Zusammenfassung
Akute unkomplizierte Atemwegsinfektionen („grippale Infekte“, „Erkältungen“) zählen zu den typischen Beratungsanlässen in der hausärztlichen Praxis. Sie treten gehäuft in der kälteren Jahreszeit auf und sind meist viral bedingt. Zur Diagnosestellung sind Anamnese und körperliche Untersuchung i.d.R. ausreichend. Lediglich bei Risikogruppen, Hinweisen auf einen schweren Verlauf oder V.a. eine spezifische infektiöse Ursache ist ggf. eine erweiterte Diagnostik nötig. Therapeutisch steht die Aufklärung über den zumeist selbstlimitierenden Verlauf im Vordergrund; zudem können Allgemeinmaßnahmen, Hausmittel oder frei verkäufliche Medikamente zur Symptomlinderung zum Einsatz kommen.
Epidemiologie
- Phasenweises Auftreten, insb. während kalter Jahreszeit
- Häufigkeit [1]
- Kinder: Bis zu 8 Infekte pro Jahr bis zum Schulalter, danach abnehmend [2]
- Erwachsene: Ca. 2–4 Infekte pro Jahr
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Auslöser
- Überwiegend Viren („Erkältungsviren“), bspw. [3][4]
- Rhinoviren (ca. 40%)
- RSV (respiratorische Synzytialviren, 10–15%)
- Coronaviren (10–20%)
- Weniger häufig: Parainfluenzaviren, Adenoviren
- Deutlich seltener: Bakterien
- Überwiegend Viren („Erkältungsviren“), bspw. [3][4]
- Übertragung: Tröpfcheninfektion , Schmierinfektion
Symptomatik
- Inkubationszeit: Ca. 1–7 Tage
- Dauer: Insgesamt ca. eine Woche
- Symptomatik
- Schluckbeschwerden, Halsschmerzen, evtl. Heiserkeit
- Rhinitis
- Husten (trocken oder produktiv)
- Ggf. Ohrenschmerzen
- Allgemeinsymptome
- I.d.R. ohne wesentliche Einschränkung des Allgemeinzustandes
Diagnostik
Basisdiagnostik
- Anamnese
- Symptome mit Beginn und Verlauf
- Bereits durchgeführte Maßnahmen
- Risikofaktoren für komplizierten Verlauf
- (Spezifische) Infektionen im Umfeld
- Fokussierte körperliche Untersuchung, insb. [5]
- Beurteilung des Allgemeinzustands
- Messung der Körpertemperatur
- Inspektion des Rachens
- Palpation der zervikalen Lymphknoten
- Abklopfen der Sinus paranasales
- Otoskopie
- Auskultation der Lunge
- Ggf. Erregerdiagnostik (Nasen-/Rachenabstrich)
- Indikation
- Wenn Kenntnis des Erregers relevant für Therapie / weiteres Vorgehen
- Bei V.a. spezifische Ursache [3][6]
- Durchführung
- Schnelltests: Influenza , COVID-19 , RSV [7], Streptokokken A
- Labortests: Influenza , COVID-19 , Streptokokken , RSV , Pertussis
- Indikation
Die Basisdiagnostik bei akuter Atemwegsinfektion dient in erster Linie dazu, Hinweise auf einen komplizierten Verlauf oder behandlungsbedürftige Lokalinfektionen zu prüfen (bspw. hohes Fieber, starke Beeinträchtigung des Allgemeinzustands, Hinweise auf Pneumonie/Tonsillitis etc.). Liegen diese nicht vor, ist i.d.R. keine weitere Diagnostik erforderlich!
Erweiterte Diagnostik
- Indikationen
- Hinweise auf einen schweren Verlauf oder eine bakterielle Genese
- Bei Risikogruppen
- Protrahierte Verläufe
- Bei entsprechender Verdachtsdiagnose
- Mögliche Verfahren
- Labordiagnostik: Entzündungsparameter , ggf. erweiterte Erregerdiagnostik
- Weitere Vitalparameter
- Röntgen-Thorax
- Ggf. fachärztliche Überweisung oder Krankenhauseinweisung
Differenzialdiagnosen
Wichtige Differenzialdiagnosen akuter unkomplizierter Atemwegsinfektionen | |
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Erkrankung | Besondere Charakteristika |
Akute Angina tonsillaris durch Streptokokken |
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Akute Bronchitis |
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Allergie |
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COVID-19 | |
Exazerbierte COPD |
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Infektiöse Mononukleose |
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Influenza | |
Pertussis | |
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Sinusitis |
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AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Therapieprinzipien
- Aufklärung über zumeist selbstlimitierenden Verlauf unkomplizierter Atemwegsinfekte (insb. ohne Notwendigkeit einer antibiotischen Therapie)
- Allgemeinmaßnahmen und symptomatische Therapie stehen im Vordergrund
- Für viele Hausmittel und frei verkäufliche Mittel keine/schwache Evidenz
- Mittel mit möglichst wenig Nebenwirkungen wählen
- Für viele Hausmittel und frei verkäufliche Mittel keine/schwache Evidenz
- Überversorgung vermeiden
Symptomatische Therapie (Übersicht)
- Allgemeinmaßnahmen
- Körperliche Schonung, ggf. Ausstellung einer AU
- Befeuchtung der Atemwege
- Rauchverzicht
- Ggf. Einsatz von „Hausmitteln“
- Medikamentöse Maßnahmen mit erwiesener Wirkung
- Fiebersenkende Mittel (Nicht-Opioid-Analgetika), bspw.
- Abschwellende Nasentropfen/-sprays
- Weitere frei verkäufliche Medikamente, inkl. phytotherapeutische und komplementärmedizinische Optionen
- Keine bis geringe Evidenz, evtl. hoher Kostenfaktor
- Mögliche Nebenwirkungen beachten, insb. bei Kindern schwere Unverträglichkeitsreaktionen möglich [1]
Für Details siehe: Therapieoptionen bei Atemwegsinfektionen
Umgang mit Antibiotika
- Im Allgemeinen keine Notwendigkeit einer antibiotischen Therapie
- I.d.R. ohne Nutzen, potenzielle Schäden bei überwiegend viraler Genese überwiegen [8][9]
- Häufigste Fehlindikation! [8]
- Mögliche Strategien zur Reduzierung von Antibiotikaverordnungen [10]
- Mitgabe des Rezepts zur Einnahme bei Verschlechterung [10]
- Partizipative Entscheidungsfindung
- Bestimmung von CRP oder Procalcitonin
- Indikationen für eine antibiotische Therapie: Bspw.
- Hinweise auf eine bakterielle Infektion
- Vorliegen bestimmter Risikofaktoren
Patient:innen mit unkomplizierten akuten oberen Atemwegsinfektionen inkl. Bronchitis sollen nicht mit Antibiotika behandelt werden! [8]
Therapieoptionen im Detail
Für die meisten Maßnahmen ist eine Wirksamkeit nicht sicher erwiesen!
Insb. bei Kindern können Präparate mit ätherischen Ölen schwere Nebenwirkungen hervorrufen (allergische Reaktionen, Laryngo-/Bronchospasmus)![5]
„Hausmittel“
- Befeuchtung der Atemwege
- Flüssigkeitszufuhr
- Erhöhung der Luftfeuchtigkeit
- Inhalationen oder Spülungen („Nasendusche“) mit NaCl
- Gurgeln
- Honig
- Cave: Kein Honig bei Kindern ≤1 Jahr (Risiko des Säuglingsbotulismus!)
- Lutschen von Eiswürfeln
- Kalte oder warme „Wickel“
Weitere Therapieoptionen
Symptomatische Therapie akuter unkomplizierter Atemwegsinfektionen | |||
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Therapiegruppe | Maßnahme/Substanz | Erwünschter Effekt | Anmerkungen |
Nicht-Opioid-Analgetika |
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Dekongestiva („Nasenspray“) |
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Präparate gegen Husten Für Details siehe: (Sub)akuter Husten: Symptomatische medikamentöse Therapie |
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Phytotherapeutika |
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Weitere |
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Prävention
- Nachweislich wirksame Maßnahmen [10]
- Händewaschen
- Rauchentwöhnung
- Abstandhalten („Social Distancing“)
- Atemschutzmasken
- Impfungen
- Fragliche Wirksamkeit
- Sport
- Schlafdauer
- Gurgeln
- Vitamine
- Probiotika [1][14]
- Zink
- Knoblauch [15]
Patienteninformationen
- „Erkältung“ von gesundheitsinformation.de
- „Schnupfen, Husten und Halsschmerzen lindern“ von gesundheitsinformation.de