Zusammenfassung
Erkrankungen der Niere und der ableitenden Harnwege äußern sich mannigfaltig. Neben Schmerzen über der betroffenen Region ist ein Ausstrahlen möglich. Daher sind bei Abklärung eines akuten Abdomens auch immer Erkrankungen der Harnwege zu bedenken. Die meisten chronischen Nierenerkrankungen verlaufen symptomfrei, sodass sie nur durch pathologische Urin- (Nachweis von Erythrozyten, Eiweiß) oder Blutbefunde (Erhöhung von Kreatinin, Harnstoff) entdeckt werden. Die Ultraschalluntersuchung lässt eine grobe Beurteilung der Nieren und ableitenden Harnwege zu, bei Harnstau ist sie entscheidend.
Körperliche Befunde
- Veränderungen der Miktion (Menge, Aussehen, Beschwerden)
- Flankenschmerzen
- Kolikartig mit Ausstrahlung in die Leisten-/Genitalregion eher bei Urolithiasis
- Dauerhaft eher bei entzündlichen Erkrankungen
- Nierenklopfschmerz: Typisch für entzündliche Erkrankungen sowie Urolithiasis
- Ödeme
Begriffe zur Charakterisierung der Urinquantität und -qualität
- Quantität
- Beschwerden
- Pollakisurie = häufiger Harndrang (trotz geringer Urinmengen)
- Algurie = schmerzhaftes Wasserlassen
- Dysurie = erschwertes, oft schmerzhaftes Wasserlassen
- Strangurie = permanentes, schmerzhaftes Bedürfnis zu miktieren ohne adäquate Miktion
- Ischurie = Harnverhalt (Unmöglichkeit des spontanen Wasserlassens)
- Qualität
- Isosthenurie = Verlust der Fähigkeit der Niere, den Harn zu konzentrieren oder zu verdünnen → Urin-Osmolalität nähert sich der Plasma-Osmolalität an
- Glucosurie = Auftreten von (>15 mg/dL) Glucose im Harn
- Proteinurie = Auftreten von >150 mg Protein/24 h im Harn
-
Leukozyturie = Auftreten von (>10/μL) Leukozyten im Harn
- Pyurie = Leukozyturie mit sichtbarer gelblicher Trübung des Harns
- Bakteriurie = Keimzahl von ≥105/mL (bei Mittelstrahlurin)
-
Hämaturie = Auftreten von (>5/μL) Erythrozyten im Harn
- Mikrohämaturie = Hämaturie ohne sichtbare Rotfärbung des Harns
- Makrohämaturie = Hämaturie mit sichtbarer Rotfärbung des Harns (siehe auch Rotfärbung des Urins)
- Hämoglobinurie
- Myoglobinurie
Einer asymptomatischen Hämaturie kann ein Malignom zugrunde liegen!
Urinuntersuchungen
- Urinstatus
- Methode: Streifentest (Urin-Stix)
- Parameter
- pH
- Leukozyten, Erythrozyten
- Eiweiß (insb. Albumin) , → Wenn positiv weitere Quantifizierung (siehe Proteinurie)
- Glucose, Ketone , Urobilinogen
- Nitrit
Der Streifentest kann nicht zwischen Hämaturie, Hämoglobinurie und Myoglobinurie differenzieren! Eine Rotfärbung des Urins tritt auch bei Einnahme bestimmter Medikamente (z.B. Rifampicin), bestimmter Speisen (rote Bete) und bei Formen der Porphyrie auf!
- Labor
- Bestimmung von Natrium und Kreatinin (in Serum und Urin)
- Fraktionelle Natriumexkretion
- Ziel: Differenzierung zwischen prärenalem und intrarenalem Nierenversagen
- Berechnung: (NatriumUrin × KreatininSerum) / (NatriumSerum x KreatininUrin) × 100 (Angabe in Prozent)
- Interpretation: <1% spricht für eine prärenale Genese; >1% spricht für eine intrarenale Genese
- Renales Nierenversagen: Natriumkonzentration im Harn↑
- Prärenales Nierenversagen: Natriumkonzentration im Harn↓
- Urinsediment
- Zellen: Erythrozyten, Leukozyten
- Phasenkontrastmikroskopie zum Nachweis dysmorpher Erythrozyten (Akanthozyten)
- Zylinder
- Hyaline Zylinder: Bestehend aus Tamm-Horsfall-Proteinen; unspezifischer Befund, auch bei Gesunden
- Granulierte Zylinder: Hinweis auf eine Proteinurie (bspw. im Rahmen einer Glomerulo- oder Pyelonephritis); mitunter aber auch bei Gesunden (z.B. nach starker körperlicher Belastung)
- Epithelzylinder: Hinweis auf eine Glomerulonephritis, interstitielle Nierenerkrankungen (Tubulusschaden) , tlw. aber auch bei Gesunden
- Leukozytenzylinder: Hinweis auf glomeruläre und interstitielle Nephritis, Pyelonephritis u.a.
- Erythrozytenzylinder: Hinweis auf eine Glomerulonephritis
- Zellen: Erythrozyten, Leukozyten
- Drei-Gläser-Probe: Hämaturie im ersten oder letzten Teil der Miktion deutet auf urethrale Läsion hin, permanente Hämaturie auf vesikalen oder supravesikalen Ursprung
Blutuntersuchungen
- Harnpflichtige Substanzen
- Kreatinin: Indirektes Maß für die glomeruläre Filtrationsrate
- Anstieg des Serumkreatinins erst ab Reduktion der glomerulären Filtrationsrate um 50% oder mehr → Die Nierenfunktion kann bei einer GFR, die noch >60 mL/min beträgt, nicht anhand des Serumkreatinins beurteilt werden = "kreatininblinder" Bereich!
- Zusätzliche Störfaktoren
- Falsch-hohe Werte: Hohe Proteinzufuhr, hohe Muskelmasse, schwere körperliche Arbeit
- Falsch-niedrige Werte: Geringe Muskelmasse
- Harnstoff: Abbauprodukt von Ammoniak, Proteinen (erhöht auch bei Katabolismus)
- Harnsäure: Abbauprodukt der Purinbasen (DNA-Bestandteil)
- Cystatin C: Genaueres (geringerer blinder Bereich), indirektes Maß für die glomeruläre Filtrationsrate, allerdings aufwendiger zu bestimmen (kostenintensiv) und daher kein Routineparameter
- Kreatinin: Indirektes Maß für die glomeruläre Filtrationsrate
- Autoantikörper (v.a. antinukleäre Antikörper als Hinweis auf eine Glomerulonephritis)
- Clearance-Bestimmung (Nierenfunktion)
- Kreatinin-Clearance → Entspricht näherungsweise der glomerulären Filtrationsrate = eGFR (estimated GFR)
- Abschätzung der Kreatinin-Clearance bzw. der GFR mittels CKD-EPI-Formel oder MDRD-Formel unter Einbezug von Alter, Geschlecht, Ethnizität („race“ ) und Kreatinin im Serum [1][2]
- Genaue Bestimmung der Kreatinin-Clearance erfordert auch die Bestimmung der Kreatininausscheidung im Urin in einer bestimmten Zeit (Kreatininkonzentration im Urin x Urinvolumen in 24 Stunden)
- Kreatinin-Clearance → Entspricht näherungsweise der glomerulären Filtrationsrate = eGFR (estimated GFR)
- Weitere Bestimmungen, besonders bei zunehmender Niereninsuffizienz: Na+, K+, Ca2+, Phosphat, Vitamin D, Parathormon
Bildgebung und Intervention
- Siehe auch Apparative Diagnostik in der Urologie
- Sonografie
- Röntgen, CT
- Ggf. MRT
- Nieren-Szintigrafie
- Nierenbiopsie
- Indikation
- Abklärung bei unklarer Glomerulonephritis
- Verdacht auf Lupusnephritis oder Rapid-progressive Glomerulonephritis
- Abklärung einer Komplikation bei Transplantatniere
- Kontraindikation
- Anatomische Hindernisse/Varianten: Lageanomalien der Nieren, Schrumpfnieren, Gefäßaberrationen im Bereich der Nieren
- Gerinnungsstörungen (Thrombozytopenien, -pathien, Störungen der plasmatischen Gerinnung)
- Unkontrollierte arterielle Hypertonie u.a.
- Indikation
Studientelegramme zum Thema
- HOMe Studientelegramme Innere Medizin
- Studientelegramm 236-2022-2/3: Empfehlungen zur Durchführung einer Nierenbiopsie
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