Zusammenfassung
In der Kinder- und Jugendmedizin kommt es aus verschiedenen Gründen zu epileptischen Anfällen. In jedem Fall sind die Eltern alarmiert und die medizinischen Kräfte sind oft gefordert schnell herauszufinden, was die Ursache ist und welches Vorgehen sich daraus ergibt. Es folgt eine kurze Übersicht.
- Epileptischer Anfall: Vorübergehende, plötzliche Dysfunktionen des zentralen Nervensystems aufgrund von synchronen und hochfrequenten Entladungen der Nervenzellen der Hirnrinde [1]
- Fokaler Anfall: Beginnt in einer begrenzten Region des Gehirns, die sich anhand der klinischen Präsentation oder durch weiterführende Diagnostik (EEG, MRT) bestimmen lässt
- Primär generalisierter Anfall: Betrifft von Beginn des Anfalls an beide Großhirnhemisphären vollständig
- Status epilepticus
- Drei klinische Situationen können einen Status epilepticus definieren [2][3]
- ≥5 Minuten anhaltender bilateral-tonisch-klonischer Anfall
- ≥10 Minuten anhaltender fokal beginnender Anfall (mit oder ohne Bewusstseinsstörung) bzw. Absence
- Rezidivierende epileptische Anfälle in kurzer Abfolge, ohne eine vollständige Remission zwischen den Anfällen
- Zum Notfallmanagement bei Status epilepticus: Status epilepticus - AMBOSS-SOP
- Drei klinische Situationen können einen Status epilepticus definieren [2][3]
Differenzialdiagnosen eines epileptischen Anfalls
- Fieberkrampf (Eigen- und Familienanamnese?)
- Epileptischer Anfall bei Meningitis, Enzephalitis oder Sepsis (Meningismus? Petechien? Rekapillarisierungszeit? Blutdruck?): Bei Verdacht zügige Diagnostik (LP, Blutkultur) und Antibiotikatherapie einleiten!
- Epileptischer Anfall bei Raumforderung, z.B. akute Hirnblutung, Tumor (Anamnese? Umfeld? Cave: Schütteltrauma bei Säuglingen!): Bei Verdacht zügige Bildgebung und ggf. Verlegung in eine neurochirurgische Abteilung einleiten!
- Epileptischer Anfall bei Elektrolytentgleisung oder Hypoglykämie (BGA? Blutzucker?)
- Epileptischer Anfall bei Intoxikation (Anamnese? Medikamente? Umfeld?)
- Epileptischer Anfall im Rahmen einer Epilepsie (Eigen- und Familienanamnese?)
- Konvulsive Synkope (Anamnese?)
- Fieberdelir (Anamnese?)
- Schüttelfrost (Anamnese?)
- Affektkrämpfe (Anamnese?)
Kurzzusammenfassung: Fieberkrampf (auch: fieberassoziierter epileptischer Anfall)
- Definition: Epileptischer Anfall bei Kindern mit Fieber ≥38 °C (meist im Alter von 6 Monaten – 5 Jahre)
- Ätiologie
- Senkung der Anfallsschwelle aufgrund ungeklärter Mechanismen
- Anfall i.d.R. während des Fieberanstiegs (häufig Erstsymptom eines Infektes)
- Klinisches Bild
- Oft generalisierter tonisch-klonischer Anfall
- Atone oder tonische (10%) sowie fokale Anfälle (15%) möglich
- Dauer i.d.R. 2–3 min mit spontanem Sistieren
- Anschließend typischerweise postiktale Müdigkeit, oft schlafen die Kinder ein
- Unterteilung in unkomplizierten Fieberkrampf (ca. 70%) und komplizierten Fieberkrampf
- Definition komplizierter Fieberkrampf (mind. 1 Kriterium muss erfüllt sein)
- Fokaler Anfallsverlauf
- Dauer ≥5 min
- Postiktale Lähmung oder Sprechstörung
- Wiederholter Anfall innerhalb von 24 h
- Alter <6 Monaten oder >5 Jahre
- Definition komplizierter Fieberkrampf (mind. 1 Kriterium muss erfüllt sein)
- Oft generalisierter tonisch-klonischer Anfall
- Diagnostik: Vor Diagnosestellung Ausschluss anderer Ursachen, inkl. Anamnese mit Blick auf stattgehabte Neugeborenenanfälle oder afebrile Anfälle
- Häufigkeit: Fieberkrämpfe sind häufigste Form epileptischer Anfälle im Kindesalter
- Wiederholungsrisiko: 30–40% (bei Auftreten im 1. Lebensjahr 50%)
- Prognose: Bei 95% aller Kinder mit Fieberkrämpfen gut (ohne Entwicklungsbeeinträchtigung oder Übergang in eine Epilepsie), auch bei wiederholtem Auftreten
Für ausführlichere Informationen siehe: Fieberkrampf
Akutes Prozedere
- Ruhe bewahren!
- Eltern beruhigen
- Verletzungs- und aspirationssichere Lage
- Monitoring der Vitalparameter: Herzfrequenz, O2-Sättigung, Atemfrequenz
- Ggf. Sauerstoffvorlage, Anlage eines peripheren Zugangs
- Ggf. Antipyrese mit Ibuprofen oder Paracetamol
- Nach einer Anfallsdauer von 3–5 min: Anfallsunterbrechung durch Diazepam oder Midazolam, falls bis dahin kein spontanes Sistieren stattgefunden hat (s.u.)
Zum Notfallmanagement bei Status epilepticus: Status epilepticus - AMBOSS-SOP
Medikamentöse Anfallsunterbrechung
- Bei Dauer des epileptischen Anfalls >5 min: Benzodiazepine rektal oder bukkal, wenn nötig einmalige Wiederholung möglich
- Bei weiterem Fortbestehen des Anfalls: Bspw. Phenobarbital oder Phenytoin i.v.
Zum Notfallmanagement bei Status epilepticus: Epileptischer Anfall im Kindes- und Jugendalter - AMBOSS-SOP
Weiteres Prozedere
Stationäre Aufnahme zur Überwachung und ggf. weiteren Abklärung
- Bei erstem Fieberkrampf
- Bei jedem komplizierten Fieberkrampf
- Bei jedem epileptischen Anfall anderer Ursache oder unklarer Genese
Diagnostik bei Status epilepticus unklarer Genese
- Blutentnahme: Natrium, Calcium, Magnesium, Glucose, Blutbild, ggf. Anfallssuppressivaspiegel
- Lumbalpunktion: Zellzahl, Glucose, Liquorkultur, Virusdiagnostik (Herpes-PCR), Laktat
- Toxikologiescreening
- ZNS-Bildgebung
- EEG (möglichst zeitnah)
Diagnostik bei epileptischem Anfall
- Blutentnahme
- Bei fieberassoziiertem epileptischen Anfall: Differenzialblutbild, CRP, Glucose, Elektrolyte (insb. Natrium), GOT, Kreatinin, INR, Quick, pTT, Ammoniak, Laktat, BGA und Blutkultur
- Bei erstem afebrilen epileptischen Anfall
- Bei Neugeborenen und Säuglingen: Blutzucker, Natrium, Calcium und Magnesium
- Bei allen älteren Kindern: Blutzucker, Natrium, Calcium und Drogenscreening
- Bei jedem Meningitisverdacht zusätzlich: Differenzialblutbild, CRP, BGA und Blutkultur
- Bei Anfallsrezidiv nach längerer Anfallsfreiheit unter Anfallssuppressivatherapie
- Bei bewusstseinsklaren Patienten: Medikamentenspiegel im Plasma
- Bei neurologisch beeinträchtigten Patienten: Blutzucker, Natrium, Calcium und Drogenscreening
- Bei jedem Meningitisverdacht zusätzlich: Differenzialblutbild, CRP, BGA und Blutkultur
- Lumbalpunktion
- Bei jedem epileptischen Anfall bei Kindern bis 6 Mon.
- Bei jedem Fieberkrampf bei Säuglingen <12 Monaten
- Ggf. bei kompliziertem Fieberkrampf
- Bei Meningitisverdacht
- Bildgebung (Notfall-CT): Bei Verdacht auf erhöhten Hirndruck oder intrakranielle Raumforderung vor Lumbalpunktion
Diagnostik im Verlauf
- EEG: Bei jedem ersten epileptischen Anfall und jedem komplizierten Fieberkrampf