Zusammenfassung
Die Sonografie wird in der Diagnostik von Muskel-, Sehnen- oder Bandverletzungen sowie von Frakturen insb. bei Heranwachsenden eingesetzt. Eine dynamische Untersuchung ermöglicht außerdem, eine noch nicht fixierte Sehnenluxation oder ein Impingement zu visualisieren, die beide in einer statischen Untersuchungstechnik einen Normalbefund zeigen würden. Zusätzlich kann durch eine ultraschallgestützte Technik Flüssigkeit punktiert oder Gewebe präzise biopsiert werden. Vorteile der Sonografie gegenüber anderen Bildgebungen sind insb. eine gute (ambulante) Verfügbarkeit, eine relativ kostengünstige Durchführung und eine fehlende Strahlenbelastung. Jedoch sind für ein aussagekräftiges Untersuchungsergebnis eine adäquate technische Ausrüstung sowie Wissen und Training der untersuchenden Person notwendig.
Für die Notfallsonografie siehe auch: E-FAST.
Technische Grundlagen
Voraussetzungen
- Systematisches (standardisiertes) Vorgehen
- Technik
- Meist Linearschallköpfe
- I.d.R. 7,5–24 MHz
- Siehe auch: Funktionen und Einstellungen eines Sonografiegerätes
Bildgebungstechniken [3]
- B-Bild
-
Doppler-Sonografie (meist PD-Mode)
- Beschreibt Aktivitätszustand eines Prozesses
- Signal↑ = Vaskularisation↑
- Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS)
- Beurteilung der vaskulären Dichte eines Gewebes und der Kontrastmitteldynamik
- Gute Beurteilung parenchymaler Läsionen
Weichgewebesonografie
Bei Verletzungen von Sehnen, Bändern und Muskulatur wird bei entsprechender Expertise der untersuchenden Person insb. im Kindes- und Jugendalter die Sonografie empfohlen. Prinzipiell können außerdem alle oberflächlichen Raumforderungen wie bspw. ein Ganglion, ein Abszess sowie Weichgewebetumoren mit der Sonografie untersucht werden. [5]
Muskulatur [6][7][8]
- Typische Indikationen: Erstdiagnose und Verlaufskontrolle sowie zur Ausschlussdiagnostik
- Bei V.a. Läsion
- Bei einer Raumforderung
- Standardebenen: Längs- und Transversalschnitt
- Typische Befunde
-
Hämatom
- Frühphase: Noch nicht organisiert → Kaum darstellbar
- Tag 1–2: Organisation → Eher echoarmer Befund
- Spätphase: Zunehmende Resorption → Befund wird inhomogen
- Doppler-Sonografie: Ggf. hyperäme Region um das Hämatom
-
Muskelfaserriss (intrinsische Verletzung)
- Grad 0: Keine sonografisch nachweisbare Läsion
- Grad I: Minimale echoarme Areale im Muskel
- Grad II: Echoarme Rupturstelle im Muskel
- Grad III: Komplette Ruptur mit Retraktion
-
Kontusion (extrinsische Verletzung)
- Milde Kontusion: Ggf. lokal begrenzte Schwellung von Muskelfasern
- Höhergradige Kontusion: Hämatom
- Myositis ossificans localisata [9]
- Frühphase: Hyperechogene Zone mit anechogener Umgebung
- Spätphase: Schalldichte Verkalkung mit Schallschatten
- Muskelhernie
- Raumforderung
-
Hämatom
Sehnen und Bänder [10][11]
- Typische Indikationen: Erstdiagnose und Verlaufskontrolle einer
- Läsion
- Tendinopathie
- Tendovaginitis
- Durchführung
- Längs- und Transversalschnitt
- Bei oberflächlichen Strukturen Vorlaufstrecke verwenden
- Typische Befunde
- Traumatische Sehnenläsion
- Partielle Ruptur: Zunahme der Dicke, Änderung der Echogenität, ggf. Sehnenscheidenerguss
- Ruptur: Echoarme Rupturstelle, ggf. mit Hämatom
- Avulsionsfraktur: Knöchernes Fragment am Sehnenstumpf
- Degenerative Sehnenläsion
- Zunahme der Sehnendicke
- Diffuse Änderungen der Echogenität
- Fokale Änderungen am Sehnenansatz bzw. -ursprung
- Kalzifikation: Echoreiche Areale mit ggf. dorsaler Schallauslöschung
- Veränderungen der Vaskularität
-
Synovialitis [12]
- Echoarme Hypertrophie der Sehnenscheide, ggf. Flüssigkeit in der Sehnenscheide
- Vaskularität entspricht nicht dem physiologischen Gefäßverlauf
- (Doppler‑)Sonografischer Score: OMERACT-Score
- Insb. für rheumatische Erkrankungen
- Diagnosesicherung und Einteilung in Schweregrade
- Enthesitis
- Sehnenverdickung und Verlust der fibrillären Struktur
- Erhöhte Signalintensität am Sehnenansatz in der Doppler-Sonografie
- Luxation, bspw. der Fibularissehnen
- Traumatische Sehnenläsion
Periphere Nerven [13][14]
- Typische Indikationen
- Kompressionssyndrom, bspw. Karpaltunnelsyndrom
- Nervenläsion
- Tumor
- Durchführung
- Längs- und Transversalschnitt
- 10–13 MHz für größere Nerven, bspw. N. medianus oder N. ulnaris
- >20 MHz für kleinere Nerven, bspw. N. interosseus antebrachii anterior
- Typische Befunde
- Abflachung des Nerven an einer Engstelle
- Schwellung des Nerven vor oder hinter einer Engstelle
- Verletzung des Nerven
- Durchtrennung (Neurotmesis)
- Ausmaß der Dehiszenz
- Tumor
Arthrosonografie
Allgemeines [15][16][17]
- Indikationen
- Verifizierung einer klinischen Verdachtsdiagnose
- Kindliche Gelenkbeschwerden
- Intraartikuläre Punktion und Injektion [18]
- Typische Befunde
- Gelenkerguss
- Echofrei bis echoarm
- Verschieblich bzw. komprimierbar
- Gelenksynovialitis
- Echoarm bis mittelechogen
- Nicht verschieblich
-
Bursitis [19]
- Vergrößerte Bursa
- Gefüllt mit Flüssigkeit
- Bursawand verdickt und eher echoreich
- Ggf. umgeben von echoreichem Ödem
-
Ganglion
- Echoarm bis echofrei
- Scharf begrenzt, häufig rundlich
- Gelenkempyem: Keine spezifischen sonografischen Kennzeichen [20]
- Weichgewebeveränderungen, siehe auch: Weichgewebesonografie
- Gelenkerguss
Lokalisationen
Schultergelenk und AC-Gelenk [21][22]
- Typische Verdachtsdiagnosen [23]
- Durchführung
- Sitzend
- Arm in Neutralposition, Ellenbogen 90° flektiert, Hand supiniert
- Statisch und dynamisch
- Standardebenen
Ellenbogengelenk [24][25]
- Typische Verdachtsdiagnosen [23]
- Epicondylitis humeri radialis und medialis
- Bursitis olecrani
- Verletzungen der Sehne des M. triceps
- Nervenkompressionssyndrome, bspw. Nervus-ulnaris-Läsion oder Radialis-Lähmung
- Durchführung
- Sitzend oder in Rückenlage
- Ellenbogengelenk in Extension sowie 90° Flexion
- Standardebenen
- Dorsal: Längs- und Transversalschnitt
- Ventral: Längs- und Transversalschnitt
Handgelenk und Hand [24][25]
- Typische Verdachtsdiagnosen [23]
- Tendinopathie
- Tendovaginitis, bspw. Tendovaginitis de Quervain oder Tendovaginitis stenosans
- Synovialitis, bspw. bei rheumatoider Arthritis
- Ganglion
- Nervenkompressionssyndrome, bspw. Loge-de-Guyon-Syndrom oder Karpaltunnelsyndrom
- Durchführung
- Sitzend, die Hand auf einem Tisch aufliegend
- Statisch und dynamisch
- Standardebenen
- Handgelenk: Palmare und dorsale Längs- und Transversalschnitte
- Fingergelenke: Längs- und Transversalschnitte
Hüftgelenk [26][27][28]
- Typische Verdachtsdiagnosen [23]
- Nachweis von Flüssigkeit, bspw. Bursitis trochanterica oder Coxitis fugax
- Sportlerleiste
- Synovialitis
- Nervenkompressionssyndrome, bspw. Nervus-cutaneus-femoris-lateralis-Läsion
- Hüftdysplasie bei Säuglingen
- Durchführung
- In Rücken- und Seitenlage, ggf. Bauchlage
- Neutralstellung des Beines
- Statisch und dynamisch
- Säuglinge: Hüftsonografie nach Graf
- Standardebenen
- Ventral: Längs- und Transversalschnitt
- Lateral: Längs- und Transversalschnitt
Kniegelenk [3][28]
- Typische Verdachtsdiagnosen [23]
- Sehnenverletzung, bspw. Patellarsehnenruptur oder Quadrizepssehnenruptur
- Baker-Zyste
- Bursitis, bspw. Bursitis praepatellaris
- Morbus Osgood-Schlatter
- Septische Arthritis
- Durchführung
- In Rücken- und Bauchlage
- Neutralstellung des Kniegelenks
- Statisch und dynamisch
- Standardebenen
- Ventral: Längs- und Transversalschnitt
- Seitlich: Medialer und lateraler Längsschnitt
- Dorsal: Längs- und Transversalschnitt
Oberes Sprunggelenk und Fuß [11][29]
- Typische Verdachtsdiagnosen [23]
- Sehnenverletzung oder Luxation, bspw. Achillessehnenruptur oder Fibularissehnenluxation
- Bandverletzung, bspw. bei OSG-Distorsion
- Tendinopathie
- Plantarfasziitis
- Durchführung
- In Rücken- und Bauchlage
- Neutralstellung des Sprunggelenks
- Statisch und dynamisch
- Standardebenen
- Ventral: Längs- und Transversalschnitt
- Medial und Lateral: Längs- und Transversalschnitt sowie schräge Ebenen
- Dorsal: Längs- und Transversalschnitt
- Plantar: Längs- und ggf. Transversalschnitt
Fraktursonografie
Allgemeines
- Indikationen
- Erstdiagnose: Bei V.a. Fraktur
- Ausschlussdiagnose: Insb. Bewegungs- und Funktionseinschränkungen bei Kindern [31]
- Verlaufskontrolle
- Häufige Befunde [32]
- Kontinuitätsunterbrechung der Kortikalis
- (Subperiostales) Hämatom
- Periostzerreißung
- Ggf. Gelenkerguss
- Stressfraktur
Lokalisationen
- Schädel [33]
- Indikation: Bei V.a. Schädelkalottenfraktur bei <18-Jährigen ohne neurologische Symptome
- Limitationen
- Bei V.a. Schädelbasisfraktur
- Bei V.a. supraorbitale Fraktur
- Durchführung: Verschiedene Schnittebenen mit Vorlaufstrecke
- Bei V.a. Kindesmissbrauch: Konventionelle Röntgenaufnahmen empfohlen
- Clavicula
- Indikationen
- Kinder <12 Jahren
- Erwachsene: Bei V.a. Fraktur bei negativem Röntgenbefund
- Limitationen bspw.
- Offene Fraktur
- Starke Dislokation
- Mehrfragmentfraktur
- Bei V.a. Gelenkbeteiligung
- Durchführung: Längsschnitt von ventral und kranial
- Indikationen
- Proximaler Humerus
- Indikation: Kinder <12 Jahren
- Limitationen
- Refraktur
- Bei V.a. pathologische Fraktur
- Bekannte Systemerkrankungen
- Durchführung: 4 Längsschnitte
- Ellenbogen
- Indikation: Kinder <12 Jahren
- Durchführung: Dorsomedianer Längsschnitt über der Fossa olecrani
- Distaler Unterarm
- Indikation: Kinder <12 Jahren
- Beachte: Konventionelles Röntgenbild bei sonografisch (teilweise) geschlossener Epiphysenfuge notwendig
- Durchführung: Radius und Ulna je 3 Längsschnitte
Bei V.a. eine Fraktur der Clavicula, des proximalen Humerus, des Ellenbogens oder des distalen Unterarms wird bei Kindern <12 Jahren die Erstuntersuchung mittels Sonografie empfohlen!
Bei V.a. Kindesmissbrauch sollte die Untersuchung und Dokumentation mit konventionellen Röntgenaufnahmen erfolgen!