Zusammenfassung
Ein Kleinwuchs liegt definitionsgemäß dann vor, wenn die Körperlänge weniger als die 3. Perzentile der Wachstumskurve beträgt. Kleinwuchs ist meist familiär bedingt. In diesen Fällen liegt keine Wachstumsstörung vor, da die Kinder zwar unter dem Normbereich, ansonsten aber normal wachsen. Indikation für eine Diagnostik bei Kleinwuchs ergibt sich dann, wenn der Patient kleiner ist, als es aufgrund der Größe der Eltern zu erwarten wäre. Mittels Röntgen der Hand lässt sich dabei eine gute Vorhersage bezüglich der Erwachsenengröße machen. Es ist allgemein wichtig, verzehrende chronische Erkrankungen (z.B. Zöliakie, Morbus Crohn) auszuschließen, da diese allesamt zu einer Wachstumsstörung führen können.
Allgemeines
- Definition Kleinwuchs: Körpergröße <3. Perzentile
- Dokumentierte abnorm niedrige Wachstumsgeschwindigkeit
- Normale Wachstumsgeschwindigkeit
- Normale Gewichtsentwicklung
- Geburtsgewicht: Ca. 3,3 kg
- 4–5 Monate: Verdopplung des Geburtsgewichts (Ca. 6,6 kg)
- 1 Jahr: Verdreifachung des Geburtsgewichts (Ca. 10 kg)
- 6 Jahre: Ca. 20 kg
- Dokumentierte abnorm niedrige Wachstumsgeschwindigkeit
- Knochenentwicklung (Ossifikation)
- Enchondrale Ossifikation
- Blutgefäße mit Mesenchymzellen wachsen in die Epiphyse ein und bewirken einen ständigen Ab- und Aufbau der Substanz, was insg. zu einer Verlängerung des Knochens führt
- Die enchondrale Ossifikation dient dem Längenwachstum des Knochens
- Perichondrale Ossifikation
- Osteoblasten der Knorpelhaut der Diaphyse differenzieren sich zu Osteozyten und bewirken eine Vergrößerung des Knochendurchmessers
- Die perichondrale Ossifikation dient dem Umfangswachstum des Knochens
- Enchondrale Ossifikation
- Zielgröße bei Kindern = Mittlere Elterngröße ((Größe Mutter + Größe Vater) / 2) + 6,5 cm (Jungen) bzw. − 6,5 cm (Mädchen)
- Gute Vorhersage der Erwachsenengröße anhand des Knochenalters mittels Röntgenbild (a.p.) der linken Hand : Korrelation zwischen Grad der Knochenreifung und prozentualem Anteil der Größe zur Endgröße
Gründe für Kleinwuchs
- Familiärer Kleinwuchs
- Häufigster Grund für Kleinwuchs (dies ist keine Wachstumsstörung und die Körperproportionen sind normal)
- Eltern sind kleinwüchsig
- Konstitutioneller Kleinwuchs
- Hormonell: Kongenitale Hypothyreose, Mangel an Wachstumshormonen (GH, STH), adrenogenitales Syndrom
- Psychosozial: Vernachlässigung und Misshandlung des Kindes kann durch einen pathophysiologisch ungeklärten Wachstumshormonmangel zu Kleinwuchs führen
- Pränatale Störung: Embryofetopathien durch Noxen wie Alkohol oder Nikotin
- Chronische Erkrankungen
- Chronischer Sauerstoffmangel
- Bei schweren Anämien (z.B. bei homozygoter Thalassämie oder Sichelzellanämie)
- Bei Herzvitien
- Mangelversorgung
- Unterernährung
- Malabsorption: Morbus Crohn, Zöliakie
- Chronischer Sauerstoffmangel
- Hereditär/chromosomal
- Ullrich-Turner-Syndrom
- Trisomie 21
- Prader-Willi-Syndrom
- Laurence-Moon-Bardet-Biedl-Syndrom: Seltenes Krankheitsbild mit monogener Vererbung, gekennzeichnet durch Kleinwuchs, Adipositas, Retinopathia pigmentosa, Intelligenzminderung und Polydaktylie
- Weill-Marchesani-Syndrom: Seltene hereditäre Fehlbildung gekennzeichnet durch Kleinwuchs, Herzfehlbildungen und Pathologien am Auge (Kugellinse, Linsensubluxation und sekundäres Glaukom)
- Noonan-Syndrom
- Definition: Heterogenes Krankheitsbild meist durch Mutationen im PTPN11-Gen auf Chromosom 12
- Epidemiologie: 1:5.000 bis 1:1.000 Lebendgeborene betroffen
- Klinische Merkmale
- Kleinwuchs (häufig erst postnatal auftretend)
- Leichte Gesichtsdysmorphien (u.a. Hypertelorismus, nach lateral abfallende Lidachse), Pterygium colli
- Oftmals kardiovaskuläre Fehlbildungen (u.a. Pulmonalklappenstenose , Vorhofseptumdefekt)
- Geistige Entwicklung evtl. verzögert, Intelligenz jedoch in 75% der Fälle im Normbereich
Achondroplasie
- Definition: Autosomal-dominant vererbte Erkrankung der enchondralen Ossifikation, zu 80% aber Neumutation
- Mutation im Fibroblast-Growth-Factor-Receptor-3-Gen (FGFR-3)
- Epidemiologie
- Häufigste Skelettdysplasie
- Neumutationswahrscheinlichkeit steigt mit dem Alter des Vaters zum Zeitpunkt der Zeugung
- Klinik
- Normale Rumpflänge
- Überproportional vergrößerter Kopf mit gewölbter Stirn
- Kleine plumpe Extremitäten
- Körperlänge <130 cm
- Spinalkanalstenose
- Diagnostik
-
Röntgen der Wirbelsäule
- Abgeflachte Wirbelkörper
- Brust-Kyphose
- Lenden-Lordose
-
Röntgen der Wirbelsäule
- Pränataldiagnostik
- Ultraschallscreening im dritten Trimenon
- Amniozentese: Nachweis einer FGFR-3-Mutation
Osteogenesis imperfecta („Glasknochenkrankheit“)
- Definition: Seltene Gruppe erblicher Erkrankungen, die durch eine Störung der Kollagen-I-Synthese zu erhöhter Knochenbrüchigkeit führen
- Einteilung
- Aktuell 11 Typen : Hier seien aber nur die mildeste (Typ I) und die schwerste Form (Typ II) erläutert
- Typ I (ehemals Osteogenesis imperfecta tarda, Typ Lobstein)
- Autosomal-dominant
- Mildeste Ausprägung, normale Körpergröße oder nur geringgradiger Kleinwuchs
- Beginn der Erkrankung im Kindesalter mit Beginn des Laufens
- Weiße bis blaue Skleren
- Otosklerotische Schwerhörigkeit im Erwachsenenalter
- Typ II
- Autosomal-rezessiv oder -dominant [1]
- Schwerste Form
- Blaue Skleren
- Schon intrauterin multiple Frakturen, insb. Rippen und lange Röhrenknochen
- Dysproportionierter Kleinwuchs
- Tod meist bei Geburt oder innerhalb des 1. Lebensjahres
- Typ I (ehemals Osteogenesis imperfecta tarda, Typ Lobstein)
- Aktuell 11 Typen : Hier seien aber nur die mildeste (Typ I) und die schwerste Form (Typ II) erläutert
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- D82.-: Immundefekt in Verbindung mit anderen schweren Defekten
- D82.2: Immundefekt mit disproportioniertem Kleinwuchs
- E23.-: Unterfunktion und andere Störungen der Hypophyse
- E23.0: Hypopituitarismus
- Hypophysärer Kleinwuchs
- Lorain-Kleinwuchs
- E23.0: Hypopituitarismus
- E34.-: Sonstige endokrine Störungen
- E34.3: Kleinwuchs, anderenorts nicht klassifiziert
- Kleinwuchs:
- konstitutionell
- Laron-Typ
- psychosozial
- o.n.A.
- Exklusive: Disproportionierter Kleinwuchs bei Immundefekt (D82.2)
- Kleinwuchs:
- Progerie (E34.8)
- Silver-Russell-Syndrom (Q87.1)
- Kleinwuchs:
- E34.3: Kleinwuchs, anderenorts nicht klassifiziert
- E45: Entwicklungsverzögerung durch Energie- und Eiweißmangelernährung
- Inklusive:
-
Alimentär:
- Entwicklungshemmung
- Kleinwuchs
- Körperliche Retardation durch Mangelernährung
-
Alimentär:
- Inklusive:
- N25.-: Krankheiten infolge Schädigung der tubulären Nierenfunktion
- Q77.-: Osteochondrodysplasie mit Wachstumsstörungen der Röhrenknochen und der Wirbelsäule
- Q77.4: Achondroplasie
- Q78.-: Sonstige Osteochondrodysplasien
- Q78.0: Osteogenesis imperfecta
- Fragilitas ossium
- Osteopsathyrosis
- Q78.0: Osteogenesis imperfecta
- Q87.-: Sonstige näher bezeichnete angeborene Fehlbildungssyndrome mit Beteiligung mehrerer Systeme
- Q87.1: Angeborene Fehlbildungssyndrome, die vorwiegend mit Kleinwuchs einhergehen
- Aarskog-Syndrom
- Cockayne-Syndrom
- (Cornelia-de‑) Lange-I-Syndrom
- Dubowitz-Syndrom
- Noonan-Syndrom Prader-Willi-Syndrom
- Robinow- (Silverman-Smith‑) Syndrom
- Seckel-Syndrom
- Silver-Russell-Syndrom
- Smith-Lemli-Opitz-Syndrom
- Exklusive: Ellis-van-Creveld-Syndrom (Q77.6)
- Q87.1: Angeborene Fehlbildungssyndrome, die vorwiegend mit Kleinwuchs einhergehen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.