Zusammenfassung
Keuchhusten (Pertussis) ist eine durch das gramnegative Bakterium Bordetella pertussis ausgelöste Infektionskrankheit, die zu heftigen Hustenattacken führt und durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. Typisch sind häufige, in Serie auftretende starke stakkatoartige Hustenanfälle mit vorgestreckter Zunge und einhergehender Zyanose, gefolgt von einem langen stridorösen Einatmen. Oft wird im Anschluss an einen Hustenanfall zäher Schleim erbrochen. Insb. bei Säuglingen kommt es zu Zyanose und Apnoen - in einem solchen Fall ist eine stationäre Aufnahme unumgänglich. Unbehandelt zieht sich die Erkrankung über Wochen hin, durch eine frühzeitig begonnene antibiotische Therapie (z.B. mit Makroliden) hingegen wird der Verlauf verkürzt und die Kontagiosität unterbrochen. Eine Impfung gegen Pertussis ist im Rahmen der Grundimmunisierung frühzeitig im ersten Lebensjahr empfohlen und erfordert weitere Auffrischungsimpfungen im Verlauf. Weder eine Infektion noch eine Impfung führt zur dauerhaften Immunität, wiederholtes Auftreten von Keuchhusten ist daher möglich. Ungeimpfte Kontaktpersonen sollten bei Exposition eine antibiotische Chemoprophylaxe erhalten.
Epidemiologie
- Bedeutung: Eine der häufigsten meldepflichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland [1][2]
- Inzidenz: 10–40 pro 100.000 Personen pro Jahr
- Saisonale Verteilung: Höhere Inzidenz in Herbst und Winter
- Zyklische Inzidenzanstiege etwa alle 5 Jahre
- Geschlecht: ♀ > ♂ (Ausnahme: Im Säuglingsalter ♂ > ♀)
- Alter: Gipfel im Kindes- und Jugendalter, jedoch in jedem Alter möglich
- Inzidenz und Komplikationsrate am höchsten im 1. Lebenshalbjahr
- Immunität: Keine anhaltende Immunität nach Erkrankung oder Impfung
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Erreger: Bordetella pertussis, gramnegatives obligat aerobes Stäbchen
- Infektionsweg: Tröpfcheninfektion
- Kontagiosität
- Unbehandelt 4–6 Wochen, bei antibiotischer Therapie nach etwa 5 Tagen aufgehoben
- Beginnt zum Ende der Inkubationszeit, im Stadium catarrhale sehr hoch, im Stadium convulsivum allmählich abklingend
- Hoher Manifestationsindex
Pathophysiologie
Bordetella pertussis vermehrt sich auf zilientragendem Epithel der Atemwegsschleimhäute → Bildung von Toxinen und Virulenzfaktoren → Lokale Zerstörung des Flimmerepithels → Zudem Beeinträchtigung des Immunsystems
Stadien
- Inkubationszeit: 5–20 Tage
Stadium catarrhale (1–2 Wochen)
- Unspezifische Erkältungssymptomatik
- Ggf. Konjunktivitis
- Kein oder nur leichtes Fieber
Stadium convulsivum (4–6 Wochen) [3]
- Markante, häufig nächtliche Hustenanfälle (Stakkatohusten) mit einer darauffolgenden tiefen und lauten Inspiration („whoop“)
- Anschließendes Auswürgen von Schleim oder Erbrechen → Exsikkose droht
- Mögliche subkonjunktivale Blutung, Epistaxis, Petechien und Einflussstauung [4]
- Weiterhin typischerweise kein Fieber
- Bei Säuglingen: Gefahr von Apnoephasen, daher zwingend stationäre Aufnahme mit Monitorüberwachung!
Stadium decrementi (10–12 Wochen)
- Allmähliches Abklingen der Symptomatik
- Hustenanfälle können über Wochen und Monate bestehen bleiben
Bei jungen Säuglingen und Erwachsenen ist der Krankheitsverlauf nach Stadien häufig nicht sichtbar!
Diagnostik
- Klinik mit passender Anamnese
- Hinweisend: Durch Larynxreizung können Hustenanfälle ausgelöst werden
- Blutbild: Leukozytose (bis >30.000/μL) mit Lymphozytose
- Indikation zur spezifischen Labordiagnostik [3]
- Kontaktpersonen von Pertussis-Erkrankten mit Husten (unabhängig von der Dauer)
- Klassische Symptome
- Bei älteren Kindern und Erwachsenen: Hustenattacken, inspiratorischer Stridor oder Husten bis zum Erbrechen
- Bei Säuglingen/Kleinkindern: Respiratorische Symptomatik und Apnoen
- Persistierender Husten >14 Tage
Eine vorliegende Impfung ist kein(!) Ausschlussgrund für das Vorliegen einer Pertussis-Infektion!
- Art der Labordiagnostik (abhängig vom Krankheitsstadium) [3]
- Erste 2–3 Wochen: PCR oder Kultur aus tiefen Nasopharynx-Abstrichen oder Sekret aus tiefen Absaugungen
- Ab 3 Wochen nach Erkrankungsbeginn: Serologie möglich
- Enzyme Linked Immunosorbent Assays (ELISA) zum Nachweis von IgG-Antikörpern gegen Bordetella pertussis
- Grenzwerte in Deutschland
- Bei Säuglingen immer Direktnachweis, nur im Ausnahmefall Serologie
Differenzialdiagnosen
- Infektion mit Parapertussis
- RSV-Bronchiolitis
- Pneumonie, insb. durch Chlamydophila pneumoniae
- Fremdkörperaspiration
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Allgemeine Maßnahmen
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
- Häufigere, kleinere Mahlzeiten
- Stationäre Aufnahme von Säuglingen sowie bei schwerem Verlauf: Monitorüberwachung
- Sauerstoffvorlage mit Anfeuchtung der Atemluft
- Ggf. Sedierung und Beatmung bei schweren Verläufen notwendig
- Symptomatische Therapie [5]
-
Salbutamol
- Siehe auch: Kurzwirksame β2-Sympathomimetika und Anticholinergika im Kindes- und Jugendalter
- Ggf. Glucocorticoide (bei schwerem Verlauf)
-
Salbutamol
- Antibiotikatherapie der Pertussis: Beeinflusst nur bei Gabe im frühen Erkrankungsstadium den Krankheitsverlauf günstig, ist aber zur Durchbrechung der Kontagiosität auch in späteren Erkrankungsstadien sinnvoll [3][6]
- Therapiedauer: 5–14 Tage
- 1. Wahl: Makrolide (z.B. Azithromycin, Clarithromycin oder Erythromycin )
- Neugeborene: Azithromycin (pädiatrisch) Off-Label Use
- Säuglinge ≥1 bis <6 Monate
- Azithromycin (pädiatrisch)
- oder Clarithromycin (pädiatrisch) (Off-Label Use)
- oder Erythromycin (pädiatrisch)
- Säuglinge, Kinder und Jugendliche ≥6 Monate:
- Azithromycin (pädiatrisch)
- oder Clarithromycin (pädiatrisch)
- oder Erythromycin (pädiatrisch)
- Erwachsene
- Azithromycin
- oder Clarithromycin
- oder Erythromycin
- Alternative
- Säuglinge, Kinder und Jugendliche ≥2 Monate: Cotrimoxazol (pädiatrisch)
- Erwachsene: Cotrimoxazol
Komplikationen
- Pneumonie, meist durch Superinfektionen mit Pneumokokken oder Haemophilus influenzae Typ b
- Otitis media oder Sinusitis
- Inkontinenz, Hernien, Rippenfrakturen sowie subkonjunktivale oder zerebrale Blutungen, bedingt durch den starken Husten
- Insb. bei Säuglingen
- Epileptische Anfälle und Enzephalopathien mit möglichen bleibenden Schäden (selten)
- Tod durch schwere Hypoxämie und pulmonale Hypertension infolge einer massiven Hyperleukozytose
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- I.d.R. folgenloses Ausheilen
- Letale Verläufe: Insb. bei ungeimpften Säuglingen unter 6 Monaten
Prävention
Pertussis-Impfung [3][7]
- Die STIKO empfiehlt allen Menschen die Impfung gegen Pertussis (als Standardimpfung)
- Grundimmunisierung: Ab dem Alter von 2 Monaten
- Auffrischungsimpfungen: Zweimalig im Kindes- und einmalig im Erwachsenenalter (s. unten)
- Siehe auch: STIKO-Impfkalender
- Impfstoff: Totimpfstoff (azellulärer Impfstoff)
- Kombinationsimpfstoffe mit Tetanus und Diphtherie sowie ggf. Poliomyelitis, Haemophilus influenzae Typ b, Hepatitis B
- Ein monovalenter Impfstoff gegen Pertussis ist in Deutschland nicht verfügbar
- Siehe auch: Pertussis-Impfstoffe
- Grundimmunisierung: Innerhalb des ersten Lebensjahres
- 3 Impfdosen im Alter von 2, 4 und 11 Monaten
- Mit Sechsfach-Impfstoff empfohlen
- Auffrischungsimpfung
- Kinder bis ≤17 Jahre: 2 Auffrischungsimpfungen (Tdap-Impfung mit 5–6 Jahren und Tdap-IPV-Impfung mit 9–16 Jahren)
- Erwachsene ab 18 Jahren: Einmalige Auffrischungsimpfung im Laufe des Erwachsenenalters als Tdap-Impfung (Tetanus, Diphtherie, Pertussis), bei entsprechender Indikation inkl. Polio, 10 Jahre nach letzter Impfung
- Nachholimpfung
- Indikation: Bei allen Personen mit fehlender, unvollständiger oder ungeklärter Grundimmunisierung
- Kinder ≤10 Jahre: 3 Impfdosen
- Ab dem Alter von 11 Jahren: 1 Impfdosis
- Indikationsimpfung
- Schwangere zu Beginn des 3. Trimenons (bei Frühgeburtsrisiko im 2. Trimenon): Einmalige Tdap-Impfung [1]
- Enge Kontaktpersonen Neugeborener , wenn ≥10 Jahre keine Impfung: Einmalige Tdap-Impfung (≥4 Wochen vor dem Geburtstermin)
- Berufsbedingte Impfung: Pertussis-Impfung alle ≥10 Jahre
- Personal im Gesundheitsdienst und in Gemeinschaftseinrichtungen
- Postexpositionelle Impfung insb. bei Pertussis-Ausbrüchen
Weitere Präventivmaßnahmen [3]
Maßnahmen bei Einzelerkrankungen (auch bei Krankheitsverdacht)
- Vorgehen im Krankenhaus: Isolierung (Einzelzimmer bzw. räumliche Trennung, eigene Toilette)
- Ohne Antibiotikatherapie: Über 3 Wochen nach Krankheitsbeginn
- Unter Antibiotikatherapie: Über 5 Tage ab Therapiebeginn
- Ausschluss aus Gemeinschaftseinrichtungen
- Wiederzulassung von Erkrankten
- Unter Antibiotikatherapie: Frühestens 5 Tage nach Therapiebeginn
- Ohne Antibiotikatherapie: Frühestens 3 Wochen nach Krankheitsbeginn
- Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich
- Wiederzulassung von Krankheitsverdächtigen
- Nach negativem PCR-Befund, wenn der behandelnde Arzt keine Einwände hat
- Wiederzulassung von Erkrankten
Maßnahmen bei Kontaktpersonen
- Postexpositionsprophylaxe bei Pertussis: Chemoprophylaxe mit Makroliden (siehe auch: Antibiotikatherapie der Pertussis)
- Bei B. pertussis-Infektionen
- Bei B. parapertussis-Infektionen
- Enge Kontaktpersonen von Erkrankten (so früh wie möglich)
- Säuglinge <6 Monate
- Kontaktpersonen von Säuglingen <6 Monate
- Personal im Gesundheitswesen mit Kontakt zu Säuglingen <6 Monate
- Ggf. gefährdete Personen (mit respiratorischer Grunderkrankung oder Immunschwäche)
- Enge Kontaktpersonen von Erkrankten (so früh wie möglich)
- PCR bei asymptomatischen Kontaktpersonen zur Entscheidungsfindung nicht empfohlen
- Ausschluss aus Gemeinschaftseinrichtungen
Maßnahmen bei Ausbrüchen
- Meldung von Erkrankungshäufungen an das Gesundheitsamt
- Siehe auch: Pertussis - Meldepflicht
- Ggf. Auffrischungsimpfung, wenn die letzte Impfung vor >5 Jahren erfolgte
- Bei (auch vollständig geimpften) Kindern und Jugendlichen mit engem Kontakt zu Erkrankten
Meldepflicht
- Arztmeldepflicht nach § 6 IfSG
- Namentliche Meldepflicht bei Verdachts-, Krankheits- und Todesfällen
- Labormeldepflicht nach § 7 IfSG
- Namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis, sofern die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen
- Nach ThürIfKrMVO (nur in Thüringen )
- Meldepflicht auch bei fehlendem Nachweis einer akuten Infektion
- Meldepflicht für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 und § 34 (6) IfSG
- Namentliche Meldepflicht bei Verdachts- und Krankheitsfällen
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Pertussis
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- A37.-: Keuchhusten
- A37.0: Keuchhusten durch Bordetella pertussis
- A37.1: Keuchhusten durch Bordetella parapertussis
- A37.8: Keuchhusten durch sonstige Bordetella-Spezies
- A37.9: Keuchhusten, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.