Zusammenfassung
Transplantation (TX) bezeichnet das Übertragen eines Gewebes oder eines Organs auf denselben (autogen/autolog) oder einen anderen Menschen (allogen). Neben streng geregelten rechtlichen Voraussetzungen (Transplantationsgesetz) ist im Regelfall bei der Allotransplantation eine möglichst große Histokompatibilität zwischen Spender und Empfänger erwünscht, um die Gefahr einer Abstoßungsreaktion zu senken. Da eine komplette Übereinstimmung des Major Histocompatibility Complex (MHC) nur bei Isotransplantation (der Übertragung von genetisch identischem Material, wie z.B. bei eineiigen Zwillingen) erreicht wird, schließt sich einer Transplantation grundsätzlich eine immunsuppressive Therapie an.
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Transplantation von soliden Organen (wie Niere und Leber) sowie über die verschiedenen Formen der Stammzelltransplantation.
Grundlagen der Organtransplantation
Transplantationsarten
Definition | Beispiele | |
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Autotransplantation |
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Isotransplantation |
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Allotransplantation |
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Xenotransplantation |
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Rechtliche Voraussetzungen
Modelle der Transplantationsregelung
- Erweiterte Zustimmungsregelung (gilt in Deutschland)
- Enge Zustimmungsregelung (bspw. Japan)
- Widerspruchsregelung (bspw. Österreich, Italien, Belgien, Schweden)
Transplantationsgesetz
Es müssen folgende Voraussetzungen für eine Organentnahme erfüllt sein
- Entnahme von Organen und Geweben bei toten Spendern (Abschnitt 2, § 3ff.)
- Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalles der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms (→ siehe: Obligate klinische Kriterien zur Diagnosestellung eines Hirntodes)
- Einwilligung des Toten zur Organspende oder (bei Nicht-Vorliegen einer Einwilligung) Zustimmung durch nächsten Angehörigen unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens des möglichen Organ- oder Gewebespenders
- Entnahme von Organen und Geweben bei lebenden Spendern (Abschnitt 3, § 8ff.): Die Entnahme der Niere, eines Teils der Leber oder anderer nicht regenerierungsfähiger Organe ist nur zulässig zur Übertragung auf Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen.
- Weitere Voraussetzungen
- Volljährigkeit und Einwilligungsfähigkeit
- Der Spender wird durch die Organentnahme nicht unmittelbar gefährdet
- Es steht kein geeignetes Organ eines toten Spenders zur Verfügung
- Es dürfen keine Anhaltspunkte für ein Handeltreiben bzw. für eine unfreiwillige Spende vorliegen
- Weitere Voraussetzungen
Kontraindikationen für eine Organtransplantation
Empfängerabhängige Kontraindikationen
- Eine Organtransplantation darf nicht durchgeführt werden (absolute Kontraindikation), wenn beim Empfänger unter anderem folgende Zustände vorliegen:
- Schwere Infektionen (z.B. Aktive Tuberkulose, Chronisch aktive Hepatitis B)
- Maligne Erkrankung
- Unzureichende Compliance (z.B. auch bei Psychose und manifester Alkoholkrankheit)
- Sie ist nur mit Einschränkungen möglich bei (relative Kontraindikation) folgenden Erkrankungen des Empfängers:
- HIV-Infektion / AIDS
- Fortgeschrittene kardiopulmonale Erkrankung
- Generalisierte Arteriosklerose / Koronarsklerose
- Evtl. weitere Kontraindikationen abhängig vom zu transplantierenden Organ
Spenderabhängige Kontraindikationen
- Auch darf eine Organtransplantation nicht erfolgen (absolute Kontraindikation), wenn beim Organspender:
- Der Herzstillstand vor dem Hirntod eingetreten ist
- Malignome mit der Neigung zur Metastasierung nachweisbar waren
- Invasive Infektionen vorliegen (z.B. HIV, Hepatitis C )
- Prionen-Erkrankungen (z.B. Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) bestehen
Das Alter des Spenders spielt bei einer Organtransplantation keine Rolle. Ausschlaggebend ist allein die Organfunktion!
Bei nicht-natürlicher Todesursache eines Spenders sollte ein Rechtsmediziner bei der Organentnahme hinzugezogen werden, um Verletzungen zu dokumentieren und so einen etwaigen Beweisverlust zu minimieren!
Immunologische Voraussetzungen
- Histokompatibilität: Der Major Histocompatibility Complex (MHC) von Spender und Empfänger sollte weitestgehend übereinstimmen. Hierdurch kann die Gefahr einer Abstoßungsreaktion gesenkt werden.
- MHC-I: Gen, das für die auf der Zelloberfläche von nahezu allen Körperzellen befindlichen Oberflächenantigene „human leucocyte antigen“ (HLA) A, B und C kodiert.
- MHC-II: Gen, das für die auf der Zelloberfläche von antigenpräsentierenden Zellen befindlichen Oberflächenantigene „human leucocyte antigen“ (HLA) DP, DQ und DR kodiert.
- Neben HLA sind auch die Blutgruppenantigene von großer Bedeutung für die immunologische Verträglichkeit des transplantierten Gewebes
- Cross-Match-Untersuchung: Das Serum des Organempfängers wird auf präformierte Antikörper gegen Lymphozyten des Spenders untersucht. Diese sind für das Auftreten einer hyperakuten Abstoßungsreaktion verantwortlich. Ein positives Ergebnis stellt eine Kontraindikation für eine Transplantation dar.
- AB0-Kompatibilität: Grundsätzlich notwendig bei der Transplantation von soliden Organen
- Eine AB0-inkompatible Lebendspende sollte vermieden werden, allerdings ist eine AB0-inkompatible Lebendspende im Prinzip in folgender Weise möglich:
- Vier Wochen vor der Transplantation: Gabe von CD20-Antikörpern (z.B. Rituximab) zur Hemmung der AB0-Antikörperproduktion + regelmäßige Kontrollen, ob die AB0-Antikörper-Bildung erfolgreich unterdrückt wird
- Eine Woche vor Transplantation: Entfernung restlicher Antikörper (z.B. mit Hilfe von Immunadsorption oder Plasmapherese) + Immunsuppression
- Organtransplantation + Immunsuppression ggf. in höherer Dosierung
- Eine AB0-inkompatible Lebendspende sollte vermieden werden, allerdings ist eine AB0-inkompatible Lebendspende im Prinzip in folgender Weise möglich:
Immunsuppressive Therapie und Abstoßungsreaktionen
Infektionsrisiko
- CMV-Infektion
- Epidemiologie: Die CMV-Erkrankung tritt am häufigsten im ersten Jahr nach der Transplantation auf
- Klinik
- Häufig atypische interstitielle Pneumonie
- Ulzerierende Kolitis
- Verlauf: Bei Transplantation von soliden Organen (dann v.a. bei CMV-negativem Empfänger) verläuft eine CMV-Infektion selten letal, nach allogener Knochenmarktransplantation jedoch häufiger.
- Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie: Cotrimoxazol-Prophylaxe für einige Monate indiziert, bei Lungentransplantierten lebenslang
- Weitere opportunistische Keime: Diverse Pilze, Viren, Bakterien, Protozoen (→ siehe: Überblick über Therapieoptionen und Prophylaxe opportunistischer Infektionen)
Das klinische Bild einer CMV-Infektion kann sich ähnlich einer Transplantatabstoßung präsentieren. Eine Abgrenzung zwischen beiden Krankheitsbildern kann schwierig sein!
Weitere Risiken der immunsuppressiven Therapie [1]
- Erhöhtes Malignomrisiko: Späteres Auftreten von Malignomen in ca. 6% der Fälle
- Medikamentenspezifische Nebenwirkungen: Bspw. Cushing-Syndrom (Glucocorticoide), chronische Nierenerkrankung und/oder arterielle Hypertonie (Ciclosporin A)
Abstoßungsreaktion
- Da die verschiedenen Organe eine unterschiedlich starke Immunität besitzen, muss die immunsuppressive Therapie entsprechend angepasst werden
- Es werden prinzipiell folgende Formen unterschieden:
- Host-versus-Graft-Reaktion
- Das Immunsystem des Empfängers induziert eine Entzündungsreaktion im transplantierten Organ (klassische Organabstoßung)
- Graft-versus-Host-Reaktion
- Die T-Lymphozyten des Spenders induzieren eine unerwünschte Entzündungsreaktion im Empfängerorganismus, die insbesondere zur Schädigung von Haut, Darm oder Leber führen kann
- Graft-versus-Leukemia-Reaktion (oder allgemeiner Graft-versus-Malignancy-Effekt)
- Die T-Lymphozyten des Spenders bekämpfen die nach Hochdosis-Chemotherapie übriggebliebenen entarteten hämatopoetischen Stammzellen des Empfängers
- Bei Stammzelltransplantation erwünschter Effekt, da es zu einer verminderten Rate von Leukämierezidiven führt
- Host-versus-Graft-Reaktion
Für eine ausreichende Graft-versus-Leukemia-Reaktion kann eine zu hohe Histokompatibilität ungünstig sein!
Abstoßungsreaktion | Zeitpunkt nach Transplantation | Pathophysiologie | Klinik | Präventive Maßnahmen | Therapie |
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Hyperakute Abstoßung |
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Akute Abstoßung |
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Chronische Abstoßung |
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Die immunsuppressive Therapie muss den Spagat zwischen Infektionsrisiko (zu starke Immunsuppression) und Abstoßungsrisiko (zu geringe Immunsuppression) meistern!
Nierentransplantation (NTX)
Häufigkeit
- Ca. 2000/Jahr in Deutschland
Die Nierentransplantation ist der Dialyse bei Nierenversagen überlegen!
Formen
Leichenspende
- Durchschnittliche Wartezeit auf ein Organ: 6–7 Jahre
- Nach Feststellung des Hirntods erfolgt die Organvergabe über die Stiftung Eurotransplant nach ausgewählten Kriterien, wie z.B.
- Histokompatibilität
- Wartezeit
- Transportzeit des Organs zum Patienten (die sog. kalte Ischämiezeit beträgt bei der Niere 24 bis 36 Stunden; im Vergleich zu anderen klassischen Transplantatorganen wie Herz, Lunge, Leber oder Pankreas hat die Niere damit die längste kalte Ischämiezeit)
Lebendspende (siehe auch: Transplantationsgesetz)
Fast jede dritte Niere stammt heutzutage von einem lebenden Spender!
- Vorteile der Lebendspende
- Spender in guter körperlicher Verfassung
- Prä- und perioperative Immunmodulation möglich
- Kurze kalte Ischämiezeit
- Die Lebendspende hat auch bei HLA-Inkompatibilität eine insgesamt bessere 5-Jahres-Prognose hinsichtlich der Transplantatfunktion im Vergleich zur Leichenspende! Auch die Lebenserwartung der Empfänger ist höher.
- Besondere Kontraindikationen des Lebendspenders
- Schwangerschaft
- Psychische Erkrankungen oder psychosoziale Probleme
- Erkrankungen, die potenziell die Niere schädigen :
- Proteinurie >300 mg/Tag
- Schwer einstellbare Hypertonie
- Diabetes mellitus
Unabdingbar für eine Lebendspende sind zwei gesunde, normal funktionierende Nieren des Spenders!
Durchführung
-
Heterotope Implantation in die Fossa iliaca mit Anschluss des Spenderureters in die Harnblase
- Vorteile gegenüber einer orthotopen Implantation
- Anschluss an die Beckenarterien und -venen leichter
- Kürzerer Weg des Harnleiters in die Blase
- Transplantatniere ist zu ertasten und leichter zu untersuchen (Ultraschall, Nierenbiopsie)
- Vorteile gegenüber einer orthotopen Implantation
- Häufig Ureterschiene für einige Tage
Immunsuppression und Nachuntersuchung
- Lebenslange Immunsuppression
- Initial meist Triple-Drug-Therapie in höherer Dosierung: Standardprotokoll
- Nach 2–6 Monaten erfolgt eine Dosisreduktion (bei komplikationslosem Verlauf)
- Nachuntersuchung
- 1. Wahl zur frühen postoperativen Kontrolle: Ultraschalldiagnostik mit Duplexsonografie
- Bei auffälligem Befund kann eine Nierenbiopsie notwendig werden
- Prognose: Transplantatüberleben ca. 14 Jahre, bei Lebendspende länger
Lebertransplantation (LTX)
- Häufigkeit: Derzeit ca. 900/Jahr in Deutschland
- Indikationen
- Angeborene Fehlbildungen der Gallengänge
- Angeborene Stoffwechselstörungen
- Chronisches Leberversagen bei Leberzirrhose
- Akutes Leberversagen
- Hepatozelluläres Karzinom
- Auswahl der Empfänger: Die Dringlichkeit der Transplantation wird durch den MELD-Score (Model for End-stage Liver Disease) bestimmt, in den Bilirubin, Kreatinin und INR einfließen
- Kontraindikationen: Siehe Kontraindikationen für eine Organtransplantation
- Formen
- Übertragung des gesamten Organs
- Leichenspende
- Split-Leber-Transplantation
- Leichenspende
- Lebendspende
- Übertragung des gesamten Organs
- Durchführung
- Implantation erfolgt orthotop
- Komplikationen, u.a.
- Abstoßungsreaktionen
- Primäre Nicht-Funktion des Transplantats
- Blutungen
- Gallengangstenosen
- Verschluss der Leberarterien
- Wiederauftreten der Grunderkrankung
- Prognose
- Verbessert sich stetig durch die zunehmende Erfahrung in der Lebertransplantation
- Hohe Mortalität im ersten Jahr postoperativ
- 5-Jahres-Überlebensraten ca. 80%
Herztransplantation (HTX)
- Häufigkeit: Derzeit ca. 300/Jahr in Deutschland [2]
- Indikation: Fortgeschrittene Herzinsuffizienz unter Ausschöpfung aller konservativen und chirurgischen Therapieoptionen [3]
- Voraussetzungen
- Deutlich eingeschränkte kardiopulmonale Belastbarkeit [4]
- Gute extrakardiale Prognose [5]
- Emotionale Stabilität, Motivation, gründliche Aufklärung
- Rechtzeitige Anbindung an ein Transplantationszentrum
- Listung zur Herztransplantation bei Eurotransplant [6]
- Kontraindikationen [5]
- Aktive Infektion (insb. Toxoplasmose, HIV, CMV oder Hepatitis)
- Fortgeschrittene Lungenerkrankung (insb. fixierte pulmonale Hypertonie), akute Lungenembolie
- Fortgeschrittene chronische Nierenerkrankung
- Leberzirrhose
- Schwere arterielle Gefäßerkrankung
- Palliativ behandelte Malignomerkrankung, schwere Systemerkrankung (z.B. Amyloidose)
- Aktiver Nikotin,- Alkohol- oder Drogenabusus
- Emotionale Instabilität und unbehandelte psychiatrische Erkrankungen
- Durchführung: Allotransplantation des Herzens einer Person mit irreversiblem Ausfall der Hirnfunktion („Hirntod“) [7]
- Orthotope Herztransplantation (Standardmethode): Austausch gegen Spenderherz
- Heterotope Herztransplantation (in Ausnahmefällen): Parallelschaltung mit Spenderherz
- Sonderfall Herz-Lungen-Transplantation: Gemeinsame orthotope Transplantation von Herz und Lunge
- Dauerhafte Immunsuppression: Immunsuppressive Dreifachtherapie (weltweit am häufigsten angewandtes Protokoll) [7]
- Komplikationen
- Abstoßungsreaktionen [1][3][8]
- Akute Abstoßung: Initial oft leichte unspezifische Symptome wie Schwäche und subfebrile Temperaturen, erst im Verlauf Herzrhythmusstörungen und/oder Symptome der Herzinsuffizienz
- Chronische Abstoßung: In frühen Stadien oft keine Symptome, Manifestation insb. an den Koronararterien als sog. Transplantatvaskulopathie (TVP)
- Abstoßungsreaktionen [1][3][8]
- Nachsorge [1][3][7]
- Postoperative Betreuung in Spezialambulanzen
- Vorstellungsintervalle: 10–14 Tage sowie nach 6 und 8 Wochen postoperativ, dann alle 3 Monate, nach 1 Jahr alle 12 Monate, zusätzlich bei jeglichen Besonderheiten
- Untersuchungen: Labor, 12-Kanal-EKG , transthorakale Echokardiografie, Spirometrie, Stressechokardiografie oder Linksherzkatheter
- Bei V.a. Abstoßungsreaktion: Ggf. MRT, Immunszintigrafie , Labordiagnostik und/oder Myokardbiopsie
- Besondere Nachsorge- und Impfempfehlungen für herztransplantierte Personen
- Besonderes Augenmerk auf Infektionen (insb. CMV), maligne Erkrankungen (insb. Hauttumoren), Nebenwirkungen der Immunsuppressiva und Komorbiditäten wie chronische Nierenerkrankung oder Diabetes mellitus
- Bei Verordnung oder Um-/Absetzen von Medikamenten: Ggf. Rücksprache mit dem Transplantationszentrum
- Großzügige antibiotische Behandlung von Infekten
- Konsequente Durchführung von Untersuchungen zur Tumorfrüherkennung
- Keine Verwendung von Lebendimpfstoffen (siehe auch: Impfempfehlungen unter Immunsuppression)
- Gründliche Überwachung und bestmögliche Einstellung kardiovaskulärer Risikofaktoren
- Postoperative Betreuung in Spezialambulanzen
- Prognose [3][5]
- Langzeitprognose maßgeblich beeinflusst durch
- Progredienz einer chronischen Abstoßungsreaktion (Transplantatvaskulopathie)
- Konsequenzen der Immunsuppression (Infekte, Malignome, Auftreten einer chronischen Nierenerkrankung)
- Wiederauftreten der Grunderkrankung (meist koronare Herzkrankheit)
- 1-Jahresüberleben: Ca. 90%
- Lebenserwartung nach Herztransplantation: Im Mittel ca. 12,5 Jahre
- Langzeitprognose maßgeblich beeinflusst durch
Die Herztransplantation stellt insb. hinsichtlich des Langzeitüberlebens und der erreichbaren Lebensqualität den Goldstandard zur Therapie der fortgeschrittenen Herzinsuffizienz dar, wird in Deutschland aber aufgrund des Mangels an Organspenden nur selten durchgeführt!
Lungentransplantation (LuTX)
- Häufigkeit: Ca. 350/Jahr in Deutschland
- Indikationen: Terminales Lungenversagen durch parenchymatöse oder vaskuläre Lungenerkrankungen
- Verbesserung der Lebensqualität bei COPD
- Verlängerung der Überlebensrate bei Mukoviszidose, idiopathischer Lungenfibrose und pulmonaler Hypertonie
- Auswahl der Empfänger: Dringlichkeitsbestimmung nach Lungen-Allokations-Score (LAS)
- Kontraindikationen → siehe Kontraindikationen für eine Organtransplantation
- Formen: Je nach Indikation Transplantation eines oder beider Lungenflügel oder kombinierte Herz-Lungen-Transplantation möglich
- Durchführung
- Sauerstoffversorgung des Patienten meist mittels Herz-Lungen-Maschine
- Postoperativ: Lebenslange Dreifachimmunsuppression, z.B. mit Tacrolimus, Azathioprin und Prednisolon
- Prognose
- 90-Tage-Mortalität: 10% (meist durch primäre Dysfunktion des Transplantats)
- 3-Jahres-Überlebensrate: Ca. 60%
Stammzelltransplantation (SZT)
Definition
Stammzellen sind Zellen, die einerseits Kopien von sich selbst herstellen, andererseits aber auch in spezialisierte Zellen ausdifferenzieren können. Hämatopoetische Stammzellen werden klassischerweise zur Regeneration des Blut- und Immunsystems übertragen .
Konditionierung
Der Begriff Konditionierung beschreibt eine der eigentlichen Transplantation vorgeschaltete Behandlung des Empfängerknochenmarks.
- Therapieregime: Alleinige Chemotherapie , alleinige Radiatio oder kombinierte Radiochemotherapie
- Ziele
- Immunsuppression
- Myeloablation
- Eradikation verbliebener Tumorzellen
- Intensität: Je nach Grunderkrankung, Alter, Rezidivrisiko, Komorbiditäten sowie im Fall von malignen hämatologischen Erkrankungen dem erwartbaren und gewünschten Graft-versus-Malignancy-Effekt („GvM“)
Autologe Stammzelltransplantation
- Durchführung: Übertragung von hämatopoetischen Stammzellen, die demselben Patienten vor einer Hochdosis-Chemotherapie entnommen wurden
- Indikation: Wenn eine Chemotherapie erfolgen muss, die nicht nur die Krebszellen, sondern auch die myeloblastischen Zellen des Knochenmarks tötet (myeloablative Chemotherapie)
- Erkrankungen, die eine myeloablative Chemotherapie erfordern können:
- Eine Besonderheit stellt die autologe Stammzelltransplantation aus eigenem Nabelschnurblut (Umbilical Cord Blood Transplant, UCBT) dar
Durch die Rückübertragung myeloblastischer Zellen kann die Knochenmarksfunktion wieder hergestellt und somit eine myeloablative Chemotherapie überhaupt erst überlebt werden!
Allogene Stammzelltransplantation
- Durchführung: Dem Patienten werden hämatopoetische Stammzellen eines Geschwister- oder eines Fremdspenders übertragen, die die Knochenmarksfunktion wieder herstellen
- Indikationen
- Leukämien (AML, ALL, CLL, CML) unter bestimmten Voraussetzungen
- Einige Lymphome
- Myelodysplastische Syndrome
- Multiples Myelom
- Homozygote Sichelzellanämie
- Schwere Formen der Thalassämie
- Gewinn der hämatopoetischen Stammzellen aus:
- Spenderblut (Peripheral Blood Stem Cell Transplant) nach G-CSF-Gabe
- Spenderknochenmark (Bone Marrow Transplant, BMT)
- Voraussetzungen
- Histokompatibilität vorrangig
- Blutgruppenkompatibilität: Nach individueller Abwägung kann auf eine AB0/Rhesus-Kompatibilität verzichtet werden
Spezielle Komplikation der allogenen Stammzelltransplantation: Graft-versus-Host-Disease (GvHD)
Akute GvHD
- Pathophysiologie: T-Lymphozyten des Spenders reagieren auf den Empfängerorganismus
- Da aufgrund von Anämie und Thrombozytopenie Patienten nach allogener Stammzelltransplantation häufig Blutprodukte wie Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate erhalten, besteht – trotz Leukozytendepletion – die Gefahr, dass mit den Transfusionen auch T-Lymphozyten übertragen werden. Daher erfolgt immer eine zusätzliche Bestrahlung mit 30 Gy, um die T-Lymphozyten zu inaktivieren.
- Klinik: Schädigung insbesondere von Haut, Darm, Leber
- Therapie einer akuten GvHD
- Glucocorticoide hochdosiert
- Antilymphozytenglobulin (bzw. Antithymozytenglobulin) aus Pferde- und Kaninchenserum
- Prophylaxe
- Immunsuppression: Ciclosporin A, Methotrexat, Mycophenolat-Mofetil
Leitsymptome | Grad I | Grad II | Grad III | Grad IV | |
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Klinische Einteilung der GvHD nach Glucksberg. Je nach Befundkonstellation ergibt sich ein Gesamtscore, der die Schwere der GvHD widerspiegelt. |
Chronische GvHD
- Pathophysiologie: Weitestgehend unbekannt, vermutet werden T-lymphozytäre und humorale Prozesse (Antikörperbildung)
- Klinik: Die chronische GvHD zeigt sich klinisch wie eine systemische Autoimmunerkrankung
- Haut: Sklerodermiforme und lichenoide Veränderungen
- Drüsen: Sicca-Syndrom
- Magen-Darm: Chronische Enteritis, die sich ähnlich wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen darstellt
- Leber: Chronische Dysfunktion
- Lunge: Bronchiolitis obliterans
- Therapie und Prophylaxe: Glucocorticoide, Azathioprin und andere Immunsuppressiva
Die Gesamtmortalität nach allogener Stammzelltransplantation ist deutlich rückläufig, beträgt jedoch immer noch ca. 50%!
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Stammzellspende: Wissen für die hausärztliche Praxis (Mai 2023)
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Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Immun-Saga – Episode 31: Abstoßung von Transplantaten
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