Zusammenfassung
Das Polytrauma wird oft als gleichzeitig entstandene Verletzungen mehrerer Körperregionen definiert, von denen mind. eine oder die Kombination mehrerer Verletzungen lebensbedrohlich ist. In Deutschland zählt es zu den häufigsten Todesursachen bei <45-Jährigen. Meist tritt das Polytrauma infolge eines Verkehrsunfalls oder eines Sturzes aus großer Höhe auf. Die Behandlung ist typischerweise durch mehrere Faktoren erschwert (bspw. Zeitdruck, Komplexität der Fälle) und erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Das Vorgehen unterscheidet sich je nach spezifischem Verletzungsmuster und Behandlungsphase.
Ziel der prähospitalen Phase ist es, unmittelbar lebensbedrohliche Zustände zu erkennen und zu behandeln. Besonders bedeutsam sind dabei akute Blutungen, da sie (neben dem Schädel-Hirn-Trauma) in dieser Phase die meisten Todesfälle verursachen. Daneben stehen die Atemwegssicherung, eine frühzeitige Optimierung des Gerinnungs- und Volumenstatus sowie die Herstellung der Transportfähigkeit im Vordergrund. Für Details siehe: Präklinische Traumaversorgung.
Die Schockraumphase ist besonders gekennzeichnet durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen. Bei der Zusammensetzung des Schockraumteams wird darauf geachtet, dass dieses aus mind. 2 Pflegekräften und mind. 2 Ärzt:innen mit notfallmedizinischer und notfallchirurgischer Kompetenz besteht. Der Fokus liegt in dieser Phase auf der weiteren Stabilisierung der polytraumatisierten Person und auf einer raschen Diagnostik, bspw. durch eFAST oder Polytrauma-CT. Diese Phase ist Fokus des vorliegenden Kapitels.
In der ersten OP-Phase erfolgt die initiale chirurgische Therapie der zugrunde liegenden Pathologie. Für Details siehe die speziellen Kapitel zu den jeweiligen Verletzungsmustern (bspw. Abdominaltrauma, Thoraxtrauma).
Definition
Berlin-Definition des Polytraumas [1][2]
- Relevante Verletzung von mind. 2 Körperregionen mit einem AIS-Grad ≥3 (siehe: Abbreviated Injury Scale)
- Zusätzlich mind. 1 der folgenden Risikofaktoren
- Lebensalter ≥70 Jahre
- Systolischer Blutdruck ≤90 mmHg
- Schwere Vigilanzminderung (GCS <9)
- Ausgeprägte Azidose (BE ≤-6 mmol/L)
- Gerinnungsstörung (PTT ≥40 s oder INR ≥1,4)
Weitere Definitionen
- Deskriptive Definitionen des Polytraumas [3]
- Mind. 2 schwere Verletzungen des Kopfes, des Brustkorbs und/oder des Abdomens, oder eine dieser Verletzungen in Verbindung mit einer Extremitätenverletzung [4]
- Mind. 2 relevante Verletzungen [5]
- Mind. 2 Verletzungen, von denen eine potenziell lebensbedrohlich ist [6]
- Definitionen des Polytraumas mithilfe von Scores
- Verletzungen von mind. 2 relevanten Körperregionen mit einer Verletzungsschwere mit AIS-Grad >2 [7]
- Verletzungsschwere nach Injury Severity Score ≥16 [8]
- Definition „Schwerverletzte“: Personen mit unmittelbarer Aufnahme ins Krankenhaus und stationärer Versorgung für mind. 24 h [9]
Das Polytrauma ist oft definiert als gleichzeitig entstandene Verletzungen mind. zweier relevanter Körperregionen, von denen mind. eine oder die Kombination mehrerer Verletzungen lebensbedrohlich ist! [10][11]
Es gibt keine einheitliche Definition des Polytraumas in der Literatur! [12]
Epidemiologie
- Inzidenz: Insg. ca. 10 Mio. Unfallverletzte pro Jahr in Deutschland [12], davon
- Ca. 2,6 Mio. Verkehrsunfälle (im Jahr 2018) [8]
- Ca. 32.000 Schwerverletzte pro Jahr in Deutschland [8]
- Häufigste Ursachen für Polytrauma [12]
- Verkehrsunfall [13]
- Sturz aus großer Höhe
- Häufigste Todesursachen in der Frühphase nach schweren Verkehrsunfällen
- Schweres Schädel-Hirn-Trauma
- Ausgeprägter Blutverlust (ca. 30% der Fälle) [12]
Eine der häufigsten Todesursachen nach schweren Unfällen ist unkontrollierter Blutverlust! [12]
Schwere Traumen zählen zu den häufigsten Todesursachen bei <45-Jährigen! [12]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Klassifikation
Injury Severity Score (ISS) [14][15]
- Berechnung über den AIS-Grad der 3 schwersten Einzelverletzungen verschiedener Körperregionen
- Formel: ISS = (AISRegion1)2+ (AISRegion2)2 + (AISRegion3)2
- Beurteilte Körperregionen
- Kopf/Hals
- Gesicht
- Thorax
- Abdomen
- Extremitäten
- Weichteile
- Bewertung
- Besonderheit: Schweregrad eines Polytraumas wird teilweise unterschätzt, da nur 3 Körperregionen berücksichtigt werden [15]
New Injury Severity Score (NISS) [15]
- Berechnung über den AIS-Grad der 3 schwersten Einzelverletzungen
- Formel: NISS = (AISVerletzung1)2+ (AISVerletzung2)2 + (AISVerletzung3)2
- Bewertung: Vorliegen eines Polytrauma bei einem NISS >16
- Besonderheiten im Vergleich zum ISS
- Bessere Vorhersage der Überlebenswahrscheinlichkeit
- Einfacher zu berechnen
Abbreviated Injury Scale (AIS) [14][17]
- Entwicklung im Rahmen der automobilen Unfallforschung
- Angabe als siebenstelliger Code für jede Einzelverletzung unter Berücksichtigung von
- Körperregion (1. Ziffer)
- Art der Verletzung (2.–6. Ziffer)
- Verletzungsschwere (7. Ziffer)
- Grundlage verschiedener Scores zur Bewertung der Gesamtverletzungsschwere, bspw.
Verletzungsschwere nach Abbreviated Injury Scale (AIS) | |
---|---|
Bewertung der Einzelverletzung | Code (AIS-Grad) |
Leicht | 1 |
Moderat | 2 |
Schwer, nicht lebensbedrohlich | 3 |
Lebensbedrohlich | 4 |
Kritisch, Überleben unsicher | 5 |
Tödlich, nicht behandelbar | 6 |
Revised Trauma Score (RTS) [18][19]
- Berechnung anhand von Vigilanz, systolischem Blutdruck und Atemfrequenz [19]
- Verwendung hauptsächlich im Rahmen retrospektiver Analysen
Revised Trauma Score (RTS) | |||
---|---|---|---|
Parameter | Punktwert | ||
Vigilanz (GCS) | Systolischer Blutdruck (mmHg) | Atemfrequenz (pro min) | |
13–15 | >89 | 10–29 | 4 |
9–12 | 76–89 | >29 | 3 |
6–8 | 50–75 | 6–9 | 2 |
4–5 | 1–49 | 1–5 | 1 |
3 | 0 | 0 | 0 |
Formel [19]: RTS = (Punktwert Vigilanz × 0,9368) + (Punktwert systolischer Blutdruck × 0,7326) + (Punktwert Atemfrequenz × 0,2908) |
Schockraumversorgung
Für organisatorische, personelle und apparative Aspekte siehe: Schockraummanagement!
Grundprinzipien der Schockraumbehandlung
- Primary Survey: Vorgehen nach cABCDE-Schema
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit
- Basierend auf Vertrauensgrundsatz, Eigenverantwortung und Methodenfreiheit der einzelnen Fachgebiete
- Siehe auch:
- Leitsätze [22]
- „Treat first what kills first“
- „Discover all life-threatening injuries fast“
- „Realize time loss“
- „Do not further harm“
- „Don’t pump an empty heart“ [23]
Aufnahme in den Schockraum
- Voraussetzung: Aufnahme- bzw. Aktivierungskriterien für den Schockraum erfüllt
- Ablauf
- Telefonische Anmeldung durch die Rettungsleitstelle
- Schockraumaktivierung durch Notfallkoordinator:in/Schockraum-Teamleiter:in
- Team Time-out
- Starten einer Stoppuhr bei Ankunft von Patient:in im Schockraum [24]
- 5-Sekunden-Visite [20][24]
- Zeitpunkt: Vor Übergabe durch das notärztliche Personal
- Ziel: Schnelle Erfassung unmittelbar lebensbedrohlicher Zustände
- Durchführung durch Schockraum-Teamleiter:in
- Kurzer Überblick (mind. Blickdiagnose) mit Fokus auf
- Allgemeinzustand
- Beatmungssituation
- Aktive Blutungen
- Notärztliche Übergabe bei Polytrauma [20]
- Zeitpunkt des Unfalls
- Unfallmechanismus
- Rettungsdienstliche Einsatzdaten
- Befunde (Fokus auf neurologische Befunde und Schmerzen vor Narkoseeinleitung)
- Verdachtsdiagnosen
- Therapeutische Maßnahmen und deren Effekt
- Siehe auch: Schockraummanagement - Patientenübergabe
- Nach der Übergabe: Umlagerung der verletzten Person
- Gängige Sichtungssysteme in der Notaufnahme
5-Sekunden-Visite [20] | ||
---|---|---|
Akronym | Bedeutung | Diagnostik |
c | Critical Bleeding | Massive externe Blutungen sichtbar? |
A | Airway | Atemwege frei, Atemwege gesichert? |
B | Breathing | Spontanatmung suffizient bzw. adäquate Ventilation bei maschineller Beatmung? |
C | Circulation | Peripherer Puls tastbar? |
Basismaßnahmen
- Basismonitoring
- 3-Kanal-EKG
- Pulsoxymetrie
- Nicht-invasive Blutdruckmessung
- Überwachung der Atemfrequenz
- Erweitertes Monitoring je nach Bedarf
- Temperaturmessung
- Arterielle Blutgasanalyse
- Anlage eines Blasenkatheters
- Anlage einer Magensonde
Das initiale 3-Kanal-EKG gehört beim Polytrauma zu den Basismaßnahmen! [12]
Diagnostik
(Fremd‑)Anamnese
- Vervollständigen der (Fremd‑)Anamnese: Vorgehen mithilfe strukturierter Protokolle, bspw.
- Fokus auf Unfallmechanismus
- Indikationsstellung zur bildgebenden Diagnostik , bspw. Polytrauma-CT
- Hinweise auf Verletzungsmuster
Typische Verletzungsmuster je nach Unfallmechanismus [25] | ||
---|---|---|
Unfallmechanismus | Typische Verletzungsmuster | |
Unfall als Fahrzeuginsasse | Frontalaufprall |
|
Seitlicher Aufprall |
| |
Heckaufprall |
| |
Ejektion aus einem Fahrzeug | — | |
Unfall als Passant:in | Kollision mit einem Fahrzeug |
|
Körperliche Untersuchung
Schnelle Traumauntersuchung [26]
- Definition: Orientierende Ganzkörperuntersuchung im Rahmen des Secondary Survey
- Ziel: Alle relevanten Verletzungen diagnostizieren (Vermeidung von „missed injuries“)
- Dauer: So kurz wie möglich (insb. bei instabilen Patient:innen)
- Durchführung: Systematisches Vorgehen von Kopf bis Fuß
- Inspektion: Anzeichen für äußere Verletzungen der jeweiligen Körperregion suchen
- Palpation: Vorsichtige Palpation der jeweiligen Körperregion
- Zu beachten: Gefahr der Auskühlung durch Entkleiden
- Begutachtung der Körperrückseite: Vorsichtige Drehung, insb. bei V.a. Verletzung des Achsenskeletts
- Offene Frakturen: Präklinisch angelegte sterile Verbände möglichst nicht außerhalb des OP-Saals entfernen
Schnelle Traumauntersuchung [25][27][28] | ||
---|---|---|
Körperregion | Spezielle Untersuchungen | Mögliche Befunde |
Kopf |
|
|
Hals |
|
|
Thorax |
|
|
Abdomen |
|
|
Becken |
|
|
Perineum/Rektum/Vagina | ||
Extremitäten | ||
Wirbelsäule |
|
|
Neurologische Untersuchung
- Wiederholte neurologische Untersuchung
- Bewusstseinslage
- Pupillenfunktion
- Glasgow Coma Scale
- Beurteilung eines Schädel-Hirn-Traumas, siehe auch: Schweregrad-Einteilung des SHT
- Frage nach Intubationspflichtigkeit, siehe auch: Intubationskriterien bei Polytrauma
- Beidseitige Untersuchung der Motorik bzw. Sensibilität , Fokus auf
- Beuge- oder Strecksynergismen
- Parese oder Plegie
- Zusätzliche Untersuchungen bei wachen Personen
- Orientierung
- Koordination
- Sprache
- Untersuchung der Hirnnerven
Prüfung der Beckenstabilität [12][30]
- Durchführung
- Rückenlage
- Laterale Kompression des Beckens → Abbruch des Manövers bei tastbarer Instabilität
- Kompression von vorn auf die Spina iliaca anterior superior beidseits
- Befund
- Stabiles Becken: Seitliche und ventrodorsale Kompression des Beckens lösen keine Bewegung aus
- Federnde Instabilität: Bei ventrodorsaler und seitlicher Kompression federnde Bewegung innerhalb des Beckenrings
- Rotationsinstabilität: „Schließen“ bei seitlicher Kompression des Beckens, keine Beweglichkeit nach kranial/kaudal
- Komplette Instabilität: Beweglichkeit des Beckenrings bei seitlicher und ventrodorsaler Kompression sowie unabhängige Beweglichkeit der jeweiligen Beckenhälfte bei Bewegung des Beins vom Rumpf
Die klinische Prüfung der Beckenstabilität wird wegen ihrer geringen Aussagekraft und des Risikos für eine Blutungszunahme kritisch diskutiert!
Labordiagnostik [31]
- (Möglichst arterielle) Blutgasanalyse
- Wiederholte Beurteilung insb. von Gasaustausch, Elektrolyt- bzw. Säure-Basen-Haushalt und möglicher Transfusionsindikation
- Überprüfung und ggf. Anpassung der therapeutischen Maßnahmen (bspw. Beatmung, Volumentherapie)
- Gerinnungsparameter [32]
- Blutgruppenbestimmung und Antikörpersuchtest
- Möglichst vor Transfusion von Fremdblut
- Gleichzeitige Durchführung eines Bedside-Tests erwägen
- Viskoelastische Testverfahren (VET): Frühzeitiger Einsatz zur Gerinnungsdiagnostik und -therapie , bspw.
- Rotationsthrombelastometrie
- Thrombelastografie
- Diagnostik der Thrombozytenfunktion: Point of Care Testing, bspw. Multiplate™, VerifyNow™
- hsTroponin: Bei V.a. Herzkontusion [33]
- Weitere Parameter: Je nach Klinikstandard und abhängig von Befunden, bspw. kleines Blutbild, Harnstoff, Kreatinin, LDH, CK, γGT, GOT, GPT, β-hCG
- Toxikologisches Screening erwägen [34][35], bspw.
Zur Basisdiagnostik zählen die frühzeitige und wiederholte Messung von Gerinnungsparametern, die Blutgasanalyse sowie die Bestimmung der Blutgruppe! [12]
Bildgebende Diagnostik
eFAST
- Indikation: Polytrauma, isoliertes Thorax- oder Abdominaltrauma
- Routinemäßiger Einsatz im Rahmen des Primary Survey
- Wiederholte Untersuchungen zur Verlaufskontrolle nach auffälligem Befund in der Ganzkörper-CT
- Untersuchte Regionen: Abdomen, Becken, Perikard und Pleura
- Ablauf: Standardisiertes Vorgehen wichtig
- Vorteile
- Schnelligkeit des Verfahrens
- Hohe Spezifität (94–100%)
- Verlaufskontrollen möglich
- Nachteile
- Kein sicherer Ausschluss einer intraabdominellen bzw. intrathorakalen Verletzung möglich
- Variable Sensitivität (28–100%)
- Ungenaueres Ergebnis bei höherer Gesamtverletzungsschwere
Mittels eFAST-Untersuchung im Primary Survey werden unmittelbar behandlungsbedürftige Verletzungen schnell diagnostiziert: Pneumo- oder Hämatothorax, Perikardtamponade, abdominelle oder pelvine Blutungen! [12]
Röntgen-Untersuchungen
- Indikation: Einzelfallentscheidung, falls keine unmittelbare CT durchgeführt werden kann
- Thorax: Ggf. relevante thorakale Verletzung
- Becken: Ggf. relevante pelvine Verletzung
- Interpretation
- Wenig Evidenz bei der Versorgung polytraumatisierter Patient:innen vorhanden
- Wesentliche Pathologien prinzipiell auch sonografisch darstellbar
Ganzkörper-CT (Polytrauma-CT)
- Indikation: Verdacht auf Polytrauma und
- Störung der Vitalparameter (Atmung, Kreislauf, Bewusstsein, Neurologie)
- Pathologischer Befund in klinischer und/oder bildgebender Untersuchung von ≥1 Körperregion
- Fraktur von ≥2 langen Röhrenknochen
-
Bestimmter Unfallmechanismus, bspw.
- Sturz aus >4 m Höhe
- Einklemmung von Thorax oder Abdomen
- Voraussetzungen
- Systolischer Blutdruck >60 mmHg
- Keine reanimationspflichtige Situation [12][36]
- Keine unmittelbar interventions- oder operationspflichtige Situation
- Durchführung: Mehrschicht-Spiral-CT des gesamten Körpers
- Zeitnahe Durchführung anhand eines traumaspezifischen Protokolls
- Zunächst cCT nativ, anschließend Kontrastmittelgabe für den Bereich vom Kopf bis Mitte der Oberschenkel
- Interpretation: Diagnostik lebensbedrohlicher Verletzungen, insb.
- Intrakranielle oder intraabdominelle Blutungen
- Hämatothorax, Pneumothorax
- Vorteil: Verbesserte Überlebenswahrscheinlichkeit bei initial durchgeführter Ganzkörper-CT
- Alternativen: CT-Schädel, -Thorax oder -Abdomen als Einzeluntersuchungen bei isoliertem Trauma
- Weitere radiologische Untersuchungen: Leitsymptom- bzw. bedarfsadaptiert
Das Polytrauma-CT ist der Goldstandard zur detaillierten Diagnostik des Verletzungsmusters bei Polytrauma und wird auch bei unauffälligem eFAST-Befund empfohlen!
Therapie
Atemwegsmanagement
- Überprüfung der Atemwege bzw. Lagekontrolle des Endotrachealtubus
- Ggf. endotracheale Intubation, siehe auch:
- Maschinelle Beatmung
- Ziel: Normokapnie (obligate Kontrolle durch Kapnografie )
- Durchführung
- Niedrige Atemhubvolumina
- Niedrige Beatmungsfrequenzen
- Ggf. Verzicht auf PEEP
- Siehe auch: Grundeinstellungen des Beatmungsgerätes
Volumentherapie und Gerinnungsmanagement
- Akuttherapie bei massivem Blutverlust: Massivtransfusion
- Lokale Standards beachten zur Gerinnungstherapie, bspw. Massivtransfusionsprotokoll
- Zugang: Bei ZVK-Anlage möglichst ultraschallgestützte Punktion
- Durchführung: Zielgerichtet oder verhältnisgesteuert
- Siehe auch: Massivtransfusion - AMBOSS-SOP
- Supportive Therapie
- Rahmenbedingungen der Gerinnung aufrechterhalten
- Ggf. Vormedikation beachten, siehe auch: Antagonisierung der Antikoagulation
- Ggf. Abschätzung der Höhe des Blutverlusts: Initiale Gabe von 2 L kristalloider Infusionslösung [37]
- Zeitnahe und andauernde Normalisierung der Hämodynamik: Ca. 10–20% Blutverlust
- Vorübergehende Normalisierung der Hämodynamik : Ca. 20–40% Blutverlust
- Kein Effekt auf die Hämodynamik: >40% Blutverlust
- Zielparameter zur Steuerung der Volumentherapie
- Base Excess >6
- Lactat <4 mmol/L
- Differenz zwischen venösem und arteriellen pCO2 <6 mmHg
Blutdruckzielwerte bei der Therapie des Polytraumas [12] | ||
---|---|---|
Zielwert für mittleren arteriellen Blutdruck (MAP) | Indikation | Bemerkungen |
∼65 mmHg |
|
|
|
| |
∼85 mmHg |
| — |
Das Konzept der permissiven Hypotension bedeutet nicht, dass eine Azidose durch Schock akzeptiert werden soll! [12]
Zielgerichtetes Vorgehen mit viskoelastischen Testverfahren
- Prinzip: Individuelle Therapiesteuerung anhand der Befunde der viskoelastischen Testverfahren
- Indikation: Einsatz insb. bei koagulopathischen Blutungen
Therapie akuter Blutungen: Zielgerichtetes Vorgehen mit viskoelastischen Testverfahren [12] | |||
---|---|---|---|
Leitliniengerechte Therapieempfehlung | EXTEM® | FIBTEM® | |
Fibrinogenkonzentrat |
| UND |
|
Plasmakonzentrat oder PPSB |
|
| |
Thrombozytenkonzentrat |
| ||
Antifibrinolytika |
| ||
Zurückhaltende Transfusion |
| — | |
A5, A10: Amplitude nach 5 bzw. nach 10 min; MCF: Zeit bis zum Erreichen der maximalen Amplitude |
Verhältnisgesteuertes Vorgehen ohne viskoelastische Testverfahren
- Prinzip: Verhältnis EK zu therapeutischem Plasma zu TK = 4 : 4 : 1
- Indikation: Initiale Maßnahme oder viskoelastische Testverfahren nicht verfügbar
Therapie akuter Blutungen: Verhältnisgesteuertes Vorgehen ohne viskoelastische Testverfahren [12] | |
---|---|
Maßnahme | Hinweise |
1. Frühestmögliche Hemmung der (Hyper‑)Fibrinolyse |
|
2. Transfusion von Erythrozyten |
|
3. Substitution von Gerinnungsfaktoren |
|
4. Transfusion von Thrombozyten |
|
5. „Thrombin-Burst“ |
|
Tranexamsäure ist nur bei Hyperfibrinolyse indiziert und sollte nicht standardmäßig bei jedem Trauma verabreicht werden! [12]
Interventionelle Therapie
Anlage einer Thoraxdrainage im Schockraum
- Indikationen
- Bei maschineller Beatmung: Klinisch relevanter oder progredienter Pneumothorax
- Bei Spontanatmung: Progredienter Pneumothorax
- Klinisch relevanter oder progredienter Hämatothorax
- Durchmesser der Drainage
- ≥14 Fr bei hämodynamisch stabilen, wachen Personen
- 24–32 Fr bei hämodynamisch instabilen Personen
- Durchführung
- Eröffnung des Pleuraraums mittels Minithorakotomie
- Einlage der Drainage ohne Trokar
- Siehe auch: Thoraxdrainage - Klinische Anwendung
Endovaskuläre Therapie von Blutungen
- Indikationen
- Thorakale oder abdominelle Aortenruptur (durch stumpfes Trauma)
- Arterielle Gefäßverletzungen außerhalb der Aorta
- Blutungen parenchymatöser abdomineller Organe
- Diagnostik: Ganzkörper-CT mit Kontrastmittel
- Voraussetzungen
- Stationäre Angiografieeinheit
- Erfahrenes ärztliches Personal
- Hämodynamisch stabile Personen (permissive Hypotension)
REBOA (Resuscitative endovascular Balloon Occlusion of the Aorta) [38]
- Definition: Temporärer endovaskulärer Verschluss der Aorta descendens durch einen über die A. femoralis eingebrachten Ballonkatheter
- Ziele: Reduktion des Blutverlusts, verbesserte Perfusion von Herz und Gehirn
- Indikation: Unkontrollierbare Blutungen (Ultima Ratio bei massiver abdomineller oder pelviner Blutung )
- Voraussetzung: Frühzeitiger Zugang zur A. femoralis communis
- Vorteil: Weniger invasiv als Notfallthorakotomie
- Nachteile
- Fehllage des Okklusionsballons möglich bei Beckenverletzungen (mit Läsion der Iliakalgefäße)
- Ausgeprägte Ischämie distal des Okklusionsballons
- Hohe Materialkosten
Platzierung des Okklusionsballons in der Aorta je nach Indikation [38] | ||
---|---|---|
Zone | Teil der Aorta | Indikation |
0 |
| |
I |
|
|
II |
|
|
III |
|
|
Anlage einer Beckenzwinge im Schockraum [39]
- Prinzip: Notfallmäßige Kompression des knöchernen Beckens zur kurzzeitigen Blutungskontrolle im Rahmen der Schockraumversorgung
- Indikationen: Instabile Beckenringfrakturen (Typ C) mit hämodynamischer Instabilität
- Kontraindikationen
- Absolut: Transiliakale (Luxations‑)Fraktur
- Relativ
- Sakrumtrümmerfraktur
- Ausgeprägte Osteoporose
- Durchführung
- Hautschnitte über den Beckenschaufeln beidseits
- Einbringen und Verankern von Pins in beide Beckenschaufeln auf Höhe von S1
- Bestmögliche Ausrichtung des Beckens vor Anbringen der Beckenzwinge
- Fixierung der Beckenzwinge an den Pins
- Kompression des Beckens
- Unmittelbare radiologische Lagekontrolle nach Anlage(!)
- Komplikationen [39]
- Dislokation einer Beckenhälfte vor das Sakrum
- Lockerung bzw. Dislokation der Beckenzwinge infolge von Lagerungsmaßnahmen
- Sekundäre Nervenschäden durch Überkompression bei dislozierter Sakrumfraktur und/oder Sakrumtrümmerfraktur
- Fehlerhafte Positionierung der Beckenzwinge in der Beckenschaufel
- Zu weit ventral: Iatrogene Organverletzung oder Innenrotation des Beckenrings
- Zu weit dorsal: Auseinanderweichen des Beckenrings durch Außenrotation
- Zu weit kaudal: Verletzung des N. ischiadicus oder der Glutealgefäße bei Abrutschen der Pins ins Foramen ischiadicum majus
- Vorteile
- Schnelle, einfache Anlage
- Stabilisierung des hinteren Beckenrings möglich
- Blutungskontrolle bei venösen und spongiösen Blutungen
- Nachteil: Keine Blutungskontrolle bei arteriellen Blutungen
- Alternative Verfahren [21]
- Beckengurt
- Tuchschlinge
- Supraazetabulärer oder iliakaler Fixateur externe [40]
- Rescue Screws
- Pelvic Packing
- Siehe auch: Notfalltherapie bei hämodynamisch instabiler Beckenringfraktur
Die Beckenzwinge ist nicht geeignet bei einer arteriellen Blutungsquelle! [39]
Maßnahmen zur Hirndrucksenkung im Schockraum [41]
- Konservative Hirndrucksenkung bei V.a. starke intrakranielle Druckerhöhung
- Leichte Hyperventilation (Atemfrequenz 20/min)
- Mannitol und/oder hypertone Kochsalzlösung [42]
- Therapiesteuerung bevorzugt durch ICP-Messung
- Siehe auch: Osmotherapeutika zur Hirndrucksenkung
- Ggf. Oberkörperhochlagerung
- Keine Gabe von Glucocorticoiden [42]
- Operative und interventionelle Hirndrucksenkung: In Einzelfällen während der Schockraumphase [43]
- Supportive Therapie
- Behandlung aller Zustände, die Blutdruckabfall oder Hypoxämie verursachen [12]
- Endotracheale Intubation bei GCS <9
- Durchführung siehe: Rapid Sequence Induction - AMBOSS-SOP
- Maschinelle Beatmung (inkl. Kapnometrie, Blutgasanalyse)
- Zielwerte
- Normotonie (systolischer Blutdruck ≥110 mmHg) [12]
- Normoxie (saO2 >90%), Normokapnie
- Normothermie
Bei Schädel-Hirn-Trauma im Rahmen eines Polytraumas sollen keine Glucocorticoide gegeben werden! [12]
Raumfordernde, intrakranielle Blutungen erfordern eine notfallmäßige operative Entlastung! [12][44]
Notfallthorakotomie [45]
- Indikationen
- Intrathorakale Verletzungen (insb. von Herz und Lunge)
- Perikardtamponade
- Starke intrathorakale Blutung und anhaltende Hypotonie (systolischer Blutdruck <70 mmHg )
- Tracheobronchialer Abriss
- Luftembolie
- Beobachteter Herz-Kreislauf-Stillstand nach Trauma; Voraussetzungen
- Nach stumpfem Trauma: Präklinische Reanimation <10 min [45]
- Nach penetrierendem Trauma: Präklinische Reanimation <15 min
- Siehe auch: 4E-Regel
- Unkontrollierbare abdominelle oder pelvine Blutung
- Intrathorakale Verletzungen (insb. von Herz und Lunge)
- Durchführung [45]
- Hemi-Clamshell-Thorakotomie
- Typische Indikationen
- Spannungspneumothorax
- Verletzung der Herzhinterwand
- Zugang siehe auch: Anterolaterale Thorakotomie
- Typische Indikationen
- Sternotomie
- Typische Indikationen
- Verletzung der Aorta ascendens und des Aortenbogens
- Verletzung der großen Gefäße
- Verletzung des Herzens
- Zugang siehe auch: Mediane transsternale Thorakotomie
- Typische Indikationen
- Clamshell-Thorakotomie
- Typische Indikationen
- Unklare Verletzungslokalisation
- Verletzung des Herzens
- Perikardtamponade (siehe auch: Perikardtamponade - AMBOSS-SOP)
- Zugang: Verbindung entlang des 5. ICR einer bilateralen anterolateralen Thorakotomie
- Typische Indikationen
- Hemi-Clamshell-Thorakotomie
- Prognose: Überlebensrate insg. 15%
- Stumpfes Trauma : 0–2%
- Penetrierende Verletzung des Herzens: 35%
4E-Regel: Voraussetzungen für eine Notfallthorakotomie | ||
---|---|---|
Englische Bedeutung | Deutsche Übersetzung | Beschreibung |
Expertise | Erfahrung |
|
Equipment | Ausrüstung |
|
Environment | Umgebung |
|
Elapsed Time | Zeitverzögerung |
|
Die Notfallthorakotomie dient als Ultima Ratio bei einem posttraumatischen, kurz zurückliegenden Herz-Kreislauf-Stillstand, insb. infolge penetrierender Verletzungen im thorakalen oder thorakoabdominalen Bereich! [12]
Reanimation nach Trauma
Traumatisch bedingter Herz-Kreislauf-Stillstand
- Grundlagen
- Feststellung des Herz-Kreislauf-Stillstands nach universellen Diagnosekriterien
- Prinzipiell gleiche Maßnahmen zur Reanimation wie bei nicht-traumatischer Genese
- Typische reversible Ursachen
- Besonderheiten
- Pathophysiologie anders als bei nicht-traumatischer Genese
- Sofortige Behandlung reversibler Ursachen eines Kreislaufstillstands hat Vorrang vor Thoraxkompression
Beim traumatisch bedingten Herz-Kreislauf-Stillstand hat die sofortige Behandlung der reversiblen Ursachen eine höhere Priorität als die Thoraxkompressionen! [12]
Ablauf der Reanimation
- Bei Feststellung eines Herz-Kreislauf-Stillstands: Sofortiger Beginn der kardiopulmonalen Reanimation
- Zeitnahe Ableitung eines EKG
- Invasive arterielle Blutdruckmessung
- Sonografie zur Detektion reversibler Ursachen eines Kreislaufstillstands
- ECLS: Einzelfallentscheidung bei therapierefraktärem Herz-Kreislauf-Stillstand
- Diagnostik und Therapie reversibler Ursachen eines Kreislaufstillstands
- Priorität bei traumatisch bedingtem Herz-Kreislauf-Stillstand
- Bei ausreichend personellen Kapazitäten: Parallel dazu Thoraxkompressionen durchführen
- Sequenzieller Ablauf gemäß cABCDE-Schema
Diagnostik und Therapie der reversiblen Ursachen: Vorgehen nach cABCDE-Schema | ||
---|---|---|
Akronym | Diagnostik | Therapie |
c |
|
|
A |
|
|
B |
|
|
C |
|
Da der unbehandelte Spannungspneumothorax als häufigste vermeidbare Todesursache nach einem Trauma gilt, ist die Dekompression die prognostisch wichtigste Maßnahme bei einem traumatisch bedingten Herz-Kreislauf-Stillstand! [12]
Reversible Ursachen eines traumatischen Herz-Kreislauf-Stillstands werden in einer sequenziellen Abfolge gemäß cABCDE-Schema behandelt! [12]
Beendigung der Reanimationsmaßnahmen
- Kein Beginn der Reanimationsmaßnahmen
- Sichere Todeszeichen vorhanden und/oder
- Mit dem Leben nicht zu vereinbarende Verletzungen vorhanden (bspw. Dekapitation)
- Kriterien für Abbruch der Reanimationsmaßnahmen
- Frustrane Reanimation und keine reversiblen Ursachen eines Kreislaufstillstands vorhanden
- Kein ROSC trotz Beseitigung aller reversiblen Ursachen
- Sonografischer Nachweis fehlender Herzkontraktionen (PEA) trotz Beseitigung aller reversiblen Ursachen
- Zeitpunkt des Abbruchs: Einzelfallentscheidung
- Siehe auch: Reanimation - Verzichts- bzw. Abbruchkriterien
Vor Beendigung der Reanimationsmaßnahmen müssen alle reversiblen Ursachen ausgeschlossen oder behandelt worden sein! [12]
Komplikationen
Traumainduzierte Koagulopathie (TIK) [12][46][47][48]
- Definition: Nach einem Gewebetrauma auftretende Gerinnungsstörungen mit systemischer Entzündungsreaktion, Azidose und Hypothermie
- Epidemiologie
- Inzidenz: Ca. 25% der polytraumatisierten Personen
- Risikofaktoren
- Hoher Injury Severity Score
- Weibliches Geschlecht
- Höheres Lebensalter
- Ätiologie: Multifaktorielle Ursache, insb. Hypoxie durch gestörte Mikrozirkulation bei relevanter Gewebezerstörung
- Freisetzung von Tissue Plasminogen Activator (tPA)
- Dysreguliertes aktiviertes Protein C
- Abnahme von Fibrinogen
- Verbrauch von Gerinnungsfaktoren
- Aktivierung des Gefäßendothels
- Thrombozytendysfunktion
- Pathophysiologie
- Physiologische Reaktion nach Trauma: Kurzzeitige Aktivierung der Fibrinolyse, dann schnelle Reduktion
- Pathophysiologische Reaktion nach Trauma
- Hyperfibrinolyse (anhaltende und überschießende Aktivierung) : Akute, traumatische Koagulopathie
- „Shutdown“ (niedrige fibrinolytische Aktivität nach einmaliger Aktivierung) : Prothrombotische Koagulopathie
- Hypofibrinolyse (niedrige fibrinolytische Aktivität ohne vorherige Aktivierung)
- Zeitlicher Ablauf
- Symptome: Diffuse Blutungen aus Schleimhaut, Serosa und Wundflächen (Leitsymptom)
- Diagnostik: Keine eindeutigen Diagnosekriterien vorhanden
- Konventionelle Gerinnungsdiagnostik
- INR, aPTT
- Thrombinzeit
- Thrombozytenzahl
- Fibrinogenbestimmung nach Clauss
-
Viskoelastische Testverfahren
- Thrombelastometrie
- Rotationsthrombelastometrie
- Ggf. klinischer Score für die traumainduzierte Koagulopathie
- Konventionelle Gerinnungsdiagnostik
- Konzept zur Vermeidung und Behandlung einer TIK: Damage Control Resuscitation
- Engmaschige Diagnostik: Wiederholte Blutgasanalysen, invasives hämodynamisches Monitoring
- Rahmenbedingungen der Gerinnung aufrechterhalten
- Möglichst rascher Behandlungsbeginn
- Permissive Hypotension
- Gabe von gerinnungsaktiven Präparaten und Blutprodukten, siehe
Die traumainduzierte Koagulopathie ist ein eigenständiges Krankheitsbild, das einen deutlichen Einfluss auf das Überleben polytraumatisierter Personen hat! [12]
Klinischer Score für die traumainduzierte Koagulopathie | ||
---|---|---|
Kriterien | Punkte | |
Allgemeinzustand | Kritisch | 2 |
Nicht kritisch | 0 | |
Systolischer Blutdruck | Mind. einmal <90 mmHg | 5 |
Jederzeit >90 mmHg | 0 | |
Relevante Verletzungen | Kopf und Hals | 1 |
Extremitäten | 1 (je betroffene Extremität), max. 4 | |
Thorax | 2 | |
Abdomen | 2 | |
Becken | 2 | |
Auswertung: Max. 18 Punkte, Cut-off für Damage Control Resuscitation ≥10 Punkte |
Allgemeine Komplikationen einer intensivmedizinischen Behandlung
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen (T00–T07)
- Inklusive:
- Beidseitige Beteiligung von Extremitäten derselben Körperregion
- Verletzungen der unter S00–S99 klassifizierbaren Arten an zwei oder mehr Körperregionen
- Exklusive:
- Erfrierungen (T33–T35)
- Insektenbiss oder -stich, giftig (T63.4)
- Multiple Verletzungen an nur einer Körperregion - siehe Teil S dieses Kapitels
- Sonnenbrand (L55.‑)
- Verbrennungen und Verätzungen (T20–T32)
T00.-: Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
- T00.0: Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung von Kopf und Hals
- Oberflächliche Verletzungen an Lokalisationen, die unter S00.- und S10.- klassifizierbar sind
- Exklusive: Mit Beteiligung sonstiger Körperregion(en) (T00.8)
- T00.1: Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung von Thorax und Abdomen, von Thorax und Lumbosakralgegend oder von Thorax und Becken
- T00.2: Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en)
- Oberflächliche Verletzungen an Lokalisationen, die unter S40.-, S50.-, S60.- und T11.0- klassifizierbar sind
- Exklusive:
- Mit Beteiligung der unteren Extremität(en) (T00.6)
- Mit Beteiligung des Thorax, des Abdomens, der Lumbosakralgegend oder des Beckens (T00.8)
- T00.3: Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der unteren Extremität(en)
- Oberflächliche Verletzungen an Lokalisationen, die unter S70.-, S80.-, S90.- und T13.0 klassifizierbar sind
- Exklusive:
- Mit Beteiligung der oberen Extremität(en) (T00.6)
- Mit Beteiligung des Thorax, des Abdomens, der Lumbosakralgegend oder des Beckens (T00.8)
- T00.6: Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en) und mehrerer Regionen der unteren Extremität(en)
- T00.8: Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung sonstiger Kombinationen von Körperregionen
- T00.9: Multiple oberflächliche Verletzungen, nicht näher bezeichnet
- Multiple:
- Blasenbildungen (nichtthermisch)
- Hämatome
- Insektenbisse oder -stiche (ungiftig)
- Prellungen [Kontusionen]
- Quetschwunden
- Schürfwunden
- Multiple:
T01.-: Offene Wunden mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
- Benutze zusätzlich T89.0- um das Vorliegen von Komplikationen wie Fremdkörper, Infektion oder verzögerte Heilung und Behandlung anzuzeigen.
- Exklusive: Traumatische Amputationen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen (T05.‑)
- T01.0: Offene Wunden mit Beteiligung von Kopf und Hals
- Offene Wunden an Lokalisationen, die unter S01.- und S11.- klassifizierbar sind
- Exklusive: Mit Beteiligung sonstiger Körperregion(en) (T01.8)
- T01.1: Offene Wunden mit Beteiligung von Thorax und Abdomen, von Thorax und Lumbosakralgegend oder von Thorax und Becken
- T01.2: Offene Wunden mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en)
- Offene Wunden an Lokalisationen, die unter S41.-, S51.-, S61.- und T11.1 klassifizierbar sind
- Exklusive:
- Mit Beteiligung der unteren Extremität(en) (T01.6)
- Mit Beteiligung des Thorax, des Abdomens, der Lumbosakralgegend oder des Beckens (T01.8)
- T01.3: Offene Wunden mit Beteiligung mehrerer Regionen der unteren Extremität(en)
- Offene Wunden an Lokalisationen, die unter S71.-, S81.-, S91.- und T13.1 klassifizierbar sind
- Exklusive:
- Mit Beteiligung der oberen Extremität(en) (T01.6)
- Mit Beteiligung des Thorax, des Abdomens, der Lumbosakralgegend oder des Beckens (T01.8)
- T01.6: Offene Wunden mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en) und mehrerer Regionen der unteren Extremität(en)
- T01.8: Offene Wunden an sonstigen Kombinationen von Körperregionen
- T01.9: Multiple offene Wunden, nicht näher bezeichnet
- Multiple:
T02.-: Frakturen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
- Die folgenden fünften Stellen sind bei der Kategorie T02 zu benutzen. Eine Fraktur, die nicht als geschlossen oder offen gekennzeichnet ist, sollte als geschlossene Fraktur klassifiziert werden.
- 0 geschlossen
- 1 offen
- T02.0-: Frakturen mit Beteiligung von Kopf und Hals [5. Stelle: 0,1]
- T02.1-: Frakturen mit Beteiligung von Thorax und Lumbosakralgegend oder von Thorax und Becken [5. Stelle: 0,1]
- T02.2-: Frakturen mit Beteiligung mehrerer Regionen einer oberen Extremität [5. Stelle: 0,1]
- Frakturen an Lokalisationen einer oberen Extremität, die unter S42.-, S52.-, S62.- und T10.- klassifizierbar sind
- Exklusive: In Kombination mit Frakturen:
- Der anderen oberen Extremität (T02.4‑)
- Der unteren Extremität(en) (T02.6‑)
- Des Thorax, der Lumbosakralgegend und des Beckens (T02.7‑)
- T02.3-: Frakturen mit Beteiligung mehrerer Regionen einer unteren Extremität [5. Stelle: 0,1]
- Frakturen an Lokalisationen einer unteren Extremität, die unter S72.-, S82.-, S92.- und T12.- klassifizierbar sind
- Exklusive: In Kombination mit Frakturen:
- Der anderen unteren Extremität (T02.5‑)
- Der oberen Extremität(en) (T02.6‑)
- Des Thorax, der Lumbosakralgegend und des Beckens (T02.7‑)
- T02.4-: Frakturen mit Beteiligung mehrerer Regionen beider oberer Extremitäten [5. Stelle: 0,1]
- T02.5-: Frakturen mit Beteiligung mehrerer Regionen beider unterer Extremitäten [5. Stelle: 0,1]
- T02.6-: Frakturen mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en) und mehrerer Regionen der unteren Extremität(en) [5. Stelle: 0,1]
- T02.7-: Frakturen mit Beteiligung von Thorax, Lumbosakralgegend und Extremität(en) oder von Thorax, Becken und Extremität(en) [5. Stelle: 0,1]
- T02.8-: Frakturen mit Beteiligung sonstiger Kombinationen von Körperregionen [5. Stelle: 0,1]
- T02.9-: Multiple Frakturen, nicht näher bezeichnet [5. Stelle: 0,1]
T03.-Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
- T03.0: Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen mit Beteiligung von Kopf und Hals
- Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen an Lokalisationen, die unter S03.- und S13.- klassifizierbar sind
- Exklusive: In Kombination mit Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen sonstiger Körperregion(en) (T03.8)
- T03.1: Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen mit Beteiligung von Thorax und Lumbosakralgegend oder von Thorax und Becken
- Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen an Lokalisationen, die unter S23.-, S33.- und T09.2 klassifizierbar sind
- Exklusive: In Kombination mit Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen sonstiger Körperregion(en) (T03.8)
- T03.2: Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en)
- Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen an Lokalisationen, die unter S43.-, S53.-, S63.- und T11.2 klassifizierbar sind
- Exklusive: In Kombination mit Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen:
- Der unteren Extremität(en) (T03.4)
- Des Thorax, der Lumbosakralgegend und des Beckens (T03.8)
- T03.3: Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der unteren Extremität(en)
- Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen an Lokalisationen, die unter S73.-, S83.-, S93.- und T13.2 klassifizierbar sind
- Exklusive: In Kombination mit Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen:
- Der oberen Extremität(en) (T03.4)
- Des Thorax, der Lumbosakralgegend und des Beckens (T03.8)
- T03.4: Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en) und mehrerer Regionen der unteren Extremität(en)
- Exklusive: In Kombination mit Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen des Thorax, der Lumbosakralgegend und des Beckens (T03.8)
- T03.8: Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen mit Beteiligung sonstiger Kombinationen von Körperregionen
- T03.9: Multiple Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen, nicht näher bezeichnet
T04.-: Zerquetschungen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
- T04.0: Zerquetschungen mit Beteiligung von Kopf und Hals
- Zerquetschungen an Lokalisationen, die unter S07.- und S17.- klassifizierbar sind
- Exklusive: Mit Beteiligung sonstiger Körperregion(en) (T04.8)
- T04.1: Zerquetschungen mit Beteiligung von Thorax und Abdomen, von Thorax und Lumbosakralgegend oder von Thorax und Becken
- T04.2: Zerquetschungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en)
- Zerquetschungen:
- Lokalisationen, die unter S47,-, S57,- und S67.- klassifizierbar sind
- Obere Extremität o.n.A.
- Exklusive: Mit Beteiligung:
- Der unteren Extremität(en) (T04.4)
- Des Thorax, des Abdomens, der Lumbosakralgegend und des Beckens (T04.7)
- Zerquetschungen:
- T04.3: Zerquetschungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der unteren Extremität(en)
- Zerquetschungen:
- Lokalisationen, die unter S77.-, S87,- und S97.- klassifizierbar sind
- Untere Extremität o.n.A.
- Exklusive: Mit Beteiligung:
- Der oberen Extremität(en) (T04.4)
- Des Thorax, des Abdomens, der Lumbosakralgegend und des Beckens (T04.7)
- Zerquetschungen:
- T04.4: Zerquetschungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en) und mehrerer Regionen der unteren Extremität(en)
- T04.7: Zerquetschungen mit Beteiligung von Thorax, Abdomen und Extremität(en), von Thorax, Lumbosakralgegend und Extremität(en) oder von Thorax, Becken und Extremität(en)
- T04.8: Zerquetschungen mit Beteiligung sonstiger Kombinationen von Körperregionen
- T04.9: Multiple Zerquetschungen, nicht näher bezeichnet
T05.-: Traumatische Amputationen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
- Inklusive: Abriss an mehreren Körperregionen
- Exklusive:
- Dekapitation (S18)
- Traumatische Amputation:
- Obere Extremität o.n.A. (T11.6)
- Rumpf o.n.A. (T09.6)
- Untere Extremität o.n.A. (T13.6)
- Offene Wunden an mehreren Körperregionen (T01.‑)
- T05.0: Traumatische Amputation beider Hände
- T05.1: Traumatische Amputation einer Hand und des anderen Armes [jede Höhe, ausgenommen Hand]
- T05.2: Traumatische Amputation beider Arme [jede Höhe]
- T05.3: Traumatische Amputation beider Füße
- T05.4: Traumatische Amputation eines Fußes und des anderen Beines [jede Höhe, ausgenommen Fuß]
- T05.5: Traumatische Amputation beider Beine [jede Höhe]
- T05.6: Traumatische Amputation der Arme und Beine, in jeder Kombination [jede Höhe]
- T05.8: Traumatische Amputationen mit Beteiligung sonstiger Kombinationen von Körperregionen
- Querschnittverletzung in Höhe von:
- Abdomen
- Thorax
- Querschnittverletzung in Höhe von:
- T05.9: Multiple traumatische Amputationen, nicht näher bezeichnet
T06.-: Sonstige Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen, anderenorts nicht klassifiziert
- T06.0: Verletzungen des Gehirns und der Hirnnerven kombiniert mit Verletzungen von Nerven und Rückenmark in Halshöhe
- T06.1: Verletzungen der Nerven und des Rückenmarkes mit Beteiligung mehrerer sonstiger Körperregionen
- T06.2: Verletzungen von Nerven mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
- T06.3: Verletzungen von Blutgefäßen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
- T06.4: Verletzungen von Muskeln und Sehnen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
- T06.5: Verletzungen mit Beteiligung von intrathorakalen Organen und intraabdominalen Organen oder intrathorakalen Organen und Beckenorganen
- T06.8: Sonstige näher bezeichnete Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
T07: Nicht näher bezeichnete multiple Verletzungen
- Exklusive: Verletzung o.n.A. (T14.9)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.