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Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend

Letzte Aktualisierung: 8.1.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

In diesem Kapitel werden alle Störungen zusammengefasst, die die soziale Entwicklung in der frühen Kindheit beeinträchtigen. Neben ADHS, Tic-Störungen und Enuresis/Enkopresis kommen v.a. die Störung des Sozialverhaltens, die emotionale Störung mit Trennungsangst, die Schulverweigerung und der elektive Mutismus gehäuft vor. Die Störung des Sozialverhaltens ist durch ein dissoziales und aggressives Verhaltensmuster geprägt. Bei der emotionalen Störung mit Trennungsangst erleiden die Kinder bereits bei kurzzeitiger Trennung von ihren Eltern Angst- und Panikattacken. Die Schulverweigerung muss differenzialdiagnostisch in Schulphobie, Schulangst und Schulschwänzen unterteilt werden. Bei der Schulphobie kommt es durch Trennungsängste von Bezugspersonen zur Schulverweigerung, bei der Schulangst bestehen dagegen Ängste, die in direktem Zusammenhang mit der Schulsituation stehen. Beim elektiven Mutismus liegt eine emotional bedingte Selektivität des Sprechens (häufig ungeklärter Ursache) vor.

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Überblicktoggle arrow icon

  • Störungen
  • Ursachen: Bei den meisten Störungen handelt es sich um multifaktorielle Erkrankungen. Während bei autistischen Erkrankungen die genetische Komponente im Vordergrund steht, ist bei den Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend v.a. die Vernachlässigung des Kindes (Deprivation) ein wichtiger Faktor.
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Störung des Sozialverhaltens F 91 (u.a. oppositionelle Störung)toggle arrow icon

Störungen des Sozialverhaltens sind durch ein dissoziales und aggressives Verhaltensmuster bei Kindern und Jugendlichen charakterisiert. Dieses Verhalten übersteigt die gesellschaftlich akzeptierten kindischen und jugendlichen Aufsässigkeiten. Um die Diagnose zu stellen, muss das Verhalten mind. 6 Monate oder länger bestehen. Häufig liegt eine Assoziation mit weiteren Störungen (bspw. ADHS) vor.

  • Ätiologie
    • Erhöhte Sensitivität gegenüber Bedrohung → Verminderte Fähigkeit zur Emotionsregulation
    • Mangelnde Verarbeitung emotionaler Reize
    • Eingeschränkte Lernprozesse, bspw. beim Lernen von Bestrafungsreizen
    • Furchtlosigkeit oder reduzierte Verhaltenshemmung
    • Mangel an Empathie
  • Charakteristika
    • Destruktives Verhalten und erhöhte Impulsivität: Beschädigungen von Eigentum, Feuerlegen, Stehlen, Tierquälerei, ungewöhnlich häufige und schwere Wutausbrüche
    • Mangelnde Anpassung an Regeln: Schulschwänzen, Weglaufen, eingeschränktes Unrechtsempfinden
    • Dissoziales Verhalten: Häufiges Lügen, Grausamkeiten gegenüber anderen Personen
  • Verlauf: Häufig kommt es im Jugendalter zu Auseinandersetzungen mit dem Gesetz (delinquentes Verhalten). Eine Störung des Sozialverhaltens kann im Erwachsenenalter in eine dissoziale Persönlichkeitsstörung "übergehen". Vor dem 16. Lebensjahr spricht man von einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung.
  • Therapie
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Emotionale Störung mit Trennungsangst F93.0toggle arrow icon

Bei der emotionalen Störung mit Trennungsangst (nach ICD-10) steht die Furcht vor Trennung von den Eltern im Vordergrund . Sie unterscheidet sich von einer normalen Trennungsangst von den Eltern durch eine stärkere Ausprägung, eine längere Dauer (über die typische Altersstufe hinaus) und die sozialen und schulischen Einschränkungen. Die typischen Symptome sind dabei:

  • Angst um die Eltern
  • Neigung dazu stets zu Hause zu bleiben, nicht auszugehen und nicht außerhalb zu schlafen
  • Somatisierung der Beschwerden mit gastrointestinalen und vegetativen Beschwerden
  • Angstattacken und Wut bei Trennung

Schulphobie

  • Charakteristika
    • Durch Trennungsängste ausgelöste Schulverweigerung
    • Ursächlich meist problematische Familienstrukturen (bspw. übermäßig enge, jedoch gleichzeitig unsichere Bindung zwischen Bezugsperson und Kind) oder begründete kindliche Verlustängste
    • Kognitive Einschränkungen (bspw. Lernschwäche oder mangelnde Intelligenz) liegen i.d.R. nicht vor
    • Assoziation mit somatisierten Beschwerden wie Bauch- oder Kopfschmerzen sowie allgemeinem Unwohlsein
  • Therapie
    • Konsequente Wiedereingliederung in die Schule, wobei die Familie psychotherapeutisch und von Seiten der Schule unterstützt werden sollte
    • In schweren Fällen stationäre Aufnahme und Besuch einer Klinikschule
    • Belohnung der gewünschten Verhaltensweise mittels Verstärkerplan
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Schulverweigerungtoggle arrow icon

Die Schulverweigerung ist ein unspezifischer Sammelbegriff für eine Verweigerung/Vermeidung des Schulbesuchs, was langfristig zu einer negativen Beeinflussung der Leistung in der Schule führt. Differenzialdiagnostisch muss u.a. zwischen Schulphobie, Schulangst und Schulschwänzen unterschieden werden.

  • Schulphobie
  • Schulangst
    • Bei der Schulangst beziehen sich die Ängste auf nachvollziehbare, reale Belastungen im Schulalltag, wie bspw. Kränkung, Überforderung → Quelle der Angst steht im Zusammenhang mit Schulbesuch
    • Ursächlich können psychische oder physische Versagensängste sein (bspw. Lernschwäche, körperliche Unterlegenheit)
  • Schulschwänzen
    • Dem Schulschwänzen liegt keine Angst zugrunde. Der Schulalltag wird als lästig empfunden und zugunsten anderer Aktivitäten vermieden.
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Elektiver Mutismus F94.0toggle arrow icon

Der elektive Mutismus ist eine emotional bedingte Selektivität des Sprechens bei Kindern. Dabei spricht das Kind nur in bestimmten Situationen bzw. nur mit bestimmten Personen. Die Ursachen sind bisher nicht ausreichend geklärt, wobei man von einer multifaktoriellen Pathogenese ausgeht.

  • Manifestationsalter: Vor allem in der Kindheit
  • Diagnosekriterien (nach ICD-10)
    • Dauer: Über mind. 1 Monat
    • Das Kind verfügt über altersentsprechende Fähigkeiten bzgl. der sprachlichen Kommunikation
    • Selektivität des Sprechens
      • Konsistenz bezüglich der sozialen Situationen, in denen die Selektivität sichtbar wird
    • Häufiges Ausweichen auf nonverbale Kommunikation
  • Weitere Merkmale
    • Bestimmte Persönlichkeitszüge: Sozialangst und sozialer Rückzug
  • Therapie
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Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters F94.1, F94.2toggle arrow icon

Bei der reaktiven Bindungsstörung liegen als Hauptsymptome Furchtsamkeit und Übervorsichtigkeit sowie eingeschränkte soziale Interaktionen vor, die in Anhänglichkeit und ungehemmte Annäherung umschlagen können. Anders als bspw. bei der "Emotionalen Störung mit Trennungsangst" treten diese Symptome in verschiedenen Situationen und auch im Umgang mit fremden Menschen auf. Die Symptome können von Aggressionen begleitet werden. Als Ursache werden v.a. Missbrauch und Vernachlässigung (sog. Deprivation) vermutet. Für die Diagnosestellung muss die Störung innerhalb der ersten 5 Lebensjahre auftreten. Ein Persistieren der Symptome ist aber typisch.

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Stereotype Bewegungsstörungen F98.4toggle arrow icon

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (F90-F98)

  • F90.-: Hyperkinetische Störungen
  • F91.-: Störungen des Sozialverhaltens
    • Störungen des Sozialverhaltens sind durch ein sich wiederholendes und anhaltendes Muster dissozialen, aggressiven und aufsässigen Verhaltens charakterisiert. Dieses Verhalten übersteigt mit seinen gröberen Verletzungen die altersentsprechenden sozialen Erwartungen. Es ist also schwerwiegender als gewöhnlicher kindischer Unfug oder jugendliche Aufmüpfigkeit. Das anhaltende Verhaltensmuster muss mindestens sechs Monate oder länger bestanden haben. Störungen des Sozialverhaltens können auch bei anderen psychiatrischen Krankheiten auftreten, in diesen Fällen ist die zugrunde liegende Diagnose zu verwenden. Beispiele für Verhaltensweisen, welche diese Diagnose begründen, umfassen ein extremes Maß an Streiten oder Tyrannisieren, Grausamkeit gegenüber anderen Personen oder Tieren, erhebliche Destruktivität gegenüber Eigentum, Feuerlegen, Stehlen, häufiges Lügen, Schulschwänzen oder Weglaufen von zu Hause, ungewöhnlich häufige und schwere Wutausbrüche und Ungehorsam. Jedes dieser Beispiele ist bei erheblicher Ausprägung ausreichend für die Diagnose, nicht aber nur isolierte dissoziale Handlungen.
    • Exklusive: Affektive Störungen (F30-F39), Kombination mit emotionalen Störungen (F92.‑), Kombination mit hyperkinetischen Störungen (F90.1), Schizophrenie (F20.‑), Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (F84.‑)
    • F91.0: Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens
      • Diese Verhaltensstörung umfasst dissoziales oder aggressives Verhalten (und nicht nur oppositionelles, aufsässiges oder trotziges Verhalten), das vollständig oder fast völlig auf den häuslichen Rahmen oder auf Interaktionen mit Mitgliedern der Kernfamilie oder der unmittelbaren Lebensgemeinschaft beschränkt ist. Für die Störung müssen die allgemeinen Kriterien für F91.- erfüllt sein. Schwer gestörte Eltern-Kind-Beziehungen sind für die Diagnose allein nicht ausreichend.
    • F91.1: Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen
      • Diese Störung ist charakterisiert durch die Kombination von andauerndem dissozialen oder aggressiven Verhalten, das die allgemeinen Kriterien für F91.- erfüllt und nicht nur oppositionelles, aufsässiges und trotziges Verhalten umfasst, mit deutlichen und tief greifenden Abweichungen der Beziehungen des Betroffenen zu anderen Kindern.
      • Nichtsozialisierte aggressive Störung
      • Störung des Sozialverhaltens, nur aggressiver Typ
    • F91.2: Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungen
      • Dieses Störung beinhaltet andauerndes dissoziales oder aggressives Verhalten, das die allgemeinen Kriterien für F91.- erfüllt und nicht nur oppositionelles, aufsässiges und trotziges Verhalten umfasst, und bei Kindern auftritt, die allgemein gut in ihrer Altersgruppe eingebunden sind.
      • Gemeinsames Stehlen
      • Gruppendelinquenz
      • Schulschwänzen
      • Störung des Sozialverhaltens in der Gruppe
      • Vergehen im Rahmen einer Bandenmitgliedschaft
    • F91.3: Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten
      • Diese Verhaltensstörung tritt gewöhnlich bei jüngeren Kindern auf und ist in erster Linie durch deutlich aufsässiges, ungehorsames Verhalten charakterisiert, ohne delinquente Handlungen oder schwere Formen aggressiven oder dissozialen Verhaltens. Für diese Störung müssen die allgemeinen Kriterien für F91.- erfüllt sein: deutlich übermütiges oder ungezogenes Verhalten allein reicht für die Diagnosenstellung nicht aus. Vorsicht beim Stellen dieser Diagnose ist vor allem bei älteren Kindern geboten, bei denen klinisch bedeutsame Störungen des Sozialverhaltens meist mit dissozialem oder aggressivem Verhalten einhergehen, das über Aufsässigkeit, Ungehorsam oder Trotz hinausgeht.
    • F91.8: Sonstige Störungen des Sozialverhaltens
    • F91.9: Störung des Sozialverhaltens, nicht näher bezeichnet
  • F92.-: Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen
  • F93.-: Emotionale Störungen des Kindesalters
    • Diese stellen in erster Linie Verstärkungen normaler Entwicklungstrends dar und weniger eigenständige, qualitativ abnorme Phänomene. Die Entwicklungsbezogenheit ist das diagnostische Schlüsselmerkmal für die Unterscheidung der emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit (F93.‑) von den neurotischen Störungen (F40-F48).
    • F93.0: Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters
      • Eine Störung mit Trennungsangst soll nur dann diagnostiziert werden, wenn die Furcht vor Trennung den Kern der Angst darstellt und wenn eine solche Angst erstmals während der frühen Kindheit auftrat. Sie unterscheidet sich von normaler Trennungsangst durch eine unübliche Ausprägung, eine abnorme Dauer über die typische Altersstufe hinaus und durch deutliche Probleme in sozialen Funktionen.
      • Exklusive: Affektive Störungen (F30-F39), Neurotische Störungen (F40-F48), Phobische Störung des Kindesalters (F93.1), Störung mit sozialer Überempfindlichkeit des Kindesalters (F93.2)
    • F93.1: Phobische Störung des Kindesalters
      • Es handelt sich um Befürchtungen in der Kindheit, die eine deutliche Spezifität für die entsprechenden Entwicklungsphasen aufweisen und in einem gewissen Ausmaß bei der Mehrzahl der Kinder auftreten, hier aber in einer besonderen Ausprägung. Andere in der Kindheit auftretende Befürchtungen, die nicht normaler Bestandteil der psychosozialen Entwicklung sind, wie bspw. die Agoraphobie sind unter der entsprechenden Kategorie in Abschnitt F40-F48 zu klassifizieren.
      • Exklusive: Generalisierte Angststörung (F41.1)
    • F93.2: Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters
      • Bei dieser Störung besteht ein Misstrauen gegenüber Fremden und soziale Besorgnis oder Angst, in neuen, fremden oder sozial bedrohlichen Situationen. Diese Kategorie sollte nur verwendet werden, wenn solche Ängste in der frühen Kindheit auftreten und sie ungewöhnlich stark ausgeprägt sind und zu deutlichen Problemen in der sozialen Funktionsfähigkeit führen.
      • Vermeidende Störung in der Kindheit und Jugend
    • F93.3: Emotionale Störung mit Geschwisterrivalität
      • Die Mehrzahl junger Kinder zeigt gewöhnlich ein gewisses Ausmaß emotionaler Störungen nach der Geburt eines unmittelbar nachfolgenden jüngeren Geschwisters. Eine emotionale Störung mit Geschwisterrivalität soll nur dann diagnostiziert werden, wenn sowohl das Ausmaß als auch die Dauer der Störung übermäßig ausgeprägt sind und mit Störungen der sozialen Interaktionen einhergehen.
      • Geschwistereifersucht
    • F93.8: Sonstige emotionale Störungen des Kindesalters
    • F93.9: Emotionale Störung des Kindesalters, nicht näher bezeichnet
  • F94.-: Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
    • Es handelt sich um eine etwas heterogene Gruppe von Störungen, mit Abweichungen in der sozialen Funktionsfähigkeit und Beginn in der Entwicklungszeit. Anders als die tief greifenden Entwicklungsstörungen sind sie jedoch nicht primär durch eine offensichtliche konstitutionelle soziale Beeinträchtigung oder Defizite in allen Bereichen sozialer Funktionen charakterisiert. In vielen Fällen spielen schwerwiegende Milieuschäden oder Deprivationen eine vermutlich entscheidende Rolle in der Ätiologie.
    • F94.0: Elektiver Mutismus
      • Dieser ist durch eine deutliche, emotional bedingte Selektivität des Sprechens charakterisiert, so dass das Kind in einigen Situationen spricht, in anderen definierbaren Situationen jedoch nicht. Diese Störung ist üblicherweise mit besonderen Persönlichkeitsmerkmalen wie Sozialangst, Rückzug, Empfindsamkeit oder Widerstand verbunden.
      • Selektiver Mutismus
      • Exklusive: Passagerer Mutismus als Teil einer Störung mit Trennungsangst bei jungen Kindern (F93.0), Schizophrenie (F20.‑), Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (F84.‑), Umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache (F80.‑)
    • F94.1: Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters
      • Diese tritt in den ersten fünf Lebensjahren auf und ist durch anhaltende Auffälligkeiten im sozialen Beziehungsmuster des Kindes charakterisiert. Diese sind von einer emotionalen Störung begleitet und reagieren auf Wechsel in den Milieuverhältnissen. Die Symptome bestehen aus Furchtsamkeit und Übervorsichtigkeit, eingeschränkten sozialen Interaktionen mit Gleichaltrigen, gegen sich selbst oder andere gerichteten Aggressionen, Unglücklichsein und in einigen Fällen Wachstumsverzögerung. Das Syndrom tritt wahrscheinlich als direkte Folge schwerer elterlicher Vernachlässigung, Missbrauch oder schwerer Misshandlung auf.
      • Exklusive: Asperger-Syndrom (F84.5), Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung (F94.2), Missbrauch von Personen (T74.‑), Normvariation im Muster der selektiven Bindung, Psychosoziale Probleme infolge von sexueller oder körperlicher Misshandlung im Kindesalter (Z61)
    • F94.2: Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung
      • Ein spezifisches abnormes soziales Funktionsmuster, das während der ersten fünf Lebensjahre auftritt mit einer Tendenz, trotz deutlicher Änderungen in den Milieubedingungen zu persistieren. Dieses kann bspw. in diffusem, nichtselektivem Bindungsverhalten bestehen, in aufmerksamkeitssuchendem und wahllos freundlichem Verhalten und kaum modulierten Interaktionen mit Gleichaltrigen; je nach Umständen kommen auch emotionale und Verhaltensstörungen vor.
      • Gefühlsarme Psychopathie
      • Hospitalismus
      • Exklusive: Asperger-Syndrom (F84.5), Hyperkinetische Störungen (F90.‑), Hospitalismus bei Kindern (F43.2), Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters (F94.1)
    • F94.8: Sonstige Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit
    • F94.9: Störung sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit, nicht näher bezeichnet
  • F95.-: Ticstörungen
    • Syndrome, bei denen das vorwiegende Symptom ein Tic ist. Ein Tic ist eine unwillkürliche, rasche, wiederholte, nichtrhythmische Bewegung meist umschriebener Muskelgruppen oder eine Lautproduktion, die plötzlich einsetzt und keinem erkennbaren Zweck dient. Normalerweise werden Tics als nicht willkürlich beeinflussbar erlebt, sie können jedoch meist für unterschiedlich lange Zeiträume unterdrückt werden. Belastungen können sie verstärken, während des Schlafens verschwinden sie. Häufige einfache motorische Tics sind Blinzeln, Kopfwerfen, Schulterzucken und Grimassieren. Häufige einfache vokale Tics sind bspw. Räuspern, Bellen, Schnüffeln und Zischen. Komplexe Tics sind Sich-selbst-schlagen sowie Springen und Hüpfen. Komplexe vokale Tics sind die Wiederholung bestimmter Wörter und manchmal der Gebrauch sozial unangebrachter, oft obszöner Wörter (Koprolalie) und die Wiederholung eigener Laute oder Wörter (Palilalie).
    • F95.0: Vorübergehende Ticstörung
      • Sie erfüllt die allgemeinen Kriterien für eine Ticstörung, jedoch halten die Tics nicht länger als 12 Monate an. Die Tics sind häufig Blinzeln, Grimassieren oder Kopfschütteln.
    • F95.1: Chronische motorische oder vokale Ticstörung
      • Sie erfüllt die allgemeinen Kriterien für eine Ticstörung, wobei motorische oder vokale Tics, jedoch nicht beide zugleich, einzeln, meist jedoch multipel, auftreten und länger als ein Jahr andauern.
    • F95.2: Kombinierte vokale und multiple motorische Tics [Tourette-Syndrom]
      • Eine Form der Ticstörung, bei der gegenwärtig oder in der Vergangenheit multiple motorische Tics und ein oder mehrere vokale Tics vorgekommen sind, die aber nicht notwendigerweise gleichzeitig auftreten müssen. Die Störung verschlechtert sich meist während der Adoleszenz und neigt dazu, bis in das Erwachsenenalter anzuhalten. Die vokalen Tics sind häufig multipel mit explosiven repetitiven Vokalisationen, Räuspern und Grunzen und Gebrauch von obszönen Wörtern oder Phrasen. Manchmal besteht eine begleitende gestische Echopraxie, die ebenfalls obszöner Natur sein kann (Kopropraxie).
    • F95.8: Sonstige Ticstörungen
    • F95.9: Ticstörung, nicht näher bezeichnet
  • F98.-: Andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
    • Dieser heterogenen Gruppe von Störungen ist der Beginn in der Kindheit gemeinsam, sonst unterscheiden sie sich jedoch in vieler Hinsicht. Einige der Störungen repräsentieren gut definierte Syndrome, andere sind jedoch nicht mehr als Symptomkomplexe, die hier aber wegen ihrer Häufigkeit und ihrer sozialen Folgen und weil sie anderen Syndromen nicht zugeordnet werden können, aufgeführt werden.
    • Exklusive: Emotional bedingte Schlafstörungen (F51.‑), Geschlechtsidentitätsstörung des Kindesalters (F64.2), Kleine-Levin-Syndrom (G47.8), Perioden von Atemanhalten (R06.88), Zwangsstörung (F42.‑)
    • F98.0: Nichtorganische Enuresis
      • Diese Störung ist charakterisiert durch unwillkürlichen Harnabgang am Tag und in der Nacht, untypisch für das Entwicklungsalter. Sie ist nicht Folge einer mangelnden Blasenkontrolle aufgrund einer neurologischen Krankheit, epileptischer Anfälle oder einer strukturellen Anomalie der ableitenden Harnwege. Die Enuresis kann von Geburt an bestehen oder nach einer Periode bereits erworbener Blasenkontrolle aufgetreten sein. Die Enuresis kann von einer schweren emotionalen oder Verhaltensstörung begleitet werden.
      • Funktionelle Enuresis
      • Nichtorganische primäre oder sekundäre Enuresis
      • Nichtorganische Harninkontinenz
      • Psychogene Enuresis
      • Exklusive: Enuresis o.n.A. (R32)
    • F98.1: Nichtorganische Enkopresis
      • Wiederholtes willkürliches oder unwillkürliches Absetzen von Faeces normaler oder fast normaler Konsistenz an Stellen, die im soziokulturellen Umfeld des Betroffenen nicht dafür vorgesehen sind. Die Störung kann eine abnorme Verlängerung der normalen infantilen Inkontinenz darstellen oder einen Kontinenzverlust nach bereits vorhandener Darmkontrolle, oder es kann sich um ein absichtliches Absetzen von Stuhl an dafür nicht vorgesehenen Stellen trotz normaler physiologischer Darmkontrolle handeln. Das Zustandsbild kann als monosymptomatische Störung auftreten oder als Teil einer umfassenderen Störung, besonders einer emotionalen Störung (F93.‑) oder einer Störung des Sozialverhaltens (F91.‑).
      • Funktionelle Enkopresis
      • Nichtorganische Stuhlinkontinenz
      • Psychogene Enkopresis
      • Exklusive: Enkopresis o.n.A. (R15)
    • F98.2: Fütterstörung im frühen Kindesalter
      • Eine Fütterstörung mit unterschiedlicher Symptomatik, die gewöhnlich für das Kleinkindalter und frühe Kindesalter spezifisch ist. Im Allgemeinen umfasst die Nahrungsverweigerung extrem wählerisches Essverhalten bei angemessenem Nahrungsangebot und einer einigermaßen kompetenten Betreuungsperson in Abwesenheit einer organischen Krankheit. Begleitend kann Rumination - d.h. wiederholtes Heraufwürgen von Nahrung ohne Übelkeit oder eine gastrointestinale Krankheit - vorhanden sein.
      • Rumination im Kleinkindalter
      • Exklusive: Anorexia nervosa und andere Essstörungen (F50.‑), Fütterprobleme bei Neugeborenen (P92.‑), Fütterschwierigkeiten und Betreuungsfehler (R63.3), Pica im Kleinkind- oder Kindesalter (F98.3)
    • F98.3: Pica im Kindesalter
      • Anhaltender Verzehr nicht essbarer Substanzen wie Erde, Farbschnipsel usw.. Sie kann als eines von vielen Symptomen einer umfassenderen psychischen Störung wie Autismus auftreten oder sie kann als relativ isolierte psychopathologische Auffälligkeit vorkommen; nur das letztere wird hier kodiert. Das Phänomen ist bei intelligenzgeminderten Kindern am häufigsten. Wenn eine solche Intelligenzminderung vorliegt, ist als Hauptdiagnose eine Kodierung unter F70-F79 zu verwenden.
    • F98.4: Stereotype Bewegungsstörungen
      • Willkürliche, wiederholte, stereotype, nicht funktionale und oft rhythmische Bewegungen, die nicht Teil einer anderen psychischen oder neurologischen Krankheit sind. Wenn solche Bewegungen als Symptome einer anderen Störung vorkommen, soll nur die übergreifende Störung kodiert werden. Nichtselbstbeschädigende Bewegungen sind bspw. Körperschaukeln, Kopfschaukeln, Haarezupfen, Haaredrehen, Fingerschnipsgewohnheiten und Händeklatschen. Stereotype Selbstbeschädigungen sind bspw. wiederholtes Kopfanschlagen, Ins-Gesicht-schlagen, In-die-Augen-bohren und Beißen in Hände, Lippen oder andere Körperpartien. Alle stereotypen Bewegungsstörungen treten am häufigsten in Verbindung mit Intelligenzminderung auf; wenn dies der Fall ist, sind beide Störungen zu kodieren. Wenn das Bohren in den Augen bei einem Kind mit visueller Behinderung auftritt, soll beides kodiert werden: das Bohren in den Augen mit F98.4 und die Sehstörung mit der Kodierung der entsprechenden somatischen Störung.
      • Stereotypie/abnorme Gewohnheit
      • Exklusive: Abnorme unwillkürliche Bewegungen (R25.‑), Bewegungsstörungen organischer Ursache (G20-G25), Daumenlutschen (F98.8), Nägelbeißen (F98.8), Nasebohren (F98.8), Stereotypien als Teil einer umfassenderen psychischen Störung (F00-F95), Ticstörungen (F95.‑), Trichotillomanie (F63.3)
    • F98.5: Stottern [Stammeln]
      • Hierbei ist das Sprechen durch häufige Wiederholung oder Dehnung von Lauten, Silben oder Wörtern, oder durch häufiges Zögern und Innehalten, das den rhythmischen Sprechfluss unterbricht, gekennzeichnet. Es soll als Störung nur klassifiziert werden, wenn die Sprechflüssigkeit deutlich beeinträchtigt ist.
      • Exklusive: Poltern (F98.6), Ticstörungen (F95.‑)
    • F98.6: Poltern
      • Eine hohe Sprechgeschwindigkeit mit Störung der Sprechflüssigkeit, jedoch ohne Wiederholungen oder Zögern, von einem Schweregrad, der zu einer beeinträchtigten Sprechverständlichkeit führt. Das Sprechen ist unregelmäßig und unrhythmisch, mit schnellen, ruckartigen Anläufen, die gewöhnlich zu einem fehlerhaften Satzmuster führen.
      • Exklusive: Stottern (F98.5), Ticstörungen (F95.‑)
    • F98.8: Sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität
      • Daumenlutschen
      • Exzessive Masturbation
      • Nägelkauen
      • Nasebohren
    • F98.9: Nicht näher bezeichnete Verhaltens- oder emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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