Zusammenfassung
Eine Malassimilation besteht bei unzureichender Verdauung der aufgenommenen Nahrung und kann unterschiedliche Ursachen haben: Bei einer Maldigestion (z.B. bei Pankreasinsuffizienz oder Cholestase) liegt eine intraluminale Störung vor (mangelhafte Sekretion von Pankreasenzymen oder Galle), wodurch die Nahrung im Darmlumen nicht aufgespalten werden kann. Bei einer Malabsorption (z.B. bei Zöliakie, Laktoseintoleranz) hingegen liegt die Störung im Bereich der Darmwand, über die die Spaltprodukte unzureichend aufgenommen werden können. Klinisch macht sich die unzureichende Versorgung im Kindesalter durch Entwicklungsstörungen bemerkbar, wohingegen Erwachsene vor allem chronische Diarrhö, Gewichtsverlust und Zeichen der Mangelernährung (z.B. Anämie durch Eisenmangel) aufweisen. Die Diagnostik umfasst u.a. verschiedene Testverfahren zur Prüfung der Verdauung definierter Nahrungsbestandteile. Therapeutisch sollte vor allem die Grunderkrankung behandelt werden – zum Beispiel Einhaltung einer glutenfreien Diät bei Zöliakie.
Ätiologie
Malassimilation
- Maldigestion: Gestörte Aufspaltung der Nahrung im Darmlumen
- Pankreasinsuffizienz mit Mangel an spaltenden Enzymen
- Nach Magenresektion
- Gallensäuremangel
- Cholestase
-
Gallensäureverlustsyndrom
- Ileumresektion → Ort der Gallensäureresorption
- Blindsack-Syndrom infolge chirurgischer Eingriffe am Dünndarm → Bakterielle Dekonjugation der Gallensäuren
- Malabsorption: Gestörte Resorption der aufgespaltenen Nahrung infolge Veränderungen der Darmmukosa
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (z.B. Morbus Crohn)
- Zöliakie (glutensensitive Enteropathie)
- Laktoseintoleranz
-
Infektiös
- Parasiten
- Morbus Whipple
- Epidemiologie: Sehr selten (v.a. Männer zw. 30–60 Jahren)
- Ätiologie: Infektion mit Tropheryma whipplei
- Klinik
- Malabsorptionssyndrom, abdominelle Schmerzen, Diarrhö, Steatorrhö
- Extraintestinale Manifestation: Enteropathische Arthritis (60%) , Sakroiliitis (40%), Fieber, Polyserositis, Lymphknotenvergrößerung, kardiale Symptomatik (Klappeninsuffizienzen etc.) und/oder Enzephalitis mit neurologischen Störungen (bspw. Myoklonien, Ataxie, Störungen der Okulomotorik, epileptischen Anfällen, Gedächtnisstörungen, Orientierungsstörungen)
- Diagnostik
- Dünndarmbiopsien (Nachweis PAS-positiver Makrophagen)
- Bei neurologischen Beschwerden: Liquordiagnostik und ggf. MRT
- Therapie: Ceftriaxon über 2 Wochen i.v., dann orale Erhaltungstherapie über 1 Jahr mit Cotrimoxazol. Unbehandelt tödlich!
- Chronischer Mesenterialarterienverschluss
- Strahlenenteritis
- Dünndarmresektion (Kurzdarmsyndrom)
- Gestörter enteraler Lymphabfluss
- Hormonell aktive Tumoren (u.a. Gastrinom, VIPom, Karzinoid)
Symptomatik
Leitsymptome
- Chronische oder rezidivierende Diarrhö (oft voluminös, besonders bei Fettstuhl)
- Gewichtsabnahme
Mangelsymptome bei Malassimilation
Nahrungsbestandteil | Mangelerscheinung |
---|---|
Eiweiße | |
Vitamin A |
|
Vitamin D | |
Vitamin E |
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Vitamin K |
|
Vitamin B12 | |
Folsäure |
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Calcium |
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Kalium |
|
Magnesium |
|
Eisen | |
Iod | |
Zink |
|
Bei einer reinen Maldigestion ist die Kohlenhydrataufnahme kaum eingeschränkt, da ihre Aufspaltung durch extrapankreatische Amylase aus dem Speichel übernommen wird!
Diagnostik
- Blut
- Natrium, Kalium, Calcium, großes Blutbild, Ferritin, Gesamt-Eiweiß, Vitamin A, Vitamin D, Vitamin B12, Nachweis von IgA-Antikörpern gegen Gewebstransglutaminase
- Stuhl
- Fettbestimmung im Stuhl >7 g/24 h
- Pathologische Erreger?
- Xylose-Belastungstest (Xylose-Absorptionstest) → Test zur Beurteilung des oberen Dünndarms
- Durchführung
- Nach oraler Gabe von 25 g Xylose wird die folgenden fünf Stunden der Urin gesammelt
- Bei einer Malabsorption im Jejunum → Pathologische Xylose-Urin-Werte <4g/5h.
- Normaler Xylose-Belastungstest bei
- Gesunden
- Maldigestion
- Malabsorption anderer Darmabschnitte
- Durchführung
- H2-Atemtest (bez. Laktoseintoleranz, Fructosemalabsorption, bakterieller Fehlbesiedelung des Dünndarms, Kurzdarmsyndrom)
- H2-Laktulose-Atemtest: Bestimmung der oro-zökalen Transitzeit (Dünndarmpassagezeit)
- H2-Glucose-Atemtest: Bei Verdacht auf bakterielle Übersiedlung des Dünndarms
- H2-Laktose-Atemtest: Bei Verdacht auf eine Laktoseintoleranz
- Dünndarmbiopsie bei glutensensitiver Enteropathie
- Magenbiopsie bei Vitamin-B12-Mangel
- Schilling-Test
- Im Kindesalter
- Abweichen der Perzentilen von Gewicht und Größe ist ein Hinweis auf Malassimilation
Differenzialdiagnosen
Exsudative Enteropathie (enterales Eiweißverlust-Syndrom)
- Massiver Eiweißverlust über den Darm
- Klinik ähnlich Malassimilation mit Diarrhö und Symptomen der Mangelernährung
- Charakteristisch: Hypalbuminämie mit Ödemen
- Ätiologie
- Erkrankungen der Darmschleimhaut: Morbus Crohn, pseudomembranöse Kolitis etc.
- Erkrankungen mit Lymphabflussstörungen: Intestinale Lymphangiektasie, Morbus Whipple etc.
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Symptomatische Therapie
- Parenterale Flüssigkeits-, Nährstoff- und Vitaminsubstitution
- Verbesserung der Ernährungslage
- Kausale Therapie je nach Grunderkrankung
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Morbus Whipple
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- K90.-: Intestinale Malabsorption
- Exklusive: Nach gastrointestinalem chirurgischem Eingriff (K91.2)
- K90.0: Zöliakie
- Einheimische (nichttropische) Sprue
- Gluten-sensitive Enteropathie
- Idiopathische Steatorrhoe
- K90.1: Tropische Sprue
- Sprue o.n.A.
- Tropische Steatorrhoe
- K90.2: Syndrom der blinden Schlinge, anderenorts nicht klassifiziert
- Syndrom der blinden Schlinge [Blind-loop-Syndrom] o.n.A.
- Exklusive: Syndrom der blinden Schlinge: angeboren (Q43.8), nach chirurgischem Eingriff (K91.2)
- K90.3: Pankreatogene Steatorrhoe
- K90.4: Malabsorption durch Intoleranz, anderenorts nicht klassifiziert
-
Malabsorption durch Intoleranz gegenüber:
- Eiweiß
- Fett
- Kohlenhydrat
- Stärke
- Exklusive: Gluten-sensitive Enteropathie (K90.0), Laktoseintoleranz (E73.‑)
-
Malabsorption durch Intoleranz gegenüber:
- K90.8: Sonstige intestinale Malabsorption
- Whipple-Krankheit† (M14.8-*)
- K90.9: Intestinale Malabsorption, nicht näher bezeichnet
- K91.-: Krankheiten des Verdauungssystems nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert
- K91.2: Malabsorption nach chirurgischem Eingriff, anderenorts nicht klassifiziert
- Syndrom der blinden Schlinge nach chirurgischem Eingriff
- Exklusive: Malabsorption: Osteomalazie bei Erwachsenen (M83.2‑); Osteoporose nach chirurgischem Eingriff (M81.3‑)
- K91.2: Malabsorption nach chirurgischem Eingriff, anderenorts nicht klassifiziert
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.