Zusammenfassung
Das epidurale Hämatom entsteht durch eine akute Blutung meist aus der A. meningea media zwischen Schädelknochen und Dura mater. Die Symptome sind Folge der Gehirnkompression und können sich direkt nach dem Trauma oder mit einer gewissen Latenz nach initialer Bewusstlosigkeit (freies Intervall) manifestieren. Neben der Vigilanzstörung ist insbesondere eine Anisokorie durch eine ipsilaterale Mydriasis ein alarmierendes Zeichen. Die CT bestätigt die Verdachtsdiagnose (bikonvexe, hyperdense, scharf begrenzte Raumforderung) und eine notfallmäßige neurochirurgische Eröffnung des Schädelknochens (Trepanation) ist indiziert.
Epidemiologie
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Meist ausgehend von rupturierter A. meningea media nach Schädel-Hirn-Trauma
- Postoperativ (nach intrakraniellen Eingriffen)
Symptomatik
Symptome können sich direkt nach dem Trauma oder mit einer gewissen Latenz manifestieren
- Typisches „symptomfreies Intervall“ nach Bewusstseinsverlust: Bewusstlosigkeit → Kurzzeitige Wiedererlangung des Bewusstseins → Erneute Eintrübung (bedingt durch steigenden intrakraniellen Druck)
- Kopfschmerzen, Übelkeit/Erbrechen, Unruhe, Beeinträchtigung der Vigilanz (somnolent bis komatös)
- Häufig
- Ipsilaterale Mydriasis: Bedingt durch Druckläsion des N. oculomotorius und folglichem Ausfall des parasympathisch innervierten M. sphincter pupillae
- Kontralaterale Herdsymptomatik/Hemiparese: Bedingt durch Druckläsion der Kerngebiete der Großhirnrinde
Diagnostik
- cCT
- Bikonvexe , hyperdense Raumforderung
- Meist temporoparietal lokalisiert , scharf abgegrenzt
- Ggf. begleitende Kalottenfraktur
Differenzialdiagnosen
Siehe für ein Notfallmanagement bei zunächst unklarer Kopfschmerz-Ursache: Kopfschmerzen - AMBOSS-SOP
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Sofortige Entlastung!
- Operative Trepanation (meist temporal nach Krönlein)
Prognose
- Bei rechtzeitiger Behandlung: 70%-ige Überlebenschance
Sonderform: Spinales epidurales Hämatom
Definition
- Ansammlung von Blut zwischen Dura mater und Knochen im Bereich der Wirbelsäule (spinal)
- Ursprung der Blutung: Epiduraler Venenplexus
Epidemiologie
- Insg. selten (<1% aller spinalen Raumforderungen) [1]
- Auftreten nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie [2]
- Spinalanästhesie 1:156.000 bis 1:40.800
- Nicht-geburtshilfliche Periduralanästhesie 1:18.000 bis 1:1.003
- Rückenmarksnahe Regionalanästhesie in der Geburtshilfe 1:200.000
Die höchste Inzidenz spinaler epiduraler Hämatome wird bei rückenmarksnaher Regionalanästhesie für gefäßchirurgische Eingriffe beobachtet!
Ätiologie
- Posttraumatisch, bspw. nach
- Liquorpunktion
- Peridural- oder Spinalanästhesie
- Eingriffen an der Wirbelsäule
- Spontan, insb. bei Risikofaktoren für spinale epidurale Hämatome [2][3]
- Angeborene oder erworbene Koagulopathien
- Medikamentöse Antikoagulation
- Anatomische oder degenerative Wirbelsäulenveränderungen, inkl. Bandscheibenprolaps
- Vaskuläre Anomalien
- Weibliches Geschlecht
- Schwangerschaft
- Höheres Lebensalter
- Vorerkrankungen
- Kombination mehrerer Risikofaktoren, bspw. Rückenmarksnahe Regionalanästhesie unter Antikoagulation
- Idiopathisch [3]
Spinale epidurale Hämatom treten in bis zu 50% der Fälle ohne erkennbare Ursache auf!
Symptome/Klinik [2]
- Akute, starke Rückenschmerzen
- Neu aufgetretene und ggf. persistierende radikuläre Symptome (häufiger)
- Radikuläre Schmerzen
- Radikuläre sensible Defizite
- Radikuläre Paresen
- Einschätzung der Lokalisation siehe: Radikuläre Syndrome
- Querschnittsyndrom (seltener)
- Bilaterale sensible Defizite
- Para- oder Tetraparesen
- Ggf. Cauda-equina-Syndrom oder Conus-medullaris-Syndrom (klinisch: Konus-Kauda-Syndrom), u.a. mit
- Blasenentleerungsstörung, Stuhlinkontinenz
- Reithosenanästhesie
- Einschätzung der Lokalisation anhand des
- Dermatomniveaus, unterhalb dessen alle sensible Qualitäten beidseitig ausgefallen sind (siehe auch: Neuroanatomische Zuordnung von Sensibilitätsstörungen)
- Verteilungsmusters der Paresen (siehe auch: Muskelkraft – Pathologische Befunde)
- Beachte: Bei thorakaler Lokalisation neurologische Ausfälle auch bei vergleichsweise kleinem Hämatom möglich
Ein spinales epidurales Hämatom kann mit einem akuten Querschnittsyndrom als absoluter Notfall in Erscheinung treten!
Die Symptomatik eines spinalen epiduralen Hämatoms ist meist im Verlauf progredient!
Diagnostik [1][2]
- Anamnese
- Neurologische Untersuchung, insb.
- Bildgebung: Umgehend bei entsprechender neurologischer Symptomatik
- MRT (1. Wahl)
- Epidurale Raumforderung mit Kompression des Spinalkanals
- Darstellung initial hypo- bis isointens (bis 48 h), im Verlauf hyperintens
- Alternativ: CT mit Myelografie (falls MRT nicht zeitnah möglich)
- MRT (1. Wahl)
Bei begründetem V.a. ein spinales epidurales Hämatom sollte unverzüglich eine MRT oder alternativ eine CT mit Myelografie erfolgen! [2]
Differenzialdiagnosen [4]
- Bandscheibenprolaps
- Epidurale Lipomatose
- Andere epidurale Prozesse, bspw. epiduraler Abszess oder Tumor
- Spinale Ischämie
- Abdominelle Aortendissektion
- Myelitis transversa
- Traumatische Rückenmarksverletzung
Therapie [2][5]
- Konservativ: Nur bei fehlenden neurologischen Symptomen
- Operativ: Laminektomie zur Dekompression des Rückenmarks
- Indikation: Nachgewiesenes epidurales Hämatom und persistierende neurologische Symptome
- Zeitpunkt: Möglichst innerhalb von 12 h ab Symptombeginn
- Siehe auch: Akutes Querschnittsyndrom - AMBOSS-SOP
Prognose [2]
- Mortalität 3,7%
- Häufigkeit persistierender neurologischer Schäden ca. 53–55%
- Beste Prognose bei Intervention innerhalb der ersten 12 h nach Symptombeginn
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Hirnhäute und intrakranielle Blutungen
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- I62.-: Sonstige nichttraumatische intrakranielle Blutung
- Exklusive: Folgen einer intrakraniellen Blutung (I69.2)
- I62.0-: Subdurale Blutung (nichttraumatisch)
- I62.1: Nichttraumatische extradurale Blutung
- Nichttraumatische epidurale Blutung
- I62.9: Intrakranielle Blutung (nichttraumatisch), nicht näher bezeichnet
- S06.-: Intrakranielle Verletzung
- Bei den Subkategorien S06.0–S06.6, S06.8 und S06.9 ist ein Bewusstseinsverlust mit einer zusätzlichen Schlüsselnummer aus S06.7-! zu verschlüsseln.
- S06.4: Epidurale Blutung
- Epidurales [extradurales] Hämatom
- Extradurale Blutung (traumatisch)
- S06.7-!: Bewusstlosigkeit bei Schädel-Hirn-Trauma
- I69.-: Folgen einer zerebrovaskulären Krankheit
- I69.2: Folgen einer sonstigen nichttraumatischen intrakraniellen Blutung
- G95.-: Sonstige Krankheiten des Rückenmarkes
- Exklusive: Myelitis (G04.‑)
- G95.1-: Vaskuläre Myelopathien
- G95.10: Nichttraumatische spinale Blutung, Hämatomyelie
- G95.2: Rückenmarkkompression, nicht näher bezeichnet
- G97.-: Krankheiten des Nervensystems nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert
- G97.82: Postoperative epidurale spinale Blutung
- S34.-: Verletzung der Nerven und des lumbalen Rückenmarkes in Höhe des Abdomens, der Lumbosakralgegend und des Beckens
- S34.0: Kontusion und Ödem des lumbalen Rückenmarkes [Conus medullaris]
- S34.1-: Sonstige Verletzung des lumbalen Rückenmarkes
- S34.2-: Verletzung von Nervenwurzeln der Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins
- S34.3-: Verletzung der Cauda equina
- S35.8-: Verletzung sonstiger Blutgefäße in Höhe des Abdomens, der Lumbosakralgegend und des Beckens
- S35.80: Verletzung epiduraler Blutgefäße in Höhe des Abdomens, der Lumbosakralgegend und des Beckens
- S39.-: Sonstige und nicht näher bezeichnete Verletzungen des Abdomens, der Lumbosakralgegend und des Beckens
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.