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Stenosen der hirnversorgenden Gefäße

Letzte Aktualisierung: 26.9.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Gefäßstenosen sind Verengungen des Gefäßlumens, die überwiegend atherosklerotisch bedingt sind. Sie können direkt bildmorphologisch über die Darstellung von Gefäßwand und Gefäßlumen und/oder indirekt anhand von funktionellen Veränderungen des Blutflusses im Gefäß diagnostiziert werden. Stenosen der hirnversorgenden Arterien bergen die Gefahr, Hirnischämien in den nachgeschalteten Stromgebieten zu verursachen und fallen i.d.R. im Rahmen einer kardiovaskulären Risikoabklärung auf. Die A. carotis interna ist das am häufigsten von Stenosen betroffene hirnversorgende Gefäß. Zur Behandlung dieser Karotisstenosen steht eine breite Auswahl an Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Die Indikation zur konservativen, endovaskulären oder operativen Therapie wird abhängig von Ausmaß, hämodynamischer Relevanz, Lokalisation und Morphologie der Stenose gestellt. Zudem ist relevant, ob eine Stenose bereits zu Komplikationen geführt hat (symptomatischer Hirninfarkt oder TIA inkl. retinaler arterieller Gefäßverschlüsse).

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Definitiontoggle arrow icon

Einteilung nach funktioneller Relevanz

  • Asymptomatische Stenose hirnversorgender Gefäße: Verengung des arteriellen Gefäßlumens ohne Hirninfarkt/TIA im nachgeschalteten Stromgebiet
  • Symptomatische Stenose hirnversorgender Gefäße: Verengung des arteriellen Gefäßlumens mit Hirninfarkt/TIA im nachgeschalteten Stromgebiet
    • Klinisch und/oder anamnestisch: Persistierende oder passagere Symptome aufgrund eines Hirninfarkts oder einer TIA im nachgeschalteten Stromgebiet
    • Bildgebend: Darstellung frischer ischämischer Läsion(en) im nachgeschalteten Stromgebiet ohne korrelierende Symptomatik
  • Hämodynamisch relevante Stenose hirnversorgender Gefäße: Verengung des arteriellen Gefäßlumens, die zu einer Veränderung der Blutflussgeschwindigkeit distal der Stenose und/oder zu einer Rekrutierung von Kollateralgefäßen führt

Die Begriffe „asymptomatische“ und „symptomatische Stenose“ beziehen sich nicht auf (bspw. lokale) Symptome der Stenose selbst, sondern auf die Symptome, die durch eine Hirnischämie im Stromgebiet distal der Stenose verursacht werden können!

Einteilung nach Stenoselokalisation

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Epidemiologietoggle arrow icon

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

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Symptomatiktoggle arrow icon

Stenosen der hirnversorgenden Gefäße selbst produzieren i.d.R. keine spezifischen Symptome. Wenn im Kontext von Stenosen Beschwerden auftreten, sind dies

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Diagnostiktoggle arrow icon

Die Beurteilung einer Stenose der hirnversorgenden Gefäße sollte durch erfahrene Untersuchende und/oder ein spezialisiertes Team erfolgen. Bei der Risikoabschätzung sind u.a. der Stenosegrad, das Vorliegen weiterer Stenosen sowie die extra- und intrakranielle Kollateralversorgung zu berücksichtigen.

Allgemeines Prinzip

  1. Diagnosestellung
  2. Verlaufsuntersuchungen: I.d.R. funktionelle Bildgebung

1. Diagnosestellung

Detektion der Stenose und ggf. Graduierung

  • Indikationen
  • Bildgebung
    • Funktionelle Bildgebung: Messung des Blutflusses vor, in und nach stenosierten Gefäßabschnitten zur Graduierung von Stenosen nach funktioneller Relevanz
      • Doppler-Sonografie: Mittels Stiftsonde
        • Vorteile: Für extra- und intrakranielle Stenosen geeignet
        • Nachteile: Keine Information über die Morphologie der Stenose; ausreichende Erfahrung der untersuchenden Person erforderlich
      • Doppler-/Duplexsonografie: Blutflussmessung und/oder Darstellung der Gefäßwände
        • Vorteile: Für extra- und intrakranielle Stenosen geeignet (Screening, Diagnose und Verlaufskontrolle)
        • Nachteile: Nur für die häufigsten Stenoselokalisationen der hirnversorgenden Gefäße anwendbar; ausreichende Erfahrung der untersuchenden Person erforderlich
    • Bildmorphologische Bildgebung: Bestimmung des Stenoseausmaßes über die Darstellung des Lumens
      • Digitale Subtraktionsangiografie (DSA): Mittels Kontrastmittelapplikation über endovaskulären Katheter und Durchleuchtung
        • Vorteile: Goldstandard der morphologischen Diagnostik insb. für intrakranielle, distal lokalisierte Stenosen; erlaubt zudem eine gewisse Beurteilbarkeit der Blutflussdynamik
        • Nachteile: Relevantes Risiko für iatrogene Ischämien, invasiv, Einsatz von Kontrastmittel, Strahlenbelastung, material- und personalintensives Verfahren, Zielgefäß sollte vorher bekannt sein, nur 2D-Rekonstruktion in wenigen Ebenen
      • CT-Angiografie (CT-A): Mittels Kontrastmittelapplikation über peripheren Venenzugang
        • Vorteile: Gute Darstellbarkeit proximaler und distaler Stenosen sowie Verschlüsse; geeignet als Übersichtsmethode bei unbekanntem Zielgefäß, 3D-Rekonstruktion möglich
        • Nachteile: Insb. Stenosen mit hohem Kalkanteil werden eher überschätzt
      • MR-Angiografie (MR-A): Ggf. auch ohne Kontrastmittel möglich (Time-of-Flight-MR-A oder Phasenkontrast-MR-A)
        • Vorteile: Bestmögliche Darstellbarkeit von Gefäßwandverletzungen, 3D-Rekonstruktion möglich
        • Nachteile: Grad und Länge von Stenosen werden eher überschätzt
  • Klinische Untersuchung
    • Auskultation (extrakranielle Stenosen): Evtl. Strömungsgeräusch hörbar
    • Ergänzend: Erhebung des übrigen Gefäßstatus

Einordnung asymptomatische/symptomatische Stenose

2. Verlaufsuntersuchungen

  • Methode
  • Frequenz
    • Ab ≥50% Stenosegrad
      • Initial: Halbjährlich
      • Bei stabilem Befund: Jährlich
      • Abhängig von Befund, Dynamik, Therapie und Rezidivrisiko: Ggf. kürzere Intervalle
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Graduierungtoggle arrow icon

Graduierung der extrakraniellen Karotisstenose

  • Standard: Distaler Stenosegrad (nach NASCET)
    • Geringgradig: ≤49%
    • Mäßiggradig: 50–69%
    • Hochgradig: 70–99%
    • Relevante Stenosezunahme: Ab 10% Änderung nach NASCET
  • Graduierung mittels Duplexsonografie
    • Anwendung der DEGUM-Ultraschallkriterien für die Graduierung von Karotisstenosen
    • Transkranielle Doppler- oder Duplexsonografie zur Beurteilung der hämodynamischen Kompensation berücksichtigen
    • Fehlerquellen
      • Methodisch
        • Fehldeutung: Pseudo-Okklusion als Verschluss
        • Übersehen der Stenose: Hohe Kalzifizierungsanteile
        • Unterschätzung des Stenosegrades: Reduziertes Herzminutenvolumen oder weitere, distal gelegene Stenose
        • Überschätzung des Stenosegrades: Weitere, kontralateral gelegene Stenosen
      • Untersucherabhängig
        • Mangelnde Erfahrung
        • Verwechslung der Gefäße
        • Geräteeinstellungen nicht optimiert
      • Patientenbedingt
        • Normvarianten der Gefäße
        • Korpulenter Hals oder Immobilität der Halswirbelsäule
        • Starke Unruhe

DEGUM-Ultraschallkriterien für die Graduierung von Karotisstenosen nach NASCET

Die Graduierung von extrakraniellen Stenosen der A. carotis erfolgt nach den DEGUM-Ultraschallkriterien. Die teilweise semiquantitativen Beurteilungskriterien sind unterschiedlich relevant für verschiedene Stenosegrade, was durch die Anzahl der +-Zeichen gekennzeichnet ist. Die Zusatzkriterien ergänzen die Hauptkriterien und können damit die Sicherheit der Befundung erhöhen.
Eine Druckvorlage für die DEGUM-Ultraschallkriterien gibt es unter „Tipps & Links“ am Seitenende.

DEGUM-Ultraschallkriterien für die Graduierung von Karotisstenosen nach NASCET [3]
Stenosegrad nach NASCET [%] Geringgradig Mittelgradig Hochgradig Verschluss
10–19 20–49 50–59 60–69 70–79 80–89 90–99 100
Hauptkriterien
B-Bild +++ +
Farbkodiertes Doppler-Bild + +++ + + + + + +++
Systolische Spitzengeschwindigkeit im Stenosemaximum [cm/s] (ungefähre Angabe) 200 250 300 350–400 100–500
Systolische Spitzengeschwindigkeit poststenotisch [cm/s] >50 <50 <30
Kollateralen und Vorstufen (Periorbitalarterien / A. cerebri anterior) (+) ++ +++ +++
Zusatzkriterien
Diastolische Strömungsverlangsamung prästenotisch (A. carotis communis) (+) ++ +++ +++
Strömungsstörungen poststenotisch + + ++ +++ (+)
Enddiastolische Strömungsgeschwindigkeit im Stenosemaximum [cm/s] ≤100 ≤100 >100 >100
Konfetti-Zeichen (+) ++ ++
Stenoseindex A. carotis interna / A. carotis communis ≥2 ≥2 ≥4 ≥4

Graduierung intrakranieller Stenosen

  • Deutlich weniger validierte Daten
    • Duplexsonografie: Bspw. Baumgartner et al. [4]
    • DSA / bildmorphologische Bildgebung: Bspw. WASID-Methode [5]
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Therapie atherosklerotisch-bedingter Stenosentoggle arrow icon

Die Atherosklerose ist die mit Abstand häufigste Ursache von Gefäßstenosen. Entsprechend relevant sind Maßnahmen der kardiovaskulären Prävention sowie ggf. eine medikamentöse Thrombozytenaggregationshemmung und Lipidsenkung.

Mit zunehmendem Stenosegrad sowie beim Auftreten von ischämischen Symptomen steigt das Risiko einer (weiteren) Hirnischämie, weshalb ggf. weitere Maßnahmen indiziert sind. Bei der häufigen Stenose der extrakraniellen A. carotis kann unter geeigneten Voraussetzungen eine Revaskularisation durchgeführt werden. Bei Stenosen der extrakraniellen A. vertebralis und bei intrakraniellen Stenosen rückt der Stellenwert der konservativen Therapiemaßnahmen stärker in den Fokus, da sie für revaskularisierende Maßnahmen teilweise schlecht zu erreichen sind oder die konservative Therapie überlegen ist.

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Therapie der extrakraniellen Karotisstenosetoggle arrow icon

Übersicht

Übersicht der Therapieempfehlungen bei Karotisstenose (abhängig vom Stenosegrad) [1]
Stenosegrad Maßnahmen der kardiovaskulären Prävention Thrombozytenaggregationshemmung Lipidsenkung Revaskularisierung
Mono: ASS oder Clopidogrel Dual: ASS und Clopidogrel Statin LDL-Ziel [mg/dL] CEA Stent
Asymptomatisch <50%

Asymptomatisch 50–59%

Risikoadaptiert
Asymptomatisch 60–99% Risikoadaptiert
Erwägen Erwägen
Symptomatisch <50% <55 bzw. Senkung um 50%
Symptomatisch 50–99% Erwägen <55 bzw. Senkung um 50% Als Alternative erwägen

Bei akuten Schlaganfallsymptomen muss eine rekanalisierende Therapie des ischämischen Schlaganfalls durchgeführt werden (sofern keine Kontraindikationen vorliegen)!

Revaskularisierung

Mit zunehmendem Stenosegrad und bei Auftreten von ischämischen Symptomen gewinnt die revaskularisierende Therapie an Bedeutung, wobei gleichzeitig die Komplikationsraten mit dem symptomatischen Status steigen.

  • Indikation
    • Interdisziplinär stellen
    • Individuell abwägen (unter Berücksichtigung diverser Aspekte, bspw. Lebenserwartung)
  • Durchführung allgemein

Karotis-Endarteriektomie (CEA von engl. carotid endarterectomy) [1]

Indikation

  • Symptomatische Stenose: I.d.R. 3–14 Tage nach Symptombeginn
    • 70–99%
    • Ggf. bei 50–69% ohne erhöhtes Operationsrisiko
  • Asymptomatische Stenose
    • 60–99%: Erwägen

Durchführung

Chirurgische Verfahren [6]

Komplikationen (Auswahl)

Stentimplantation [1]

Indikation

  • Als Alternative zur CEA
    • Sinnvoll bspw. bei
      • Hohem Operationsrisiko
      • Hochzervikalen Stenosen (wenn operativ schlecht erreichbar)
      • Restenosen nach einer CEA
    • Eher ungeeignet bspw. bei
      • Stark verkalktem Aortenbogen
      • Patient:innen >70 Jahren
      • Langstreckigen oder ulzerierenden Stenosen
      • Elongierten Gefäßen
      • Notwendigkeit einer frühen Intervention bei symptomatischer Stenose
  • Bei akutem Schlaganfall mit Tandemläsion : Im Rahmen einer Neurothrombektomie

Durchführung

Komplikationen (Auswahl)

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Therapie von Stenosen der extrakraniellen A. vertebralis und von intrakraniellen Stenosen (≥50%)toggle arrow icon

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Prognosetoggle arrow icon

  • Extrakranielle Karotisstenose (≥50%)
    • Risiko für ipsilaterale Ischämie bei optimaler konservativer Therapie: 1% der Fälle pro Jahr
    • Nach CEA oder Stentimplantation
      • Restenosen: Etwa 6% der Fälle
      • Mortalität im 1. Jahr: 2–5% der Fälle
  • Andere Stenoselokalisationen: Unzureichende Datenlage
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

I63.-: Hirninfarkt

I65.-: Verschluss und Stenose präzerebraler Arterien ohne resultierenden Hirninfarkt

I66.-: Verschluss und Stenose zerebraler Arterien ohne resultierenden Hirninfarkt

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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