ambossIconambossIcon

Frakturen im Kindesalter

Letzte Aktualisierung: 14.1.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Frakturen im Kindesalter unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von knöchernen Verletzungen Erwachsener. Durch die noch offenen Wachstumsfugen können im Kindesalter nicht nur besondere Verletzungsmuster, sondern auch spezifische Komplikationen wie Wachstumsstörungen auftreten. Bei der Diagnostik ist zu beachten, dass die klinische Untersuchung oft nicht eindeutig ist und daher durch eine Bildgebung ergänzt werden sollte. Voraussetzung für die Behandlung von Frakturen im Kindesalter ist das Wissen über die Wachstums- und Korrekturmechanismen des heranwachsenden Skeletts. Insb. bei den sog. Kadi-Läsionen ist die korrekte Diagnose und Behandlung entscheidend. Eine operative Korrektur sollte dementsprechend in kinderspezifischen Zentren durchgeführt werden.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Epidemiologietoggle arrow icon

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Ätiologietoggle arrow icon

Die Art der Fraktur ist v.a. abhängig von dem Reifezustand des Skeletts sowie der Epiphysenfugen und weniger vom Mechanismus selbst!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Pathophysiologietoggle arrow icon

  • Wachstum der Röhrenknochen
  • Wachstumsstörungen: Nur bei offenen Epiphysenfugen möglich [3][8]
    • Steigerung der Fugenfunktion
      • Posttraumatisch normale Reaktion
      • Ausmaß u.a. abhängig von Zeitpunkt und Häufigkeit der Intervention und vom Skelettreifezustand
      • Beeinflussung nur indirekt durch Verkürzung der Reparationszeit möglich
      • Folge abhängig von Wachstumsphase
    • Hemmung der Fugenfunktion
      • Auftreten bei vorzeitiger Verknöcherung oder Epiphysiolyse
      • Folge: Meist Achsenfehlstellung
Korrekturfähigkeiten des wachsenden Skeletts [3][7][9]
Pathologie Korrekturfähigkeit je nach Alter
Seit-zu-Seit-Verschiebung
  • Gute Korrektur bis in das Jugendalter möglich
Verkürzung
  • Überkompensation im Wachstumsalter
  • Verstärkung ab dem präpubertären Alter
Achsabweichung
  • Frontalebene (Varus, Valgus): Alters- und lokalisationsabhängig
  • Sagittalebene (Ante- und Rekurvation): Alters- und lokalisationsabhängig
  • Horizontalebene (Rotation): Ggf. bei kleinen Kindern möglich

Die Korrekturfähigkeit hängt v.a. vom Alter des Kindes und dem Wachstumspotenzial der betroffenen Epiphysenfuge ab!

Bei Kindern kommt es eher selten zu einer Pseudarthrose. Wachstumsstörungen hingegen sind häufiger zu erwarten: Im Alter <10 Jahre resultieren Verlängerungen, im Alter >10 Jahre Verkürzungen des betroffenen Knochens!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Klassifikationtoggle arrow icon

Klassifikation der Epiphysenfugenverletzung nach Salter-Harris bzw. Aitken [10]

Klassifikation der Epiphysenfugenverletzung nach Salter-Harris (1963) bzw. Aitken (1965) [11][12]
Typ Beschreibung

Salter-Harris I

Salter-Harris II bzw. Aitken I
Salter-Harris III bzw. Aitken II
  • Epiphysenfrakturen
Salter-Harris IV bzw. Aitken III
Salter-Harris V

Die Einteilung nach Salter-Harris kann man sich mit der Abkürzung SALTR merken: „slipped“ (I), „above“ (II), „lower“ (III), „through“ (IV), „ruined“ (V).

AO-Klassifikation für kindliche Frakturen der langen Röhrenknochen [7][13]

AO-Klassifikation für Frakturen der langen Röhrenknochen im Kindesalter
Lokalisation Morphologie
Knochen Segment Bindestrich Typ Schrägstrich Kindercode Schweregrad
  • /
Kindercode: Beschreibung der Frakturmorphologie für den jeweiligen Typ
Epiphyse Metaphyse Diaphyse

LiLa-Klassifikation für Frakturen im Wachstumsalter [7][14]

Struktur der LiLa-Klassifikation von Frakturen im Wachstumsalter
Lokalisation Morphologie
Lokalisation im Skelett Lokalisation im Knochen

Frakturtyp (Morphologie)

Spezifizierung des Frakturtyps Dislokationsausmaß
  • 1–5 = Je nach Morphologie (siehe unten)
  • 0 = Undisloziert
  • 1 = Gering disloziert (tolerabel)
  • 2 = Stark disloziert (nicht tolerabel)
Beschreibung der Spezifizierungen für die jeweilige Morphologie
Gelenk Schaft

Frakturmorphologie

Übersicht über Lokalisation und typische Morphologie kindlicher Frakturen
Lokalisation Morphologie
Diaphyse
Metaphyse
Epiphyse

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Symptomatiktoggle arrow icon

  • Inkomplette Fraktur
    • Ruhe- und Bewegungsschmerz
    • Schwellung oder Hämatom (oft dezent)
    • Druckdolenz
    • Stauchungsschmerz
    • Selten Fehlstellung oder Deformation
    • Keine Krepitation
    • Keine falsche Beweglichkeit
  • Komplette Fraktur: Frakturzeichen ähnlich wie beim Erwachsenen

Insb. bei einer inkompletten Fraktur ist die klinische Symptomatik häufig wenig aussagekräftig!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Diagnostiktoggle arrow icon

Anamnese und körperliche Untersuchung [7][19]

Bei Kindern sollte die Diagnostik hauptsächlich verbal und visuell durchgeführt werden! Auf eine schmerzhafte manuelle Untersuchung kann i.d.R. verzichtet werden!

Bildgebende Diagnostik

Auswahl bildgebender Verfahren zur Diagnostik einer Fraktur im Kindesalter [20][21][22]
Verfahren Typische Indikation Mögliche Befunde Bemerkungen
Konventionelle Röntgenaufnahme
  • Basisdiagnostik
  • Verlaufskontrolle
  • Durchführung: Betroffene Region und angrenzende Gelenke in zwei Ebenen
    • Bei OP-Indikation: Ggf. Verzicht auf 2. Ebene präoperativ
  • Keine Röntgenaufnahme der Gegenseite
  • Keine Röntgenaufnahme bei V.a. Schädelfraktur [23]
Sonografie [22][24]
MRT [25]
  • Gelenkbinnenschaden
  • Epiphysenfugenverletzung
  • Frakturbegleitende Weichgewebeverletzungen
  • Ergänzende Diagnostik bei unklarem Befund im konventionellen Röntgenbild
  • Differenzialdiagnose bei inadäquatem Trauma
  • Knochenmarködem
  • Weichgewebeveränderungen
CT
  • Therapieplanung bei bereits ossifizierenden Skelettabschnitten
  • Polytrauma
  • Keine ausreichende Diagnostik durch MRT

Die Epiphysenfugen sind erst ab einem Alter von etwa 13 Jahren () bzw. 15 Jahren () komplett verschlossen und können zuvor fälschlicherweise als Frakturspalt interpretiert werden, insb. bei mangelnder Erfahrung mit kindlichen Frakturen!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Therapietoggle arrow icon

Allgemeines [19]

  • Behandlungsziele
    • Schmerzreduktion
    • Vermeidung von Komplikationen
    • Wiederherstellung der Mobilität bzw. Funktionalität
  • Indikation abhängig von
    • Patientenspezifischen Parametern, bspw.
      • Alter, Gewicht, Größe
      • Nebenerkrankungen
      • Psychosozialer Situation
    • Verletzungsspezifischen Parametern, bspw.
      • Klassifikation der Fraktur
      • Weichgewebeschaden
      • Dislokation
      • Lokalisation
      • Regenerationspotenzial
  • Prinzipielles Vorgehen
  • Für das detaillierte therapeutische Vorgehen in Abhängigkeit von der Lokalisation, siehe:

Die adäquate Behandlung von Frakturen im Kindesalter setzt Kenntnisse über die lokalisations- und altersabhängige Korrekturfähigkeit des betroffenen Skelettabschnitts voraus!

Konservative Therapie [7][26]

  • Ohne Anästhesieverfahren
    • Typische Indikationen
    • Typisches Vorgehen: Ruhigstellung im Gips oder Cast
      • Initial keine zirkulär geschlossene Ruhigstellung
      • Cast-Kontrolle bei frischen Frakturen am nächsten Tag
      • Geschlossener Gips/Cast nach Abklingen der Schwellung
      • Ggf. Keilung: Bei Achsabweichung in der Frontal- oder Sagittalebene möglich
  • Mit Anästhesieverfahren

Die Beherrschung konservativer Behandlungstechniken ist für die Behandlung von Frakturen im Kindesalter essenziell! [26]

Operative Therapie [7][8][18]

Nachbehandlung kompletter Frakturen im Kindesalter [7]

  • Analgesie bei Bedarf, siehe: Postoperative Schmerztherapie bei Kindern
  • Gipskontrolle
    • Immer am Folgetag
    • Bei Gipsschluss bzw. bei radiologischer Stellungskontrolle
    • Bei Konsolidierung
    • Bei Bedarf
  • Radiologische Stellungskontrolle
    • Behandlung ohne Reposition
      • Nach ca. 4 Tagen: Nur bei dislokationsgefährdeten Frakturen
      • Nach ca. 8 Tagen: Günstigster Zeitpunkt für Stellungskontrolle, nach Abschwellung
      • Ggf. wiederholte Kontrolle nach ca. 14 Tagen: Nur bei diaphysären Frakturen bei Kindern >12 Jahre
    • Behandlung mit Reposition
  • Ruhigstellung: Lokalisations- und altersabhängig sowie abhängig vom gewählten Therapieverfahren
  • Kontrolle der Konsolidierung
  • Implantatentfernung
    • Abhängig von verwendetem Material und Lokalisation
    • Nur bei Konsolidierung
  • Wachstumskontrolle
    • Bei Wachstumsstörung mit klinisch relevanten Folgen: Durchführung für mind. 2 Jahre posttraumatisch
    • Fraktur der unteren Extremität: Klinische und funktionelle Kontrolle für mind. 2 Jahre posttraumatisch
    • Fraktur der oberen Extremität: Kontrolle bis zur freien Funktion
Durchschnittliche Konsolidierungszeit kindlicher Frakturen bis zur Bewegungsstabilität (in Wochen) [7]
Lokalisation Alter <5 Jahre Alter 5–10 Jahre Alter >10 Jahre
Clavicula 1 2 2–3
Proximaler Humerus 1 1–3 2–3
Humerusschaft 2 3–4 4–6
Suprakondylärer Humerus 1–2 2–3 3–4
Condylus radialis oder ulnaris 3 3–4 4
Olecranon 1 2–3 3–4
Unterarmschaft 3 4 4–6
Distaler Unterarm 2 3–4 4
Scaphoid 4–6 6–12
Metakarpaleschaft 3–4 4–6
Phalangenschaft 2–3 3–4 4–8
Subtrochantäres Femur 3–4 4–5 4–6
Femurschaft 1–3 4–5 4–6
Condylus femoris 2–3 3–4 4
Proximale Tibia (Metaphyse) 2–3 3–4 4
Unterschenkelschaft 2–3 3–5 4–6
OSG 2–3 3–4 4
Calcaneus und Fußwurzel 4–8 6–12
— = Normalerweise keine kindliche Fraktur in dieser Lokalisation möglich
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Komplikationentoggle arrow icon

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Kadi-Läsionentoggle arrow icon

  • Definition: Oberbegriff für Verletzungsmuster im Kindes- und Jugendalter mit teilweise unscheinbarer Symptomatik und potenziell schwerwiegenden, irreversiblen Komplikationen [27][28][29]
  • Lokalisationen: Ellenbogen, Knie, oberes Sprunggelenk

Eine ausführliche Aufklärung der Erziehungsberechtigten über die Möglichkeit eines Fehlwachstums ist bei der Behandlung obligat!

Undislozierte Fraktur des Condylus radialis humeri [7][29][30]

Luxation des Radiuskopfes [7][29][30]

  • Problematik: Erkennen der Luxation
  • Risiko: Im Verlauf keine geschlossene Reposition mehr möglich
  • Typische Komplikation: Fehlstellung und Instabilität des Ellenbogens
  • Diagnostik: Konventionelles Röntgenbild des Ellenbogens in mind. 2 Ebenen
  • Vorgehen: Reposition
    • Ohne Begleitpathologie: Geschlossene Reposition durch Druck auf Radiuskopf bei gleichzeitiger Pro- und Supinationsbewegung
    • Bei Begleitpathologie: Zunächst Therapie der Ulnafraktur, dann Reposition

Die Primärtherapie der isolierten kindlichen Radiuskopfluxation ist eine meist einfach durchführbare geschlossene Reposition!

Übersehene Luxationen erfordern eine aufwendige Sekundärtherapie (meist inkl. Ulnaosteotomie) mit schlechteren Langzeitergebnissen!

Suprakondyläre Humerusfraktur mit Rotationsfehler [7][8][29][30]

Bei allen kindlichen suprakondylären Humerusfrakturen ist das (ggf. sekundäre) Auftreten eines Rotationsfehlers zu bedenken!

Biegungsfraktur der proximalen Tibia [7][18][29]

  • Problematik: Erkennen der Valgusfehlstellung und des medialen Frakturspalts
  • Risiko: Verzögerte Frakturheilung und temporäre Stimulation der medialen Epiphysenfuge
  • Typische Komplikation: Genu valgum
  • Diagnostik: Konventionelle Röntgenaufnahme des Kniegelenks
  • Vorgehen: Kompression des medialen Frakturspalts und Beseitigung der Valgusfehlstellung
    • Valgusfehlstellung ≤10°: Meist Ruhigstellung im Oberschenkelgips in Extension und unter Varusstress → Röntgenkontrolle nach 8 Tagen
      • Eingestauchter medialer Frakturspalt: Weiter konservatives Vorgehen
      • Kein eingestauchter Frakturspalt: Laterale Keilung des Gipses → Vermehrter Varusstress
    • Valgusfehlstellung >10°: Meist geschlossene Reposition und
    • Wachstumskontrolle: Bei Valgusfehlstellung halbjährlich bis zur Rückbildung

Jeder medial klaffende Frakturspalt ist Zeichen einer Valgusfehlstellung. Eine Reposition wird meist bei einem Valgus >10° empfohlen!

Fraktur des medialen Malleolus [7][18][29]

  • Problematik: Erkennen der Fraktur bzw. einer Dislokation
  • Risiko: Hemmende Wachstumsstörung
  • Typische Komplikation: Varusfehlstellung des OSG
  • Diagnostik: Konventionelle Röntgenaufnahme des OSG in 2 Ebenen
  • Vorgehen
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Probiere die Testversion aus und erhalte 30 Tage lang unbegrenzten Zugang zu über 1.400 Kapiteln und +17.000 IMPP-Fragen.
disclaimer Evidenzbasierte Inhalte, von festem ärztlichem Redaktionsteam erstellt & geprüft. Disclaimer aufrufen.