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Kniegelenkluxation

Letzte Aktualisierung: 14.5.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Die Kniegelenkluxation ist eine seltene, aber schwerwiegende Verletzung des Kniegelenks. Zu einer Kniegelenkluxation kommt es häufig im Rahmen von Hochrasanztraumen, entweder bei anteriorer Dislokation der Tibia durch Überstreckung oder posteriorer Dislokation durch ein Anpralltrauma. Intraartikulär können Bandrupturen, Weichteilschäden, chondrale und ossäre Verletzungen auftreten; je nach Verletzungsmuster erfolgt die Klassifikation nach Schenck und Moore. Eine wichtige Komplikation der Kniegelenkluxation ist eine Verletzung der A. poplitea, insbesondere Intimaverletzungen können initial leicht übersehen werden. Weitere schwerwiegende Begleitverletzungen sind die Schädigung des N. peroneus und ein Kompartmentsyndrom.

Zur diagnostischen Abklärung ist neben einer ausführlichen klinischen Untersuchung und Bildgebung mittels Röntgen und MRT vor allem die Gefäßdiagnostik obligat. Bei einem Polytrauma oder Begleitverletzungen wird primär meist eine Gelenkstabilisation mittels Fixateur externe durchgeführt, eine frühzeitige definitive Versorgung beinhaltet anschließend eine/n Bandnaht oder -ersatz mittels autologem Sehnentransplantat sowie eine anatomische Gelenkrekonstruktion bei Frakturen. Sowohl die konservative Therapie als auch die postoperative Nachbehandlung sind sehr zeitintensiv und erfordern eine hohe Patientencompliance. Trotz bestmöglicher Therapie besteht nach einer stattgehabten Luxation immer ein erhöhtes Risiko für eine posttraumatische Gonarthrose und verbleibende Gelenkinstabilität.

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Epidemiologietoggle arrow icon

  • Sehr selten: 0,2–0,3% aller Gelenkluxationen
  • > : Häufig junge Männer

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

Luxationsgenese

Luxationsmechanismus

Luxationsrichtung

  • Anterior > Posterior > Lateral > Medial
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Klassifikationtoggle arrow icon

Klassifikation der Kniegelenkluxation nach Schenck [1]

Grad Verletzte Strukturen
Schenck I
Schenck II
Schenck III
Schenck IV
Schenck V
Für das Vorgehen in Anlehnung an die Klassifikation: siehe Prozedere nach Verletzung bei Kniegelenkluxation

Klassifikation der Tibia-Luxationsfraktur nach Moore [2]

Grad Frakturform
I
II
III
IV
  • Rim Compression: Impressionsfrakturen des Tibiaplateaurandes mit gleichzeitiger Bandverletzung der Gegenseite
V
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Symptomatiktoggle arrow icon

  • Dolor: Ruhe-, Bewegungs- und Belastungsschmerz
  • Tumor: Gelenkschwellung, Gelenkerguss
  • Rubor: Kontusionsmarken
  • Functio laesa
    • (Schmerzbedingte) Bewegungseinschränkung
    • Pathologische Beweglichkeit und Gelenkinstabilität
    • Keine Belastung mehr möglich
  • Sichtbare Achsfehlstellung
  • Sensible und motorische Störungen im Innervationsgebiet des N. peroneus
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Präklinisches Managementtoggle arrow icon

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Vorgehen in der Notaufnahmetoggle arrow icon

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Diagnostiktoggle arrow icon

Anamnese

  • Traumagenese: Hochrasanztrauma, Niedrigrasanztrauma oder Ultra-Low-Velocity-Trauma
  • Spontan-/Fremdreposition
  • Vorerkrankungen: Durchblutungsstörungen, Nervenschäden

Körperliche Untersuchung

Bildgebung

Schon bei Verdacht auf eine stattgehabte Luxation sollte immer eine Gefäßdiagnostik durchgeführt werden! [4] Trotz normalem Pulsstatus nach Luxation weist ca. jeder Zehnte eine Intimaverletzung der A. poplitea auf!

Fakultative Diagnostik

  • Stabilitätskontrolle unter Durchleuchtung, Ganzbeinstandaufnahme, gehaltene Aufnahmen
  • Kniegelenkpunktion: Neben einer deutlichen Schmerzreduktion durch Entlastung der Kapsel kann bei einem blutigen Punktat auch von einer intraartikulären Verletzung ausgegangen werden

Diagnostische Schwierigkeiten bei Kniegelenkluxation

  • Spontanreposition: Übersehen von verletzten Strukturen
  • Gefäßläsion: Bei einer Intimaverletzung können die Pulse gut tastbar sein und eine Läsion der A. poplitea ohne Bildgebung übersehen werden
  • Bandrupturen: Schmerzbedingt kann in der Akutsituation oft keine adäquate klinische Untersuchung des Knies stattfinden, des Weiteren werden partielle Bandrupturen übersehen

Bei zwei verletzten Bandstrukturen im Kniegelenk sollte von einer (Sub‑)Luxation ausgegangen werden!

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Traumatisch

Atraumatisch bzw. bei Bagatelltrauma

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Therapietoggle arrow icon

Konservativ

Indikation

  • Geringfügige Bandverletzungen (Schenck I) mit minimaler Kniegelenkinstabilität
  • Inoperabler Patient bzw. lokale Kontraindikationen zur operativen Versorgung

Prozedere

Operativ

Indikation

  • Schenck IISchenck V
  • Schenck I mit Gelenkinstabilität oder erhöhtem Belastungsanspruch
  • Verletzung von Gefäß- und Nervenstrukturen
  • Objektivierbare Knorpelschäden durch Instabilität
  • Rezidivierende Giving-Way-Ereignisse
  • Meniskusschäden
  • Einschränkende Beschwerden und erhöhter Belastungsanspruch des Patienten

Präoperative Vorbereitung

Zeitpunkt

  • Notfall: Drohendes Kompartment, irreponible Gelenkstellung oder drohende Reluxation, arterielle Gefäßverletzung, offene Luxationsverletzung
  • Frühelektiv : Frakturen, Avulsionsverletzungen, Bandverletzungen
  • Elektiv: Kreuzbandverletzungen bei multiligamentärer Kniegelenksverletzung nach frühelektiver Versorgung der Kollateralbänder, anschließender Ausheilung und freier Beweglichkeit im Kniegelenk
  • Zweizeitig: Notfallmäßige Anlage eines Fixateurs externe, bspw. bei Polytrauma, und anschließend definitive Versorgung nach ca. 5–10 Tagen

Zugänge

  • Arthroskopie
    • Indikation: Verdacht auf Knorpel- und Meniskusschäden
    • Kontraindikation: Akutsituation mit schweren Weichteilschäden oder drohendem Kompartmentsyndrom
  • Arthrotomie: Gelenkeröffnung durch konventionelle Schnittführung, alternativ Mini-Arthrotomie

Verfahren

  • Fixateur Externe: Bei schweren Weichteilschäden, Polytrauma, schweren Begleitverletzungen
  • Kapselnaht: Zur Rekonstruktion des peripheren Kapselbandapparates, ggf. unter Einsatz von Fadenankern oder Knochenkrampen
  • Ligament Bracing
    • Definition: Unterstützende Augmentation einer Band- oder Kapselnaht mit besonders reißfestem Fadenmaterial
    • Ziel: Vermeiden einer sekundären Bandelongation und Kapsel-Reruptur
    • Indikation: Kapsel- oder Bandruptur, bspw. bei Therapie einer Kreuzbandruptur mit transossären Ausziehnähten
  • Bandersatzplastiken mit autologen Sehnentransplantaten
  • Augmentation nach Larson
    • Definition: Rekonstruktion der verletzten Weichteilstrukturen der posterolateralen Ecke mit autologem Sehnentransplantat
    • Indikation: Insuffizienz der posterolateralen Ecke
    • Prozedere: Rekonstruktion der verletzten Bandstrukturen vom Caput fibulae zur lateralen Epikondyle des Femurs mit autologem Sehnentransplantat des M. semitendinosus oder M. gracilis, bei multiligamentärer Rekonstruktion kontralaterale Entnahme des Transplantats zum Erhalt der medialen Stabilität
    • Risiken: Verletzung des N. peroneus
  • Frakturen: Siehe Therapieverfahren der Tibiakopffraktur und Therapie der distalen Femurfrakturen

Prozedere nach Verletzung bei Kniegelenkluxation

Verletzung Vorgehen Zeitpunkt
Schenck I

Ruptur des vorderen Kreuzbandes

  • Arthroskopischer Ersatz mit freiem Sehnentransplantat aus der Pes-anserinus-Gruppe
Ruptur des hinteren Kreuzbandes
  • Arthroskopischer Ersatz oder Augmentation mit freiem Sehnentransplantat
Schenck II
Schenck III

Ruptur des medialen Kollateralbandes

  • Häufig gleiches Vorgehen wie bei Schenck II, da das Innenband eine hohe Selbstheilungsrate zeigt
Ruptur des lateralen Kollateralbandes
Schenck IV
  • Frühzeitig meist offene Rekonstruktion des lateralen Bandapparates, ggf. mit gleichzeitiger Rekonstruktion der Kreuzbänder; großzügige Indikation zum Fixateur externe
Schenck V
  • Anatomische Gelenkrekonstruktion, anschließend Vorgehen wie bei Schenck IV
  • Frühelektiv: Versorgung der Fraktur und des lateralen Bandapparates
  • Meist elektive Versorgung der restlichen Bandstrukturen
Gefäßverletzungen
  • Intimanaht, direkte Gefäßnaht, Gefäßanastomose oder Veneninterponat mit anschließender Ruhigstellung im Fixateur externe oder definitiver Versorgung
  • Notfall
Kompartmentsyndrom
  • Fasziotomie
  • Notfall
Nervenverletzung
  • Darstellung und Dekompression des Nerven, ggf. Naht, selten Nerventransplantation
  • Elektiv

Nachsorge

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Komplikationentoggle arrow icon

Folgeschäden nach Kniegelenkluxation

Übersehene (Intima‑)Verletzungen der A. poplitea können im schlimmsten Falle zu einem Verlust der Extremität führen!

Komplikationen

Akut-Komplikationen

  • Postoperativ
    • Gelenkinfekt
    • Nachblutung
  • Kompartmentsyndrom
  • Intimariss mit sekundärem Gefäßverschluss

Spätkomplikationen

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

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Nachsorgetoggle arrow icon

Nachsorge und Sekundärprävention

  • Eigentraining: Forcierter Muskelaufbau und Koordinationstraining
    • Keine kniebelastende Sportarten für 6–9 Monate
  • Bei Instabilität: Frühzeitige operative Therapie bzw. Revision
  • Ärztliche Anbindung: Klinische Kontrollen für 4–6 Monate

Rehabilitation

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