Zusammenfassung
Das Erythema nodosum (sog. Knotenrose) ist eine akute Entzündung des Unterhautfettgewebes (Pannikulitis). Es präsentiert sich typischerweise in Form druckdolenter, rot-violetter Knoten im Bereich der Unterschenkelstreckseiten und tritt meist im jungen Erwachsenenalter auf. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Zu den häufigsten eruierbaren Ursachen gehören Streptokokkeninfektionen, Tuberkulose, Sarkoidose und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, wobei das Erythema nodosum auch medikamentös induziert sein oder in der Schwangerschaft auftreten kann. In einigen Fällen bleibt die Ätiologie trotz Diagnostik unklar.
Die Diagnose wird i.d.R. klinisch gestellt, eine Biopsie ist nur selten notwendig. Bei hoher Spontanheilungsrate steht neben supportiven Maßnahmen wie Bettruhe und Analgesie die Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund. In schweren Fällen können systemische Glucocorticoide eingesetzt werden.
Epidemiologie
Ätiologie
- Primär: In ca. ⅓ der Fälle ist keine Ursache eruierbar [1]
- Sekundär: Im Rahmen zahlreicher Systemerkrankungen, einer Schwangerschaft oder assoziiert mit Medikamenten bzw. Impfstoffen
Ein idiopathisches Erythema nodosum ist aufgrund der potenziell schwerwiegenden Grunderkrankungen eine Ausschlussdiagnose!
Ein Erythema nodosum kann das erste Anzeichen einer Systemerkrankung sein!
Pathophysiologie
- Vermutet wird eine Überempfindlichkeitsreaktion vom verzögerten Typ [1]
- Ggf. genetische Prädisposition [5][6]
Symptomatik
- Effloreszenz
- Unscharf begrenzte, (druck‑)schmerzhafte, rötlich-violette und leicht erhabene subkutane Knoten
- Ggf. Bildung von Plaques
- Keine(!) Ulzerationen
- Abheilung unter Verfärbung zu gelb-braunen oder blau-grünen Effloreszenzen
- Lokalisation
- Typischerweise symmetrisch auf beiden Unterschenkelstreckseiten
- Deutlich seltener: Knöchel, Oberschenkel, Gesäß, Arme oder Gesicht
- Erythema nodosum migrans (Sonderform): Meist unilateral, insb. lateraler Unterschenkel betroffen
- Verlauf
- Entwicklung über wenige Tage
- I.d.R. spontanes Abheilen ohne Narbenbildung innerhalb von 2–8 Wochen
- Weitere Symptome
- Fieber, Unwohlsein
- Lokale Schmerzen
- Arthralgien
- Husten
- Ggf. Symptome der zugrunde liegenden Erkrankung (siehe: Erythema nodosum - Ursachen)
Pathologie
- Akute septale Entzündung des Unterhautfettgewebes (Pannikulitis) [1][2][8]
- Frühes Stadium: Ödematös-hämorrhagisch aufgetriebene Fettgewebesepten mit gemischtzelligem Entzündungsinfiltrat
- Spätes Stadium: Zunehmend fibrotisch verdickte Fettgewebesepten mit vorwiegend lymphozytärem Entzündungsinfiltrat
Diagnostik
Vorgehen bei V.a. Erythema nodosum [1][2][6][7]
- Anamnestische und klinische Hinweise (siehe auch: Erythema nodosum - Symptome/Klinik)
- Akuter Beginn?
- Prodromi bzw. Begleitsymptome (z.B. Fieber, Arthralgien, Unwohlsein)?
- Rötliche bis violette Knoten an beiden Unterschenkelstreckseiten?
- Starke Druckdolenz?
- Hämatomähnliche Verfärbung?
- Keine Ulzera, Narben, Atrophien?
- Hinweise auf Differenzialdiagnosen (siehe: Erythema nodosum: Differenzialdiagnosen): Entsprechende Diagnostik einleiten
- Biopsie nur bei atypischer Präsentation , bspw. bei
- Lokalisation außerhalb der Unterschenkelstreckseiten
- Knoten >6 cm
- Persistenz >8 Wochen
- Nach Diagnosestellung: Ausschluss eines sekundären Erythema nodosum
Die Diagnose des Erythema nodosum sollte primär klinisch erfolgen!
Ausschluss eines sekundären Erythema nodosum [1][2][6][7]
Für die Abklärung eines Erythema nodosum ist die Suche nach bzw. der Ausschluss einer zugrunde liegenden Erkrankung entscheidend, siehe auch: Erythema nodosum - Ursachen.
- Erweiterte Anamnese und körperliche Untersuchung
- Akute Pharyngitis (erinnerlich)?
- Husten ± Auswurf? Dyspnoe?
- Gastrointestinale Symptomatik?
- B-Symptomatik?
- Lymphadenopathie?
- Arthritiden?
- Vorerkrankungen?
- Schwangerschaft?
- Medikamenten- und Impfanamnese
- Reiseanamnese
- Weiteres Vorgehen: Je nach klinischen Befunden
- Spezifischer V.a. Grunderkrankung: Fokussierte Diagnostik
- Kein spezifischer Verdacht
- Laboruntersuchungen
- Differenzialblutbild
- CRP/BSG
- Streptokokkenschnelltest, Kultur aus Rachenabstrich, ggf. Antistreptolysin-O-Titer
- Interferon-γ-Test bzw. Sputumdiagnostik auf säurefeste Stäbchen
- Schwangerschaftstest
- Bildgebung: Röntgen-Thorax
- Laboruntersuchungen
Bei jedem Erythema nodosum sollte nach einer möglichen Ursache gesucht werden!
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnosen des Erythema nodosum [1][2] | |||
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Effloreszenz | Lokalisation | Diagnostische Hinweise | |
Phlegmone/Erysipel |
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Hämatome |
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Chronisch-venöse Insuffizienz |
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Livedo-Syndrome (Livedo reticularis/Cutis marmorata, Livedo racemosa) |
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Thrombophlebitis |
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IgA-Vaskulitis |
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Erythema nodosum leprosum (Lepra)[9][10] |
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Erythema induratum [11][12][13] |
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Pannikulitis bei α1-Antitrypsin-Mangel |
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Pankreatische Pannikulitis [15][16] |
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Subkutanes Pannikulitis-ähnliches T-Zell-Lymphom |
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AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Meist selbstlimitierend innerhalb weniger Wochen
- Symptomatische Therapie i.d.R. ausreichend
- Bei bekanntem Auslöser: Ursache behandeln (kausale Therapie)
Symptomatische Therapie [1][2][17][17]
- Indikation: Jedes Erythema nodosum
- Supportive Maßnahmen
- Bettruhe und Beine hochlagern
- Ggf. medizinische Kompressionsstrümpfe (15–20 mmHg)
- Analgesie: NSAR [1][2]
- Bei refraktärem Verlauf unter NSAR: Ggf. Kaliumiodid (Off-Label Use) [1]
Kausale Therapie [1][2][17][17]
- Indikation: Jedes sekundäre Erythema nodosum (siehe: Erythema nodosum - Ursachen)
- Behandlung der auslösenden Grunderkrankung
- Absetzen potenziell auslösender Medikamente
- Schwangerschaft: Möglichst nur supportive Maßnahmen
Immunmodulation/-suppression [1][2][17][17]
- Indikation: Refraktärer, chronisch-rezidivierender oder schwerer Verlauf trotz symptomatischer bzw. kausaler Therapie
- 1. Wahl: Glucocorticoide p.o. [17]
- Weitere Möglichkeiten (Off-Label Use)
- Colchicin
- Dapson
- Hydroxychloroquin
- Thalidomid
- Cyclosporin A
- Glucocorticoide intraläsional
- TNF-α-Inhibitoren (bspw. Etanercept, Adalimumab, Infliximab)
- Tetracycline
Prognose
- Meist Spontanheilung ohne Residuen innerhalb von ca. 2–8 Wochen
- Rezidive in bis zu ⅓ der Fälle
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 278-2024-1/3: Knotenrose zum Valentinstag?
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- L52: Erythema nodosum
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.