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Essstörungen

Letzte Aktualisierung: 25.2.2025

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Die Anorexia nervosa (AN) gehört u.a. zusammen mit der Bulimia nervosa (BN) und der Binge-Eating-Störung (BES) zu den Essstörungen. Gemeinsame Merkmale dieser Erkrankungen sind ein gestörtes Essverhalten sowie eine übermäßige (gedankliche) Beschäftigung mit dem Thema Essen. Grundsätzlich können Essstörungen jederzeit einem Syndromwandel unterliegen und ineinander übergehen. Während bei der Anorexia nervosa meist das Untergewicht dominiert, stehen bei der Bulimia nervosa regelmäßig auftretende Essattacken und gegenregulierende Maßnahmen (bspw. Erbrechen) im Vordergrund. Die Binge-Eating-Störung ist ebenfalls durch regelmäßig auftretende Essattacken (ohne gegenregulierende Maßnahmen) und konsekutives Übergewicht geprägt.

Komplikationen (bspw. Elektrolytentgleisungen) können u.a. durch wiederholtes Erbrechen und/oder Abführmittelmissbrauch entstehen. Bei restriktivem Essverhalten kann sich ein sog. Starvationssyndrom mit u.a. Bradykardie und Amenorrhö (bei Frauen) entwickeln. Wichtige Therapiebausteine sind Psychoedukation, Psychotherapie und der Abbau von Therapieambivalenz. Insb. bei der Anorexia nervosa spielen auch das Ernährungsmanagement und die Gewichtsrehabilitation eine wichtige Rolle.

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Übersichttoggle arrow icon

Einteilung [1]

  • 3 Hauptstörungen (Gegenstand dieses Kapitels)
  • Weitere Fütter-/Essstörungen, u.a.
    • Fütterstörung im frühen Kindesalter (F98.2): Nahrungsverweigerung bzw. extrem wählerisches Essverhalten im Kindes- und Kleinkindesalter ohne Nachweis eines organischen Korrelats [2]
      • Hinweise
        • Durchschnittliche Fütterzeit von mehr als 45 min
        • Nahrungsaufnahme wird mind. 1 Monat als problematisch erlebt
      • Ursachen
        • Interaktionsstörung zwischen Elternteil und Kind → Kind braucht mehr Zeit, um den Prozess des Essens zu erlernen → Die Verweigerung führt zu Schuldgefühlen bei den Eltern, die eine Angst vor dem Fütterprozess entwickeln → Dieses Verhalten verstärkt die Verweigerung von der Seite des Kindes
        • Posttraumatisch: Bspw. nach postnatalen Operationen, Intubationen etc.
      • Teils begleitet von: Ruminationsstörung [1]
        • Repetitive, willkürliche Regurgitation bereits geschluckter Nahrung
          • Anschließend: Erneutes Schlucken oder Ausspucken der Nahrung
          • Ohne somatische Ursache (bspw. Übelkeit, Reflux)
        • Erstmanifestation i.d.R. im frühen Kindesalter
    • Avoidant and restrictive Food Intake Disorder (ARFID) [1]
      • Restriktives Essverhalten aufgrund starker Sensibilität bzgl. Nahrungsmittelsensorik (Aussehen, Geruch etc.)
      • Starke Mangelernährung / Untergewicht möglich (ähnlich wie bei Anorexia nervosa)
      • Erstmanifestation i.d.R. im frühen Kindesalter
    • Pica (F98.3) [1][2]

Übersicht der Hauptstörungen

Gegenüberstellung von Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung [3]
Anorexia nervosa (AN) Bulimia nervosa (BN) Binge-Eating-Störung (BES)
Allgemeine Merkmale (Auswahl) [4]
  • Übermäßige (gedankliche) Beschäftigung mit Essen
  • Gestörtes Essverhalten (als Folge einer Störung von Emotionswahrnehmung und -ausdruck) [5]
Spezifische Merkmale (Auswahl) [4]
Körpergewicht [1]
  • I.d.R. untergewichtig
  • I.d.R. normalgewichtig

Ein Unterscheidungsmerkmal zwischen der AN vom bulimischen Typus und der BN ist das Untergewicht bzw. der Gewichtsverlust bei AN! [1]

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Epidemiologietoggle arrow icon

Epidemiologie der Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung[3]
Anorexia nervosa (AN) Bulimia nervosa (BN) Binge-Eating-Störung (BES)
Geschlechterverteilung
Lebenszeitprävalenz
  • : 0,3–2,6%
  • : 0,1–0,3%
  • : 0,9–2,6%
  • : 0,1–0,5%
  • : 1,9–3,5%
  • : 0,3–2,1%
Erkrankungsbeginn
  • Meist um die Pubertät herum (aber auch früher möglich)
  • Meist in der Adoleszenz (tendenziell später als bei der AN)
  • Meist in der Adoleszenz bzw. im Erwachsenenalter (ca. 25 Jahre)

Die Binge-Eating-Störung ist die häufigste Essstörung!

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

Die Ursache der Essstörungen ist am ehesten multifaktoriell bedingt und insb. durch biologische sowie psychosoziale Einflüsse zu erklären. Dabei wird von einem komplexen Vulnerabilitäts-Stress-Modell ausgegangen. [3][4]

  • Genetik: Familiäre Häufung (v.a. bei Anorexia nervosa )
  • Neurophysiologie, u.a. Veränderung von
  • Psychosoziale Risikofaktoren, bspw.
    • Persönlichkeitsstruktur mit hohem Leistungsanspruch und niedrigem Selbstwert [7]
    • Belastende Lebensereignisse, bspw. (körperliche, emotionale) Misshandlung
    • Starke Reifungskonflikte in Kindheit/Jugend [5][7]
    • Schlankheitsideal [1]
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Symptomatiktoggle arrow icon

Bei allen Essstörungen liegt ein gestörtes Verhältnis zum Thema „Essen“ vor, dem i.d.R. eine Störung von Emotionswahrnehmung und -ausdruck zugrunde liegt. [4][5]

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Anorexia nervosatoggle arrow icon

Typische Merkmale der Anorexia nervosa [2][3][4]

  • Körperschemastörung, häufig mit
    • Angst vor Gewichtszunahme (Gewichtsphobie) [5]
    • Tragen kaschierender Kleidung
  • Untergewicht (durch fehlende Gewichtszunahme bei Kindern oder Gewichtsverlust )
    • Altersunabhängig: Körpergewicht mind. 15% unterhalb des zu erwartenden Gewichts [8]
    • Bei Erwachsenen: BMI ≤17,5 kg/m2
  • Verhaltensweisen, die zu Gewichtsabnahme führen
    • Restriktiver Typus: Vermeiden von (hochkalorischer) Nahrungsaufnahme
    • Bulimischer Typus: Aktive Maßnahmen zur Gewichtsreduktion, bspw. [1]
  • Siehe auch: Diagnostische Kriterien der Anorexia nervosa nach ICD-10

Atypische Verläufe einer Anorexia nervosa (F50.1), bei denen typische Symptome (bspw. Untergewicht) fehlen, treten zunehmend auf!

Mögliche somatische Folgen [3][4]

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Bulimia nervosatoggle arrow icon

Typische Merkmale der Bulimia nervosa [1][2][4][5]

  • Wiederholte Essanfälle: Konsum außergewöhnlich großer Nahrungsmengen innerhalb kurzer Zeit
    • Mind. 2×/Woche über 3 Monate [3]
    • Mit Kontrollverlusterleben
    • Insb. Konsum (hochkalorischer) Nahrungsmittel, die sonst eher gemieden werden
    • Häufige Auslöser
      • Unangenehme Gefühle
      • Vorangegangener Verzicht auf (bestimmte) Nahrungsmittel
      • (Heiß‑)Hunger
    • Auch möglich als subjektiv erlebte Essanfälle (oft bei Kindern und Jugendlichen)
      • Konsumierte Nahrungsmenge ist nicht außergewöhnlich groß
      • Mit Kontrollverlusterleben
  • Einsatz kompensatorischer Maßnahmen, bspw.
  • Körperschemastörung
  • Suchtartiges Verlangen zu Essen
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Binge-Eating-Störungtoggle arrow icon

Typische Merkmale der Binge-Eating-Störung [1][4][5]

  • Wiederholte Essanfälle: Konsum außergewöhnlich großer Nahrungsmengen innerhalb kurzer Zeit
    • Mind. 1×/Woche über 3 Monate
    • Einhergehen mit
      • Kontrollverlusterleben
      • Erheblichem Leidensdruck, Ekel- und/oder Schuldgefühlen
    • Auslöser: I.d.R. unangenehme Gefühle
    • Auch möglich als subjektiv erlebte Essanfälle (oft bei Kindern und Jugendlichen)
      • Konsumierte Nahrungsmenge ist nicht außergewöhnlich groß
      • Mit Kontrollverlusterleben
  • Ohne (regelmäßige) kompensatorische Maßnahmen: Folglich häufige Komorbidität mit Übergewicht und Adipositas
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Diagnostiktoggle arrow icon

Screening [1]

  • Empfohlen
    • Im Rahmen der J1 (Kindervorsorgeuntersuchung)
    • Insb. bei Patient:innen mit
      • Wachstumsverzögerung (im Kindes- und Jugendalter)
      • Niedrigem oder hohem Körpergewicht
      • Starker Gewichtszunahme/-abnahme
      • Amenorrhö, Infertilität
      • Sorgen bzgl. des eigenen Körpergewichts (bei Normalgewicht)
      • Ätiologisch unklaren gastrointestinalen Beschwerden
      • (Beruflicher) Tätigkeit im Bereich: Unterhaltung, Mode, Ernährung, Leistungssport [9]
      • Zahnschäden [1]

Exploration [1][4]

Somatische Diagnostik [1][4]

Die somatische Diagnostik dient sowohl der Erfassung somatischer Komplikationen/Komorbiditäten als auch der Differenzialdiagnostik.

Labordiagnostik

Testpsychologische Verfahren (Auswahl) [1][4]

Die nachfolgend gelisteten Fragebögen sind (mit Ausnahme des EDI-2) frei verfügbar und unter Tipps & Links zu finden.

  • Eating Disorder Inventory-2 (EDI-2)
    • Standardverfahren (international)
    • Selbst-Rating mit 11 Skalen
    • Für Jugendliche und Erwachsene
    • Zeitaufwand: I.d.R. 20–25 min
  • Eating Disorder Examination (EDE)
    • Strukturiertes Experteninterview
    • Für Jugendliche und Erwachsene
    • Zeitaufwand: I.d.R. 45–60 min
  • Eating Disorder Examination-Questionnaire (EDE-Q)
    • Selbst-Rating (auch für Screening geeignet)
    • Für Jugendliche und Erwachsene
    • Zeitaufwand: I.d.R. <15 min
  • Eating Disorder Examination für Kinder (ChEDE)
    • Strukturiertes Experteninterview
    • Für Kinder im Alter von 8–14 Jahren
    • Zeitaufwand: I.d.R. 45 min
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ICD-10toggle arrow icon

Anorexia nervosa

Diagnostische Kriterien der Anorexia nervosa nach ICD-10 [2]
A
  • Körpergewicht mind. 15% unter dem normalen oder erwarteten Gewicht (entsprechend Alter, Körpergröße) aufgrund von
    • Gewichtsverlust oder
    • Fehlender Gewichtszunahme (bei Kindern)
B
  • Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt (durch Vermeidung „fettmachender“ Nahrung)
C
  • Selbstwahrnehmung als „zu fett“
  • Furcht, zu dick zu werden
  • Selbst festgelegte, sehr niedrige Gewichtsschwelle
D
E
  • Ausschluss: Kriterium A und B der diagnostischen Kriterien der Bulimia nervosa nach ICD-10 liegen nicht vor
Differenzierungen
  • F50.00 Anorexie ohne aktive Maßnahmen zur Gewichtsabnahme (bspw. Abführen)
  • F50.01 Anorexie mit aktiven Maßnahmen zur Gewichtsabnahme (bspw. Abführen)
  • F50.1 Atypische Anorexia nervosa: Nicht alle, aber einige der Kriterien der Anorexia nervosa sind erfüllt

Bulimia nervosa

Diagnostische Kriterien der Bulimia nervosa nach ICD-10 [2]
A
  • Episoden von Essattacken: Konsum großer Nahrungsmengen in sehr kurzer Zeit
  • Mind. 2×/Woche über 3 Monate
B
  • Andauernde Beschäftigung mit dem Essen, eine unwiderstehliche Gier oder Zwang zu essen (Craving)
C
  • Versuch, der Gewichtszunahme mit mind. 1 der folgenden Verhaltensweisen entgegenzusteuern
D
  • Selbstwahrnehmung als „zu fett“
  • Furcht, zu dick zu werden
Differenzierungen
  • F50.3 Atypische Bulimia nervosa: Nicht alle, aber einige der Kriterien der Bulimia nervosa sind erfüllt

Binge-Eating-Störung [3]

  • Nicht eigenständig gelistet
  • Wird unter F50.9 (Essstörung, nicht näher bezeichnet) codiert
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ICD-11toggle arrow icon

Anorexia nervosa [3][10]

  • Wesentliche Änderungen
    • Gewichtskriterium
      • BMI <18,5 kg/m2 oder ≤5. BMI-Perzentil (im Kindes- und Jugendalter) [1]
      • Alternativ: Gewichtsverlust von >20% (des Ausgangsgewichts) innerhalb von 6 Monaten
    • Amenorrhö entfällt als diagnostisches Kriterium
    • Einteilung in Schweregrade
      • AN mit kritisch erniedrigtem Körpergewicht: BMI <14 kg/m2 oder <0,3. BMI-Perzentil (im Kindes- und Jugendalter)
      • AN mit signifikant erniedrigtem Körpergewicht: BMI 14– 18,5 kg/m2 oder 0,3.–5. BMI-Perzentil (im Kindes- und Jugendalter)
      • AN in Remission mit normalem Körpergewicht: BMI >18,5 kg/m2 oder >5. BMI-Perzentil (im Kindes- und Jugendalter)
  • Mehr Informationen zur ICD-11 (deutsche Entwurfsfassung) unter Tipps & Links

Bulimia nervosa [3][10]

  • Wesentliche Änderungen
    • Erforderliche Frequenz der Essanfälle gesunken: Mind. 1×/Woche (innerhalb von 3 Monaten)
    • Genauere Definition eines Essanfalls: Erhebliche Nahrungsaufnahme innerhalb kurzer Zeit
      • Im Vergleich zur Nahrungsmenge, die Gesunde unter ähnlichen Umständen konsumieren
      • Mit Kontrollverlusterleben bzgl. des eigenen Essverhaltens
  • Mehr Informationen zur ICD-11 (deutsche Entwurfsfassung) unter Tipps & Links

Binge-Eating-Störung [3]

  • Eigenständig gelistet
  • Mehr Informationen zur ICD-11 (deutsche Entwurfsfassung) unter Tipps & Links
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Komorbiditätentoggle arrow icon

Psychische Komorbiditäten [3]

Essstörungen treten häufig zusammen mit psychischen Komorbiditäten auf, insb.:

Somatische Komorbiditäten [1][3][4][11]

Essstörungen scheinen mit Autoimmunerkrankungen (insb. Zöliakie, CED, Diabetes mellitus ) assoziiert zu sein. Der Zusammenhang gilt für beide Richtungen .

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Wichtig ist insb. auch die Abgrenzung der Essstörungen untereinander. Siehe hierzu: Gegenüberstellung von Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung.

Differenzialdiagnosen bei Essstörungen [1][4]
Klinisches Bild Differenzialdiagnosen

Untergewicht

Übergewicht
Erbrechen
Essanfälle

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Exkurs: Orthorexietoggle arrow icon

Allgemeines [3]

  • Definition: Außergewöhnlich starres und gesundheitsbewusstes Ernährungsverhalten
    • Nicht mit dem primären Ziel der Gewichtsreduktion
    • Keine eigenständige Diagnose (auch nicht in der ICD-11)
  • Prävalenz
    • In der Allgemeinbevölkerung: Ca. 1–6,9% (insg. unzuverlässige Daten)
    • Deutlich erhöht in Assoziation mit Essstörungen: Orthorexie als
      • Risikofaktor für die Entwicklung einer Essstörung
      • „Restzustand“ bzw. „Kompromiss“ bei ausgeprägter Essstörung

Klinisches Bild und Diagnostik [3]

  • Typische Merkmale, u.a.
    • Starre Kategorisierung in „gesunde“ und „ungesunde“ Nahrungsmittel
      • Zwanghafte und alltagsdominierende Beschäftigung damit
      • Ausgeprägte Sorge, infolge „ungesunder“ Ernährung zu erkranken
    • Festlegung strikter Ernährungsregeln
      • Selbstbestrafung bei Verstößen
      • Gefühl der Kontrolle und Sicherheit bei Einhaltung
    • Psychosoziale Einbußen aufgrund erheblicher „Fixierung“ auf Ernährungsverhalten
  • (Differenzial‑)Diagnostik

Therapie [3]

Es liegen keine gesonderten Leitlinienempfehlungen vor, weshalb die Behandlungsempfehlungen ähnlicher Erkrankungen (insb. Essstörungen, Zwangsstörung) als Orientierung dienen.

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Therapietoggle arrow icon

Allgemeine Therapieempfehlungen bei Essstörungen [1][3]

Für störungsspezifische Informationen siehe: Anorexia nervosa - Therapie, Bulimia nervosa - Therapie, Binge-Eating-Störung - Therapie

  • Grundlegendes
    • Tragfähige therapeutische Beziehung aufbauen
    • Frühzeitig behandeln und dadurch Chronifizierung verhindern
    • Guten Informationsfluss zwischen den Behandelnden herstellen
    • Therapieambivalenz berücksichtigen: Behandlungsmotivation immer wieder prüfen und fördern [7]
  • Gesamtbehandlungsplan erstellen
    • Komorbiditäten sowie somatische Aspekte berücksichtigen und ggf. ergänzend behandeln
    • Störungsspezifische Behandlung wählen
    • Klare Therapievereinbarungen treffen [5]
    • Kleinschrittig vorgehen [5]
    • Potenzielle Versorgungslücken beachten und schließen (bspw. poststationär )
    • Im Anschluss an ambulante Psychotherapie: Regelmäßige Kontrolltermine vereinbaren

Aufgrund der häufig bestehenden Therapieambivalenz sollte die Behandlungsmotivation immer wieder geprüft und gefördert werden!

Zentrale Therapieinhalte bei Essstörungen [1][5]

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Anorexia nervosatoggle arrow icon

Allgemein [1]

Therapeutische Aufgabe [5]

  • Vertrauensvolle und transparente Interaktion schaffen
  • „Funktion“ der Essstörung und assoziierte Ängste verstehen, insb.
    • Vermeidung
    • Selbstwertstabilisierung [7]
  • Veränderungsmotivation fördern
  • Autonomie- und Kontrollbestreben der Betroffenen berücksichtigen (kein Machtkampf!)

Es soll kein Machtkampf zwischen Patient:innen und Behandelnden entstehen!

Setting [1][3][5]

Da die Anorexia nervosa oft einen langen Behandlungsprozess erfordert, können – je nach Krankheitsphase – ambulante oder (teil‑)stationäre Therapiesettings sinnvoll sein. Im Folgenden sind Anhaltspunkte aufgeführt, die für das jeweilige Behandlungssetting sprechen. [1]

Ambulantes Setting

  • Moderates Untergewicht (BMI: 16–17,5 kg/m2)
  • Gute Therapiemotivation
  • Im Anschluss an eine stationäre Behandlung

Teilstationäres Setting

  • Unzureichende Besserung im ambulanten Setting
  • Im Anschluss an eine stationäre Behandlung („Step-down-Ansatz“)
  • Bei bereits mehrfachen stationären Aufenthalten in der Vergangenheit

Stationäres Setting

  • Klar messbare Kriterien
    • Rascher/Anhaltender Gewichtsverlust (>20% innerhalb von 6 Monaten)
    • Starkes Untergewicht: BMI <15 kg/m2 oder <3. BMI-Perzentil (im Kindes- und Jugendalter)
    • Vitale Gefährdung, gekennzeichnet durch bspw. [1]
  • Weitere Kriterien
    • Fehlende Besserung im ambulanten/teilstationären Setting (in 3 Monaten )
    • Starke bulimische Symptomatik (bspw. Laxanzienabusus)
    • Unzureichende Ressourcen bzw. störende Faktoren im ambulanten Setting (bspw. familiäre Struktur/Interaktion)
    • Mangelnde Krankheitseinsicht
    • Suizidalität, relevante psychiatrische Komorbidität
    • Notwendigkeit einer multiprofessionellen Behandlung (typischerweise im stationären Setting verfügbar [12])
    • Notwendigkeit von Unterbringung, Zwangsmaßnahmen

Therapiebausteine

Ernährungsmanagement und Gewichtsrehabilitation bei Anorexia nervosa [1][3]

Therapieziele

  • Normalisierung des Essverhaltens, bspw. durch
    • Begleitetes Essen (u.a. im Restaurant) [1]
    • Kochgruppen
  • Normalisierung des Körpergewichts
    • Gewichtszunahme/Woche (durchschnittlich)
      • Ambulant: 200–500 g
      • Stationär: 500–1.000 g
    • Zielgewicht: Individuell besprechen
      • Etwa: BMI ≥18,5 kg/m2 oder ≥25. BMI-Perzentil (im Kindes- und Jugendalter)
      • Orientiert am prämorbiden Gewicht

Das Zielgewicht sollte sich am prämorbiden Gewicht orientieren und individuell festgelegt werden!

Vorgehen

Psychotherapie [1][3][4]

Medikamentöse Therapie [1][3]

  • Allgemein
    • Nicht routinemäßig empfohlen
    • Nicht als Mittel für Gewichtszunahme nutzen
    • Nur als Off-Label Use
  • Atypische Antipsychotika
    • Ggf. erwägen bei
      • Massiv eingeschränktem Denken bzgl. Gewicht und Essen
      • Nicht anders kontrollierbarer Hyperaktivität
    • Auswahl einer
    • Behandlungsdauer: Nur während bestehender Symptomatik, nicht als Dauertherapie
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Bulimia nervosatoggle arrow icon

Allgemein [1][3][4]

Die allgemeinen Therapieempfehlungen bei Essstörungen sollten beachtet werden.

  • Setting: Vorzugsweise ambulant
  • Therapie der Wahl: Psychotherapie
  • Therapiefrequenz und -dauer
    • Frequenz: Mind. 1 Sitzung/Woche
      • 1. Monat: 2 Sitzungen/Woche erwägen
    • Gesamtdauer: Mind. 25 Sitzungen

Therapiebausteine

Psychotherapie [1][3][4]

Medikamentöse Therapie [1][3]

  • SSRI: Fluoxetin (einziges zugelassenes Medikament in Deutschland)
    • Einsatz
    • Häufig schneller Wirkeintritt (nach 7 Tagen)
    • Hohe Zieldosis: 60 mg/d
    • Behandlungsversuch: Mind. 4 Wochen
  • Andere SSRI: Off-Label Use
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Binge-Eating-Störungtoggle arrow icon

Allgemein [1][3][4]

Die allgemeinen Therapieempfehlungen bei Essstörungen sollten beachtet werden.

Therapiebausteine

Psychotherapie [1][3][4]

Ggf. Behandlung von Adipositas [4][5]

Medikamentöse Therapie [3][4]

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Komplikationentoggle arrow icon

Syndromwandel [1][3]

Komplikationen bei wiederholtem Erbrechen und Diuretika- bzw. Laxanzienabusus [3][4]

Komplikationen bei Mangelernährung bzw. Untergewicht

Starvationssyndrom

Starvationssyndrom durch Mangelernährung [3][4]
Organsystem Symptome

Herz und Kreislauf

Körpertemperatur

Blut

Magen-Darm-Trakt

Knochen

ZNS

  • (Pseudo‑)Hirnatrophie ggf. mit Liquorraumerweiterung

Haut und Haare

Endokrinologie

Knochendichteminderung bei Untergewicht [1]

  • Auftreten und Umfang
    • Bereits innerhalb des ersten Erkrankungsjahres
    • Verlust an Knochendichte pro Jahr: Ca. 1% [3]
  • Empfehlungen
    • Kontrolle der Knochendichte bei
      • Anhaltender Erkrankung (>2 Jahre)
      • Knochenschmerzen und/oder -frakturen (spontan)
    • Osteoporoseprophylaxe bei Mädchen und Frauen mit Anorexia nervosa [3]
    • Bei festgestellter Knochendichteminderung
      • Wichtigste Maßnahme: Gewichtsrehabilitation
      • Vermeidung von Aktivitäten mit hoher Sturzgefahr/Gewichtsbelastung

Refeeding-Syndrom [1][3][13][14]

Komplikationen bzgl. Fertilität und Schwangerschaft [1]

Komplikationen bei Komorbidität mit Diabetes mellitus Typ 1 [3]

Eine komorbide Essstörung wirkt sich oft prognostisch schlecht auf den Verlauf des Diabetes mellitus Typ 1 aus.

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

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Patienteninformationentoggle arrow icon

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Prognosetoggle arrow icon

Prognose/Verlauf von Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung [3]
Anorexia nervosa (AN) Bulimia nervosa (BN) Binge-Eating-Störung (BES)
Verlauf
  • Häufig (sub‑)chronisch [4]
  • Oft lebenslange (Rest‑)Symptomatik
  • Meist günstiger als bei AN [5]
  • Meist günstiger als bei AN und BN [1]
Mortalitätsrisiko [5]
  • Ca. 5- bis 6-fach erhöht
  • Ca. 1,5-fach erhöht [1]
  • Ca. 2,4-fach erhöht
Negative Prädiktoren (Auswahl)
  • Erkrankungsbeginn im Kindesalter [7]
  • Behandlungsbeginn im höheren Lebensalter [5]
  • Starker Gewichtsverlust
  • Lange Krankheitsphase
  • Bulimischer Typus
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Anorexie

Anorexie – Teil 1: Grundlagen

Anorexie – Teil 2: Pathophysiologie und Klinik

Anorexie – Teil 3: Diagnostik und Therapie

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

  • F50.-: Essstörungen
  • F98.2: Fütterstörung im frühen Kindesalter
    • Eine Fütterstörung mit unterschiedlicher Symptomatik, die gewöhnlich für das Kleinkindalter und frühe Kindesalter spezifisch ist. Im Allgemeinen umfasst die Nahrungsverweigerung extrem wählerisches Essverhalten bei angemessenem Nahrungsangebot und einer einigermaßen kompetenten Betreuungsperson in Abwesenheit einer organischen Krankheit. Begleitend kann Rumination – d.h. wiederholtes Heraufwürgen von Nahrung ohne Übelkeit oder eine gastrointestinale Krankheit – vorhanden sein.
    • Rumination im Kleinkindalter
    • Exklusive: Anorexia nervosa und andere Essstörungen (F50.‑), Fütterprobleme bei Neugeborenen (P92.‑), Fütterschwierigkeiten und Betreuungsfehler (R63.3), Pica im Kleinkind- oder Kindesalter (F98.3)
  • F98.3: Pica im Kindesalter
    • Anhaltender Verzehr nicht essbarer Substanzen wie Erde, Farbschnipsel usw.. Sie kann als eines von vielen Symptomen einer umfassenderen psychischen Störung wie Autismus auftreten oder sie kann als relativ isolierte psychopathologische Auffälligkeit vorkommen; nur das letztere wird hier kodiert. Das Phänomen ist bei intelligenzgeminderten Kindern am häufigsten. Wenn eine solche Intelligenzminderung vorliegt, ist als Hauptdiagnose eine Kodierung unter F70F79 zu verwenden.

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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