzipien

  • Medikamentöse Therapie
    • Langzeittherapie: Medikamentöse Basistherapie (zur Prophylaxe von Attacken und Milderung der Attackenstärke)
    • Akuttherapie: Bei Bedarf zusätzlich zur Langzeittherapie (bei Exazerbation)
    • Kombinationstherapie: Kombination zweier Mittel zur Langzeittherapie
    • Langsame Titration nach therapeutischem Effekt
    • Bei gutem Ansprechen: Langsame Reduktion/Ausschleichen im Verlauf der Therapie
    • Bei unzureichender Wirkung bzw. Unverträglichkeit von Mitteln der 1. Wahl: Umstellung auf Mittel der 2. Wahl (Monotherapie) oder Kombinationstherapie
  • Interventionelle und operative Therapie: Bei inadäquater Wirkung der medikamentösen Langzeittherapie bzw. intolerablen Nebenwirkungen erwägen, bspw.
  • Primär kausale Therapie: Bei sekundärer Trigeminusneuralgie anstreben

Behandlungsalgorithmus [1]

  • Behandlungsbeginn mit Mitteln der 1. Wahl
  • Bei Therapieversagen von Mitteln der 1. Wahl
    • Optimierung der medikamentösen Therapie
      • Unzureichende Verträglichkeit bei guter Wirkung: Umstellung auf Mittel der 2. Wahl
      • Unzureichende Wirkung bei guter Verträglichkeit
        • Kombinationstherapie mit Mitteln der 2. Wahl oder
        • Umstellung auf Mittel der 2. Wahl
    • Zusätzlich Indikation prüfen für interventionelle bzw. operative Therapie
  • Bei Therapieversagen von Mitteln der 2. Wahl: Optimierung der medikamentösen Therapie
    • Kombinationstherapie mit Mitteln der 3. Wahl oder
    • Umstellung auf Mittel der 3. Wahl
Übersicht wichtiger Wirkstoffe zur Langzeit- und Akuttherapie bei Trigeminusneuralgie
Beispiele für Wirkstoffe [1]
1. Wahl
Langzeittherapie Akuttherapie
2. Wahl
3. Wahl

Gängige Schmerzmittel wie NSAID sind bei der Trigeminusneuralgie wirkungslos – die medikamentöse Therapie erfolgt i.d.R. mit Anfallssuppressiva!

Mono- und Kombinationstherapien zur Langzeittherapie [1]

Übersicht wichtiger Wirkstoffe zur Langzeittherapie der Trigeminusneuralgie in Mono- oder Kombinationstherapie
Medikament Monotherapie Kombinationstherapie mit Carbamazepin oder Oxcarbazepin
Gabapentin
Pregabalin
Lamotrigin (✓)
Onabotulinumtoxin A
Phenytoin (✓)
Baclofen
Topiramat

Bei Kombinationstherapien von Carbamazepin oder Oxcarbazepin mit anderen Medikamenten zur Langzeittherapie sind das Interaktionspotenzial und Kontraindikationen zu beachten!

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Medikamentöse Therapietoggle arrow icon

Langzeittherapie

Mittel der 1. Wahl

Mittel der 2. Wahl

Akuttherapie

Mittel der 2. Wahl [1]

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Interventionelle und operative Therapietoggle arrow icon

Auswahl des Verfahrens

Mikrovaskuläre Dekompression nach Jannetta

  • Indikation bei klassischer Trigeminusneuralgie: Untolerierbare Nebenwirkungen oder Therapieversagen der medikamentösen Behandlung
    • Kein adäquates Ansprechen auf Monotherapie
    • Erfolglose Kombinationstherapie
  • OP-Zeitpunkt: Möglichst frühzeitig erwägen
  • Prinzip: Aufhebung des Gefäß-Nerven-Kontakts zwischen N. trigeminus und (meist) der A. cerebelli superior durch Einbringen eines kleinen Stücks Material (bspw. Teflon)
  • Durchführung
  • Erfolgsquote: 98% nach OP
  • Rezidivrate: 9,6%
  • Komplikationen

Die mikrovaskuläre Dekompression nach Jannetta ist die einzige kausale Therapieoption!

Ablative Verfahren

Perkutane Radiofrequenzthermokoagulation des Ganglion trigeminale (Ggl. Gasseri)

Radiochirurgische Verfahren

  • Prinzip: Hirnstammnahe stereotaktische Bestrahlung des N. trigeminus mittels Gamma-Knife® oder Linearbeschleuniger , einmalig mit Dosen zwischen 70 und 90 Gy
  • Ergebnisse: Verzögerter Wirkeintritt (i.d.R. 2 Wochen bis 2 Monate)
  • Erfolgsquote
    • Im Vergleich zu anderen Verfahren geringer, steigt mit zunehmender Dosis
    • Etwa 70% Schmerzfreiheit nach Eingriff
    • Etwa 45% nach 5 Jahren und 25% nach 10 Jahren
    • Insb. bei sekundärer Trigeminusneuralgie durch Multiple Sklerose: Initial guter Erfolg des Verfahrens
  • Komplikationen

Invasive Neuromodulation

  • Prinzip: Implantation subkutaner Elektroden über den Austrittspunkten des N. trigeminus im Gesicht zur peripheren Nervenstimulation
  • Ergebnisse
    • Erfolgsquote: Ca. 60%
    • Komplikationen: Infektionen, Notwendigkeit einer Revisions-OP
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Weitere Therapieansätzetoggle arrow icon

Nicht-invasive Neuromodulation [1]

Multimodale Schmerztherapie [1]

  • Prinzip: Physiotherapie, Psychotherapie und Edukation zusätzlich zur medikamentösen Schmerztherapie
  • Ergebnisse: Schmerzreduktion um 50% über 2 Jahre bei der Hälfte der Patient:innen

Akupunktur [1]

  • Prinzip: Akupunktur zusätzlich zur Carbamazepin-Therapie
  • Ergebnisse: Signifikante Reduktion der Schmerzintensität, hochwertige Studien zur Bestätigung ausstehend
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Prognosetoggle arrow icon

  • Etwa ⅓ der Patient:innen hat nur eine Episode im Leben
  • Häufig progredient im Lebensverlauf
  • Häufig Phasen mit Spontanremission
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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