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Riesenzellarteriitis

Letzte Aktualisierung: 24.10.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist eine Vaskulitis der mittelgroßen bis großen Gefäße mit Befall der Aorta und ihrer großen Äste, insb. der Karotisabgänge inkl. der A. temporalis. Sie tritt im höheren Lebensalter und v.a. bei Frauen auf. Zu den häufigsten Symptomen zählen einseitiger Kopf- oder Schläfenschmerz, Kieferklaudikatio und Sehstörungen, die bis zum Sehverlust führen können. Da etwa die Hälfte der Personen mit Riesenzellarteriitis zusätzlich auch an einer Polymyalgia rheumatica erkrankt sind, können auch hiermit assoziierte Symptome auftreten (schmerzbedingte Bewegungseinschränkungen des Schulter- und Beckengürtels).

Die Diagnose erfolgt durch typische Befunde in der Sonografie, alternativ auch in der (Angio‑)MRT bzw. Angio-CT, oder histopathologisch durch eine Biopsie der Temporalarterien. Ein schneller Therapiebeginn mit Glucocorticoiden ist v.a. bei Augenbeteiligung prognoseentscheidend und führt meist zu rascher Symptombesserung. Ergänzend können andere immunmodulatorische Medikamente (z.B. Tocilizumab) eingesetzt werden. Rezidive sind häufig.

Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion „Tipps & Links“.

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Epidemiologietoggle arrow icon

Die Riesenzellarteriitis tritt typischerweise im höheren Alter auf und betrifft häufiger Frauen!

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

  • Nicht vollständig geklärt, diskutiert werden: [3][4][6][7]
    • Genetische Prädisposition
    • Umweltfaktoren
    • Triggerung durch verschiedene Infektionen, u.a. VZV
  • Assoziation mit Polymyalgia rheumatica [3][4][8]

Bei ca. 50% der Betroffenen besteht zusätzlich eine Polymyalgia rheumatica!

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Klassifikationtoggle arrow icon

  • Bedeutung: Abgrenzung von anderen Vaskulitiden insb. für Studienzwecke
  • Voraussetzungen zur Anwendung
    • Wichtige Differenzialdiagnosen sind ausgeschlossen
    • Vaskulitis der mittelgroßen bzw. großen Gefäße wurde diagnostiziert
  • Interpretation: Riesenzellarteriitis bei ≥6 Punkten

ACR/EULAR-Klassifikationskriterien der Riesenzellarteriitis (2022)

Absolutes Kriterium
  • Alter ≥50 Jahre bei Diagnosestellung
Klinische Kriterien
  • Morgensteifigkeit in Schultern und/oder Nacken
2 Punkte
  • Akute Sehverschlechterung
3 Punkte
2 Punkte
2 Punkte
  • Schmerzempfindliche Kopfhaut
2 Punkte
  • Abnormaler Untersuchungsbefund der Temporalarterie
2 Punkte
Labordiagnostik, Bildgebung und Biopsie
  • BSG ≥50 mm/h oder
  • CRP ≥10 mg/L
3 Punkte
5 Punkte
2 Punkte
2 Punkte

Die Diagnose einer Riesenzellarteriitis kann bei einem Score von ≥6 Punkten gestellt werden.

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Symptomatiktoggle arrow icon

Typische Symptome [2][3][4][6][7][9][10]

Typische Symptome sind temporale Kopfschmerzen, Sehstörungen und eine Kieferklaudikatio!

Die Symptome sind abhängig von den beteiligten Gefäßen – die Temporalarterien sind am häufigsten, die Aorta und ihre Abgänge am zweithäufigsten betroffen!

Amaurosis fugax, Flimmerskotome und flüchtige Gesichtsfeldausfälle sind Warnsymptome einer Erblindung!

Weitere Symptome [2][4]

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Diagnostiktoggle arrow icon

Vorgehen bei Verdacht auf Riesenzellarteriitis [2][4][15][16]

  1. Anamnese und körperliche Untersuchung
  2. Labordiagnostik
  3. Bei anhaltendem Verdacht
  4. Bildgebung [7][15]
    • Bei kranieller Symptomatik
      • 1. Wahl: Farbkodierte Duplexsonografie der Temporalarterien inkl. ihrer parietalen und frontalen Äste sowie der Axillararterien [7][17][18]
        • Gefäßstenosen oder -verschlüsse
        • Nicht-komprimierbares Halo-Zeichen [19]
      • Alternativ: HR-MRT der oberflächlichen Schädelarterien
        • Wandverdickung, Gefäßwandödem
        • Kontrastmittelanreicherung der Gefäßwände
        • Gefäßstenosen, -verschlüsse oder Aneurysmen
    • Bei extrakranieller Symptomatik
  5. Bei negativer bzw. nicht eindeutiger Bildgebung und anhaltendem klinischen Verdacht: Biopsie der Temporalarterien [2][4]
    • Vorgehen: Unilaterale oder bilaterale Biopsie
    • Typische Befunde siehe: Pathologie der Riesenzellarteriitis

Die Diagnose sollte durch eine Bildgebung oder Biopsie gesichert werden! [2]

Bei V.a. Riesenzellarteriitis sollte die Diagnostik den Therapiebeginn nicht verzögern!

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Pathologietoggle arrow icon

Typische Riesenzellen sind nur in ca. 50% der Fälle sichtbar! [2]

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Takayasu Arteriitistoggle arrow icon

Allgemeines

  • Definition : Granulomatöse Arteriitis der großen Gefäße (Großgefäßvaskulitis), insb. der Aorta und ihrer Hauptäste, die insb. bei Personen <50 Jahren auftritt [2]
  • Epidemiologie
    • Inzidenz: 1–2/1.000.000 [2][5]
    • Geschlechter: Insb. Frauen [2][4][5]
    • Alter (bei Erstdiagnose): I.d.R. <50 Jahren (meist 20–30 Jahre) [2]

Die Entzündung führt zu Stenosen und Veränderungen der Gefäßwand!

Symptomatik [2][5][16]

Neben unspezifischen Beschwerden treten häufig eine Claudicatio (insb. der oberen Extremität) und Hirninfarkte auf!

Diagnostik [2][15][16]

Eine sorgfältige Anamnese und eine körperliche Untersuchung sind zur Feststellung der Entzündungslokalisation und zur Abwendung schwerwiegender Komplikationen entscheidend!

Typisch sind klinische Hinweise auf Organischämien (inkl. Schwindel, Claudicatio, Infarkte) ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren für eine Atherosklerose!

Diagnostik und Therapie sollen durch ein spezialisiertes Team erfolgen! [2]

Diagnosekriterien

Diagnosekriterien der Takayasu-Arteriitis (mod. Ishikawa-Kriterien) [20]
Major-Kriterien
  • Hierzu passende Symptome ≥1 Monat

Minor-Kriterien

  • Druckempfindlichkeit im Bereich der A. carotis
  • Läsion der linken A. carotis
  • Läsion der Aorta descendens

Hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Takayasu-Arteriitis: 2 Major-Kriterien oder 1 Major-Kriterium + 2 Minor-Kriterien oder 4 Minor-Kriterien

Therapie [2]

Medikamente

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Therapietoggle arrow icon

Diagnostik und Therapie laufen bei der Riesenzellarteriitis parallel. Zum Management bei der Erstvorstellung siehe auch: Vorgehen bei Verdacht auf Riesenzellarteriitis.

Therapiegrundsätze [2][7][21]

  • Ziel: Erreichen einer Remission bzw. anhaltenden Remission [16], dadurch
    • Reduktion der Mortalität
    • Verbesserung der Lebensqualität
    • Prävention von
      • Ischämischen Komplikationen
      • Langzeitschäden aufgrund der Gefäßentzündung, siehe auch: Komplikationen der Riesenzellarteriitis
      • Komplikationen durch medikamentöse Therapie
  • Methoden
    • Shared-Decision-Making
    • Treat-to-Target-Konzept

Medikamentöse Therapie

Akuttherapie: Glucocorticoide

  • Bei Augenbeteiligung innerhalb von wenigen Stunden bis ≤24 h (ggf. auch bei schwerwiegenden ischämischen Komplikationen)
    1. Stationär hochdosiertes Methylprednisolon i.v.
    2. Anschließend Glucocorticoide p.o. wie bei Personen ohne Augenbeteiligung
  • Ohne Augenbeteiligung: Glucocorticoide p.o.
    • Ziel: Individuell geringste Dosis
    • Ausschleichschema: Individuell über 1–2 Jahre , optimalerweise
      • Nach 3 Monaten: 10–15 mg
      • Nach 12 Monaten: ≤5 mg
      • Bei anhaltender Remission: Absetzversuch
  • Bei Personen mit erhöhtem Komplikationsrisiko unter Glucocorticoidtherapie [2][16]: Glucocorticoideinsparende Medikamente evaluieren
  • Prophylaxe mit ASS, Statinen oder Antikoagulation: Keine klare Empfehlung [2][4][16]

Der Augenbefall bei Riesenzellarteriitis ist ein medizinischer Notfall und muss initial hochdosiert mit Glucocorticoiden (z.B. Methylprednisolon 500–1.000 mg/d i.v.) behandelt werden!

Bei konkretem klinischen Verdacht auf eine Riesenzellarteriitis („A. temporalis“) soll unverzüglich mit einer Glucocorticoidtherapie begonnen werden; die anstehende Diagnostik soll den Therapiebeginn nicht verzögern. (DGIM - Klug entscheiden in der Rheumatologie)

Glucocorticoideinsparende Medikamente

Rezidiv [2][16]

  • Hinweise für ein Rezidiv der Riesenzellarteriitis
    • Radiologisch: Progrediente Befunde
    • Klinisch: (Wieder‑)Auftreten krankheitsspezifischer Symptome bzw. Komplikationen
    • Laborchemisch: Anstieg der Entzündungswerte (ohne andere Erklärung)
  • Vorgehen je nach Schwere
    • Glucocorticoide
      • Bei schwerem Rezidiv : Dosis wie bei neu diagnostizierter Riesenzellarteriitis
      • Bei leichtem Rezidiv : Glucocorticoide mind. auf letzte wirksame Dosis erhöhen
    • Glucocorticoideinsparende Medikamente: Neubeginn, Dosissteigerung oder Wechsel des Präparats

70% der Personen mit Riesenzellarteriitis bekommen ein Rezidiv – die Nachsorge und regelmäßige Kontrolle ist daher entscheidend! [2]

Supportive Therapie [2][16]

Nachsorge [2]

  • Regelmäßige Nachsorge: Inkl. klinischer und laborchemischer (CRP, BSG) Kontrolle
    • 1. Jahr: Alle 1–3 Monate
    • Ab dem 2. Jahr: Alle 3–6 Monate
    • Bei rezidivfreier Remission: Ggf. jährlich (fach- oder hausärztliche Kontrolle)
  • Regelmäßige Bildgebung: Nicht routinemäßig empfohlen
    • Ggf. CT-A oder MR-A zur Überwachung von Langzeitschäden insb. bei Personen mit extrakranieller Beteiligung
  • Endovaskuläre oder offen-chirurgische Intervention: Falls nötig, in stabiler Remission interdisziplinär planen
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Komplikationentoggle arrow icon

Dauerhaft verbleibende Sehverschlechterungen treten i.d.R. vor dem Beginn einer Glucocorticoidtherapie auf! [2]

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

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Prognosetoggle arrow icon

  • Meist gutes Therapieansprechen (jedoch selten therapiefreie Remission ≥3 Jahre) [25]
  • Eingetretene Erblindung i.d.R. nicht reversibel
  • Protrahierte Verläufe (ca. 25–30%): Dauertherapie über mehrere Jahre
  • Mortalität↑ in den ersten 4 Monaten nach Diagnosestellung durch kardiovaskuläre Ereignisse [3]
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

  • M31.-: Sonstige nekrotisierende Vaskulopathien

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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