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Anästhesie in der Neurochirurgie

Letzte Aktualisierung: 14.10.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Die Neurochirurgie umfasst ein breites Spektrum an operativen und interventionellen Eingriffen zur Behandlung sowohl intra- als auch extrakranieller Pathologien. Um eine optimale anästhesiologische Betreuung zu gewährleisten, sind grundlegende Kenntnisse der Neuroanatomie bzw. Neurophysiologie ebenso unerlässlich wie eine enge Absprache mit der behandelnden Fachabteilung (insb. im Hinblick auf Art und Umfang des Eingriffs sowie auf die geplanten Lagerungs- und Behandlungsmaßnahmen).

Neurochirurgische Eingriffe werden typischerweise in Allgemeinanästhesie durchgeführt. Einen Sonderfall stellt in diesem Zusammenhang die sog. Wachkraniotomie für bestimmte intrakranielle Eingriffe dar, bei der das Bewusstsein der behandelten Person intermittierend oder durchgehend erhalten bleibt. Bei der Auswahl des Narkosemittels muss der wirkstoffspezifische Einfluss auf Hirndurchblutung, Hirnstoffwechsel und intrakraniellen Druck beachtet werden. Zur adäquaten intraoperativen Überwachung neurochirurgischer Patient:innen ist nicht selten ein erweitertes hämodynamisches Monitoring erforderlich. Kleinere Eingriffe wie bspw. die Anlage eines ventrikuloperitonealen Shunts oder die Entlastung eines chronischen subduralen Hämatoms können jedoch i.d.R. auch problemlos ohne arteriellen bzw. zentralvenösen Zugang durchgeführt werden.

Sowohl aus medikolegalen Gründen als auch zur Verlaufsbeurteilung ist die präoperative Erhebung und Dokumentation des neurologischen Status in der Neurochirurgie von besonderer Wichtigkeit. Um das neurologische Outcome zu verbessern, ist insb. bei intrakraniellen Eingriffen eine sorgfältige Aufrechterhaltung der Homöostase anzustreben. Die Notwendigkeit einer postoperativen Überwachung auf einer Intensiv- bzw. Intermediate-Care-Station muss individuell geprüft werden.

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Anatomische und physiologische Grundlagentoggle arrow icon

Anatomische Grundlagen

Gehirn

Rückenmark

Physiologische Grundlagen [1][2][3]

Hirndurchblutung

Zum Erhalt der zerebralen Autoregulation sollte der arterielle Mitteldruck während einer Allgemeinanästhesie möglichst nicht mehr als 20(–25)% vom Ausgangswert abweichen!

Die Hirndurchblutung wird in einem relevanten Maße vom arteriellen CO2-Partialdruck (paCO2) beeinflusst!

Intrakranieller Druck (ICP) [10]

  • Einflussfaktoren: Druckverhältnisse in den drei intrakraniellen Kompartimenten (siehe auch: Monro-Kellie-Doktrin)
  • Orientierender Normwert: 5–15 mmHg
  • Pathologische Grenzwerte
    • Leichte Erhöhung bei ICP 20–30 mmHg
    • Starke Erhöhung bei ICP 30–40 mmHg
    • Lebensgefährliche Erhöhung bei ICP >40 mmHg

Eine intrakranielle Druckerhöhung ist potenziell lebensbedrohlich! Anhaltende ICP-Werte >20 mmHg sollten unverzüglich therapiert werden!

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Typische Eingriffetoggle arrow icon

Supratentorielle Tumorchirurgie [11]

Infratentorielle Tumorchirurgie [13]

Bei infratentoriellen Eingriffen sind die begrenzten anatomischen Platzverhältnisse in der hinteren Schädelgrube sowie die unmittelbare Nähe zum Hirnstamm zu beachten!

Hypophysenchirurgie [14]

  • Beispielhafte Indikationen
  • Besonderheiten
    • Verschiedene Zugangswege möglich (abhängig von Größe und Lokalisation) [15][16]
      • Transsphenoidaler Zugang (Standardverfahren) : Kleine Tumoren ohne extraselläre Ausbreitung
      • Transkranieller Zugang : Große Tumoren mit extrasellärer Ausbreitung oder Resttumor nach transsphenoidaler Resektion
    • Ggf. Rachentamponade: Insb. bei transsphenoidalem Zugang sinnvoll

Bei hormonproduzierenden Hypophysenadenomen sind mögliche Folgeerscheinungen wie bspw. eine Akromegalie oder ein Morbus Cushing zu beachten!

Shuntanlagen [17]

Operative Versorgung intrakranieller Blutungen

Eingriffe im Bereich der Wirbelsäule

Je nach Verletzungshöhe kann es bei akutem traumatischen Querschnittsyndrom zu relevanten Störungen der Herz-Kreislauf- und Atemfunktion kommen!

Stereotaktische Eingriffe

Interventionelle Neuroradiologie [21][22][23]

Periphere Nervenchirurgie [24][25][26]

  • Beispielhafte Indikationen
  • Besonderheiten
    • Häufig mikrochirurgische Eingriffe
    • Intraoperativ ggf. neurophysiologisches Monitoring (bspw. SEP oder MEP)

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Präoperative Anamnese und Diagnostiktoggle arrow icon

Allgemeine präoperative Einschätzung

Die Erhebung und Dokumentation des neurologischen Status ist bei neurochirurgischen Patient:innen von besonderer Wichtigkeit!

Spezielle präoperative Einschätzung [13]

Bei Eingriffen mit geplanter (halb‑)sitzender Position droht eine paradoxe Luftembolie im Falle eines persistierenden Foramen ovale! [13][27]

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Anästhesiologische Besonderheitentoggle arrow icon

Allgemeine Hinweise [12][28]

  • Medikamentöse Prämedikation: Nur bei normalem intrakraniellen Druck
    • Erhöhte Empfindlichkeit auf zentral dämpfende Wirkstoffe bei Personen mit intrakraniellen Erkrankungen [2]
    • Gefahr der Atemdepression mit Anstieg des paCO2 und konsekutiver Erhöhung des intrakraniellen Drucks [1]
  • Aufrechterhaltung der Homöostase
    • Mitentscheidend für neurologisches Outcome
    • Intraoperative Zielwerte in der Neurochirurgie
      • Normoxämie (paO2 >80 mmHg)
      • Normokapnie (paCO2 35–38 mmHg)
      • Normovolämie (Diurese >0,5 mL/kgKG/h, szvO2 >70%)
      • Normotension (BDsys >100 mmHg, CPP 60–70 mmHg)
      • Normothermie (Körpertemperatur 36,5–37,5°C)
      • Normoglykämie (Blutzucker 80–180 mg/dL bzw. 4,4–10 mmol/L)
  • Erhöhtes PONV-Risiko nach Kraniotomie [29][30]

Pharmakologische Besonderheiten [1][2]

Anforderungen an das „ideale Anästhetikum

Wie ein Anästhetikum konkret auf das Gehirn wirkt, ist auch vom aktuellen zerebralen Metabolismus bzw. Gefäßtonus, der Fähigkeit zur zerebralen Autoregulation und der vorliegenden Pathologie abhängig!

Bei der Auswahl des Anästhetikums muss stets das substanzspezifische Nebenwirkungsprofil beachtet werden!

Injektionsanästhetika

Aufgrund der geringen Beeinflussung der SEP/MEP-Messung bietet sich bei geplantem neurophysiologischen Monitoring die Verwendung von Propofol zur Aufrechterhaltung der Narkose an! [33]

Inhalationsanästhetika

Bei klinischen Zeichen einer intrakraniellen Druckerhöhung sollte auf den Einsatz von Inhalationsanästhetika verzichtet werden! [1]

Opioide

Muskelrelaxanzien

  • Nicht-depolarisierende Muskelrelaxanzien
    • Keine direkte Beeinflussung der Hirndurchblutung bzw. des Hirnstoffwechsels
    • Wirkung kann durch Wechselwirkung mit dauerhaft verabreichten Anfallssuppressiva abgeschwächt sein [36]
    • Verzicht auf die Gabe einer Repetitionsdosis bei geplanter MEP-Messung
  • Succinylcholin
    • Kurzzeitig ICP↑ möglich
    • Einsatz in der Neurochirurgie grundsätzlich möglich, aber nicht unumstritten [37]
    • Bei erforderlicher RSI Verwendung von Rocuronium als sichere Alternative erwägen
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Anästhesiologisches Management: Intrakranielle Eingriffetoggle arrow icon

Im Folgenden werden die grundlegenden Prinzipien des anästhesiologischen Managements bei intrakraniellen Eingriffen genannt. Bei der praktischen Umsetzung sind stets klinik- und patientenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen!

Allgemeine Hinweise

  • Allgemeinanästhesie als Standardverfahren bei intrakraniellen Eingriffen
  • Großzügige Indikationsstellung zur Anlage eines arteriellen Katheters bereits vor der Narkoseeinleitung
  • Erforderlichkeit für einen ZVK individuell prüfen
  • Routinemäßige Ableitung eines 7-Kanal-EKG sinnvoll
  • Eingriffsdauer (abhängig vom individuellen Befund) ca. 2–4 h
  • Eingeschränkten Zugang zum Kopfbereich während des Eingriffs beachten
  • Enge perioperative Absprache mit der behandelnden Fachabteilung wichtig

Narkoseeinleitung

Narkoseführung

Bei intraoperativer Verwendung von Remifentanil ist auf eine rechtzeitige Gabe von Analgetika für die postoperative Phase (bspw. Metamizol und Piritramid) zu achten!

Narkoseausleitung

  • Extubation
    • Erfolgt typischerweise bereits im OP-Saal
    • Wichtig für eine möglichst frühzeitige Beurteilbarkeit des neurologischen Status
    • Voraussetzung: Präoperativ keine schweren Bewusstseinsstörungen vorhanden
    • Durchführung
      • Kontrollierte Ventilation bis zum Vorliegen einer ausreichenden Spontanatmung
      • Blutdruckspitzen, Husten und Pressen möglichst vermeiden
  • Nachbeatmung: Mögliche Gründe

Sonderfall: Wachkraniotomie [40][41][42]

Aufgrund der sterilen Abdeckung und der Einspannung des Kopfes in die Mayfield-Klemme kann die (geplante oder notfallmäßige) Atemwegssicherung während einer Wachkraniotomie erschwert sein!

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Spezielle Risiken und Komplikationentoggle arrow icon

Intrakranielle Druckerhöhung [2]

Luftembolie [1][2][28][45]

Lagerungsschäden [47][48]

  • Hintergrund: Häufig vergleichsweise anspruchsvolle Lagerung erforderlich, bspw.
  • Prävention
    • Interdisziplinäre Zusammenarbeit des gesamten OP-Teams
    • Etablierung klinikspezifischer Lagerungsstandards
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