Zusammenfassung
Oberarmfrakturen werden aufgrund ihrer Lokalisation in proximal, diaphysär und distal eingeteilt. Während distale Frakturen eher bei jungen Patienten und Kindern vorkommen, sind proximale Humerusfrakturen klassische Frakturen des Alters und gelten als Indikatorfraktur für Osteoporose. Begleitverletzungen sind nicht selten und ergeben sich aus der anatomischen Nähe des Oberarmknochens zu neurovaskulären Strukturen (insb. N. axillaris und N. radialis).
Proximale und Schaftfrakturen werden häufig konservativ behandelt, während bei distalen Frakturen die operative Therapie Mittel der Wahl ist. Neben klassischen osteosynthetischen Verfahren mit Platten, Schrauben, Spickdrähten oder Marknägeln stehen bei Gelenkfrakturen auch endoprothetische/gelenkersetzende Verfahren als alternative Versorgung zur Verfügung.
Epidemiologie
- Proximale Humerusfraktur [1][2][3]
- Humerusschaftfraktur [3][4][5][6]
- Seltener: Ca. 2% aller Frakturen
- Zweigipflige Altersverteilung: Jüngere Patienten von 20–30 Jahren und ältere Patienten >60 Jahre
- Lokalisation: Mittleres Drittel > proximales und distales Drittel
- Meist einfache Frakturen (ca. 50%)
- Distale Humerusfraktur [3][7][8][9]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Allgemein
- Bei Patienten <60 Jahren eher Hochrasanztrauma (z.B. Verkehrs- oder Sportunfall)
- Bei Patienten >60 Jahre eher niedrig-energetisches Trauma mit Assoziation zur Osteoporose
- Traumamechanismus
- Indirektes Trauma (axiales Stauchungstrauma, bspw. Sturz auf den Arm)
- Direktes Trauma (bspw. Schlag)
- Spezielle Ätiologie je nach Lokalisation
- Proximale Humerusfraktur: Indikatorfraktur für Osteoporose bei älteren Menschen [2], Kombination mit Schultergelenkluxation möglich, selten pathologische Frakturen
- Humerusschaftfraktur: Ca. 10% metastatisch bedingte pathologische Frakturen, traumatisch v.a. durch direkte Gewalt oder gegenläufiges Verdrehen von Ellenbogen und Schulter [11][12]
- Distale Humerusfraktur: Kombination mit Ellenbogen(sub)luxation möglich [9]
Klassifikation
- Einteilung der Humerusfrakturen nach Lokalisation
- Proximale Humerusfraktur: Siehe Klassifikation der proximalen Humerusfraktur
- Humerusschaftfraktur: Siehe Klassifikation der Humerusschaftfraktur
- Distale Humerusfraktur: Siehe Klassifikation der distalen Humerusfraktur
Klassifikation der proximalen Humerusfrakturen
4-Fragment-Theorie nach Codman [3][13][14]
1934 beschrieb Codman in seiner Klassifikation der proximalen Humerusfrakturen 12 Frakturmuster mit 4 Hauptfragmenten. Diese Hauptfragmente bilden noch immer die Grundlage für die meisten Klassifikationssysteme, lassen aber keine prognostischen oder therapeutischen Aussagen zu.
- 4 Hauptfragmente mit typischer Dislokationsrichtung
- Humeruskopf: Varische Verkippung durch Einstauchung
- Tuberculum majus: Dorsokraniale Dislokation durch Zug des M. supraspinatus und des M. infraspinatus
- Tuberculum minus: Anteromediale Dislokation durch Zug des M. subscapularis
- Schaft: Anteromediale Dislokation durch Zug des M. pectoralis major
Klassifikation nach Neer [2][14]
Klassifikation der proximalen Humerusfrakturen nach Neer | ||
---|---|---|
Gruppe | Frakturart | Anzahl der Fragmente nach Codman |
I |
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II |
|
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III |
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IV |
|
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V |
|
|
VI |
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Definition der Dislokation |
|
AO-Klassifikation der proximalen Humerusfrakturen (Regio 11) - Stand 2018 [15]
AO-Klassifikation der proximalen Humerusfrakturen (Regio 11) | |
---|---|
Frakturtyp | Komplexität |
A - Extraartikuläre 2-Fragment-Fraktur |
|
B - Extraartikuläre 3-Fragment-Fraktur |
|
C - 4-Fragment- und artikuläre Frakturen |
|
Klassifikation der Humerusschaftfrakturen
AO-Klassifikation der Humerusschaftfrakturen (Regio 12) - Stand 2018 [15]
AO-Klassifikation der Humerusschaftfrakturen (Regio 12) | |
---|---|
Frakturtyp | Komplexität |
A - Einfache Fraktur* |
|
B - Keilfraktur* |
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C - Mehrfragmentfraktur** |
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Legende |
Klassifikation der distalen Humerusfrakturen
AO-Klassifikation der distalen Humerusfrakturen (Regio 13) - Stand 2018 [15]
AO-Klassifikation der distalen Humerusfrakturen (Regio 13) | |
---|---|
Frakturtyp | Komplexität |
A - Extraartikuläre Fraktur |
|
B - Partiell-artikuläre Fraktur |
|
C - Artikuläre Fraktur |
|
Klassifikation der frontalen Abscherfrakturen nach Dubberly (2006) [16]
Die frontalen Abscherfrakturen des distalen Humerus (nach der AO-Klassifikation Typ 13 B3) können noch genauer unterteilt werden.
Dubberly-Klassifikation | |
---|---|
Frakturtyp | Komplexität |
I | Einfache Abscherfraktur des Capitulum humeri (mit oder ohne Verletzung der lateralen Trochleakante) |
II | Einfache Abscherfraktur des Capitulum humeri mit Beteiligung der Trochlea humeri |
III | Mehrfragmentäre Abscherfraktur des Capitulum humeri mit Beteiligung der Trochlea humeri |
Pathophysiologie
Gefährdete Strukturen bei Humerusfrakturen
- Proximale Humerusfraktur
- N. axillaris besonders gefährdet, da Verlauf um das Collum chirurgicum
-
A. circumflexa humeri anterior und posterior
- A. arcuata
- Plexus brachialis [2]
- A. axillaris: Bei proximalen Humerusfrakturen einzelne Fälle bekannt, insg. selten [2]
- Humerusschaftfraktur
-
N. radialis: Verläuft dorsal im Sulcus nervi radialis um den Humerusschaft, dort fast unverschieblich am Knochen fixiert
- Gefährdung insb. bei Schräg- oder Spiralfrakturen des mittleren Schaftdrittels
- Primäre Radialisschädigung in ca. 10% aller Humerusschaftfrakturen [3][4][5][17]
- A. brachialis: Bei ca. 1–2% der Fälle betroffen [3]
- A. profunda brachii: Verläuft neben dem N. radialis [18]
- N. medianus: Selten beteiligt [17]
-
N. radialis: Verläuft dorsal im Sulcus nervi radialis um den Humerusschaft, dort fast unverschieblich am Knochen fixiert
- Distale Humerusfraktur
- A. brachialis: Bei ca. 5–10% der Fälle betroffen [3]
- N. ulnaris: Insb. bei operativer Therapie distaler Humerusfrakturen gefährdet → Intraoperative Darstellung empfohlen! [7]
- N. radialis: Zieht nach ventral und verläuft in der Ellenbeuge im Radialistunnel [7]
- N. medianus [19]
Wichtige Muskelansätze
- Proximale Humerusfrakturen: Siehe auch: 4-Fragment-Theorie nach Codman
- Schaftfrakturen im proximalen Drittel
- Frakturverlauf häufig zwischen M. deltoideus und M. pectoralis → Dislokation des proximalen Fragments nach lateral und des distalen Fragments nach medial [4]
- Distraktion durch Muskelzug begünstigt Pseudarthrosen [20]
Exkurs: Blutversorgung des Humeruskopfes [14][21]
- A. circumflexa humeri anterior: A. ascendens steigt am Vorderrand des Tuberculum majus auf, verläuft intraossär als A. arcuata weiter (Endarterie!)
- A. circumflexa humeri posterior versorgt dorsale Anteile des Humeruskopfes [22]
- Multiple Anastomosen intra- und extraossär [14]
- Anastomosen und Versorgungsgebiete der Arterien sind individuell unterschiedlich ausgeprägt → Prognose bei Verletzung schwierig abschätzbar
- Versorgung über kleinere Gefäße der medialen Gelenkkapsel, die ins mediale Kalkar inserieren
Insb. eine Fraktur im Bereich des Collum anatomicum kann zur arteriellen Gefäßverletzung mit Humeruskopfnekrose führen!
Symptomatik
- Allgemeine Frakturzeichen
- Prellmarke und Hämatom: Bei der proximalen Humerusfraktur eher selten direkt am Unfalltag sichtbar, typischerweise nach 3–5 Tagen livide Verfärbung mit ausgedehnter Ausbreitung nach distal [2]
- Schonhaltung in Adduktion
- Bewegungseinschränkung und Schmerzen [2][9]
- Proximale Humerusfraktur: Insb. Schulter betroffen
- Distale Humerusfraktur: Insb. im Ellenbogengelenk
- Fehlstellung
- Proximale Humerusfraktur: Ggf. Luxationsfraktur, Verstreichen der normalen Schulterkontur
- Humerusschaftfraktur: Ggf. sichtbare Deformität und Verkürzung des Oberarms
- Bei Nervenläsionen: Motorische und/oder sensible Ausfälle
-
Läsion des N. axillaris → Sensibilitätsminderung am lateralen, proximalen Oberarm
- Insb. bei Humeruskopffrakturen (Verlauf des N. axillaris um das Collum chirurgicum)
- Läsion des N. radialis → Nervus-radialis-Lähmung → Fallhand, streckseitige Sensibilitätsminderung an Unterarm, Handrücken und Digiti I–III
-
Läsion des N. axillaris → Sensibilitätsminderung am lateralen, proximalen Oberarm
Insb. bei Frakturen des mittleren Drittels ist der N. radialis, der im Sulcus nervi radialis des Oberarms verläuft, gefährdet!
Präklinisches Management
- Anamnese und körperliche Untersuchung
- Bspw. nach SAMPLE-Schema mit Fokus auf Unfallhergang
- Typische Symptome mit auffälligen Frakturzeichen
- pDMS der oberen Extremität prüfen und dokumentieren
- Bei Hochrasanztrauma: Polytrauma bzw. Begleitverletzungen ausschließen!
- Bspw. nach SAMPLE-Schema mit Fokus auf Unfallhergang
- Monitoring (Pulsoxymetrie, Blutdruck, EKG)
- Venöser Zugang und schmerzadaptierte Analgesie
- Bei leichten Schmerzen: Bspw. Paracetamol
- Bei starken Schmerzen : Bspw. mit Piritramid
- Behandlung und Prophylaxe einer opioidinduzierten Übelkeit: Insb. bei opioidnaiven Patienten, bspw. mit Dimenhydrinat
- Weitere Maßnahmen [2][23]
- Ruhigstellung
- Proximale Humerusfraktur bspw. im Dreieckstuch
- Humerusschaftfraktur und distale Humerusfraktur mittels Alu-Polsterschiene, bspw. Sam Splint®, oder Vakuumschiene mit Ruhigstellung von Ellenbogen- und Handgelenk
- Volumenersatz bei Hypotonie, vorzugsweise mit Kristalloiden (bspw. Ringer-Lactat-Infusion) [23]
- Offene Frakturen
- Entfernung grober Verschmutzungen, steril verbinden
- Ggf. Antibiotikaprophylaxe bereits beginnen bei verschmutzten Wunden, siehe: Therapie offener Frakturen
- Grob dislozierte Frakturen: Möglichst vor Transport reponieren
- Ruhigstellung
- Lagerung: Oberkörperhochlagerung, achsgerechte Lagerung des Armes in schmerzärmster Position, ggf. mit unterstützendem Kissen unter dem Arm, kühlen
- Transport in ein geeignetes Krankenhaus
Bei V.a. Humerusfraktur keine Reposition einer Schultergelenkluxation durchführen! [2]
Vorgehen in der Notaufnahme
- Ersteinschätzung der Situation: Übergabe durch das Rettungspersonal, bei isolierten Humerusfrakturen auch Selbstvorstellung möglich
- Anamnese und körperliche Untersuchung
-
Notfallanamnese (z.B. nach dem SAMPLE-Schema) mit Fokus auf den Unfallhergang
- Bei vermutetem Arbeitsunfall: Meldung an die gesetzliche Unfallversicherung bzw. Vorstellung bei einem Durchgangsarzt
-
pDMS der oberen Extremität prüfen und dokumentieren
- Frühzeichen eines Kompartmentsyndroms vorhanden?
- Hinweise auf neurovaskuläre Verletzungen vorhanden?
- Bodycheck: Begleitverletzungen?
- Vorerkrankungen und Dauermedikation abklären
- Bei begleitender Schultergelenkluxation: Zeitpunkt des Unfalls beachten
-
Notfallanamnese (z.B. nach dem SAMPLE-Schema) mit Fokus auf den Unfallhergang
- Venöser Zugang und Blutentnahme
- Monitoring nach Opioidgabe (Pulsoxymetrie, Blutdruck und EKG)
- Schmerzadaptierte Analgesie: Unter Berücksichtigung bereits erhaltener Analgesie und Analgosedierung
- Bei vorheriger Opioidgabe: Bspw. Paracetamol
- Bildgebung
- Konventionelle Röntgenaufnahme
- Proximale Humerusfraktur: Schulter in 2 Ebenen: True-a.p. und axial oder Y-Aufnahme (Neer und Morrison)
- Humerusschaftfraktur: Humerus inkl. angrenzender Gelenke in 2 Ebenen: A.p. und lateral
- Distale Humerusfraktur: Ellenbogengelenk in 2 Ebenen: A.p. und lateral, bei unklarem Befund zusätzlich Schrägaufnahme erwägen
- CT: Bei Frakturnachweis fakultativ, je nach Lokalisation und Befund
- Konventionelle Röntgenaufnahme
- Weitere (therapeutische) Maßnahmen
- Aufklärung über weiteres Prozedere
- Ruhigstellung: Verband und Ruhigstellung überprüfen bzw. anlegen, falls nicht bereits erfolgt
- Proximale Humerusfraktur bspw. im Gilchrist-Verband
- Humerusschaftfraktur und distale Humerusfraktur bspw. mittels primär gespaltenem Oberarmgips/-cast oder dorsaler Oberarmschiene
- Siehe auch: Immobilisation der oberen Extremität
- Bei Notfalloperation oder geplanter primärer Versorgung: Frühzeitig OP-Team verständigen, OP-Vorbereitung
- Bei gleichzeitiger Gelenkluxation: Keine geschlossenen Repositionsversuche wegen hohen Risikos einer iatrogenen Nervenschädigung!
- Offene Frakturen
- Entfernung grober Verschmutzungen, steril verbinden
- Wundabstrich möglichst vor erster Antibiotikagabe
- Antibiotikaprophylaxe bei verschmutzten Wunden, siehe: Therapie offener Frakturen
- Tetanusschutz: Je nach Impfstatus auffrischen, siehe: Impfschema bei Verletzungen
Bei Verletzungen der oberen Extremität ist ein Anschwellen der Hand und der Finger zu erwarten. Daher sollten Ringe an der betroffenen Seite abgelegt bzw. müssen im Notfall aufgesägt werden!
Verlaufs- und Sonderformen
- Sonderformen der proximalen Humerusfraktur [13][24]
- Head-Split-Fraktur: Trümmerfraktur der Humeruskopfkalotte
- Luxationsfrakturen [14]
- Sonderform der Humerusschaftfraktur: Holstein-Lewis-Fraktur [25][26]
- Spiralfraktur an der Grenze zum distalen Drittel
- Geht in 30% der Fälle mit einer Läsion des N. radialis einher (siehe: Radialisparese bei Humerusschaftfraktur)
Diagnostik
Anamnese
- Fokus auf Unfallmechanismus
- Unfallhergang mit Art der Traumaenergie (hoch- vs. niedrig-energetisch)
- Hinweis auf pathologische Fraktur?
- Lokalisation und Art der Schmerzen
- Risikofaktoren und therapierelevante Vorerkrankungen
- Allgemein: Erkrankungen mit erhöhter Blutungsneigung, Sturzneigung , Frakturneigung sowie Medikamente, die zu einer vermehrten Blutungs-, Sturz- oder Frakturneigung führen
- Spezifisch: Vorschäden im Bereich der betroffenen und kontralateralen Extremität [2]
- Aktivitätslevel/-anspruch
- Vormedikation: Insb. gerinnungshemmende Medikamente
Körperliche Untersuchung [2][3][4][7][8][9][13][14]
Die Untersuchung richtet sich nach der Ausprägung der Symptome, wobei offensichtliche Frakturen nicht unnötig manipuliert werden sollten.
- Frakturzeichen
- Schmerzbedingte Funktionseinschränkung
- Typische Fehlstellung bei Humerusschaftfraktur: Verkürzung des Oberarmes mit Varus-Fehlstellung
- Formänderung des Hueter-Dreiecks , z.B. bei Epikondylenfraktur des distalen Humerus
- Schonhaltung
- Haut und Weichteile: Insb. achten auf
- Wunden oder drohende Perforation zur Detektion einer offenen Fraktur (siehe auch: Einteilung nach Gustilo/Anderson)
- Lokale Infektionen, z.B. Hautpilz in Axilla
- pDMS: Betroffene Extremität untersuchen, exakt dokumentieren
- Je nach Frakturlokalisation anatomische Nähe zu verschieden Nerven und Gefäße beachten; siehe auch: Gefährdete Strukturen bei Humerusfrakturen
- Sensibilität und Motorik: Testung der einzelnen Nerven
- Durchblutung: Puls und Rekapillarisierungszeit prüfen, Zeichen einer Gefäßverletzung vorhanden?
- Humeruskopffraktur kombiniert mit Schultergelenkluxation: Schmerzhafte Bewegungseinschränkung, federnde Fixation des Armes, leere Gelenkpfanne als Delle tastbar, sichtbare Deformation der Schulter
Aufgrund des Risikos neurovaskulärer Schädigung sollten unnötige Manipulationen im Bereich der Fraktur vermieden werden! Traumatische oder vorbestehende Nervenschädigungen müssen sorgfältig dokumentiert werden, um sie von iatrogenen Schäden abzugrenzen!
Apparative Diagnostik [1][2][4][9][14][6][7][8]
Konventionelle Röntgenaufnahme
- Indikation: Klinischer V.a. Fraktur
- Aufnahmetechnik
- Proximale Humerusfraktur: Schulter in 2 Ebenen (true-a.p. und axial oder Y )
- Humerusschaftfraktur: Humerus inkl. angrenzender Gelenke in 2 Ebenen: a.p. und lateral
- Distale Humerusfraktur: Ellenbogengelenk in 2 Ebenen: a.p. und lateral , bei unklarem Befund zusätzlich Schrägaufnahme erwägen
- Befund (siehe auch: Radiologische Frakturzeichen)
- Lokalisation und Verlauf der Fraktur
- Dislokationsgrad der Fragmente
- Mögliche begleitende Luxationen
- Indirekte Hinweise auf suprakondyläre Fraktur : Anteriores Fettpolsterzeichen („sail sign“) und posteriores Fettpolsterzeichen
Computertomografie (CT)
- Indikation: Bei Frakturnachweis je nach Lokalisation
- Proximal: Insb. bei mehrfragmentären Frakturen zur Beurteilung, Klassifizierung und OP-Planung
- Schaft: Bei pathologischen Frakturen zur Identifikation von Lysezonen und bei Gelenkbeteiligung zur Therapieplanung
- Distal: Bei allen Frakturen zur Klassifizierung und Therapie- bzw. OP-Planung (Alternative: Bei jungen Erwachsenen oder Kindern MRT)
- Aufnahmetechnik: Natives CT, bei Bedarf 3D-Rekonstruktion
- Befund: Aussage je nach Indikation v.a. über Frakturverlauf und Dislokationsgrad der Fragmente
- Prognosekriterien für die Entstehung einer Humeruskopfnekrose [2]
- Fraktur des Collum anatomicum
- Dislokation des Kalkarsegments >8 mm
- Zerstörung des medialen Scharniers („medial hinge“)
- Head-Split-Frakturen und Luxationsfrakturen
- 4 Segmente oder Angulation >45°
- Metaphysäre Trümmerzone
- Mehrfragmentäre Frakturen des Tuberculum majus
- Starke Dislokation der Tuberkel >10 mm
- Prognosekriterien für die Entstehung einer Humeruskopfnekrose [2]
Fakultativ weiterführende Diagnostik
- MRT: Außer bei Kindern meist kein Einsatz in der Akutsituation
- Proximale Humerusfraktur: Bei pathologischer Fraktur, Plexusverletzung oder Läsion der Rotatorenmanschette
- Distale Humerusfraktur: Bei V.a. ligamentäre Verletzung oder okkulte Blutung
- Neurophysiologische Untersuchung (EMG/ENG): Bei V.a. Nervenschädigung
- Doppler-Sonografie und ggf. Angiografie: Bei V.a. Gefäßschädigung
- Durchleuchtung: Bei Bedarf zur Auswahl des Operationsverfahrens
- Sonografie des Schultergelenks: Zur Beurteilung der Rotatorenmanschette und der langen Bizepssehne, Verlaufskontrolle bei Läsion der Rotatorenmanschette
Differenzialdiagnosen
- Proximale Humerusfraktur [2]
- Traumatische Ursachen: Schulterprellung oder -distorsion, Schultergelenkluxation, Rotatorenmanschettenruptur, Scapulafraktur, Schultereckgelenksverletzung, laterale Claviculafraktur, distale Humerusfraktur oder Humerusschaftfraktur
- Nicht-traumatische Ursachen: Omarthrose, Schultergelenksinfektion, Weichteilläsionen der Schulter
- Humerusschaftfraktur
- Traumatische Ursachen: Prellung des Oberarmes, Schultergelenkluxation, Scapulafraktur, proximale oder distale Humerusfraktur
- Distale Humerusfraktur
- Traumatische Ursachen: Ellenbogenprellung oder -distorsion, Ellenbogengelenksluxation , Radiuskopffraktur, Olecranonfraktur, proximale Humerusfraktur oder Humerusschaftfraktur
- Nicht-traumatische Ursachen: Epicondylitis radialis humeri, Epicondylitis ulnaris humeri
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Hier ein kurzer Überblick über das mögliche therapeutische Prozedere. Genauere Informationen zu Indikation, Ablauf und Durchführung finden sich in den Subsektionen.
Konservative Therapie
- Indikation
- Proximale und diaphysäre Humerusfrakturen: Häufige Anwendung mit sehr breitem Einsatzspektrum (insb. nicht oder nur gering dislozierte, geschlossene Frakturen)
- Distale Humerusfraktur: Nur in Ausnahmefällen, da schlechteres Outcome als nach operativer Therapie!
- Durchführung
- Proximale Humerusfraktur
- Kurze Ruhigstellung (z.B. 1 Woche im Gilchrist-Verband )
- Frühfunktionelle Behandlung mit Pendelübungen des Armes
- Humerusschaftfraktur: Frühfunktionelle Behandlung mit Oberarm-Brace
- Distale Humerusfraktur: Möglichst kurze Ruhigstellung (<3 Wochen) in breiter Armschlinge mit ggf. Oberarmgipsschiene in Neutralstellung
- Proximale Humerusfraktur
Operative Therapie
- Indikation
- Therapie der 1. Wahl bei distalen Humerusfrakturen
- Seltener bei proximalen oder diaphysären Humerusfrakturen
- Verfahren
- Proximale Humerusfraktur
- Gelenkerhaltende Osteosynthese (z.B. mit Platte oder kurzem Marknagel)
- Gelenkersetzende Endoprothetik (anatomische oder inverse Endoprothese)
- Humerusschaftfraktur
- Osteosynthese (z.B. mit Platte oder langem Marknagel)
- Fixateur externe in Notfallsituationen
- Distale Humerusfraktur
- Platten- und/oder Schraubenosteosynthese
- Seltener primäre Hemi- oder Totalendoprothese des Ellenbogengelenks
- Bei suprakondylärer Humerusfraktur im Kindesalter: Spickdrahtosteosynthese
- Fixateur externe in Notfallsituationen
- Proximale Humerusfraktur
Generelles zur operativen Therapie der Humerusfraktur
OP-Vorbereitung
- Stationäre Aufnahme
- Präoperative Diagnostik: Labor, EKG und Röntgen-Thorax (je nach Alter und Anamnese)
- Aufklärung: Allgemeine und spezifische OP-Risiken, siehe auch: Chirurgische Aufklärung und Anästhesiologische Aufklärung
- Festlegung des OP-Zeitpunktes: Notfallmäßig, dringlich, frühelektiv (als primäre operative Versorgung) oder sekundär (nach gescheitertem konservativem Therapieversuch)
- Dringlichkeit abhängig von Komplexität der Fraktur, Begleitverletzungen sowie den Kapazitäten des Krankenhauses (Verfügbarkeit von OP-Saal und Personal)
- Innerhalb von 24 h sollten distale Humerusfrakturen, die keine Notfälle sind, definitiv versorgt werden!
- Perioperative Thromboseprophylaxe
- Perioperative Antibiotikaprophylaxe [27]
- Aseptischer Knocheneingriff (= geschlossene Fraktur) und offene Frakturen 1. oder 2. Grades: Cefuroxim
- Offene Fraktur 3. Grades: Ampicillin/Sulbactam
- Kreuzblut und EKs: Je nach Frakturart und Patient mind. 2 EKs auf Abruf (bei gerinnungsinkompetenten Patienten mehr)
- Intraoperative Durchleuchtungsmöglichkeit: C-Bogen, röntgendurchlässiger Tisch und Röntgenschutz für Personal und Patient
- Optimierung durch Lagerung nah an der Tischkante und ggf. Entfernung des Schulterteils
Innerhalb von 24 h sollten alle distalen Humerusfrakturen mit OP-Indikation idealerweise definitiv versorgt werden, um das Risiko für Komplikationen (v.a. Infektionen und heterotope Ossifikation) zu minimieren!
Zugangsarten
Schnittführung und Zugänge an der Schulter [14][28][29]
Neben dem arthroskopischen Zugang bestehen folgende, offene Zugangswege.
Transdeltoidaler Zugang (Syn. Deltasplit-Zugang) [30]
- Definition: Vertikaler Zugang im Faserverlauf zwischen Pars acromialis und Pars spinalis des M. deltoideus
- Landmarken: Laterale Kante des Acromions und lateraler Humerusschaft
- Durchführung
- Anzeichnen des Gebiets, in dem mutmaßlich der N. axillaris verläuft (Sicherheitszone 5–7 cm unterhalb des Acromions )
- Inzision der Haut, beginnend von lateraler Kante des Acromions, 5 cm nach distal (entlang der Humerusachse)
- Spaltung des M. deltoideus zwischen Pars acromialis und Pars spinalis
- Vorteile
- Zugang in relativ avaskulären Bereich
- Größerer Abstand zu Armplexus
- Nachteile: Insg. höheres Risiko für Schädigung von M. deltoideus und N. axillaris
Anterolateraler (Deltasplit‑)Zugang [31]
- Definition: Vertikaler Zugang im Faserverlauf zwischen Pars acromialis und Pars clavicularis des M. deltoideus
- Landmarken: Anterolaterale Kante des Acromions und lateraler Humerusschaft
- Durchführung
- Anzeichen der Sicherheitszone (analog zum transdeltoidalen Zugang)
- Inzision der Haut, beginnend von anterolateraler Kante des Acromions ca. 4–5 cm nach distal (entlang der Humerusachse)
- Spaltung des M. deltoideus zwischen Pars acromialis und Pars clavicularis
- Bei Marknagelung zusätzlich Längsspaltung der tieferliegenden Sehne des M. supraspinatus
- Vorteile: Analog zum transdeltoidalen Zugang
- Nachteile: Risiko der Schädigung von M. deltoideus, N. axillaris und Supraspinatussehne
Deltoideopektoraler Zugang [32]
- Definition: Schräger Zugang zwischen M. deltoideus und M. pectoralis major
- Landmarken: Proc. coracoideus und ventraler Humerusschaft in Höhe der Axilla
- Durchführung
- Anzeichnen der Landmarken, Verbindungslinie ziehen, ca. 12–14 cm langen Hautschnitt darauf setzen
- Darstellen der V. cephalica
- Stumpfes/atraumatisches Präparieren im Sulcus deltoideopectoralis zwischen M. deltoideus und M. pectoralis (V. cephalica bleibt idealerweise lateral am M. deltoideus )
- Vorsichtige Platzierung der Haken, Nervenschäden insb. an N. axillaris und N. musculocutaneus vermeiden
- Vorteile
- Komplette Darstellung der Fraktur und des Implantats bei z.B. Plattenosteosynthese möglich
- Großer Einsatzbereich, insb. auch für Revisionen gut geeignet
- Möglichkeit der distalen Erweiterung zum anterolateralen Zugang am Oberarm
- Nachteile: Größeres Risiko der Schädigung wichtiger Strukturen bei relativer Nähe zu Plexus brachialis, A. und V. axillaris, V. cephalica, aufsteigendem Ast der A. circumflexa humeri anterior
Bei allen Zugängen sollte auf einen ausreichenden Abstand zur Achsel zur Reduktion der Infektionsgefahr geachtet werden!
Schnittführung und Zugänge am Oberarm [28][33][34][35]
Anterolateraler Zugang am Oberarm [36]
- Definition: Zugang in Verlängerung des deltoideopektoralen Zugangs in Richtung Epicondylus radialis
- Landmarken: Acromion, Proc. coracoideus und Epicondylus radialis
- Durchführung
- Proximal Vorgehen entsprechend dem Prozedere des deltoideopektoralen Zugangs
- Verlängerung der Hautinzision in Richtung des Epicondylus radialis
- Inzision der Faszie zwischen M. biceps brachii und M. brachialis
- Identifikation des oberflächlich verlaufenden N. cutaneus antebrachii lateralis im Bereich der Ellenbeuge
- M. biceps brachii nach medial wegschieben
- Ggf. Identifikation des N. radialis im lateralen Bereich
- Spalten im Faserverlauf oder mediales Abschieben des nun voll sichtbaren M. brachialis
Paratrizipitaler Zugang n. Mühldorfer (Syn.: Trizeps-Sparing-Zugang)
- Definition: Dorsaler Zugang entlang der Humeruslängsachse
- Landmarken: Acromion, Olecranonspitze, Humerusschaft
- Durchführung
- Gerade Inzision der Haut zwischen Acromion und Olecranonspitze (Variation der Länge und Höhe der Inzision je nach Frakturlokalisation/-ausdehnung)
- Präparation bis auf die Faszie und Spaltung dieser in gleicher Weise
- Darstellung und Identifikation des N. ulnaris
- Lösen des medialen Kopfes des M. triceps brachii vom Knochen, sodass ein Blickfeld von ulnar auf den Humerus gewährleistet wird (= ulnares/mediales Humerusfenster)
- Stumpfes Trennen von Caput longum und Caput laterale zur Bildung des radialen/lateralen Humerusfenster (ggf. Darstellung und Identifikation des N. radialis und der A. profunda brachii)
- Vorteil: Geringere Morbidität, Verzicht auf Durchtrennung des M. biceps brachii und auch auf eine Olecranonosteotomie
Trizeps-Split-Zugang (Syn.: Transtripizitaler Zugang, Trizeps-Splitting-Zugang)
- Definition: Dorsaler Zugang entlang der Humeruslängsachse mit Längsspaltung von M. triceps brachii und dessen Sehne
- Landmarken: Olecranonspitze, Humerusschaft und Epikondylen
- Durchführung
- Tasten und bei Bedarf Anzeichnen der Landmarken
- Ca. 6–8 cm langer Hautschnitt, beginnend von der Olecranonspitze entlang der Humerusachse
- Präparation auf den M. triceps brachii und Darstellen des N. ulnaris
- Spaltung des M. triceps brachii und dessen Sehne in Längsrichtung und Darstellung des distalen Humerus
Zugangswege zum Ellenbogengelenk [7][35][37][38][39][40]
Medialer Zugang am Ellenbogen
- Landmarken: Epicondylus medialis
- Durchführung
- Ca. 5–10 cm lange Längsinzision der Haut über oder leicht ventral des Epicondylus medialis (Cave: Ventraler Ast des N. cutaneus antebrachii medialis kreuzt hier! )
- Darstellung des N. ulnaris und Anschlingen
- Präparation in die Tiefe z.B. durch Ablösen der Unterarmbeuger an ihrem Ursprung
- Vertikale Eröffnung der Gelenkkapsel (ggf. Abschieben des Periost zur weiteren Darstellung knöcherner Strukturen)
- Nachteil: Risiko der Schädigung des N. ulnaris
Laterale Zugänge am Ellenbogen (2 Varianten)
- Landmarken: Epicondylus lateralis, Radiuskopf
- Lateraler Zugang nach Kocher
- Durchführung
- Ca. 5–10 cm lange Hautinzision beginnend proximal des Epicondylus lateralis über den Gelenkspalt entlang der Hinterkante des Radius
- Präparation in die Tiefe zwischen M. anconeus und M. extensor carpi ulnaris bis auf die Gelenkkapsel
- Kapsulotomie oberhalb des Lig. annulare zur Darstellung des Gelenks
- Subperiostales Ablösen proximaler Muskelgruppen, soweit zur Darstellung knöcherner Strukturen nötig
- Vorteile: Möglichkeit der Erweiterung, geringere anatomische Nähe zum N. radialis
- Durchführung
- Lateraler Zugang nach Kaplan
- Durchführung
- Ca. 5–10 cm lange Hautinzision (beginnend proximal des Epicondylus lateralis über den Gelenkspalt entlang des Radius)
- Präparation in die Tiefe zwischen M. extensor carpi radialis longus und M. extensor digitorum communis bzw. M. extensor carpi radialis brevis
- Kapsulotomie anterior des lateralen Kollateralbandes mit Spaltung des Lig. annulare
- Subperiostales Ablösen proximaler Muskelgruppen zur Darstellung knöcherner Strukturen
- Nachteil: Relative Nähe zum N. radialis
- Durchführung
Dorsaler Zugang mit Olecranonosteotomie
- Landmarken: Olecranon und Epikondylen
- Durchführung
- Ca. 10 cm lange, mittige Längsinzision, die medial oder lateral um das Olecranon geschwungen verläuft
- Darstellung des N. ulnaris und Anschlingung
- V-förmige intraartikuläre Olecranonosteotomie im knorpelfreien Bereich
- Aufklappen und Abpräparieren des M. triceps nach proximal
- Beachte: Anschließende Refixation des Olecranons mittels K-Draht- oder Plattenosteosynthese nötig!
- Vorteil: Sehr gute Übersicht über die Gelenkfläche des distalen Humerus
- Spezifische Komplikationen: Olecranonpseudarthrose (Risiko 4%), Komplikationen durch die zusätzliche Osteosynthese (z.B. Implantatlockerung oder Irritation der Haut)
Therapie der proximalen Humerusfraktur
Konservative Therapie [1][2][3][13][14]
- Indikation
- Reponible, stabil retinierbare Frakturen
- Kontraindikationen für eine Operation
- Keine oder geringe Dislokation, als ungefähre Richtlinien gelten dabei
- Tuberkeldislokation ca. <2 mm
- Fragmentdislokation <5 mm
- Achsfehlstellung bzw. Kopfabkippung <20°
- Kopf-Schaft-Versatz <⅓ des Schaftdurchmessers
- Durchführung: Frühfunktionelle Behandlung [2][41]
- 1. bis 3. Woche lagerungsstabil
- Ruhigstellung je nach Frakturart (z.B. im Gilchrist-Verband )
- Aktive Beübung von Ellenbogen und Hand
- Ab ca. 2. Woche: Pendelübungen der Schulter [13]
- Verhaltenstraining
- Röntgenkontrolle (z.B. am 4., 7. und 11. Tag)
- 3. bis 6. Woche bewegungsstabil: Passive und aktiv-assistierte Beübung der Schulter mit Physiotherapie
- Ab 8. Woche belastungsstabil: Aktive, selbstständige Bewegungsübungen ohne Limit, Belastungssteigerung bis zur Vollbelastung
- Ab 11. Woche trainingsstabil: Zunächst Rehasport, ab 4. Monat zyklische Sportarten, ab 6. Monat azyklische Sportarten erlaubt
- 1. bis 3. Woche lagerungsstabil
- Weitere Maßnahmen: Analgesie, manuelle Lymphdrainage, Klärung der häuslichen Versorgung , ggf. Sturzursache behandeln
Operative Therapie [2][2]
Indikationen
- Notfallindikationen: Gefäßverletzungen
- Indikationen für eine dringliche Operation
- Luxationsfrakturen
- Offene Frakturen (2. und 3. Grades nach Gustilo/Anderson)
- Frakturen mit schwerem Weichteilschaden
- Nicht reponierbare Dislokation mit daraus resultierendem Schaden (z.B. Nervenläsion)
- Allgemeine Indikationen: Abhängig vom präferierten Operationsverfahren (siehe Tabelle)
Indikationen für gelenkerhaltende Osteosynthese | Indikationen für gelenkersetzende Endoprothetik |
---|---|
|
|
Endoprothetische Verfahren werden i.d.R. nicht notfallmäßig implantiert und kommen infrage, wenn weder ein konservatives noch ein gelenkerhaltendes Verfahren möglich ist!
Verfahren
Die Wahl des geeigneten Verfahrens erfolgt individuell je nach Knochenqualität, Frakturtyp und Ausmaß der Dislokation. Generell sind operative Verfahren zur Therapie der proximalen Humerusfraktur unterteilbar in rekonstruktive/gelenkerhaltende und endoprothetische/gelenkersetzende Verfahren.
Rekonstruktive/gelenkerhaltende Verfahren [2][14]
Rekonstruktive/gelenkerhaltende Verfahren bei proximaler Humerusfraktur | |||
---|---|---|---|
Häufig angewendete Verfahren | Minimalinvasive Schraubenosteosynthese oder „Packing“ [1] | Plattenosteosynthese | Marknagelung |
Einsatzspektrum |
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Lagerung |
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Schnittführung und Zugang |
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Anmerkungen zur Durchführung |
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Vorteile |
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Nachteile und spezifische Risiken |
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Endoprothetische/gelenkersetzende Verfahren (Schultergelenkprothese) [2][29]
Endoprothetische/gelenkersetzende Verfahren bei proximaler Humerusfraktur | ||
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Verfahren | Anatomische (Hemi‑)Prothese | Inverse Endoprothese |
Art des Gelenkersatzes |
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Einsatzspektrum |
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Lagerung |
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Zugang | ||
Vorteile |
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Nachteile und spezifische Risiken |
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Therapie der Humerusschaftfraktur
Die konservative Therapie gilt als gute und probate Option bei vielen Humerusschaftfrakturen, seit Sarmiento et al. 1977 ein frühfunktionelles Therapiekonzept mit 97% Heilungsrate vorstellten [42]. Konkrete Behandlungsempfehlungen sind jedoch noch immer Gegenstand aktueller Forschung . Dementsprechend sollten gemeinsam mit dem Patienten die Therapieoptionen abgewogen werden, um so die nach aktuellem Wissensstand optimale Behandlung zu finden.
Therapieentscheidende Faktoren [43][44]
- Frakturmorphologie und begleitende (Weichteil‑)Verletzungen (siehe hierzu: Indikation zur operativen Therapie bei Humerusschaftfraktur)
- Operationsrisiko
- Abwägung weiterer Faktoren im Vergleich: siehe Tabelle
Vergleich der therapierelevanten Faktoren bei Humerusschaftfraktur | ||
---|---|---|
Konservative Behandlung | Operative Behandlung | |
Dauer der Behandlung | ↑ | ↓ |
Pseudarthroserisiko | ↑ | ↓ |
Notwendige Bereitschaft zur Adhärenz | ↑ | ↓ |
Schmerzdauer | ↑ | ↓ |
Wiederherstellung von Funktion und Ästhetik | ↔︎ | |
Legende |
|
Die meisten Humerusschaftfrakturen können gut konservativ therapiert werden!
Konservative Therapie [3][4][5][20][34][42]
- Indikation: Bei geeigneten Patienten großzügig zu stellen
- Durchführung: Frühfunktionelle Behandlung mit Oberarm-Brace
- I.d.R. keine initiale Frakturreposition
- 7–10 Tage Ruhigstellung mittels Schulter-Arm-Bandage und Oberarmgipsschiene (zur Abschwellung und Schmerzreduktion)
- Anschließend 4–6 Wochen Oberarm-Brace
- Evtl. zusätzlich Cuff-and-Collar-Schlinge tragen
- Aktive Bewegungen zur Achskorrektur durchführen
- Aktives Heben der Schulter frühestens ab klinisch stabiler Fraktur
- Röntgenkontrolle nach ca. 1 Woche
- Klinische Verlaufskontrollen: Insb. kritische Inspektion der Weichteile zum Ausschluss einer sekundär offenen Fraktur
- Patientenaufklärung: Krepitationen und Hypermobilität im Frakturbereich können spürbar sein, Aufklärung über wichtige Verhaltenshinweise
- Behandlungsdauer richtet sich nach radiologischem Befund
- Prognose: Gutes Outcome mit einer Heilungsrate >70%, Remissionsrate primärer Radialisläsionen >85% [4][5]
- Komplikationen: Geringe Fehlstellung/Achsabweichung (tritt in ca. 15% auf) , Pseudarthrose mit sekundärer Operation [11]
Operative Therapie [4][5][11]
- Therapieziel
- Übungsstabile Versorgung, sodass eine frühfunktionelle bracefreie Nachbehandlung ohne Bewegungslimitationen erfolgen kann
- Gutes funktionelles Outcome
- Indikation zur operativen Therapie bei Humerusschaftfraktur
- Absolut: Höhergradige offene Fraktur (>II° nach Gustilo/Anderson), pathologische Frakturen, schweres Weichteiltrauma, Gefäß- oder Nervenverletzungen, sekundäre (nicht primäre!) Radialisparese, Pseudarthrose, Mehrfachverletzungen
- Relativ: Querfrakturen, Adipositas und fehlende Eignung des Patienten zur konservativen Therapie
Verfahren
Marknagelung (Verriegelungsnagel) [4][5][28][33][34]
- Vorteile: Wenig invasiv, hohe axiale Stabilität, hoher Patientenkomfort
- Nachteil: Beim Einbringen der Verriegelungsschrauben ist der N. axillaris gefährdet
- Methoden: Abhängig von der Frakturlokalisation 2 Methoden möglich
- Antegrade Nagelung des Humerus über Humeruskopf bei Frakturen im proximalen und mittleren Drittel
- Lagerung: Beach-Chair-Position oder Rückenlagerung mit 30–40° erhöhtem Oberkörper
- Durchführung: Ca. 3–4 cm langer transdeltoidaler Zugang → Messung der Nageldicke anhand des Röntgenbildes → Eintrittspunkt des Nagels je nach gewähltem Implantat (gerader Nagel am Apex des Humerus und gebogener im Sulcus zwischen Kalotte und Tuberculum majus ) → Einbringen des Nagels → Verriegelung des Nagel durch proximale und distale Schrauben
- Spezifische Risiken: Läsion der Rotatorenmanschette, Schultergelenksinfektion, Impingementsyndrom bei Nagelüberstand
- Retrograde Nagelung des Humerus über distalen Humerus bei Frakturen im mittleren und distalen Drittel
- Lagerung: Bauchlagerung mit kleinem Armbänkchen
- Durchführung: Ca. 6–8 cm langer dorsaler Zugang mit Trizeps-Split (siehe auch: Trizeps-Split-Zugang) → Messung der Nageldicke anhand des Röntgenbildes → Nageleintrittspunkt oberhalb der Fossa olecrani → Einbringen und Verriegelung des Nagels in gleicher Weise wie bei antegrader Marknagelung
- Risiken: Iatrogene Fraktur (insb. bei Präparation des Nageleintritts und Einbringung des Nagels), Extensionshemmung im Ellenbogengelenk bei Nagelüberstand
- Antegrade Nagelung des Humerus über Humeruskopf bei Frakturen im proximalen und mittleren Drittel
- Materialentfernung: Generell nicht empfohlen bei Beschwerdefreiheit (ggf. nur Entfernung der Verriegelungsschrauben)
- Prognose: Pseudarthroserisiko geringfügig höher im Vergleich zur Plattenosteosynthese
Plattenosteosynthese [4][5][28][34]
Plattenostesynthesen können in verschiedenen Varianten eingesetzt werden, bspw. als Kompressionsplatte oder winkelstabil verschraubt . Letzteres ist v.a. bei pathologischen Frakturen vorteilhaft. Bei Bedarf können Fragmente durch zusätzliche Zugschrauben gefasst werden. Operationstechnisch kann die Platte entweder minimalinvasiv (= MIPO) oder offen (= ORIF) implantiert werden.
- MIPO: I.d.R. zwei kleine Zugänge proximal und distal, die durch Tunnelierung entlang des Periosts verbunden werden
- Lagerung: Beach-Chair-Position oder Rückenlagerung mit ausgelagertem Arm auf einem röntgendurchlässigen Armtisch
- Lange PHILOS-Platte: Transdeltoidaler Zugang und dann je nach Plattenlänge zusätzliche distale Inzision im Verlauf des Humerusschaftes
- Konventionelle Platte: Zunächst ventrale distale, ca. 5 cm lange Inzision der Haut (Cave: Darstellung des N. cutaneus antebrachii lateralis!) → Präparieren in die Tiefe unter ggf. Spaltung des M. brachialis (vgl. Vorgehen beim anterolateralen Zugang am Oberarm) → Bestimmung der Ausdehnung und Lokalisation des proximalen Zugang anhand der gewünschten Plattenlänge → Proximaler Zugang i.d.R. als anterolateraler (Deltasplit‑)Zugang
- ORIF
- Schaftfrakturen im proximalen bis mittleren Drittel: Meist von ventral
- Lagerung: Rückenlagerung mit ausgelagertem Arm auf einem röntgendurchlässigen Armtisch oder Beach-Chair-Position
- Zugang: Anterolateraler Zugang am Oberarm
- Schaftfrakturen im mittleren bis distalen Drittel: Meist von dorsal
- Lagerung: Bauchlagerung mit kleinem Armbänkchen
- Zugang: Paratrizipitaler Zugang oder Trizeps-Split-Zugang
- Vorteil: Ermöglicht langstreckige Darstellung der Fraktur und des N. radialis
- Schaftfrakturen im proximalen bis mittleren Drittel: Meist von ventral
- Materialentfernung: Generell nicht empfohlen bei Beschwerdelosigkeit (CAVE: N. radialis v.a. bei dorsaler Plattenlage in direkter Nachbarschaft!)
- Prognose: Kein signifikanter Unterschied hinsichtlich Heilungsrate, postoperativer Funktion und Komplikationen zwischen ORIF und MIPO
Fixateur externe [4][34]
- Indikation: Mittel der Wahl bei Polytrauma, offener Fraktur, Gefäßverletzungen
- Durchführung: Anterolaterale Platzierung von je 2 Pins proximal im Bereich des Humeruskopfes und distal dorsale Platzierung oberhalb der Fossa olecrani → Anbringung der Verbindungselemente und Fixierung nach Reposition durch axialen Zug (Ligamentotaxis)
- Risiken: Pininfekt, Lockerung, Verletzungen von Leitungsbahnen beim Einbringen
Therapie der distalen Humerusfraktur
Konservative Therapie [7][8][37][45][46]
- Indikation: Nur in Ausnahmefällen!
- Eher bei isolierten, undislozierten, extraartikulären und geschlossenen Frakturen ohne Gefäß-/Nervenverletzung
- Inakzeptables perioperatives Risiko (z.B. bei älteren, geriatrischen Patienten)
- Durchführung: Kein einheitliches Behandlungsschema etabliert
- Reposition: Bei dislozierten Frakturen
- Plexusanästhesie oder Allgemeinanästhesie
- Lagerung: Sitzender Patient
- Durchführung: Axialer Zug am Arm unter Palpation der Epikondylen mit der anderen Hand → Unter Zug Flexion des Ellenbogens in 90° → Korrektur der Rotation und vorsichtiges Aufheben des axialen Zuges
- Ruhigstellung
- Mit breiter Armschlinge und ggf. mit Oberarmgipsschiene (z.B. mit 90° Ellenbogenflexion und Neutralstellung von Hand und Unterarm)
- Dauer möglichst kurz (<3 Wochen)
- Physiotherapie
- Möglichst frühzeitige Mobilisation zum Erhalt der Ellenbogenbeweglichkeit (z.B. aktiv-assistierte Übungen mit Unterstützung des gesunden Armes)
- Pendelübungen der Schulter mit angelegter Schlinge zur Vermeidung einer Schultersteife
- Belastungsaufnahme und -steigerung erst ca. 6–8 Wochen nach Trauma und in Abhängigkeit von der knöchernen Konsolidierung
- Klinisches und röntgenologisches Follow-up: Mögliches Schema
- 1.–4. Woche: Wöchentliche röntgenologische und klinische Untersuchung
- Danach: Alle 4–6 Wochen Kontrolluntersuchungen bis zur knöchernen Konsolidierung bzw. vollen funktionellen Rehabilitation
- Reposition: Bei dislozierten Frakturen
- Komplikationen
- Pseudarthrose
- Einsteifung des Ellenbogens
- Höheres Risiko für sekundäre Dislokationen und Heilung in Fehlstellung (z.B. Cubitus varus oder valgus)
Operative Therapie [7][8][9][35][37][47]
- Therapie der 1. Wahl
- Therapieziele
- Belastungsstabile Versorgung mit anatomischer Rekonstruktion des Gelenks, sodass möglichst früh eine postoperative Übungstherapie erfolgen kann
- Wiederherstellung der Funktionalität (schmerzfreie Beweglichkeit, Belastbarkeit)
- Prävention einer Arthrose im Ellenbogengelenk
- Indikation
- Notfallindikationen: Gefäßverletzungen
- Indikationen für dringliche Operation: Großzügig stellen, insb. bei offenen Frakturen, Gelenkbeteiligung, Nervenschäden, schweren Weichteilverletzungen und (drohendem) Kompartmentsyndrom
- Zugang und Lagerung: Je nach Frakturlokalisation [7]
- Medialer Zugang am Ellenbogen in Rückenlage mit röntgendurchlässigem Armtisch: Abrissfraktur der medialen Epikondyle, mediale Kondylenfraktur oder frontale Abscherfrakturen
- Lateraler Zugang nach Kocher oder lateraler Zugang nach Kaplan in Rückenlage mit röntgendurchlässigem Armtisch: Abrissfraktur der lateralen Epikondyle, laterale Kondylenfraktur oder frontale Abscherfrakturen
- Dorsaler Zugang mit Olecranonosteotomie z.B. in Bauchlagerung mit kleinem Armbänkchen : Artikuläre Frakturen beider Kondylen
- Paratrizipitaler Zugang nach Mühldorfer z.B. in Bauchlagerung mit kleinem Armbänkchen : Extraartikuläre Metaphysenfrakturen
Verfahren
Schraubenosteosynthese (ggf. in Kombination mit K-Drähten oder ergänzend bei Plattenosteosynthese)
- Indikation: Bspw. Abrissfrakturen der Epikondylen (A1 und A2 nach AO-Klassifikation der distalen Humerusfrakturen) und einfache Gelenkfrakturen wie frontale Abscherfrakturen (B3 nach AO-Klassifikation der distalen Humerusfrakturen)
- Implantatmaterial: Bspw. selbstschneidende Schrauben (v.a. für epikondyläre Abrissfrakturen ) oder kopflose Doppelgewindeschrauben (v.a. für frontale Abscherfrakturen )
Plattenosteosynthese
- Indikation: Sehr häufig eingesetztes Standardverfahren
- Implantatmaterial: Anatomisch vorgeformte Platten, die i.d.R. winkelstabil verschraubt werden
- Operationstechnik
- Bei metaphysären Frakturen: Jeweils mind. 2 bikortikale Schrauben proximal und distal der Frakturzone verwenden
- Bei epiphysären Frakturen: Möglichst viele Schrauben im distalen Fragment zur Erhöhung der Stabilität
- Doppelplattenosteosynthese: Einbringung parallel oder orthogonal je nach Frakturmorphologie
- Operationstaktik: Zwei grundlegende Vorgehen beschrieben
- Aufbau einer Säule und anschließende Rekonstruktion von Gelenk und zweiter Säule
- Rekonstruktion des Gelenkblocks, der dann in Position zum Schaft gebracht wird
Primäre endoprothetische Versorgung (Ellenbogengelenkprothese )
- Indikation: Keine einheitlichen Empfehlungen
- Erwägen bei mehrfragmentären Frakturen mit starker Beteiligung der Gelenkfläche oder schlechter Knochenqualität
- Hemiendoprothese: Voraussetzung ist ein stabiles Ellenbogengelenk (bspw. ein intakter oder rekonstruierbarer Bandapparat)
- Totalendoprothese (ungekoppelt oder gekoppelt): Bei nicht rekonstruierbaren Frakturen (als Alternative zur konservativen Therapie) oder bei misslungenem Therapieversuch (als Rescue-Strategie)
- Nachbehandlung: Limitation der Ellenbogenflexion auf 90° für die ersten 6 Wochen
Fixateur externe
- Indikation: Bei instabilen Patienten (Polytrauma) oder sehr ausgedehnter Weichteilverletzung
- Vor allem als temporäre Versorgung
- Kontraindikation: Osteoporose
- Operationstechnik
- Gelenkübergreifend: Je 2 Pins aus dorsaler Richtung in den distalen Humerus und die proximale Ulnadiaphyse
- Nicht gelenkübergreifend : Je 2 Pins proximal und distal der Humerusfraktur unter Beachtung der neurovaskulären Strukturen
- Erst nach 5–7 Tagen definitive Versorgung
Komplikationen
Allgemeine Komplikationen
- Siehe auch: Komplikationen nach Knochenbruch
- Bei Gelenkbeteiligung: Erhöhtes Risiko für sekundäre Arthrose
- Verzögerte Knochenheilung und ggf. Pseudarthrose
- Heilung in Fehlstellung
- Hämatom
- Kompartmentsyndrom des Unterarmes oder Kompartmentsyndrom des Oberarmes
- Persistierende Bewegungseinschränkung und Kraftminderung
- Persistierende Schmerzen bis hin zum CRPS
- Neurologische Ausfälle: Läsionen des Armplexus, N. radialis, N. ulnaris, N. medianus oder N. axillaris
- Sekundäre Dislokation: Ausbildung von Beschwerden (z.B. subakromiales Impingement) oder Notwendigkeit einer (erneuten) Operation
Operationsspezifische Komplikationen
- Osteosyntheseassoziierte Komplikationen [3]
- Allgemein: Implantatversagen (Lockerung, Schraubenbruch etc.), postoperative Infektion [7] , Schädigung angrenzender Nerven oder Gefäße
- Marknagelung: Sprengung des Humerusschaftes bei zu engem Markraum , Verletzung der Rotatorenmanschette (insb. bei antegrader Einbringung)
- Fixateur externe: Pininfektion
- Siehe auch: Komplikationen nach Osteosynthese
- Frakturspezifische Komplikationen
- Proximale Humerusfraktur: Humeruskopfnekrose (siehe hierzu: Prognosekriterien für die Entwicklung einer Humeruskopfnekrose), subakromiales Impingement , Schraubenperforation in das Schultergelenk durch Sinterung des Humeruskopfes , Versteifung der Schulter [2][3][13]
- Distale Humerusfraktur: Ellenbogensteife (insb. nach konservativer Therapie) [3]
Radialisparese bei Humerusschaftfraktur [4][5][48]
- Ätiologie
- Primär als Begleitverletzung: Nervenkontusion oder seltener Interposition (z.B. zwischen Frakturfragmenten) und traumatische Kontinuitätsunterbrechung
- Sekundär als im Verlauf auftretende Komplikation
- Klinik/Symptomatik: Allgemein siehe auch: Nervus-radialis-Lähmung
- Fallhand mit Ausfall der Streckung in Handgelenk und Fingern (CAVE: Streckung der Interphalangealgelenke durch die intrinsische Muskulatur!)
- Apparative Diagnostik: Meist im Rahmen der konservativen Therapie
- Therapie: Keine absolute OP-Indikation! Bisher kein Goldstandard!
- Problematik: Nervenkontusionen (ca. 70%) heilen ohne chirurgische Intervention; Kontinuitätsunterbrechungen und Interpositionen haben jedoch mit operativen Prozedere eine bessere Prognose, können aber klinisch nicht sicher abgegrenzt werden
- Vorgehen in Abhängigkeit der Ätiologie
- Primäre Parese mit absoluter OP-Indikation (anderer Ursache): Primäre Revision des Nerven im Rahmen der Operation
- Primäre Parese ohne absolute OP-Indikation: Meist konservative Therapie mit Radialisschiene und regelmäßiger Nachuntersuchung und ggf. Diagnostik
- Sekundäre Parese: Indikation zur dringlichen OP
Periartikuläre Ossifikation bei distalen Humerusfrakturen [3][7][47]
- Lokalisation: Insb. Ellenbogengelenk nach distalen Humerusfrakturen gefährdet!
- Risikofaktoren: Ellenbogenluxation , C-Frakturen (nach AO-Klassifikation) , männliches Geschlecht und verspätete OP
- Prophylaxe
- Indikation: Abwägen bei Risikofaktoren
- Durchführung
- Postoperative Gabe von NSAR, z.B. Indometacin
- Postoperative einmalige Bestrahlung mit 7 Gy
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachsorge
Folgende Nachbehandlungsvorschläge basieren auf den Empfehlungen der DGOU [49]. Diese Schemata sind jedoch an den individuellen Heilungsverlauf anzupassen und sollten grundsätzlich auch unter Berücksichtigung von Maßgaben des Operateurs und/oder klinikinternen Standards erfolgen.
Für das allgemeine postoperative stationäre Management inkl. durchzuführender ärztlicher Verlaufskontrollen sowie für Empfehlungen zur Schmerztherapie und Thromboseprophylaxe siehe: Nachsorge in der Orthopädie und Unfallchirurgie.
Nachsorge der proximalen Humerusfraktur
Nachbehandlungsschema osteosynthetisch versorgter proximaler Humerusfrakturen
Phase 1 – Ziel: Wundheilung und Abschwellung
- Tag 1–3 postoperativ: Bewegungsstabilität
- Ruhigstellung der Schulter (z.B. im Gilchrist-Verband ) für ca. 2–3 Wochen
- Assistives Bewegen distal der Schulter ohne Limit
- Anleitung zum Eigen- und Verhaltenstraining (siehe auch: Allgemeine Verhaltensempfehlungen bei orthopädisch-unfallchirurgischen Erkrankungen)
- Röntgenkontrolle der Schulter in 2 Ebenen vor Entlassung
Phase 2 – Ziel: Passive und aktive Beweglichkeit
- Tag 4–Woche 2 postoperativ
- Kontrakturenprophylaxe: Assistives und aktives Bewegen, CPM-Schiene
- Bewegungslimitation der Schulter
- Bis max. 90° Anteversion und Abduktion
- Rotation nur im schmerzarmen Bereich
- Statisches Muskeltraining zur Zentrierung des Humeruskopfes
Phase 3 – Ziel: Reintegration in den Alltag
- Woche 3–8 postoperativ: Belastungsstabilität
- Aktive Bewegung der Schulter ohne Limit
- Muskelaufbautraining mit individueller Belastungssteigerung bis zur Vollbelastung unter Alltagsbedingungen
- Ggf. Osteoporose - Diagnostik und Therapie
- Röntgenkontrolle der Schulter in 2 Ebenen vor Übergang zur Trainingsstabilität
Phase 4 – Ziel: Volle Belastbarkeit
- Ab 9. Woche postoperativ: Übergang zur Trainingsstabilität
- Bewegung und Belastung ohne Limit
- Funktionstraining, ggf. Rehasport und -nachsorge
- Ab 3. Monat postoperativ
- Wiederaufnahme des sportartspezifischen Trainings
Nachbehandlungsschema nach anatomischer oder inverser Schulterendoprothese
Nach anatomischer Prothese gelten zunächst striktere Bewegungslimitationen, um die Einheilung der Tuberkel nicht zu gefährden. Langfristig gesehen bestehen stärkere Einschränkung nach inverser Prothese, da schulterbelastende Sportarten nicht zu empfehlen sind.
Phase 1 – Ziel: Wundheilung und Abschwellung
- Tag 1–3 postoperativ: Bewegungsstabilität
- Thromboseprophylaxe!
- Ruhigstellung: Schulter-Abduktionskissen (ca. 40–60° Abduktion, keine Retroversion und geringe Innenrotation) für ca. 4 Wochen
- Freie Bewegung distal der Schulter
- Anleitung zum Eigen- und Verhaltenstraining (siehe auch: Allgemeine Verhaltensempfehlungen bei orthopädisch/unfallchirurgischen Erkrankungen)
- Röntgenkontrolle der Schulter in 2 Ebenen vor Entlassung
Phase 2 – Ziel: Passive und aktive Beweglichkeit
- Tag 4–Woche 2 postoperativ
- Kontrakturenprophylaxe: Assistives und aktives Bewegen (im Abduktionskissen bei anatomischer Prothese ), CPM-Schiene
- Bewegungslimitation der Schulter
- Anatomische Prothese: Anteversion und Abduktion bis max. 60°
- Inverse Prothese: Anteversion und Abduktion bis max. 90°, Rotation schmerzabhängig ohne Limit
- Statisches Muskeltraining zur Zentrierung des Gelenkkopfes
- Woche 3–4 postoperativ
- Schmerzabhängige Ausweitung der assistiven und aktiven Bewegung ohne Kissen mit weiterhin bestehender Limitation
- Anatomische Prothese : 60° Anteversion und Abduktion, 20° Außenrotation (nur geführt) und zunehmend freie Innenrotation
- Inverse Prothese: Weiterhin 90° Anteversion und Abduktion, Rotation ohne Limit
- Schmerzabhängige Ausweitung der assistiven und aktiven Bewegung ohne Kissen mit weiterhin bestehender Limitation
Phase 3 – Ziel: Reintegration in den Alltag
- Woche 5–6 postoperativ: Belastungsstabilität
- Röntgenkontrolle der Schulter in 2 Ebenen vor Belastungsaufnahme
- Entfernung Abduktionskissen
- Ausweitung Bewegungslimit
- Anatomische Prothese: 90° Anteversion und Abduktion, 30° Außenrotation
- Inverse Prothese: Weiterhin 90° Anteversion und Abduktion mit freier Rotation
- Koordinationstraining
- Woche 7–12 postoperativ
- Aktive Bewegung ohne Limit
- Muskelaufbautraining mit individueller Belastungssteigerung bis zur Vollbelastung unter Alltagsbedingungen
- Röntgenkontrolle der Schulter in 2 Ebenen vor Übergang zur Trainingsstabilität
Phase 4 – Ziel: Volle Belastbarkeit
- Woche 13–16 postoperativ
- Bewegung und Belastung ohne Limit
- Funktionstraining, ggf. Rehasport und -nachsorge
- Ab 6. Monat postoperativ
- Wiederaufnahme des sportartspezifischen Trainings
Nachsorge der Humerusschaftfraktur
Nachbehandlungsschema osteosynthetisch versorgter Humerusschaftfrakturen
Phase 1 – Ziel: Wundheilung und Abschwellung
- Tag 1–3 postoperativ: Bewegungsstabilität [34]
- Direkt postoperative Kontrolle der peripheren Nervenfunktion
- Schmerzarme und abschwellende Lagerung, ggf. unterstützende Hilfsmittel (z.B. Armschlinge oder langer Kompressionsstrumpf für den Arm)
- Assistive und aktive Bewegung von Schulter- und Ellenbogengelenk
- Aktive Bewegung von Hand und Fingern
- Keine Stützbelastung!
- Anleitung zum Eigen- und Verhaltenstraining (siehe auch: Allgemeine Verhaltensempfehlungen bei orthopädisch/unfallchirurgischen Erkrankungen)
- Röntgenkontrolle des Oberarmes in 2 Ebenen vor Entlassung
Phase 2 – Ziel: Passive und aktive Beweglichkeit
- Tag 4–Woche 4 postoperativ
- Aktive Bewegung der Schulter
- CPM-Schiene
- Statisches und dynamisches Muskeltraining
- Woche 5–6 postoperativ
- Aktives Bewegen aller Gelenke ohne Limitation
- Koordinationstraining
- Abtrainieren von Hilfsmitteln
Phase 3 – Ziel: Reintegration in den Alltag
- Woche 7–12 postoperativ: Belastungsstabilität
- Muskelaufbautraining mit individueller Belastungssteigerung bis zur Vollbelastung unter Alltagsbedingungen
- Röntgenkontrolle des Oberarmes in 2 Ebenen vor Übergang zur Trainingsstabilität
Phase 4 – Ziel: Volle Belastbarkeit
- Ab 13. Woche postoperativ: Übergang zur Trainingsstabilität
- Bewegung und Belastung ohne Limit
- Funktionstraining, ggf. Rehasport und -nachsorge
- Ab 6. Monat postoperativ
- Wiederaufnahme des sportartspezifischen Trainings
Nachsorge der distalen Humerusfraktur
Nachbehandlungsschema osteosynthetisch versorgter distaler Humerusfrakturen
Phase 1 – Ziel: Wundheilung und Abschwellung
- Tag 1–3 postoperativ: Bewegungsstabilität
- Schmerzarme und abschwellende Lagerung [7]
- Ruhigstellung (z.B. dorsale Oberarmschiene) bei Bedarf
- Assistive Bewegung des Ellenbogengelenks
- Aktive Bewegung von Schulter und Hand
- Anleitung zum Eigen- und Verhaltenstraining (siehe auch: Allgemeine Verhaltensempfehlungen bei orthopädisch/unfallchirurgischen Erkrankungen)
- Röntgenkontrolle des Ellenbogens in 2 Ebenen vor Entlassung
Phase 2 – Ziel: Passive und aktive Beweglichkeit
- Tag 4–Woche 2 postoperativ
- Assistive und aktive Flexion und Extension des Ellenbogengelenks im schmerzarmen Bereich
- Aktive Pro- und Supination ohne Limit
- CPM-Schiene
- Statisches und dynamisches Muskeltraining
- Entwöhnung von der Ruhigstellung
Phase 3 – Ziel: Reintegration in den Alltag
- Woche 3–6 postoperativ: Belastungsstabil
- Zunehmend aktive Bewegung des Ellenbogengelenks mit Fokus auf die Extension
- Keine Bewegungslimitationen
- Muskelaufbau- und Koordinationstraining
- Woche 7–8 postoperativ
- Intensivierung des Muskelaufbautrainings mit individueller Belastungssteigerung bis zur Vollbelastung unter Alltagsbedingungen
- Röntgenkontrolle des Ellenbogens in 2 Ebenen vor Übergang zur Trainingsstabilität
Phase 4 – Ziel: Volle Belastbarkeit
- Ab 9. Woche postoperativ: Übergang zur Trainingsstabilität
- Bewegung und Belastung ohne Limit
- Funktionstraining, ggf. Rehasport und -nachsorge
- Ab 6. Monat postoperativ
- Wiederaufnahme des sportartspezifischen Trainings
Prävention
- Prädisponierende Vorerkrankungen abklären und behandeln
- Siehe auch: Osteoporose- und Frakturprophylaxe
- Speziell bei älteren Patienten: Sturzprävention
Besondere Patientengruppen
- Siehe: Kindliche Humerusfraktur
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- S42.-: Fraktur im Bereich der Schulter und des Oberarmes
- S42.2-: Fraktur des proximalen Endes des Humerus
- S42.20: Teil nicht näher bezeichnet
- S42.21: Kopf
- Proximale Epiphyse
- Humeruskopffraktur mit zwei bis vier Fragmenten
- S42.22: Collum chirurgicum
- S42.23: Collum anatomicum
- S42.24: Tuberculum majus
- S42.29: Sonstige und multiple T eile
- S42.3: Fraktur des Humerusschaftes
- S42.4-: Fraktur des distalen Endes des Humerus
- Exklusive: Fraktur des Ellenbogens o.n.A. (S52.00)
- S42.40: Teil nicht näher bezeichnet
- Distales Ende o.n.A.
- S42.41: Suprakondylär
- S42.42: Epicondylus lateralis
- S42.43: Epicondylus medialis
- S42.44: Epicondylus, Epicondyli, nicht näher bezeichnet
- Distale Epiphyse
- S42.45: Transkondylär (T- oder Y-Form)
- S42.49: Sonstige und multiple Teile
- Trochlea
- S42.7: Multiple Frakturen der Klavikula, der Skapula und des Humerus
- S42.2-: Fraktur des proximalen Endes des Humerus
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.