Zusammenfassung
Frakturen im Kindesalter unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von knöchernen Verletzungen Erwachsener. Durch die noch offenen Wachstumsfugen können im Kindesalter nicht nur besondere Verletzungsmuster, sondern auch spezifische Komplikationen wie Wachstumsstörungen auftreten. Bei der Diagnostik ist zu beachten, dass die klinische Untersuchung oft nicht eindeutig ist und daher durch eine Bildgebung ergänzt werden sollte. Voraussetzung für die Behandlung von Frakturen im Kindesalter ist das Wissen über die Wachstums- und Korrekturmechanismen des heranwachsenden Skeletts. Insb. bei den sog. Kadi-Läsionen ist die korrekte Diagnose und Behandlung entscheidend. Eine operative Korrektur sollte dementsprechend in kinderspezifischen Zentren durchgeführt werden.
Epidemiologie
Ätiologie
- Ursachen [4][5]
- Sport- und Freizeitaktivitäten
- Verkehrsunfall
- Unfall im Wohnbereich
- Kindesmisshandlung , siehe auch: Misshandlungsverdächtige Verletzungsmuster [6]
- Geburtstrauma
- Pathologische Fraktur
- Mechanismen [7]
- Indirektes Trauma
- Direktes Trauma
- Verletzungsmuster [3][7]
- Offene Epiphysenfuge: Schaftfrakturen > Gelenkfrakturen
- Obere Extremität: Frakturspalt meist im tragenden Gelenkbereich
- Untere Extremität: Frakturspalt meist randständig im unbelasteten Teil des Gelenks
- Funktioneller Fugenverschluss: Übergangsfraktur
- Bandläsion: Meist ossärer oder kartilaginärer Ausriss
- Offene Epiphysenfuge: Schaftfrakturen > Gelenkfrakturen
Die Art der Fraktur ist v.a. abhängig von dem Reifezustand des Skeletts sowie der Epiphysenfugen und weniger vom Mechanismus selbst!
Pathophysiologie
- Wachstum der Röhrenknochen
- Ursprung des Längenwachstums: Epiphysenfuge
- Folge bei Verletzung: Wachstumsstörung
- Ursprung des Dickenwachstums: Perichondrium
- Folge bei Verletzung: Pseudarthrose
- Ursprung des Längenwachstums: Epiphysenfuge
- Wachstumsstörungen: Nur bei offenen Epiphysenfugen möglich [3][8]
- Steigerung der Fugenfunktion
- Posttraumatisch normale Reaktion
- Ausmaß u.a. abhängig von Zeitpunkt und Häufigkeit der Intervention und vom Skelettreifezustand
- Beeinflussung nur indirekt durch Verkürzung der Reparationszeit möglich
- Folge abhängig von Wachstumsphase
- Hemmung der Fugenfunktion
- Auftreten bei vorzeitiger Verknöcherung oder Epiphysiolyse
- Folge: Meist Achsenfehlstellung
- Steigerung der Fugenfunktion
Korrekturfähigkeiten des wachsenden Skeletts [3][7][9] | |
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Pathologie | Korrekturfähigkeit je nach Alter |
Seit-zu-Seit-Verschiebung |
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Verkürzung |
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Achsabweichung |
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Die Korrekturfähigkeit hängt v.a. vom Alter des Kindes und dem Wachstumspotenzial der betroffenen Epiphysenfuge ab!
Bei Kindern kommt es eher selten zu einer Pseudarthrose. Wachstumsstörungen hingegen sind häufiger zu erwarten: Im Alter <10 Jahre resultieren Verlängerungen, im Alter >10 Jahre Verkürzungen des betroffenen Knochens!
Klassifikation
Klassifikation der Epiphysenfugenverletzung nach Salter-Harris bzw. Aitken [10]
Klassifikation der Epiphysenfugenverletzung nach Salter-Harris (1963) bzw. Aitken (1965) [11][12] | ||
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Typ | Beschreibung | |
Salter-Harris II bzw. Aitken I |
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Salter-Harris III bzw. Aitken II |
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Salter-Harris IV bzw. Aitken III | ||
Salter-Harris V |
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Die Einteilung nach Salter-Harris kann man sich mit der Abkürzung SALTR merken: „slipped“ (I), „above“ (II), „lower“ (III), „through“ (IV), „ruined“ (V).
AO-Klassifikation für kindliche Frakturen der langen Röhrenknochen [7][13]
AO-Klassifikation für Frakturen der langen Röhrenknochen im Kindesalter | ||||||
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Lokalisation | Morphologie | |||||
Knochen | Segment | Bindestrich | Typ | Schrägstrich | Kindercode | Schweregrad |
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Kindercode: Beschreibung der Frakturmorphologie für den jeweiligen Typ | ||||||
Epiphyse | Metaphyse | Diaphyse | ||||
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- Ausnahmen: Zusatzcodes nach Schweregrad
- Suprakondyläre Humerusfraktur: Grad der Dislokation
- I = Keine Dislokation
- II = Dislokation in einer Ebene
- III = Dislokation in zwei Ebenen
- IV = Dislokation in drei Ebenen
- Radiuskopf- und Radiushalsfraktur: Grad der Dislokation
- I = Keine Dislokation
- II = Angulation mit Dislokation <½ Schaftbreite
- III = Angulation mit Dislokation >½ Schaftbreite
- Proximale Femurfraktur: Verlauf der Fraktur
- E/1 = Epiphysenfugenlösung
- E/2 = Epiphysenfugenlösung mit metaphysärem Keil
- M/1 = Transzervikale Schenkelhalsfraktur
- M/2 = Basozervikale Schenkelhalsfraktur
- M/3 = Pertrochantäre Femurfraktur
- Suprakondyläre Humerusfraktur: Grad der Dislokation
LiLa-Klassifikation für Frakturen im Wachstumsalter [7][14]
Struktur der LiLa-Klassifikation von Frakturen im Wachstumsalter | ||||
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Lokalisation | Morphologie | |||
Lokalisation im Skelett | Lokalisation im Knochen | Frakturtyp (Morphologie) | Spezifizierung des Frakturtyps | Dislokationsausmaß |
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Beschreibung der Spezifizierungen für die jeweilige Morphologie | ||||
Gelenk | Schaft | |||
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- Ausnahmen für die Spezifizierung von Gelenkfrakturen
Frakturmorphologie
- Grünholzfraktur [15]
- Definition: Biegungsfraktur mit geringer Dislokation
- Inkomplette Fraktur: Einseitiger Bruch der Kortikalis und des Periostmantels
- Typische Lokalisation: Diaphyse der langen Röhrenknochen
- Typische Komplikation: Inadäquate Konsolidierung
- Bowing-Fraktur [16]
- Definition: Biegungsfraktur mit fixierter Beugung
- Inkomplette Fraktur: Plastische Verformung der Kortikalis bei intaktem Periost
- Typische Lokalisation: Diaphyse der langen Röhrenknochen
- Typische Komplikation: Inkorrekte Diagnose
- Wulstfraktur [17]
- Synonym: Buckle-Fraktur
- Sonderform: Torusfraktur (zirkumferent verlaufende Wulstfraktur)
- Definition: Stauchungsfraktur mit minimaler Dislokation
- Inkomplette Fraktur: Plastische Deformation der Kortikalis bei intaktem Periost
- Typische Lokalisation: Metaphyse der langen Röhrenknochen
- Typische Komplikation: Bewegungseinschränkung durch prolongierte Ruhigstellung
- Übergangsfraktur [18]
- Biegungsfraktur durch Umleitung der Energie an der Verknöcherung der Epiphysenfuge
- Komplette Fraktur: Epimetaphysäre Fraktur bei beginnendem Fugenschluss
- Twoplane-Fraktur: Epiphysäre Fraktur
- Triplane-Fraktur: Epiphysäre Fraktur mit metaphysärem Keil
- Typische Lokalisation: Epiphyse der langen Röhrenknochen
- Typische Komplikation: Wachstumsstörung
Übersicht über Lokalisation und typische Morphologie kindlicher Frakturen | |
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Lokalisation | Morphologie |
Diaphyse | |
Metaphyse |
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Epiphyse |
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Symptomatik
- Inkomplette Fraktur
- Ruhe- und Bewegungsschmerz
- Schwellung oder Hämatom (oft dezent)
- Druckdolenz
- Stauchungsschmerz
- Selten Fehlstellung oder Deformation
- Keine Krepitation
- Keine falsche Beweglichkeit
- Komplette Fraktur: Frakturzeichen ähnlich wie beim Erwachsenen
Insb. bei einer inkompletten Fraktur ist die klinische Symptomatik häufig wenig aussagekräftig!
Diagnostik
Anamnese und körperliche Untersuchung [7][19]
- Anamnese
- Eigen- und Fremdanamnese des Unfallhergangs
- Bei Polytrauma: Notfallanamnese, bspw. nach dem SAMPLE-Schema
- Bei Unfall in der Schule oder Kita: Meldung an die gesetzliche Unfallversicherung
- Körperliche Untersuchung
- Inspektion und Palpation
- Überprüfung der pDMS
- Ggf. Untersuchung auf klinische Frakturzeichen
- Funktionsprüfung: Beweglichkeit der angrenzenden Gelenke
- Begleitverletzungen in Abhängigkeit vom Unfallmechanismus bedenken
Bei Kindern sollte die Diagnostik hauptsächlich verbal und visuell durchgeführt werden! Auf eine schmerzhafte manuelle Untersuchung kann i.d.R. verzichtet werden!
Bildgebende Diagnostik
Auswahl bildgebender Verfahren zur Diagnostik einer Fraktur im Kindesalter [20][21][22] | |||
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Verfahren | Typische Indikation | Mögliche Befunde | Bemerkungen |
Konventionelle Röntgenaufnahme |
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Sonografie [22][24] |
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MRT [25] |
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CT |
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Die Epiphysenfugen sind erst ab einem Alter von etwa 13 Jahren (♀) bzw. 15 Jahren (♂) komplett verschlossen und können zuvor fälschlicherweise als Frakturspalt interpretiert werden, insb. bei mangelnder Erfahrung mit kindlichen Frakturen!
Therapie
Allgemeines [19]
- Behandlungsziele
- Schmerzreduktion
- Vermeidung von Komplikationen
- Wiederherstellung der Mobilität bzw. Funktionalität
- Indikation abhängig von
- Patientenspezifischen Parametern, bspw.
- Alter, Gewicht, Größe
- Nebenerkrankungen
- Psychosozialer Situation
- Verletzungsspezifischen Parametern, bspw.
- Klassifikation der Fraktur
- Weichgewebeschaden
- Dislokation
- Lokalisation
- Regenerationspotenzial
- Patientenspezifischen Parametern, bspw.
- Prinzipielles Vorgehen
- Häufig konservative Therapie möglich
- Operative Therapie
- Meistens minimalinvasives Vorgehen
- Osteosynthesematerial: Häufig K-Drähte, Schrauben oder ESIN
- Für das detaillierte therapeutische Vorgehen in Abhängigkeit von der Lokalisation, siehe:
Die adäquate Behandlung von Frakturen im Kindesalter setzt Kenntnisse über die lokalisations- und altersabhängige Korrekturfähigkeit des betroffenen Skelettabschnitts voraus!
Konservative Therapie [7][26]
- Ohne Anästhesieverfahren
- Typische Indikationen
- Typisches Vorgehen: Ruhigstellung im Gips oder Cast
- Initial keine zirkulär geschlossene Ruhigstellung
- Cast-Kontrolle bei frischen Frakturen am nächsten Tag
- Geschlossener Gips/Cast nach Abklingen der Schwellung
- Ggf. Keilung: Bei Achsabweichung in der Frontal- oder Sagittalebene möglich
- Mit Anästhesieverfahren
Die Beherrschung konservativer Behandlungstechniken ist für die Behandlung von Frakturen im Kindesalter essenziell! [26]
Operative Therapie [7][8][18]
- Geschlossene Reposition und Osteosynthese (CRIF)
- Typische Indikation: Dislozierte Frakturen der Meta- und Diaphyse, die durch geschlossene Reposition nicht dauerhaft stabilisiert werden können
- Typisches Vorgehen
- Geschlossene Reposition der Fraktur
- Anschließend Einbringen von geeignetem Osteosynthesematerial
- K-Draht
- Elastischer Titannagel (ESIN)
- Fixateur externe
- Ggf. Ruhigstellung im Gips oder Cast
- Offene Reposition und Osteosynthese (ORIF)
- Typische Indikationen
- Typisches Vorgehen
- Offene Reposition der Fraktur
- Anschließend Einbringen von geeignetem Osteosynthesematerial
- Ggf. Ruhigstellung im Gips oder Cast
Nachbehandlung kompletter Frakturen im Kindesalter [7]
- Analgesie bei Bedarf, siehe: Postoperative Schmerztherapie bei Kindern
- Gipskontrolle
- Immer am Folgetag
- Bei Gipsschluss bzw. bei radiologischer Stellungskontrolle
- Bei Konsolidierung
- Bei Bedarf
- Radiologische Stellungskontrolle
- Behandlung ohne Reposition
- Nach ca. 4 Tagen: Nur bei dislokationsgefährdeten Frakturen
- Nach ca. 8 Tagen: Günstigster Zeitpunkt für Stellungskontrolle, nach Abschwellung
- Ggf. wiederholte Kontrolle nach ca. 14 Tagen: Nur bei diaphysären Frakturen bei Kindern >12 Jahre
- Behandlung mit Reposition
- Nach Abschluss der Reposition und ggf. Osteosynthese: Dokumentationspflicht
- Mit Osteosynthese: Stellungskontrolle bei Bedarf
- Ohne Osteosynthese: Nach ca. 8 Tagen
- Behandlung ohne Reposition
- Ruhigstellung: Lokalisations- und altersabhängig sowie abhängig vom gewählten Therapieverfahren
- Kontrolle der Konsolidierung
- Zeitpunkt: Lokalisations- und altersabhängig
- Klinische Überprüfung
- Dolenter Kallus: Ruhigstellung um 2–3 Wochen verlängern
- Indolenter Kallus: Beginn der Belastung
- Radiologische Kontrolle
- Bei reponierten Frakturen
- Bei Gelenkfrakturen
- Bei V.a. Konsolidierungsstörung oder Achsabweichung
- Konsolidierungszeit kindlicher Frakturen: Abhängig von Lokalisation
- Implantatentfernung
- Abhängig von verwendetem Material und Lokalisation
- Nur bei Konsolidierung
- Wachstumskontrolle
- Bei Wachstumsstörung mit klinisch relevanten Folgen: Durchführung für mind. 2 Jahre posttraumatisch
- Fraktur der unteren Extremität: Klinische und funktionelle Kontrolle für mind. 2 Jahre posttraumatisch
- Fraktur der oberen Extremität: Kontrolle bis zur freien Funktion
Durchschnittliche Konsolidierungszeit kindlicher Frakturen bis zur Bewegungsstabilität (in Wochen) [7] | |||
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Lokalisation | Alter <5 Jahre | Alter 5–10 Jahre | Alter >10 Jahre |
Clavicula | 1 | 2 | 2–3 |
Proximaler Humerus | 1 | 1–3 | 2–3 |
Humerusschaft | 2 | 3–4 | 4–6 |
Suprakondylärer Humerus | 1–2 | 2–3 | 3–4 |
Condylus radialis oder ulnaris | 3 | 3–4 | 4 |
Olecranon | 1 | 2–3 | 3–4 |
Unterarmschaft | 3 | 4 | 4–6 |
Distaler Unterarm | 2 | 3–4 | 4 |
Scaphoid | — | 4–6 | 6–12 |
Metakarpaleschaft | — | 3–4 | 4–6 |
Phalangenschaft | 2–3 | 3–4 | 4–8 |
Subtrochantäres Femur | 3–4 | 4–5 | 4–6 |
Femurschaft | 1–3 | 4–5 | 4–6 |
Condylus femoris | 2–3 | 3–4 | 4 |
Proximale Tibia (Metaphyse) | 2–3 | 3–4 | 4 |
Unterschenkelschaft | 2–3 | 3–5 | 4–6 |
OSG | 2–3 | 3–4 | 4 |
Calcaneus und Fußwurzel | — | 4–8 | 6–12 |
— = Normalerweise keine kindliche Fraktur in dieser Lokalisation möglich |
Komplikationen
- Allgemeine Komplikationen: Ähnlich wie bei einem Erwachsenen, siehe auch:
- Spezifische Komplikationen
- Wachstumsstörungen insb. abhängig von Lokalisation und Patientenalter
- Längendifferenz, insb. bei Verletzung der gesamten Epiphysenfuge
-
Achsenfehlstellung, insb. bei partieller Fugenverletzung [3]
- Partielle Stimulation , bspw. bei einer Fraktur des Condylus radialis humeri → Varisierung der Ellenbogenachse
- Partieller Verschluss, bspw. bei einer Innenknöchelfraktur → Varusfehlstellung des oberen Sprunggelenks
- Für Details siehe: Pathophysiologie der Fraktur im Kindesalter
- Avaskuläre Nekrose
- Wachstumsstörungen insb. abhängig von Lokalisation und Patientenalter
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Kadi-Läsionen
- Definition: Oberbegriff für Verletzungsmuster im Kindes- und Jugendalter mit teilweise unscheinbarer Symptomatik und potenziell schwerwiegenden, irreversiblen Komplikationen [27][28][29]
- Lokalisationen: Ellenbogen, Knie, oberes Sprunggelenk
Eine ausführliche Aufklärung der Erziehungsberechtigten über die Möglichkeit eines Fehlwachstums ist bei der Behandlung obligat!
Undislozierte Fraktur des Condylus radialis humeri [7][29][30]
- Problematik: Differenzierung zwischen kompletten und inkompletten undislozierten Frakturen
- Fraktur verläuft im knorpeligen Anteil des Capitulum humeri
- Beurteilung im konventionellen Röntgenbild nicht möglich
- Risiko: Sekundäre Dislokation der Fraktur
- Typische Komplikation: Wachstums- und/oder Konsolidierungsstörung
- Diagnostik: Konventionelles Röntgenbild des Ellenbogens in 2 Ebenen
- Vorgehen
- Ruhigstellung im Cast
- Gipsfreie Röntgenkontrolle nach ca. 4 Tagen
- Keine Dislokation: Weiter konservatives Prozedere
- Sekundäre Dislokation: Operative Therapie
- Detailliertes Prozedere: Kindliche distale Humerusfraktur - Therapie
Luxation des Radiuskopfes [7][29][30]
- Problematik: Erkennen der Luxation
- Risiko: Im Verlauf keine geschlossene Reposition mehr möglich
- Typische Komplikation: Fehlstellung und Instabilität des Ellenbogens
- Diagnostik: Konventionelles Röntgenbild des Ellenbogens in mind. 2 Ebenen
- Diagnosekriterium einer Luxation: Radiushals zentriert in ≥1 Ebene nicht auf das Capitulum humeri
- Bei jeder Ulnaschaftfraktur: Zusätzliche Röntgenaufnahmen des Ellenbogens indiziert
- Vorgehen: Reposition
- Ohne Begleitpathologie: Geschlossene Reposition durch Druck auf Radiuskopf bei gleichzeitiger Pro- und Supinationsbewegung
- Bei Begleitpathologie: Zunächst Therapie der Ulnafraktur, dann Reposition
Die Primärtherapie der isolierten kindlichen Radiuskopfluxation ist eine meist einfach durchführbare geschlossene Reposition!
Übersehene Luxationen erfordern eine aufwendige Sekundärtherapie (meist inkl. Ulnaosteotomie) mit schlechteren Langzeitergebnissen!
Suprakondyläre Humerusfraktur mit Rotationsfehler [7][8][29][30]
- Problematik: Erkennen des Rotationsfehlers
- Risiko: Sekundäre Dislokation
- Typische Komplikation: Cubitus varus
- Diagnostik: Konventionelle Röntgenaufnahme des Ellenbogens in 2 Ebenen
- Anzeichen für Rotationsfehler: Bspw. Knochensporn und/oder Kalibersprung zwischen den Fragmenten
- Siehe auch: Diagnostik der Humerusfraktur im Kindesalter
- Vorgehen
- Rotationsfehler: Meist operative Therapie, siehe auch: Kindliche distale Humerusfraktur - Therapie
- Primär kein Rotationsfehler: Röntgenkontrolle nach ca. 4 Tagen
- Keine Dislokation: Weiter konservatives Prozedere
- Sekundäre Dislokation: Operative Therapie
- Für detailliertes Prozedere siehe: Kindliche distale Humerusfraktur - Therapie
Bei allen kindlichen suprakondylären Humerusfrakturen ist das (ggf. sekundäre) Auftreten eines Rotationsfehlers zu bedenken!
Biegungsfraktur der proximalen Tibia [7][18][29]
- Problematik: Erkennen der Valgusfehlstellung und des medialen Frakturspalts
- Risiko: Verzögerte Frakturheilung und temporäre Stimulation der medialen Epiphysenfuge
- Typische Komplikation: Genu valgum
- Diagnostik: Konventionelle Röntgenaufnahme des Kniegelenks
- Vorgehen: Kompression des medialen Frakturspalts und Beseitigung der Valgusfehlstellung
- Valgusfehlstellung ≤10°: Meist Ruhigstellung im Oberschenkelgips in Extension und unter Varusstress → Röntgenkontrolle nach 8 Tagen
- Eingestauchter medialer Frakturspalt: Weiter konservatives Vorgehen
- Kein eingestauchter Frakturspalt: Laterale Keilung des Gipses → Vermehrter Varusstress
- Valgusfehlstellung >10°: Meist geschlossene Reposition und
- Ruhigstellung unter Varusstress und ggf. laterale Keilung des Gipses oder
- Osteosynthese mit medialem Fixateur externe
- Wachstumskontrolle: Bei Valgusfehlstellung halbjährlich bis zur Rückbildung
- Valgusfehlstellung ≤10°: Meist Ruhigstellung im Oberschenkelgips in Extension und unter Varusstress → Röntgenkontrolle nach 8 Tagen
Jeder medial klaffende Frakturspalt ist Zeichen einer Valgusfehlstellung. Eine Reposition wird meist bei einem Valgus >10° empfohlen!
Fraktur des medialen Malleolus [7][18][29]
- Problematik: Erkennen der Fraktur bzw. einer Dislokation
- Risiko: Hemmende Wachstumsstörung
- Typische Komplikation: Varusfehlstellung des OSG
- Diagnostik: Konventionelle Röntgenaufnahme des OSG in 2 Ebenen
- Vorgehen
- Keine Dislokation: Ruhigstellung im Unterschenkel-Cast
- Dislokation >1–2 mm: Offene Reposition und Osteosynthese, meist Zugschraubenosteosynthese
- Wachstumskontrolle: Mind. 2 Jahre posttraumatisch, ggf. bis zum Wachstumsabschluss