Zusammenfassung
Eine infektiöse Mononukleose (Pfeiffer-Drüsenfieber) wird durch eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) verursacht. Das Virus ist hochkontagiös und wird v.a. durch infektiösen Speichel von Mensch zu Mensch übertragen (sog. „Kissing Disease“). Eine Primärinfektion tritt häufig im Jugendalter auf und führt nach einer Inkubationszeit von 1–7 Wochen u.a. zu einer fieberhaften Angina tonsillaris mit weiß-gräulichen Belägen, einer (Hepato‑)Splenomegalie und einer zervikalen, oft auch generalisierten Lymphknotenschwellung. Die Diagnose kann durch den Nachweis spezifischer Antikörper im Serum und atypischer reaktiver T-Lymphozyten (Pfeiffer-Zellen) im Blutausstrich bestätigt werden. Die Erkrankung wird i.d.R. rein symptomatisch behandelt. Insb. bei einer Splenomegalie ist zur Vermeidung einer Milzruptur auf eine konsequente körperliche Schonung zu achten.
Die Erkrankung führt nur selten zu Komplikationen, EBV persistiert nach der Primärinfektion aber lebenslang in Gedächtnis-B-Lymphozyten und kann bei einer Immundefizienz reaktiviert werden. Darüber hinaus sind verschiedene Lymphome (insb. das Burkitt-Lymphom) und Karzinome mit einer EBV-Infektion assoziiert.
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Epidemiologie
- Inzidenz: Höhepunkt im Jugendalter (15–19 Jahre)
- Durchseuchung: Ab dem Alter von ≥30 Jahren ca. 80–95%
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Erreger: Epstein-Barr-Virus (EBV)
- Übertragung: Von Mensch zu Mensch
- I.d.R Schmierinfektion durch infektiösen Speichel („Kissing-Disease“)
- Selten durch ungeschützten Geschlechtsverkehr
- Extrem selten diaplazentar
- Inkubationszeit: 1–7 Wochen
- Virusausscheidung: Persistierend oder periodisch über Monate bis Jahre möglich
Pathophysiologie
- Akute Primärinfektion: Infektion von lymphoepithelialem Rachengewebe → Freisetzung infektiöser EBV-Partikel → Infektion von B-Lymphozyten → Vermehrung infizierter B-Lymphozyten → Symptome
- Bei Immunkompetenz: Infektionskontrolle → Lebenslange EBV-Persistenz in ruhenden Gedächtnis-B-Lymphozyten (latente/durchgemachte EBV-Infektion)
- Bei Immundefizienz : Keine Infektionskontrolle → Ungehemmte Proliferation oder Reaktivierung EBV-infizierter B-Lymphozyten → Symptome, ggf. Komplikationen
EBV persistiert nach einer Infektion lebenslang in B-Lymphozyten und kann bei einer Immundefizienz reaktiviert werden!
Symptomatik
- Leitsymptome [1]
- Fieber, Abgeschlagenheit
- Pharyngitis, Angina tonsillaris (typischerweise mit weiß-gräulichen, konfluierenden Belägen)
- Generalisierte Lymphknotenschwellungen
- Splenomegalie (ca. 50% der Fälle)
- Weitere mögliche Symptome [1]
- Hepatitis mit Ikterus und Hepatomegalie
- Bilaterales Ödem der Augenlider (sog. Hoagland-Zeichen)
- Exanthem (stammbetont, feinfleckig bis makulopapulös), bei Gabe von Aminopenicillinen häufig Arzneimittelexanthem
- Enanthem (am harten Gaumen, petechial)
- Häufig ausgeprägte Abgeschlagenheit (Fatigue) über mehrere Wochen bis Monate
- Selten Beteiligung weiterer Organe (bspw. Herz, Nieren, ZNS), siehe auch: Komplikationen einer infektiösen Mononukleose
Leitbefunde einer infektiösen Mononukleose sind eine fieberhafte Angina tonsillaris mit weiß-gräulichen Belägen und eine zervikale Lymphadenopathie!
Die Gabe von Aminopenicillinen (bspw. aufgrund einer Fehldiagnose) kann bei infektiöser Mononukleose zu einem Arzneimittelexanthem führen!
Diagnostik
- Körperliche Untersuchung
- Labordiagnostik
- Großes Blutbild: Lymphozytose (absolut oder relativ) mit atypischen reaktiven CD8+-T-Lymphozyten, ggf. Anämie, Thrombozytopenie, Neutropenie
- Blutausstrich: Virozyten (Pfeiffer-Zellen)
- Klinische Chemie: Häufig ALT↑, AST↑, LDH↑, Ferritin↑
- Bei schwerem Verlauf ggf. Marker einer drohenden HLH: Triglyceride↑, löslicher IL2-Rezeptor↑, Fibrinogen↓, NK-Zell-Aktivität↓, Bizytopenie
- Sonografie: Hepato-/Splenomegalie (Ausgangsbefund und Verlaufskontrollen)
- Indirekter Erregernachweis mittels Serologie [1]
- Bedeutung: Goldstandard zur Bestätigung, Unterscheidung zwischen akuter und durchgemachter EBV-Infektion
- Methoden: Immunfluoreszenz, ELISA oder Western Blot
- Antikörper
- Anti-VCA-AK (IgM, IgG) = Antikörper gegen EBV-Viruskapsidantigen (VCA)
- Anti-EA-AK (IgG) = Antikörper gegen EBV-Early-Antigen
- Anti-EBNA1-AK (IgG) = Antikörper gegen EBV-Nuclear-Antigen-1
- Interpretation
- Akute Primärinfektion: Anti-VCA-IgM (in 10% nicht nachweisbar), Anti-VCA-IgG und Anti-EA-IgG positiv, Anti-EBNA1-IgG negativ
- Durchgemachte Infektion: Anti-VCA-IgG und Anti-EBNA1-IgG (in 5% nicht nachweisbar) positiv, Anti-VCA-IgM und Anti-EA-IgG negativ
- Reaktivierung: Anti-VCA-IgG und Anti-EA-IgG stark positiv, Anti-VCA-IgM und Anti-EBNA1-IgG ggf. positiv
- Chronisch aktive Infektion: Anti-VCA-IgG und Anti-EA-IgG sehr stark positiv, Anti-VCA-IgM und Anti-EBNA1-IgG ggf. positiv
- Schnelltest: Nachweis heterophiler IgM-Antikörper im Serum (durch Agglutinationstest) [2][3]
- Bedeutung: Zur sicheren Bestätigung nicht empfohlen
- Vorteil: Rasch verfügbarer Befund, kostengünstig [4]
- Nachteil: Geringe Sensitivität und Spezifität
- Direkter Erregernachweis [1][2]
- Bedeutung: Untergeordnete Untersuchung
- Material: Blut, Körperflüssigkeiten und/oder Gewebe
- Methoden: Quantitative PCR (bei unklarer Antikörperkonstellation oder bei schwerer Immundefizienz ), Virusanzucht (selten )
Interpretation typischer Antikörpermuster bei infektiöser Mononukleose | ||||
---|---|---|---|---|
Status | Anti-VCA-IgM | Anti-VCA-IgG | Anti-EA-IgG | Anti-EBNA1-IgG |
Keine Infektion | — | — | — | — |
Akute Primärinfektion | ↑ | ↑ | ↑ | — |
Durchgemachte Infektion | — | ↑ | — | ↑ |
Reaktivierung | ↑/— | ↑↑ | ↑↑ | ↑/— |
Chronisch aktive Infektion | ↑/— | ↑↑↑ | ↑↑↑ | ↑/— |
Titer: ↑ = erhöht, ↑↑ = stark erhöht, ↑↑↑ = sehr stark erhöht |
Pathologie
- Lymphknoten-Histologie
- „Bunte Pulpahyperplasie“: Aktivierung T-lymphozytärer Areale mit Bildung zahlreicher Blasten („Rasen von Blasten“) und vermehrt Apoptosen [5]
- Interfollikuläre T-Zone verbreitert
- Hochendotheliale postkapilläre Venolen vermehrt → Verstärkte Rezirkulation der Lymphozyten
- Stimulation der Lymphozyten (imponieren vergrößert)
- Massive Lymphoblasten- und Makrophageninfiltration
- Destruktion der Lymphfollikel-Architektur
Eine Lymphknotenbiopsie ist zur Diagnosesicherung einer infektiösen Mononukleose i.d.R. nicht erforderlich!
Differenzialdiagnosen
- Bakterielle Angina tonsillaris
- Diphtherie
- Angina Plaut-Vincenti
- CMV-Infektion
- Hepatitis durch Hepatitisviren
- Akute HIV-Infektion
- Akute Leukämie
- Bei unklarer Infektsymptomatik siehe: Diagnostik bei Lymphknotenschwellung
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Akutinfektion [1]
- Symptomatische Therapie
- Konsequente körperliche Schonung
- Flüssigkeitszufuhr
- NSAIDs (z.B. Ibuprofen, kein ASS oder Paracetamol)
- Weitere Maßnahmen: Abhängig vom Verlauf/Schweregrad
- Bei fulminantem Verlauf : Frühzeitig Rituximab
- Bei hämophagozytischer Lymphohistiozytose (HLH): Rituximab + Dexamethason + Ciclosporin A + ggf. Etoposid
- Bei anderen Komplikationen (z.B. ausgeprägte Tonsillenhypertrophie mit Dyspnoe, Autoimmunerkrankungen ): Glucocorticoide
- Symptomatische Therapie
- Chronisch aktive Infektion: In Einzelfällen ggf. Stammzelltransplantation und/oder Transfer von EBV-spezifischen zytotoxischen T-Zellen [1]
Eine akute infektiöse Mononukleose wird i.d.R. rein symptomatisch behandelt!
Wegen der Gefahr eines Reye-Syndroms und einer akuten EBV-assoziierten Hepatitis sollte Kindern mit infektiöser Mononukleose kein ASS und kein Paracetamol verabreicht werden!
Komplikationen
Organerkrankungen [1]
- Milz: Splenomegalie, Milzruptur
- Leber: Hepatomegalie, Hepatitis, Ikterus
- Blut/Immunsystem: Autoimmunreaktionen (z.B. Autoimmunhämolyse, Immunthrombozytopenie), Hyperinflammationsreaktionen (z.B. hämophagozytische Lymphohistiozytose HLH ), Hypo- und Hyperimmunglobulinämie, B-Lymphozyten↓
- Nervensystem: Meningoenzephalitis, Guillain-Barré-Syndrom, Multiple Sklerose [6][7]
- Atemwege/HNO: Bronchitis, Pneumonie, Otitis media, Mastoiditis, ausgeprägte Tonsillenhypertrophie („Kissing Tonsils“)
- Herz: Peri-/Myokarditis
- Schleimhaut/Haut: Orale Haarleukoplakie (bei Immundefizienz) , Urtikaria, Vaskulitis
- Urogenitaltrakt: Zystitis, Nephritis, genitale Ulzera
- Muskeln/Gelenke: Myositis, Arthritis
- Weitere: Chronisch aktive EBV-Infektion , chronisches Fatigue-Syndrom
Bei einer Splenomegalie besteht die Gefahr einer lebensbedrohlichen Milzruptur!
Maligne Erkrankungen [1][8]
- Hodgkin-Lymphom
- Non-Hodgkin-Lymphome (insb. Burkitt-Lymphom )
- Posttransplantationslymphom (bei Immunsuppression)
- Nasopharynxkarzinome
- Magenkarzinome
- Leiomyosarkome
EBV ist weltweit für ca. 2% aller Krebserkrankungen verantwortlich. Das krebserregende Potenzial wirkt sich v.a. bei angeborener oder erworbener Immundefizienz aus!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Infektiöse Mononukleose
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- B27.-: Infektiöse Mononukleose
- Inklusive:
- Mononucleosis infectiosa
- Monozytenangina
- Pfeiffer-Drüsenfieber
- B27.0: Mononukleose durch Gamma-Herpesviren
- Mononukleose durch Epstein-Barr-Viren
- Inklusive:
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.