Zusammenfassung![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Die Myokarditis ist eine Entzündung des Herzmuskels. In Europa wird sie am häufigsten durch eine Virusinfektion ausgelöst und steht dann oft in zeitlichem Zusammenhang zu einer Infektion der oberen Atemwege. Sie kann auch verschiedene andere infektiöse und nicht-infektiöse Ursachen haben (bspw. bakterielle Infektionen oder Autoimmunerkrankungen).
Die Symptome sind sehr variabel: Eine Myokarditis kann vollständig asymptomatisch verlaufen, aber auch einem Myokardinfarkt ähneln, schwere Herzrhythmusstörungen hervorrufen oder zu Herzinsuffizienz führen. Bei einer Perimyokarditis greift die Entzündung auf die angrenzenden Schichten des Herzbeutels über und verursacht oft stechende Thoraxschmerzen. Im EKG können diffuse ST-Hebungen auftreten, die mit einem Myokardinfarkt verwechselt werden können. Zweifelsfrei gesichert oder ausgeschlossen werden kann eine Myokarditis nur durch eine Endomyokardbiopsie. Die Magnetresonanztomografie stellt eine Alternative dar, wenn keine Biopsie erfolgt. Zuerst sollte immer ein Myokardinfarkt ausgeschlossen werden.
In der Mehrzahl der Fälle heilt die Myokarditis binnen weniger Wochen folgenlos aus und erfordert keine spezifische Therapie. Die wichtigste Maßnahme ist strenge körperliche Schonung. Bestehen Symptome einer Herzinsuffizienz, sollte möglichst rasch eine leitliniengerechte Herzinsuffizienztherapie begonnen werden. Bei einigen seltenen Formen ist eine spezifische immunsuppressive Behandlung in spezialisierten Zentren notwendig.
Definition![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Die medizinische Terminologie ermöglicht prinzipiell eine klare Trennung der verschiedenen Formen entzündlicher Erkrankungen von Myokard und Perikard. Leider werden diese Begriffe in der Literatur trotzdem häufig synonym genutzt, verwechselt und/oder unscharf verwendet.
- Myokarditis: Isolierte Entzündung des Herzmuskels
- Perimyokarditis: Primäre Entzündung des Herzmuskels mit Beteiligung der angrenzenden Schichten des Herzbeutels
- Perikarditis: Isolierte Entzündung des Herzbeutels
- Myoperikarditis: Primäre Entzündung des Herzbeutels mit Beteiligung der darunter liegenden Schichten des Herzmuskels
- Pankarditis: Entzündung aller Herzwandschichten (Endokard, Myokard, Epikard, Perikard)
Epidemiologie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Prävalenz: Ca. 23/100.000 Personen (weltweiter Durchschnitt) [2]
- Häufiger bei jungen Männern als bei Frauen [3]
- Myokardbeteiligung bei 1–5% aller Virusinfektionen wird angenommen [4]
- Oft Zufallsbefund bei Autopsien junger, plötzlich verstorbener Menschen (ca. 10%) [5]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Infektiös [3][5]
- Viren
- In Europa und Nordamerika häufigste Ursache (etwa 50% der Fälle)
- Häufige virale Erreger
- Herpesviren (EBV, HHV-6, CMV )
- Coxsackie-B-Viren [6]
- Parvovirus B19 [7]
- Weitere virale Erreger
- Bspw. Adenoviren, Influenzaviren, HIV, HCV, ECHO-Viren
- SARS-CoV-2 [8][9][10]
- Bakterien
- Bspw. Staphylokokken, Enterokokken, Streptokokken
- Borrelia burgdorferi (Lyme-Karditis)
- Corynebacterium diphtheriae (Diphtherie)
- Seltene Erreger: Bspw. Salmonellen, Mykobakterien, Treponema pallidum
- Parasiten/Protozoen
- Trypanosoma cruzi [11]
- Weitere Erreger: Trichinen, Echinokokken
- Pilze
- Insb. bei Immunsuppression
Nicht-infektiös [3][5]
- Autoimmun
- Rheumatologische Erkrankungen und systemische Autoimmunerkrankungen
- Rheumatisches Fieber (rheumatische Myokarditis)
- Iatrogen
- Physikalische Schädigung: Bspw. nach Bestrahlung des Mediastinums
- (Peri‑)Myokarditis nach COVID-19-Impfstoffen und anderen Impfungen (bspw. Influenza-Impfung oder Pocken-Impfung [12])
- Zytostatika und Targeted Therapy (insb. Anthracycline, Trastuzumab)
- Immuncheckpoint-Inhibitoren [13]
- Metabolisch/Toxisch
- Substanzabusus (insb. Alkohol, Amphetamine und Kokain)
- Bienen- und Wespenstiche, Schlangenbisse
- Schwermetallvergiftungen (Kupfer, Cobalt, Chrom, Eisen, Blei)
- Phäochromozytom
- Eosinophile Myokarditis (Hypersensitivitätsmyokarditis) [13]
- Ausgelöst u.a. durch verschiedene Medikamente [14]
- Antibiotika (Penicillin, Ampicillin, Cephalosporine, Sulfonamide, Tetracycline)
- Antiphlogistika (insb. Mesalazin)
- Anfallssuppressiva (insb. Benzodiazepine)
- Antipsychotika (insb. Clozapin)
- Diuretika (Schleifendiuretika und Thiazide)
- Weitere mögliche Auslöser
- Ausgelöst u.a. durch verschiedene Medikamente [14]
- Idiopathische Riesenzellmyokarditis (selten) [13]
- Genaue Ätiologie unklar
- Häufig fulminanter Verlauf
- Unbehandelt sehr schlechte Prognose
Myokarditis/Perikarditis nach COVID-19-Impfung![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Epidemiologie
- Häufigkeit: 1–2 Verdachtsfälle pro 100.000 Impfungen [15][16]
- Alter: Insb. 12–30 Jahre
- Geschlecht: ♂ > ♀ [15]
- Impfung [17]
- Risiko nach Impfung mit mRNA-1273 (Moderna) größer als nach BNT162b2 (BioNTech-Pfizer) oder NVX-CoV2373 (Novavax) [18][19]
- Insb. nach der 2. Impfung [17]
- Symptomatik: Meist mild, Beginn ≤21 Tage nach Impfung
- Diagnostik siehe: Diagnostik der Myokarditis, Diagnostik der Perikarditis
- Therapie siehe: Therapie der Myokarditis, Therapie der Perikarditis
- Prognose: Heilt meist folgenlos aus
- Rote-Hand-Brief zu mRNA-1273 und BNT162b2: Sehr selten Auftreten einer Myokarditis und Perikarditis nach Impfung mit mRNA-1273 (Moderna) oder BNT162b2 (BioNTech-Pfizer) [20]
- Geimpfte sollten insb. ≤14 Tage nach Impfung auf Symptome einer Myokarditis bzw. Perikarditis achten und sich bei entsprechenden Symptomen umgehend in ärztliche Behandlung begeben
Die höchste Melderate findet sich bei jungen Männern nach der 2. Impfung mit mRNA-1273 (Moderna)!
Treten innerhalb von ≤14 Tagen nach einer Impfung mit einem COVID-19-Impfstoff Symptome einer Myokarditis bzw. Perikarditis auf, sollte eine Abklärung erfolgen!
Pathophysiologie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Nicht bei allen Ätiologien im Detail bekannt
- Im Fall einer „typischen“ viralen Myokarditis: Schädigung der Herzmuskelzellen durch das Virus selbst, durch die (physiologische) Immunantwort und/oder durch resultierende Autoimmunreaktionen
Phasen der viralen Myokarditis
- 1. Phase
- Dauer: Ca. 1–7 Tage
- Pathophysiologische Prozesse
- Rezeptorvermittelte Aufnahme des Virus in Kardiomyozyten, kardiale Fibroblasten oder Endothelzellen → Intrazelluläre Virusreplikation
- Zerstörung infizierter Zellen durch virusvermittelte Zytolyse und unspezifische Immunreaktionen
- 2. Phase
- Dauer: Ca. 1–4 Wochen
- Pathophysiologische Prozesse
- Zerstörung infizierter Zellen durch spezifische Immunreaktionen
- Im Verlauf meist vollständige Viruselimination, Beendigung der Immunantwort und Ausheilung der Entzündung
- 3. Phase
- Dauer: Monate bis Jahre, Chronifizierung möglich
- Pathophysiologische Prozesse [24][25]
- Unvollständige Elimination des Erregers und/oder fehlende Beendigung der Immunantwort → Ggf. chronische Entzündungsreaktion
- Chronische Entzündungsprozesse → Ggf. Autoimmunreaktion
- Später Krankheitsverlauf: Abhängig von der Ausdehnung der Entzündung [24]
- Ausmaß des Verlustes von Herzmuskelkraft korreliert mit der Anzahl zerstörter Kardiomyozyten
- Oft kein oder nur geringer Funktionsverlust, aber auch Entwicklung einer dilatativen Kardiomyopathie mit schwerer Herzinsuffizienz möglich
- Ausmaß des Verlustes von Herzmuskelkraft korreliert mit der Anzahl zerstörter Kardiomyozyten
Symptomatik![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Allgemeines [5][13][21]
- Symptomatik sehr variabel
- Oft asymptomatischer oder milder Verlauf (in der Mehrzahl der Fälle)
- Leichte unspezifische Beschwerden wie Müdigkeit, Leistungsknick, Schwindel, Symptome eines grippalen Infektes (z.B. Fieber, Myalgien, Kopfschmerzen)
- Präsentation ähnlich einem Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz oder Herzrhythmusstörungen unterschiedlicher Schweregrade möglich
- Selten fulminanter Verlauf
- Schwere Verläufe mit lebensbedrohlichen Komplikationen: Häufiger bei älteren Frauen [3]
- Oft asymptomatischer oder milder Verlauf (in der Mehrzahl der Fälle)
- Zeitlicher Bezug zu Infekten
- Erste Symptome stehen bei infektiöser Myokarditis oft in zeitlichem Zusammenhang mit einem Infekt (Anamnese!)
- Stattgehabte Virusinfektion innerhalb der letzten Wochen kann auf virale Genese hinweisen
- Krankheitsgefühl, Arthralgien, Fieber, Schwitzen oder Kältegefühl im Rahmen einer Virusinfektion 1–2 Wochen vor Beginn bei bis zu 60% der Betroffenen
- Infekt der oberen Atemwege oder grippaler Infekt in den letzten 6 Monaten bei ca. der Hälfte der Betroffenen [22]
Klinische Präsentation [3][13]
Thoraxschmerzen
- Leichte persistierende Thoraxschmerzen in ca. 35% der Fälle
- Stechende, atemabhängige Schmerzen v.a. bei Perikardbeteiligung (Perimyokarditis)
- Klinisches Bild eines akuten Myokardinfarktes möglich
Herzinsuffizienz
- Bei ausreichend stark reduzierter Pumpfunktion: Symptome der Herzinsuffizienz
- Rasche Progredienz und Entwicklung einer Herzinsuffizienz jedes Schweregrads möglich
Herzrhythmusstörungen
- Häufig Palpitationen aufgrund vorzeitiger atrialer oder ventrikulärer Kontraktionen
- Sinustachykardie deutlich häufiger als höhergradige Rhythmusstörungen
- Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen (z.B. AV-Blockierungen oder ventrikuläre Tachykardien) möglich
- Ggf. Synkopen oder plötzlicher Herztod
Klinische Erscheinungsformen nach Definition der ESC
- Symptomatik ähnlich einem akuten Koronarsyndrom
- Neues Auftreten oder Verschlechterung einer Herzinsuffizienz
- Chronische Herzinsuffizienz
- Lebensbedrohlicher Zustand
Die Anwendung der Definition der ESC setzt immer voraus, dass eine KHK sowie andere klassische Ursachen für höhergradige Herzrhythmusstörungen und eine Herzinsuffizienz ausgeschlossen wurden!
Die klinische Symptomatik der Myokarditis ist unspezifisch und sehr heterogen – sie reicht von asymptomatischen bis hin zu fulminanten Verläufen!
Bei infektiöser Myokarditis besteht häufig ein Zusammenhang zu bereits abgelaufenen Infekten!
Verlaufs- und Sonderformen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Fulminant (17%)
- Beginn: Hochakut (plötzlich neu einsetzende Herzinsuffizienz NYHA IV ohne andere erkennbare Ursache)
- Klinik: Herzinsuffizienz, kardiogener Schock oder Arrhythmien mit hämodynamischer Instabilität
- Verlauf: Variabel (spontane und vollständige Remission bis zu rapider Verschlechterung mit Kreislaufversagen)
- Histologie: Multiple aktive Fokusse entzündlicher Infiltrate mit Degeneration und Nekrose von Myozyten
- Akut (65%)
- Beginn: Subtiler als bei fulminantem Verlauf
- Klinik: Geringere kardiale Beeinträchtigung, ggf. Herzinsuffizienz und/oder Herzrhythmusstörungen
- Verlauf: Meist vollständige Erholung, aber auch Herzinsuffizienz jeder Schwere möglich
- Histologie: Aktive entzündliche Infiltrate oder Borderline-Myokarditis
- Chronisch aktiv (11%)
- Beginn und Klinik: Ähnlich der akuten Myokarditis
- Verlauf: Resultiert gewöhnlich nur in leichter bis moderater kardialer Dysfunktion
- Histologie: Fortschreitende Fibrose, die chronisch-entzündliche Veränderungen suggeriert
- Chronisch persistierend (7%)
- Beginn: Schleichend
- Klinik und Verlauf: Meist keine kardiale Beeinträchtigung
- Histologie: Nicht rückläufige, aktive entzündliche Infiltrate oder Borderline-Myokarditis
Diagnostik![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Anamnese
Besonders zu achten ist auf:
- Vorerkrankungen
- Infekte
- Medikamente
Klinische Untersuchung
- Neu aufgetretene oder verschlechterte Symptome einer Herzinsuffizienz
- Uncharakteristische Herzauskultationsbefunde, evtl. flüchtige systolische Geräusche
- Atemabhängige thorakale Schmerzen (v.a. bei Perikardbeteiligung)
EKG bei Myokarditis [3][5][13]
Ein 12-Kanal-EKG kann bei Auffälligkeiten auf eine bestehende Herzmuskelentzündung hinweisen. Analog zur klinischen Symptomatik sind unterschiedliche und evtl. passagere Veränderungen möglich. Ein Langzeit-EKG kann ggf. Herzrhythmusstörungen erfassen, ein solches liegt in der Akutsituation aber i.d.R. nicht vor. Es ist daher eher zur Verlaufsbeurteilung geeignet.
Erregungsrückbildungsstörungen
- Häufig unspezifisch veränderte ST-Strecken und T-Wellen (ST-Senkungen, T-Negativierungen)
-
Evtl. ST-Hebungen: Bei Myokarditis mit typischerweise eher konkavbogigem („sattelförmigem“) Verlauf
- Typischerweise über mehreren (oder sogar allen) Ableitungen und nicht einem einzelnen Gefäßversorgungsgebiet zuzuordnen
- Abgrenzung zum Myokardinfarkt: Typischerweise
- Keine konvexbogigen ST-Hebungen
- Kein R-Verlust
- Keine reziproken ST-Senkungen
- Keine Ausbildung pathologischer Q-Zacken
Herzrhythmusstörungen
- Häufig Sinustachykardie und Extrasystolen
- Schwere Herzrhythmusstörungen möglich (supraventrikuläre und ventrikuläre Arrhythmien)
Erregungsleitungsstörungen
- AV-Blockierungen [7][26]
- Ventrikuläre Leitungsstörungen (z.B. Linksschenkelblock)
- QRS-Dauer ≥120 ms: Negativer prognostischer Marker für kardialen Tod oder Herztransplantation
Weitere Veränderungen
- PQ-Senkungen [27]
- Niedervoltage und/oder elektrischer Alternans bei Perikarderguss
Labordiagnostik [3][13]
- Differenzialblutbild: Häufig Leukozytose
- Lymphozyten↑: Typische Immunantwort auf eine Infektion (insb. bei viraler Genese)
- Eosinophile↑: Hinweis auf eosinophile Myokarditis
- Kardiale Nekrosemarker↑ (CK, CK-MB, Troponin)
- BNP oder NT-proBNP↑: Als Hinweis auf eine Herzinsuffizienz
- Entzündungsparameter↑ (CRP, BSG)
- Erregernachweis
- Blutkulturen: Bei V.a. bakterielle Myokarditis
- Borrelienserologie: Bei entsprechender Anamnese
- Virusserologie: Aufgrund limitierter diagnostischer Wertigkeit nicht routinemäßig empfohlen
- Antikörper
- Kardiale Autoantikörper: Antimyolemmale (AMLA) oder antisarkolemmale (ASA) Antikörper
- Antinukleäre Antikörper (ANA) und Rheumafaktor: Screening bei begründetem klinischen V.a. rheumatologische Erkrankung oder systemische Autoimmunerkrankung
Unauffällige kardiale Nekrosemarker oder normwertige Entzündungsparameter in der Labordiagnostik schließen eine akute oder chronische Myokarditis nicht aus!
Bildgebung
Röntgen-Thorax [5]
- Diagnostik bei Dyspnoe und Herzinsuffizienz
- Ggf. verbreiterte Herzsilhouette bei Perikarderguss
- Bei Myokarditis ohne Herzinsuffizienz oder Perikarderguss eher keine wegweisenden Befunde
Echokardiografie [3][13]
- Insb. zum Ausschluss anderer Herzerkrankungen (z.B. Vitien oder verschiedener Kardiomyopathien)
- Zur Beurteilung von Pumpfunktion und regionaler Kontraktilität
- Ggf. eingeschränkte links- (LVEF) und/oder rechtsventrikuläre Pumpfunktion
- Ggf. regionale Wandbewegungsstörungen
- Oft unauffälliger Befund
- Bei akuter oder fulminanter Myokarditis oft normal großer linker Ventrikel mit verdickter Wand
- Bei chronischer Myokarditis eher ventrikuläre Dilatation
- Echoarmer Randsaum um die Ventrikel bei Perikarderguss
Kardiale Magnetresonanztomografie (CMR) [21][22]
- Nicht-invasive Methode der Wahl
- Ermöglicht anatomische, funktionelle und strukturelle Analyse
- Differenzierung ischämischer und nicht-ischämischer Ursachen von Herzinsuffizienz oder Thoraxschmerz
- Erhöhung der diagnostischen Genauigkeit einer Endomyokardbiopsie (EMB) durch Identifikation betroffener Myokardsegmente
- Diagnosestellung anhand der Lake-Louise-Kriterien (beide Hauptkriterien müssen erfüllt sein) [28]
- Hauptkriterien
- T1-Wichtung: Veränderungen ohne typisch ischämisches Verteilungsmuster
- T2-Wichtung: Darstellung eines myokardialen Ödems
- Supportive Kriterien
- Nachweis einer Perikarditis
- Vorliegen einer linksventrikulären Dysfunktion
- Hauptkriterien
- Nicht empfohlen bei akut lebensbedrohlichem Krankheitsbild mit Indikation zur Endomyokardbiopsie [13]
Invasive Diagnostik [13]
Koronarangiografie
- Indikationen
- Empfohlen bei Erfüllen der Diagnosekriterien der Myokarditis nach Definition der ESC [23]
- Ausschluss eines Myokardinfarktes
- Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit als Ursache einer Herzinsuffizienz
- Durchführung: Meist Linksherzkatheter
- Alternativ CT-Koronarangiografie: Insb. bei jungen Betroffenen mit niedriger Vortestwahrscheinlichkeit für KHK
Endomyokardbiopsie (EMB)
- Einzige Methode zur zweifelsfreien Sicherung oder zum Ausschluss einer Myokarditis
- Histopathologische, immunhistologische und molekularbiologische Differenzierung der Art entzündlicher Zellinfiltration
- Ggf. Amplifikation von Virus-DNA oder -RNA (via PCR)
- Wichtige Voraussetzung für gezielte antivirale oder sichere immunsuppressive Therapie
- Indikationen
- Schwere bzw. lebensbedrohliche Verlaufsformen
- Medikamentöse oder mechanische Kreislaufunterstützung
- Anhaltende oder progrediente Herzinsuffizienz und/oder relevante Herzrhythmusstörungen trotz konventioneller Therapie
- Verdacht auf spezifisch therapierbare Erkrankung (insb. kardiale Sarkoidose, eosinophile Myokarditis und Riesenzellmyokarditis)
- Myokardinfarkt-ähnliche Symptomatik nach Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung
- Anhaltend erhöhte Troponinwerte (nach Ausschluss eines akuten Myokardinfarktes oder anderer erklärender Ursachen)
- Schwere bzw. lebensbedrohliche Verlaufsformen
- Durchführung
- Siehe: Herzkatheteruntersuchung [3]
- Kardiale MRT kann ggf. betroffene Segmente identifizieren und die Sensitivität erhöhen [22]
- Schwere Komplikationen selten (Perforation, Herzrhythmusstörungen)
- Befunde
- Evtl. eindeutiger (immun‑)histologischer Entzündungsnachweis
- Evtl. Nachweis von Virus-DNA/-RNA
- Evtl. Nachweis seltener, aber spezifisch therapierbarer Formen
Die Diagnose Myokarditis wird häufig erst nach Ausschluss anderer lebensbedrohlicher Ursachen gestellt!
Diagnosekriterien nach Definition der ESC![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Nach Definition der ESC sollte eine Myokarditis vermutet werden, wenn ≥1 der u.g. klinischen Zeichen und ≥1 der u.g. diagnostischen Kriterien (aus verschiedenen Kategorien) vorliegen und weder eine angiografisch nachweisbare Koronarstenose (>50%) noch vorbestehende kardiovaskuläre oder extrakardiale Erkrankungen bestehen, die das klinische Bild erklären könnten.
Klinische Zeichen
Liegt keines der klinischen Zeichen vor, sollte eine Myokarditis dennoch vermutet werden, falls ≥2 der diagnostischen Kriterien nachweisbar sind.
- Akute Brustschmerzen
-
Dyspnoe in Ruhe oder bei Belastung und/oder Erschöpfung
- Neu (Tage bis Wochen), subakut aufgetreten (≤3 Monate), chronisch bestehend (>3 Monate) oder verschlechtert zu vorher
- Palpitationen und/oder Arrhythmie-Symptome und/oder Synkopen und/oder überlebter plötzlicher Herztod
- Kardiogener Schock
Diagnostische Kriterien
- EKG-Kriterien
- Neue Auffälligkeiten in 12-Kanal-EKG und/oder Langzeit-EKG und/oder Belastungsuntersuchung
- ST-Strecken- oder T-Wellen-Veränderungen (ST-Hebung oder -Senkung, T-Negativierung)
- AV-Block I°–III°, Sinusarrest, Asystolie
- Gehäufte Extrasystolen, supraventrikuläre Tachykardie, Vorhofflimmern, ventrikuläre Tachykardie, Kammerflimmern
- Schenkelblockierung oder intraventrikuläre Leitungsstörung (QRS-Verbreiterung)
- R-Reduktion, pathologische Q-Zacken, Niedervoltage
- Neue Auffälligkeiten in 12-Kanal-EKG und/oder Langzeit-EKG und/oder Belastungsuntersuchung
- Myokardiale Nekrosemarker
- Auffälligkeiten in der kardialen Bildgebung (Echo, Angiografie, MRT)
- Neue strukturelle und/oder funktionelle Auffälligkeiten des linken und/oder rechten Ventrikels
- Regionale oder globale systolische und/oder diastolische Funktionsstörung mit oder ohne:
- Ventrikuläre Dilatation
- Erhöhte Wanddicke
- Perikarderguss
- Endokavitäre Thromben
- Regionale oder globale systolische und/oder diastolische Funktionsstörung mit oder ohne:
- Neue strukturelle und/oder funktionelle Auffälligkeiten des linken und/oder rechten Ventrikels
- MRT-Befund
Pathologie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Histopathologische und immunhistologische Klassifikation [5][7][21][22][29]
Die Dallas-Kriterien von 1987 sind die bis heute gültige histopathologische Klassifikation zur Diagnostik einer Myokarditis. Sie wurden im Laufe der Jahre mehrfach von der World Health Federation (WHF) ergänzt und 1999 durch den Einschluss immunhistologischer Parameter erweitert .
Diagnose | Dallas-Kriterien | WHF-Klassifikation | |
---|---|---|---|
Akute/aktive Myokarditis |
|
| |
Persistierende Myokarditis (Kontrollbiopsie) | |||
Abheilende Myokarditis |
|
| |
Abgeheilte Myokarditis (Kontrollbiopsie) |
|
| |
Chronische Myokarditis |
|
| |
Borderline-Myokarditis |
|
|
Histologische Sonderformen
- Idiopathische Riesenzellmyokarditis [21]
- Massive Destruktion von Myokardiozyten durch mehrkernige Riesenzellen
- Eosinophile Myokarditis [7]
- Zellinfiltration insb. durch eosinophile Granulozyten
- Kardiale Sarkoidose [21]
- Nicht-verkäsende Granulome mit mehrkernigen Riesenzellen
- Rheumatisches Fieber (rheumatische Myokarditis) [5]
- Virus-negative lymphozytäre Myokarditis [29]
- Histologisch aktive Entzündung ohne Virusnachweis
Differenzialdiagnosen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Bei Thoraxschmerzen: Bspw. akuter Myokardinfarkt (siehe auch: Differenzialdiagnose bei Thoraxschmerz)
- Bei Dyspnoe: Bspw. akute Lungenembolie (siehe auch: Differenzialdiagnose bei Dyspnoe)
- Bei Herzrhythmusstörungen: Bspw. Elektrolytstörungen (siehe auch: Ätiologie von Herzrhythmusstörungen)
- Bei Herzinsuffizienz: Bspw. koronare Herzkrankheit (siehe auch: Ätiologie der Herzinsuffizienz)
- Bei Verdickung des Herzmuskels [22]
- Hypertensive Herzerkrankung
- Hypertrophe Kardiomyopathie
- Kardiale Speichererkrankungen
- Kardiale Amyloidose
- Morbus Fabry
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Allgemeine Maßnahmen [13][23]
- Stationäre Überwachung mit Monitoring
-
Körperliche Schonung und Sportverbot bis zur vollständigen Ausheilung der kardialen Entzündung (mind. 6 Monate) [13]
- Freigabe nach positiver Evaluation folgender Kriterien im Verlauf [3]
- LVEF normalisiert
- Normalisierung ggf. initial erhöhter Biomarker
- Keine relevanten Arrhythmien in Ruhe-, Langzeit- und Belastungs-EKG
- Freigabe nach positiver Evaluation folgender Kriterien im Verlauf [3]
Kausale Therapie
- Antiinfektive Therapie [5]
- Antibiotika (bspw. bei rheumatischem Fieber, Lyme-Karditis)
- Antimykotika
- Virostatika [3][7]
- Immunsuppression [3][7][13]
- Sicherer Ausschluss einer infektiösen Genese zwingend erforderlich (Ausnahme: SARS-CoV-2) [21][30]
- Indikationen
- Myokarditis bei COVID-19: Behandlung mit Glucocorticoiden [30]
- Idiopathische Riesenzellmyokarditis
- Kardiale Sarkoidose
- Eosinophile Myokarditis
- Virus-negative lymphozytäre Myokarditis
- Myokarditis im Rahmen rheumatologischer Systemerkrankungen
- Möglichst frühzeitiger Therapiebeginn zur Verbesserung der Prognose (im Akutstadium ggf. lebensrettende Maßnahme)
- Keine Empfehlung für Colchicin [31]
Symptomatische Therapie
- Bei eingeschränkter kardialer Funktion: Leitliniengerechte Herzinsuffizienztherapie inkl. Flüssigkeitsbilanzierung [7]
- Betablocker: Überlebensvorteil bei Betroffenen mit bioptisch gesicherter Myokarditis [32]
- ACE-Inhibitoren oder AT1-Rezeptor-Blocker: Reduktion von Entzündung, Fibrose und Nekrose (im Tiermodell) [4]
- Siehe auch: Therapie der Herzinsuffizienz
- Keine klare Empfehlung für NSAR [23][33]
Wenn eine Myokarditis diagnostiziert wird, ist konsequente körperliche Schonung mit Sportverbot die wichtigste allgemeine Maßnahme!
Eine Immunsuppression darf erst nach sicherem Ausschluss einer infektiösen Genese eingeleitet werden!
Komplikationen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Herzrhythmusstörungen
- Verlauf: Akut und/oder persistierend
- Prognose: Alle Schweregrade möglich (inkl. plötzlichen Herztodes)
- Herzinsuffizienz
- Verlauf: Akut und/oder persistierend
- Diastolische und/oder systolische Dysfunktion
- Dilatative Kardiomyopathie
- Prognose: Alle Schweregrade möglich
- Verlauf: Akut und/oder persistierend
- Koronarspasmen
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachsorge![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Festlegung der Dauer von körperlicher Schonung und Sportverbot (mind. 6 Monate)
- Freigabe nach positiver Evaluation folgender Kriterien [3]
- LVEF normal
- Normalisierung ggf. initial erhöhter Biomarker
- Keine relevanten Arrhythmien in Ruhe-, Langzeit- und Belastungs-EKG
- Freigabe nach positiver Evaluation folgender Kriterien [3]
- Langfristiges kardiologisches Follow-up empfohlen
- Initial alle 1–3 Monate, im Verlauf mind. jährlich
- Körperliche Untersuchung, EKG und Echokardiografie [3]
Prognose![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Allgemein
Die Prognose ist insb. abhängig von der Ätiologie, der initialen klinischen Präsentation und dem Verlauf der Erkrankung.
- Meist (in >70% der Fälle) vollständige Ausheilung nach 2–4 Wochen
-
Dauerhafte kardiale Dysfunktion mit schlechter Prognose (in ca. 25% der Fälle)
- Terminale Herzinsuffizienz mit Notwendigkeit einer Herztransplantation oder Versterben in ca. 12–25% der Fälle
- Hohe Rate spontaner Ausheilung bei initial erhaltener kardialer Pumpfunktion
- Ohne kausale Therapie schlechte Prognose bei Riesenzellmyokarditis, eosinophiler Myokarditis und kardialer Sarkoidose
Negative Prognosefaktoren [3]
- Kardiovaskuläre Faktoren
- Kardiale Funktion: Isolierte rechtsventrikuläre Dysfunktion, biventrikuläre kardiale Dysfunktion
- Hämodynamische Parameter: Erhöhte pulmonalarterielle Druckwerte, niedrige Blutdruckwerte (systolisch <115 mmHg), erhöhte Herzfrequenz
- EKG-Veränderungen
- QRS-Dauer >120 ms
- Neu aufgetretener Linksschenkelblock
- QT-Zeit >440 ms
- Neu aufgetretene Q-Zacken
- Ventrikuläre Extrasystolie
- Persistierender immunhistologischer Entzündungsnachweis [21]
Prävention![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Sorgfältiges Auskurieren von Infekten
- Starke körperliche Anstrengungen vermeiden
- Sportliche Aktivität nach Genesung langsam steigern
- Zur Verhinderung von Rezidiven: Kausale Behandlung identifizierter und behandelbarer Erreger (wenn möglich)
Studientelegramme zum Thema![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Studientelegramm 244-2022-1/3: Fokus SARS-CoV-2-Impfung: Anti-IL1RA-Antikörper bei Myokarditis
- Studientelegramm 237-2022-2/3: Fokus SARS-CoV-2: Myo- und Perikarditis nach COVID-19-Impfungen
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- I09.-: Sonstige rheumatische Herzkrankheiten
- I09.0: Rheumatische Myokarditis
- Exklusive: Myokarditis, nicht als rheumatisch bezeichnet (I51.4)
- I40.-: Akute Myokarditis
- I40.0: Infektiöse Myokarditis
- Septische Myokarditis
- I40.1: Isolierte Myokarditis
- I40.8: Sonstige akute Myokarditis
- I40.9: Akute Myokarditis, nicht näher bezeichnet
- I40.0: Infektiöse Myokarditis
- I41.-:* Myokarditis bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- I41.0*: Myokarditis bei anderenorts klassifizierten bakteriellen Krankheiten
- Myokarditis:
- diphtherisch (A36.8†)
- durch Gonokokken (A54.8†)
- durch Meningokokken (A39.5†)
- syphilitisch (A52.0†)
- tuberkulös (A18.8†)
- Myokarditis:
- I41.1*: Myokarditis bei anderenorts klassifizierten Viruskrankheiten
- I41.2*: Myokarditis bei sonstigen anderenorts klassifizierten infektiösen und parasitären Krankheiten
- Myokarditis bei:
- Chagas-Krankheit, akut (B57.0†)
- Chagas-Krankheit (chronisch) (B57.2†)
- Toxoplasmose (B58.8†)
- Myokarditis bei:
- I41.8*: Myokarditis bei sonstigen anderenorts klassifizierten Krankheiten
- Myokarditis bei chronischer Polyarthritis (M05.3-†)
- Myokarditis bei Sarkoidose (D86.8†)
- I41.0*: Myokarditis bei anderenorts klassifizierten bakteriellen Krankheiten
- I51.-: Komplikationen einer Herzkrankheit und ungenau beschriebene Herzkrankheit
- I51.4: Myokarditis, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.