Zusammenfassung
Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist eine Vaskulitis der mittelgroßen bis großen Gefäße mit Befall der Aorta und ihrer großen Äste, insb. der Karotisabgänge inkl. der A. temporalis. Sie tritt im höheren Lebensalter und v.a. bei Frauen auf. Zu den häufigsten Symptomen zählen einseitiger Kopf- oder Schläfenschmerz, Kieferklaudikatio und Sehstörungen, die bis zum Sehverlust führen können. Da etwa die Hälfte der Personen mit Riesenzellarteriitis zusätzlich auch an einer Polymyalgia rheumatica erkrankt sind, können auch hiermit assoziierte Symptome auftreten (schmerzbedingte Bewegungseinschränkungen des Schulter- und Beckengürtels).
Die Diagnose erfolgt durch typische Befunde in der Sonografie, alternativ auch in der (Angio‑)MRT bzw. Angio-CT, oder histopathologisch durch eine Biopsie der Temporalarterien. Ein schneller Therapiebeginn mit Glucocorticoiden ist v.a. bei Augenbeteiligung prognoseentscheidend und führt meist zu rascher Symptombesserung. Ergänzend können andere immunmodulatorische Medikamente (z.B. Tocilizumab) eingesetzt werden. Rezidive sind häufig.
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Epidemiologie
- Alter: Erstmanifestation fast ausschließlich im Alter ≥50 Jahre [2][3][4][5]
- Geschlechterverhältnis: ♀ > ♂ ca. 3–4:1 [5]
- Häufigkeit: Häufigste Großgefäßvaskulitis in Europa [3]
- Inzidenz: 5–50/100.000 Personen/Jahr [3][5]
- Lebenszeitprävalenz: 0,5 (♂) bis 1% (♀) [2]
Die Riesenzellarteriitis tritt typischerweise im höheren Alter auf und betrifft häufiger Frauen!
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Nicht vollständig geklärt, diskutiert werden: [3][4][6][7]
- Genetische Prädisposition
- Umweltfaktoren
- Triggerung durch verschiedene Infektionen, u.a. VZV
- Assoziation mit Polymyalgia rheumatica [3][4][8]
Bei ca. 50% der Betroffenen besteht zusätzlich eine Polymyalgia rheumatica!
Klassifikation
- Bedeutung: Abgrenzung von anderen Vaskulitiden insb. für Studienzwecke
- Voraussetzungen zur Anwendung
- Wichtige Differenzialdiagnosen sind ausgeschlossen
- Vaskulitis der mittelgroßen bzw. großen Gefäße wurde diagnostiziert
- Interpretation: Riesenzellarteriitis bei ≥6 Punkten
ACR/EULAR-Klassifikationskriterien der Riesenzellarteriitis (2022) | ||
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Absolutes Kriterium |
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Klinische Kriterien |
| 2 Punkte |
| 3 Punkte | |
| 2 Punkte | |
| 2 Punkte | |
| 2 Punkte | |
| 2 Punkte | |
Labordiagnostik, Bildgebung und Biopsie | 3 Punkte | |
| 5 Punkte | |
| 2 Punkte | |
2 Punkte | ||
Die Diagnose einer Riesenzellarteriitis kann bei einem Score von ≥6 Punkten gestellt werden. |
Symptomatik
Typische Symptome [2][3][4][6][7][9][10]
- Allgemein [4]
- Abgeschlagenheit, allgemeines Krankheitsgefühl
- Subfebrile Temperaturen bis Fieber
- Inappetenz, Gewichtsverlust
- Nachtschweiß
- Depressive Verstimmung
- Frontotemporale Kopfschmerzen, i.d.R. einseitig (ca. ⅔ der Personen) [11]
- Plötzlicher oder subakuter Beginn
- Bohrend oder pulssynchron, meist anhaltend und als sehr stark empfunden
-
Prominente, verhärtete und/oder druckschmerzhafte A. temporalis superficialis
- Berührungsempfindlichkeit der umgebenden Haut/Kopfhaut
- Transiente oder permanente Sehstörungen (ca. ⅓ der Personen) [12]
-
Plötzliche, vollständige Erblindung
- Warnsymptome
- Diplopie, Ptose, Augenbewegungsschmerzen
-
Plötzliche, vollständige Erblindung
- Claudicatio masticatoria (ca. ⅓ der Personen): Schmerzen beim Kauen oder/und rasche Ermüdung der Kaumuskulatur [2][4]
Typische Symptome sind temporale Kopfschmerzen, Sehstörungen und eine Kieferklaudikatio!
Die Symptome sind abhängig von den beteiligten Gefäßen – die Temporalarterien sind am häufigsten, die Aorta und ihre Abgänge am zweithäufigsten betroffen!
Amaurosis fugax, Flimmerskotome und flüchtige Gesichtsfeldausfälle sind Warnsymptome einer Erblindung!
Weitere Symptome [2][4]
- Symptome der Polymyalgia rheumatica : Insb. subakute, eher symmetrische und morgens verstärkte Schmerzen der Schulter-, Becken- und Nackenmuskulatur
- Symptome durch Ischämien anderer Gefäße
- Klaudikatio der oberen Extremität: Schmerzen oder/und rasche Ermüdung , ggf. sekundäres Raynaud-Syndrom
- Drop Attacks, Drehschwindel und weitere Symptome durch insb. Hirninfarkte im vertebrobasilären Stromgebiet
- Plötzlicher, thorakaler bzw. abdomineller „Vernichtungsschmerz“ bei Aortendissektion bzw. -ruptur, siehe auch: Komplikationen der Riesenzellarteriitis
- Angina pectoris, Angina abdominalis
- Claudicatio intermittens
- Arterielle Hypertonie
- Kopfhaut- oder Zungennekrosen
Diagnostik
Vorgehen bei Verdacht auf Riesenzellarteriitis [2][4][15][16]
- Anamnese und körperliche Untersuchung
- Abfrage von Alter, Symptomen der Riesenzellarteriitis
- Inspektion und Palpation
- Temporalarterien (ggf. A. facialis, A. occipitalis bds.)
- Periphere Pulse (insb. obere Extremität inkl. A. brachialis, A. radialis, A. ulnaris bds.)
- Auskultation
- Arterien (inkl. A. carotis, A. subclavia und A. axillaris bds.)
- Herz
- Blutdruckmessung an beiden Armen: Blutdruckdifferenz
- Klaudikatio der Arme oder Hände
- Prüfung der Schulter- und Hüftbeweglichkeit
- Untersuchung der Augen (ggf. inkl. Prüfung der Okulomotorik, Ophthalmoskopie)
- Labordiagnostik
- Entzündungswerte: CRP↑ und BSG↑↑ (≥50 mm/h, sog. Sturzsenkung)
- Blutbild: Ggf. Leukozytose, Thrombozytose, Anämie
- Weitere: Ggf. Leberwerte↑ (Transaminasen, AP), Fibrinogen↑, Albumin↓
- Vor Bildgebung mit Kontrastmittelgabe: Ggf. TSH, Kreatinin
- Bei anhaltendem Verdacht
- Sofortige Therapieeinleitung, siehe: Therapie bei Riesenzellarteriitis und
- Sofortige Überweisung in eine spezialisierte Notfallsprechstunde
- Bildgebung [7][15]
- Bei kranieller Symptomatik
- 1. Wahl: Farbkodierte Duplexsonografie der Temporalarterien inkl. ihrer parietalen und frontalen Äste sowie der Axillararterien [7][17][18]
- Gefäßstenosen oder -verschlüsse
- Nicht-komprimierbares Halo-Zeichen [19]
- Alternativ: HR-MRT der oberflächlichen Schädelarterien
- Wandverdickung, Gefäßwandödem
- Kontrastmittelanreicherung der Gefäßwände
- Gefäßstenosen, -verschlüsse oder Aneurysmen
- 1. Wahl: Farbkodierte Duplexsonografie der Temporalarterien inkl. ihrer parietalen und frontalen Äste sowie der Axillararterien [7][17][18]
- Bei extrakranieller Symptomatik
- MR-Angiografie, [18F]-FDG-PET/CT oder CT-Angiografie
- Bei kranieller Symptomatik
- Bei negativer bzw. nicht eindeutiger Bildgebung und anhaltendem klinischen Verdacht: Biopsie der Temporalarterien [2][4]
- Vorgehen: Unilaterale oder bilaterale Biopsie
- Typische Befunde siehe: Pathologie der Riesenzellarteriitis
Die Diagnose sollte durch eine Bildgebung oder Biopsie gesichert werden! [2]
Bei V.a. Riesenzellarteriitis sollte die Diagnostik den Therapiebeginn nicht verzögern!
Pathologie
- Entzündungsprozess an arteriellen Gefäßen
- Unbekannter Trigger → Aktivierung von Immun- und Entzündungsprozessen inkl. Rekrutierung von dendritischen Zellen, Lymphozyten und Makrophagen → Lymphozytäre Entzündung der Adventitia und Membrana elastica externa arterieller Gefäße
- Häufigkeit betroffener Gefäße bei Riesenzellarteriitis [2][4]
- A. carotis externa und ihre Äste (am häufigsten)
- Aortenbogen und -äste (15–60%)
- A. ophthalmica und Aa. ciliares posteriores (ca. 30%)
- Intrakranielle Gefäße, Koronararterien oder andere Organsysteme (<1%)
- Typische histologische Befunde der Gefäßquerschnitte [2][3][7]
- Granulomatöse Panarteriitis mittelgroßer und großer Arterien mit Nachweis von Riesenzellen (fusionierte Makrophagen)
- Segmentaler Befall (sog. Skip Lesions)
- Intimaproliferation mit Einengung des Gefäßlumens
- Transmurale Entzündung durch T-Lymphozyten (CD3+, CD4+) inkl. Destruktion durch Makrophagen (CD68+), insb. der Lamina elastica interna und externa
Typische Riesenzellen sind nur in ca. 50% der Fälle sichtbar! [2]
Differenzialdiagnosen
- Kopfschmerzen anderer Ursache
- Sehverschlechterungen anderer Ursache
- Retinale Gefäßverschlüsse
- Nicht-arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie
- Glaukomanfall (akut und chronisch)
- Abgeschlagenheit und Fieber anderer Ursache
- Polymyalgia rheumatica
- Infektionen (z.B. Endokarditis, HIV-Infektion, Hepatitis B, Hepatitis C)
- Hyperthyreose
- Fibromyalgie-Syndrom
- Maligne Erkrankungen (z.B. multiples Myelom)
- Histomorphologische Differenzialdiagnosen
- Weitere Gefäßentzündungen, siehe auch: Vaskulitis
- Insb. Takayasu-Arteriitis
- ANCA-assoziierte Vaskulitis
- Morbus Behçet
- Fibromuskuläre Dysplasie
- Inflammatorisches abdominelles Aortenaneurysma
- IgG4-assoziierte Autoimmunerkrankungen
- Infektiöse Aortitis (z.B. Syphilis, Mykose)
- Weitere Gefäßentzündungen, siehe auch: Vaskulitis
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Takayasu Arteriitis
Allgemeines
- Definition : Granulomatöse Arteriitis der großen Gefäße (Großgefäßvaskulitis), insb. der Aorta und ihrer Hauptäste, die insb. bei Personen <50 Jahren auftritt [2]
- Epidemiologie
- Inzidenz: 1–2/1.000.000 [2][5]
- Geschlechter: Insb. Frauen [2][4][5]
- Alter (bei Erstdiagnose): I.d.R. <50 Jahren (meist 20–30 Jahre) [2]
Die Entzündung führt zu Stenosen und Veränderungen der Gefäßwand!
Symptomatik [2][5][16]
- Unspezifisch (durch die generalisierte Entzündung)
- Fieber
- Nachtschweiß
- Gewichtsverlust
- Myalgien
- Arthralgien, Arthritis
- Karotidynie
- Organspezifisch (durch Minderperfusion bzw. Ischämie)
- Schwindel/Synkope bei Muskelarbeit der Arme (Subclavian-Steal-Syndrom)
- Krampfartige Schmerzen beim Gehen (Claudicatio intermittens)
- Postprandiale Bauchschmerzen (Angina abdominalis)
- Thorakale Schmerzen bei Belastung (Angina pectoris)
- Plötzlich aufgetretene fokal-neurologische Defizite
- Amaurosis fugax oder Skotome
- Komplikationen [2][2]
- Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
- Aortenaneurysmen inkl. Dissektion und Ruptur
- Therapieassoziierte Komplikationen durch Glucocorticoide/Immunsuppressiva, z.B. Infektionen, Osteoporose, Glaukom, Katarakt [2]
- Siehe auch: Nebenwirkungen einer Glucocorticoidtherapie
Neben unspezifischen Beschwerden treten häufig eine Claudicatio (insb. der oberen Extremität) und Hirninfarkte auf!
Diagnostik [2][15][16]
- Prinzip: Berücksichtigung von körperlicher Untersuchung, Laborwerten und Bildgebung
- Keine Routine: Biopsie, ggf. bei gefäßchirurgischen bzw. kardiochirurgischen Eingriffen
- Körperliche Untersuchung, insb.
- Inspektion: Blasse oder zyanotische Hautfarbe, Hinweis auf trophische Störungen
- Palpation im Seitenvergleich
- Temperatur: Reduziert an einer Extremität im Vergleich
- Pulsstatus, insb. der Karotiden und der Extremitäten: Pulsverlust/-abschwächung einer Extremität
- Auskultation (u.a. Herz, Karotiden, große Extremitätengefäße) : Stenosegeräusche
- Blutdruckmessung an allen vier Extremitäten
- Arterielle Hypertonie
- Seitendifferenz
- Knöchel-Arm-Index
- Ggf. neurologische und ophthalmologische Untersuchung
- Laboruntersuchungen
- CRP↑, BSG↑ [16]
- Cholesterin, Lp(a), HbA1c typischerweise unauffällig [5]
- Bildgebung
- 1. Wahl: Hochauflösende MR-Angiografie
- Alternativen
- Duplexsonografie
- 18F-FDG-PET
- CT-Angiografie
Eine sorgfältige Anamnese und eine körperliche Untersuchung sind zur Feststellung der Entzündungslokalisation und zur Abwendung schwerwiegender Komplikationen entscheidend!
Typisch sind klinische Hinweise auf Organischämien (inkl. Schwindel, Claudicatio, Infarkte) ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren für eine Atherosklerose!
Diagnostik und Therapie sollen durch ein spezialisiertes Team erfolgen! [2]
Diagnosekriterien
Diagnosekriterien der Takayasu-Arteriitis (mod. Ishikawa-Kriterien) [20] | |
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Major-Kriterien |
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Minor-Kriterien |
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Hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Takayasu-Arteriitis: 2 Major-Kriterien oder 1 Major-Kriterium + 2 Minor-Kriterien oder 4 Minor-Kriterien |
Therapie [2]
- Therapiegrundsätze, supportive Therapie und Nachsorge siehe: Therapie der Riesenzellarteriitis
- Operative/interventionelle Eingriffe: Zurückhaltende Indikationsstellung und vorzugsweise in Remission
Medikamente
- Glucocorticoide
- Akuttherapie (schnellstmöglicher Beginn) : Bspw. Prednisolon
- Ab Remission: Ausschleichen individuell unter Verlaufskontrollen
- Bei Rezidiv: Erhöhung mind. auf letztmalig wirksame Dosis , siehe auch: Rezidiv der Riesenzellarteriitis
- Begleitend Immunsuppressiva/Biologika (Off-Label Use)
- Mycophenolat-Mofetil
- Methotrexat mit/ohne Cyclophosphamid
- Azathioprin
- Leflunomid
- Bei therapierefraktären Verläufen, Rezidiven oder Steroidabhängigkeit
- Unklare Evidenz: ASS
Therapie
Diagnostik und Therapie laufen bei der Riesenzellarteriitis parallel. Zum Management bei der Erstvorstellung siehe auch: Vorgehen bei Verdacht auf Riesenzellarteriitis.
Therapiegrundsätze [2][7][21]
- Ziel: Erreichen einer Remission bzw. anhaltenden Remission [16], dadurch
- Reduktion der Mortalität
- Verbesserung der Lebensqualität
- Prävention von
- Ischämischen Komplikationen
- Langzeitschäden aufgrund der Gefäßentzündung, siehe auch: Komplikationen der Riesenzellarteriitis
- Komplikationen durch medikamentöse Therapie
- Methoden
- Shared-Decision-Making
- Treat-to-Target-Konzept
Medikamentöse Therapie
Akuttherapie: Glucocorticoide
- Bei Augenbeteiligung innerhalb von wenigen Stunden bis ≤24 h (ggf. auch bei schwerwiegenden ischämischen Komplikationen)
- Stationär hochdosiertes Methylprednisolon i.v.
- Anschließend Glucocorticoide p.o. wie bei Personen ohne Augenbeteiligung
- Ohne Augenbeteiligung: Glucocorticoide p.o.
- Ziel: Individuell geringste Dosis
- Ausschleichschema: Individuell über 1–2 Jahre , optimalerweise
- Nach 3 Monaten: 10–15 mg
- Nach 12 Monaten: ≤5 mg
- Bei anhaltender Remission: Absetzversuch
- Bei Personen mit erhöhtem Komplikationsrisiko unter Glucocorticoidtherapie [2][16]: Glucocorticoideinsparende Medikamente evaluieren
- Prophylaxe mit ASS, Statinen oder Antikoagulation: Keine klare Empfehlung [2][4][16]
Der Augenbefall bei Riesenzellarteriitis ist ein medizinischer Notfall und muss initial hochdosiert mit Glucocorticoiden (z.B. Methylprednisolon 500–1.000 mg/d i.v.) behandelt werden!
Bei konkretem klinischen Verdacht auf eine Riesenzellarteriitis („A. temporalis“) soll unverzüglich mit einer Glucocorticoidtherapie begonnen werden; die anstehende Diagnostik soll den Therapiebeginn nicht verzögern. (DGIM - Klug entscheiden in der Rheumatologie)
Glucocorticoideinsparende Medikamente
- Indikationen: Refraktärer, rezidivierter Verlauf oder erhöhtes Komplikationsrisiko unter Glucocorticoidtherapie [2][16][22]
- Anwendung
- Als Monotherapie oder in Kombination mit Glucocorticoiden
- Bei Kombination: Glucocorticoide schneller ausschleichen
- Bei anhaltender Remission: Absetzen oder Intervall verlängern (z.B. Gabe alle 2 Wochen)
- Medikamente
- 1. Wahl: Tocilizumab [2][23]
- Cave: Reduzierte/fehlende Entzündungsparameter bei Infektion bzw. zur Therapiekontrolle
- Alternativ: Methotrexat (Off-Label Use) [2][24]
- Weitere Wirkstoffe: Bislang keine (ausreichende) Evidenzlage, jedoch z.T. vereinzelter Einsatz
- 1. Wahl: Tocilizumab [2][23]
Rezidiv [2][16]
- Hinweise für ein Rezidiv der Riesenzellarteriitis
- Radiologisch: Progrediente Befunde
- Klinisch: (Wieder‑)Auftreten krankheitsspezifischer Symptome bzw. Komplikationen
- Laborchemisch: Anstieg der Entzündungswerte (ohne andere Erklärung)
- Vorgehen je nach Schwere
- Glucocorticoide
- Bei schwerem Rezidiv : Dosis wie bei neu diagnostizierter Riesenzellarteriitis
- Bei leichtem Rezidiv : Glucocorticoide mind. auf letzte wirksame Dosis erhöhen
- Glucocorticoideinsparende Medikamente: Neubeginn, Dosissteigerung oder Wechsel des Präparats
- Glucocorticoide
70% der Personen mit Riesenzellarteriitis bekommen ein Rezidiv – die Nachsorge und regelmäßige Kontrolle ist daher entscheidend! [2]
Supportive Therapie [2][16]
- Prophylaktische Maßnahmen bei langfristiger Glucocorticoidtherapie
- Lebensstilveränderungen zur kardiovaskulären Prävention
- Osteoporose- und Frakturprophylaxe, ggf. Osteoporose-Diagnostik
- Ggf. regelmäßige Kontrollen von Blutdruck, Blutzucker und Blutbild
- Impfstatus überprüfen (v.a. Grippe, Pneumokokken, Herpes Zoster), siehe auch: Standardimpfungen von Erwachsenen
- Ggf. medikamentöse Prophylaxe für PjP anbieten, z.B. mit Cotrimoxazol
- Schulung zu Krankheitsbild, Warnsymptomen und Therapieoptionen [16]
Nachsorge [2]
- Regelmäßige Nachsorge: Inkl. klinischer und laborchemischer (CRP, BSG) Kontrolle
- 1. Jahr: Alle 1–3 Monate
- Ab dem 2. Jahr: Alle 3–6 Monate
- Bei rezidivfreier Remission: Ggf. jährlich (fach- oder hausärztliche Kontrolle)
- Regelmäßige Bildgebung: Nicht routinemäßig empfohlen
- Endovaskuläre oder offen-chirurgische Intervention: Falls nötig, in stabiler Remission interdisziplinär planen
Komplikationen
- Persistierende Sehverschlechterung bis zur Erblindung (ca. 6–37%) [2]
- Weitere lebensbedrohliche Ischämien, bspw. [2][11]
- Extremitätenischämien, z.B. akuter arterieller Extremitätenverschluss
- Zerebrovaskuläre Ischämien, TIA oder ischämischer Schlaganfall
- Spätkomplikationen [2]
- Aortenaneurysmen, inkl. Dissektion und Ruptur [25]
- Therapieassoziierte Komplikationen durch Glucocorticoide und andere Immunsuppressiva, bspw. Infektionen, Osteoporose, Glaukom, Katarakt
- Siehe auch: Nebenwirkungen einer Glucocorticoidtherapie
Dauerhaft verbleibende Sehverschlechterungen treten i.d.R. vor dem Beginn einer Glucocorticoidtherapie auf! [2]
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Meist gutes Therapieansprechen (jedoch selten therapiefreie Remission ≥3 Jahre) [25]
- Eingetretene Erblindung i.d.R. nicht reversibel
- Protrahierte Verläufe (ca. 25–30%): Dauertherapie über mehrere Jahre
- Mortalität↑ in den ersten 4 Monaten nach Diagnosestellung durch kardiovaskuläre Ereignisse [3]
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- M31.-: Sonstige nekrotisierende Vaskulopathien
- M31.5: Riesenzellarteriitis bei Polymyalgia rheumatica
- M31.6: Sonstige Riesenzellarteriitis
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.