Zusammenfassung
Die maligne Hyperthermie (MH) gehört zu den schweren Narkosezwischenfällen. Eine präoperative Evaluation ist aufgrund des potenziell letalen Ausgangs essenziell, obwohl intraoperative MH-Krisen insg. selten sind. Durch eine entsprechende triggerfreie Narkoseführung lassen sich die meisten Zwischenfälle vermeiden. Für allgemeine Informationen zur Prämedikationsvisite siehe auch: Präoperative Evaluation und Aufklärung in der Anästhesiologie.
Risikoeinschätzung und Screening
Es existiert bislang kein etabliertes Screening für das Risiko einer MH. Entscheidend ist die gezielte Anamnese und Einholung von Vorbefunden [1][2].
Detektion von Risikopatienten
- Gezielte Anamnese
- Frühere Narkosezwischenfälle
- Narkosezwischenfälle bei Blutsverwandten
- Symptome neuromuskulärer Erkrankungen
- Muskelschmerzen
- Rezidivierende Muskelkrämpfe
- Muskelschwäche
- Unklares rezidivierendes Fieber
- Gesicherte neuromuskuläre Erkrankungen
- Vorliegen eines Anästhesie-Ausweises oder Allergiepasses
- Anforderung von Befunden
- Narkoseprotokolle
- Arztbriefe
- Befunde von Familienangehörigen
Diagnostik bei möglicher MH-Disposition
- In-vitro-Kontraktur-Test (IVKT)
- Goldstandard bei Verdacht auf MH
- Durchführung in speziellen Zentren
- Entnahme eines Muskelbiopsats
- Exposition einzelner Muskelfaserbündel mit Triggersubstanz (Halothan, Koffein)
- Kontraktion bei MH-Disposition erhöht
- Histopathologie: Unspezifische Veränderungen der Skelettmuskulatur in ca. 40% der Fälle [1]
- Clinical Grading Scale (CGS)
- Labor [3]
- Kreatinkinase (CK-Wert)
- Blutgasanalyse
- Elektrolyte
- Neurologischer Status
Die Labordiagnostik liefert nur Hinweise, ein gezieltes Screening existiert nicht. Auffälligkeiten in Anamnese und Laborbefunden können jedoch eine weiterführende Diagnostik rechtfertigen!
Assoziierte Erkrankungen [4][5]
Etwa die Hälfte der Patienten mit einer Disposition zur MH zeigt muskuläre Pathologien. Viele dieser Veränderungen sind jedoch unspezifisch. Im Zweifel sollte eine triggerfreie Narkose durchgeführt werden. Die Anwendung von Muskelrelaxanzien bei Pathologien der neuromuskulären Übertragung erfordert unabhängig von einer MH-Disposition besondere Sorgfalt.
MH-Disposition: Mögliche und gesicherte Zusammenhänge | |
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MH-Disposition | Erkrankung |
Nachgewiesen |
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Nicht nachgewiesen | |
Legende | 1 Kein Einsatz von Succinylcholin oder Inhalationsanästhetika trotz fehlender MH-Disposition 2 Kein Einsatz von Succinylcholin , Verwendung von Inhalationsanästhetika prinzipiell möglich 3 Einsatz von Succinylcholin und Inhalationsanästhetika prinzipiell möglich (ggf. Dosisanpassung erforderlich) |
Bei Erkrankungen mit nachgewiesener MH-Disposition dürfen keine MH-Triggersubstanzen eingesetzt werden!
Der Einsatz von MH-Triggersubstanzen kann auch bei Erkrankungen ohne nachgewiesene MH-Assoziation kontraindiziert sein!
Präoperatives Management
Präoperative Optimierung [2]
- Stress vermeiden
- Ausführliche Patienteninformation
- Ausreichende medikamentöse Prämedikation
- Prophylaxe mit Dantrolen i.d.R. nicht indiziert
- Postoperative Überwachung: Intensivplatz freihalten
Stress kann möglicherweise eine maligne Hyperthermie bei entsprechender Disposition auslösen und sollte perioperativ vermieden werden!
Technische Vorbereitung [1][2][6]
- Entfernung des Verdampfers für Inhalationsanästhetika vom Narkosegerät
- Austausch aller gasführenden Geräteteile
- Spülung des Gerätes mit Frischgas
- Bereitstellung ausreichender Mengen Dantrolen
Intraoperatives Management
Perioperative Überwachung
- Monitoring
- EKG, Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie
- Kapnometrie!
- Kontinuierliche Temperaturmessung
- Zugänge
- Großlumige periphere Venenverweilkatheter
- Großzügige Indikation für invasives Monitoring
Durchführung einer triggerfreien Anästhesie [1][2][4][7]
- Regionalanästhesie: Verfahren der Wahl
- Allgemeinanästhesie
- Vermeidung der Triggersubstanzen einer malignen Hyperthermie
- Auswahl triggerfreier Medikamente und Sicherstellung einer kontinuierlichen intra- und postoperativen Überwachung
Medikamente für eine triggerfreie Allgemeinanästhesie | |
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Substanzklasse | Medikament |
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Selten: Inhalationsanästhetika | |
Legende | ✓ = Triggerfreies Medikament |
Postoperatives Management
- Überwachung [1][2]
- Kleinere Eingriffe: 4–6 Stunden
- Größere Eingriffe: 24 Stunden auf einer Überwachungsstation
- Laborkontrollen: Unmittelbar nach Narkoseende und 6 Stunden postoperativ
- Lactat
- Kreatinkinase (CK-Wert)
- Basenüberschuss (BE)