Zusammenfassung
Unter dem Begriff „benignes Prostatasyndrom“ (BPS) werden Miktionsstörungen des unteren Harntraktes zusammengefasst, die durch eine benigne Prostatavergrößerung mit Blasenauslassobstruktion verursacht werden. Gekennzeichnet ist das Syndrom durch Blasenentleerungsstörungen (obstruktiv) und Blasenspeicherstörungen (irritativ) in unterschiedlichem Ausprägungsgrad bei Männern insb. nach dem 60. Lebensjahr. Bis vor Kurzem wurde vom Krankheitsbild der benignen Prostatahyperplasie gesprochen, durch das jedoch streng genommen nur die rein histopathologische Diagnose beschrieben wurde, welches nicht zwingend mit Symptomen einhergehen muss. Dementsprechend hat sich die Terminologie assoziierter Symptome und Diagnosen erweitert und findet zunehmend mehr Anwendung in Literatur und Leitlinien.
Weshalb die Prostata im Alter an Volumen zunimmt, ist nicht abschließend geklärt. Symptome wie Pollakisurie, Nykturie, Harnstrahlabschwächung und das Gefühl, die Harnblase nicht vollständig entleeren zu können, führen die Patienten zur ärztlichen Untersuchung. Die Diagnostik umfasst neben einer Basisdiagnostik (z.B. digital-rektale Untersuchung, PSA-Wert-Bestimmung) eine erweiterte Diagnostik (z.B. Uroflowmetrie, Miktionszystourethrografie, i.v. Urografie) und hat die Aufgabe, eine zielgerichtete Therapie des BPS zu ermöglichen, um die Lebensqualität des Patienten schnell wiederherzustellen und krankheitsbezogenen Komplikationen vorzubeugen. Medikamentös kann symptomatisch (Phytotherapeutika, Alphablocker) und progressionshemmend (5α-Reduktase-Hemmer, Muskarinrezeptorantagonisten und/oder Phosphodiesterase-V-Inhibitoren) therapiert werden. Bei sich verschlechternder Symptomatik kommen operative (meist transurethrale) Therapien oder Laserverfahren zum Einsatz.
Definition
- Benignes Prostatasyndrom : Überbegriff für die pathophysiologischen Zusammenhänge zwischen Beschwerden des unteren Harntrakts (LUTS), Prostatavergrößerung (BPE) und Blasenauslassobstruktion (BOO bzw. BPO)
- Lower urinary Tract Symptoms (LUTS): Miktionsbeschwerden (siehe: Symptome des benignen Prostatasyndroms)
- Benigne Prostatahyperplasie (BPH): Histologisch zugrunde liegende Gewebeveränderung
- Benign prostatic Enlargement (BPE): Prostatavergrößerung >30 cm3 bzw. mL
- Bladder Outlet Obstruction (BOO): Urodynamisch gesicherte Blasenauslassobstruktion
- Benign prostatic Obstruction (BPO): Durch BPE verursachte BOO
Epidemiologie
- Prävalenz
- Häufigste urologische Erkrankung des Mannes in den westlichen Industrienationen
- Zunahme der Häufigkeit ab dem 50. Lebensjahr [1]
- Progress bei Männern >50 Jahre innerhalb von 5 Jahren [2]
- LUTS-Verschlechterung (IPSS >4): 18,5%
- Harnverhalt: 2,4%
- Gesamtprogression (LUTS, Harnverhalt, operativ): 27%
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Unklare Genese, ein Zusammenspiel folgender Faktoren wird diskutiert:
- Androgene: Umwandlung von Testosteron zu Dihydrotestosteron (DHT) → Wachstumsreiz der Prostata im Bereich der Übergangszone↑
- Östrogene: Verschiebung des Testosteron/Östrogen-Verhältnisses zugunsten des Östrogens mit zunehmendem Alter
- Vermehrte Ausschüttung von Wachstumsfaktoren in der Prostata und Inhibition der Apoptose
- Zu starke Vermehrung von Prostatastammzellen
- Familiäre Disposition
- Risikofaktoren
- Adipositas
- Metabolisches Syndrom (erhöhtes abdominelles Fett, erhöhte Plasmaglucose, niedriges HDL-Cholesterin) [3]
- Fortgeschrittenes Alter
Pathophysiologie
- Obstruktive und irritative Miktionsstörungen [4]
- Blasenentleerungsstörung : Volumenzunahme der Prostata → Subvesikale Obstruktion → Erhöhter Miktionswiderstand → Detrusorhypertrophie und erhöhter Miktionsdruck → Mögliche Ausbildung von (Pseudo‑)Divertikeln der Harnblase → Funktioneller Restharn → Dilatation der glatten Muskelfasern des Detrusors → Detrusorinsuffizienz
- Blasenspeicherstörung : Reizerscheinung der Blase und des Blasenhalses durch Volumenzunahme der Prostata → Inadäquate Blasenentleerung → Schnelleres Erreichen der max. Blasenkapazität → Verstärkter Harndrang und Pollakisurie → Detrusorhypertrophie
Pathologie
-
Wachstum von Epithelzellen und Drüsengewebe periurethral sowie in der Transitionszone der Prostata [5]
- Hyperplasie des Prostatagewebes, zusätzlich partielle Hypertrophie
- Zunahme glatter Muskelzellen im Interstitium
- Weiteres zum makroskopischen und mikroskopischen Aufbau der Prostata siehe auch: Prostata, Bläschendrüse und Cowper-Drüse
Ein Prostatakarzinom kann auch nach der Resektion einer Prostatahyperplasie auftreten, da der Entstehungsort beider Erkrankungen meist in unterschiedlichen Bereichen der Prostata liegt: BPH in der Übergangszone (Transitionszone), Prostatakarzinom in der peripheren Zone!
Zum Vergleich: Normalbefunde
Symptomatik
Folgende Miktionsbeschwerden (LUTS) werden im Rahmen des benignen Prostatasyndroms unterschieden:
- Irritative Symptome (bei Blasenspeicherstörung)
- Obstruktive Symptome (bei Blasenentleerungsstörung)
- Verzögerter Miktionsbeginn
- Abgeschwächter Harnstrahl
- Unterbrochener Harnstrahl („Stakkatomiktion“)
- „Nachträufeln“
- Verlängerte Miktionszeit
- Restharngefühl
- lschuria paradoxa (ständiges Tröpfeln bei Überlaufinkontinenz möglich)
- Komplikationen/Postmiktionssymptome
- Rezidivierende Infekte
- Harnverhalt
- Harnblasensteine
- Blasendivertikel bzw. Pseudodivertikel
- Akute Niereninsuffizienz
- Chronische Niereninsuffizienz
Stadien
Die Bedeutung der Stadieneinteilung nach Alken hat sich nach Einführung der neuen Nomenklatur des benignen Prostatasyndroms gewandelt. Sie wird jedoch häufig noch im klinischen Alltag und in der Literatur verwendet und ist daher der Vollständigkeit halber hier aufgeführt.
Veraltet: Stadieneinteilung nach Alken [5]
BPH-Stadium I | Reizstadium |
|
---|---|---|
BPH-Stadium II | Restharnstadium |
|
BPH-Stadium III | Dekompensationsstadium |
|
Diagnostik
Basisdiagnostik
Anamnese
- Allgemeine Anamnese
- Chronische Erkrankungen
- Medikamentenanamnese
- Stuhlunregelmäßigkeiten
- Sexualfunktion
- Traumen
- Operationen im Becken
- Miktionsanamnese: International Prostate Symptom Score (IPSS)
- Durchführung: Erfassung des Ausprägungsgrades des benignen Prostatasyndroms bzw. des Einflusses auf die Lebensqualität anhand häufiger Symptome
- Interpretation: Entscheidungshilfe für eine Therapieindikation sowie Verlaufs- und Erfolgskontrolle einer Behandlung
- 0–7 Punkte: Milde Symptomatik → Verlaufsbeobachtung
- 8–19 Punkte: Mittlere/moderate Symptomatik → Zeitnahe Behandlung
- 20–35 Punkte: Schwere Symptomatik → Dringender Handlungsbedarf
- Siehe auch: Link zum Fragebogen unter Tipps & Links
Körperliche Untersuchung
- Untersuchung des Genitals zum Ausschluss von
- Phimose
- Meatusstenose
- Peniskarzinom
- Orientierende urologisch-neurologische Untersuchung
- Ausschluss einer neurogenen Blasenentleerungsstörung
- Prüfung der Sensibilität und der Reflexe des Genitalbereichs
- Digital rektale Untersuchung
Apparative Diagnostik
Für detaillierte Informationen zu den Grundlagen der apparativen Diagnostik siehe: Apparative Diagnostik der Urologie.
- Sonografie
- Beurteilung der
- Ausschluss bzw. Nachweis folgender Befunde
- Balkenblase (oder Trabekelblase): Balkenartige Detrusorhypertrophie ggf. mit Pseudodivertikeln
- Blasensteine
- Blasentumoren
- Transrektaler Ultraschall (TRUS)
- Goldstandard
- Beurteilung von
- Ausschluss von
- Zysten
- Abszessen
- Uroflowmetrie: Objektivierung eines abgeschwächten Harnstrahls anhand des Miktionsverlaufs und der max. Harnstrahlstärke (Qmax)
Laboruntersuchung
- Urindiagnostik
-
Urinstatus: Zum Ausschluss von Harnwegsinfekten, Hämaturie, Glucosurie
- Makrohämaturie: Kann durch Pressen beim Wasserlassen und Platzen einer von der vergrößerten Prostata gestauten Vene auftreten
- Urinsediment: Ggf. Eiweiß positiv
- Urinkultur: Nur bei speziellen Fragestellungen
-
Urinstatus: Zum Ausschluss von Harnwegsinfekten, Hämaturie, Glucosurie
- Kreatinin im Serum
- PSA-Wert
- Evaluation und Verlaufskontrolle des Prostatavolumens und -wachstums
- Evaluation eines Prostatakarzinoms vor operativer Intervention
Bestimmung des PSA-Wertes nur nach Rücksprache und Aufklärung des Patienten über mögliche therapeutische Konsequenzen! [6]
Eine Verfälschung des PSA-Wertes durch Infekte muss über eine Blut- und Urinuntersuchung ausgeschlossen werden. Rektale Manipulationen (z.B. digital-rektale Untersuchung) sollten vor Abnahme des PSA-Wertes nicht stattgefunden haben!
Fakultative Diagnostik
Nicht-apparative Diagnostik
- Miktionsprotokoll (Blasentagebuch): Anzahl, Menge, Uhrzeit, zusätzliche Trinkmenge, Harndrang, Stärke des Harnstrahls, Inkontinenz, Vorlagentest
Apparative Diagnostik
Für detaillierte Informationen zu den Grundlagen der apparativen Diagnostik siehe: Apparative Diagnostik der Urologie
- Urodynamik: Zum Ausschluss einer neurogenen Blasenentleerungsstörung
- Miktionszysturethrogramm: Zum Ausschluss einer Harnröhrenstriktur, Visualisierung von Divertikelbildung
- Ausscheidungsurogramm
- Indikationen
- Hämaturie
- Rezidivierende Harnwegsinfektionen
- Unklare sonografische Befunde
- Mögliche Befunde
- Korbhenkelphänomen (syn. Angelhakenphänomen)
- Harnstauungsnieren mit Megaureteren
- Indikationen
- Urethrozystoskopie
- Ausschluss von urethralen Stenosen, Blasenhalsstenose, Blasentumor
- Beurteilung des Sphinktertonus
Differenzialdiagnosen
- Prostatakarzinom
- Neurogene Blasenentleerungsstörungen
- Chronische Prostatitis
- Chronisches Beckenschmerzsyndrom
- Urethrastriktur
- Blasenhalssklerose
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Allgemein
- Auswahl des Therapieverfahrens
-
Wahl des Therapieverfahrens richtet sich nach Leidensdruck (siehe auch: International Prostate Symptom Score), klinischem Bild und Risiko der Progression des BPS
- Risikofaktoren für eine Progression
- Zunehmendes Alter
- Ausgeprägte Symptomintensität
- Volumen der Prostata (bzw. Höhe des Serum-PSA)
- Geringe max. Harnflussrate
- Hohe Restharnmenge
- Risikofaktoren für eine Progression
-
Wahl des Therapieverfahrens richtet sich nach Leidensdruck (siehe auch: International Prostate Symptom Score), klinischem Bild und Risiko der Progression des BPS
- Therapiemöglichkeiten
- Kontrolliertes Abwarten (bei geringem Leidensdruck des Patienten)
- Medikamentöse Therapie (bei starkem Leidensdruck des Patienten)
- Operative Therapie (bei Vorliegen einer absoluten OP-Indikation)
- Therapieziel
- Primär: Rasche Symptomreduktion und Verbesserung der Lebensqualität
- Langfristig: Hemmung der BPS-Progression
Konservative Therapie [1][5]
Kontrolliertes Abwarten
- Indikationen
- Mäßige Beschwerden und geringer Leidensdruck des Patienten (IPSS <8)
- Geringes Progressionsrisiko
- Maßnahmen: Änderungen des Lebensstils , ggf. Medikamentenanpassung, Reduktion des Körpergewichts, Entspannungsübungen [7]
- Kontraindikation: Restharn >100 mL, absolute Operationsindikationen
Medikamente [1][5][6][8]
- Indikation
- Subjektive Beschwerden und stärkerer Leidensdruck des Patienten (IPSS ≥8)
- Progressionsrisiko des BPS
- Medikamente: Die Auswahl der Medikamente richtet sich nach der führenden Symptomatik
- Bei Entleerungsstörungen
- α1-Blocker, bspw. Tamsulosin
- 5α-Reduktase-Hemmer, bspw. Finasterid
- PDE-5-Inhibitoren
- Bei Speicherstörungen
- Bei Entleerungsstörungen
α1-Blocker
- Spezielle Indikation: Symptomatische Therapie, Entleerungsstörungen (keinen Einfluss auf das Prostatavolumen), Harnverhalt
- Wirkstoffe
- Alfuzosin hydrochlorid
- Tamsulosin hydrochlorid
- Doxazosin mesilat
- Nebenwirkungen
- Wirkmechanismus:Reduzierung des Gewebetonus durch Hemmung der Noradrenalin-vermittelten Kontraktion der glatten Muskelzellen der Prostata und des Harnblasenauslasses [1]
- Wirkungseintritt: Innerhalb von wenigen Tagen/Wochen
- Reevaluation der Therapie: Nach 4 Wochen
5α-Reduktase-Hemmer (5-ARI)
- Spezielle Indikation
- Prostatavolumen ab 30–40 mL [5]
- Symptomreduktion und Reduktion des Progressionsrisikos des BPS
- Wunsch nach konservativer Langzeittherapie und Kontraindikationen für eine Operation
- Wirkmechanismus: Hemmung der Umwandlung von Testosteron zu Dihydrotestosteron als selektiver kompetitiver Inhibitor der 5α-Reduktase → Wachstumsreiz↓→ Induktion der Apoptose in den Epithelzellen der Prostata → Reduktion des Prostatavolumens → Symptomreduktion und Progressionshemmung
- Wirkungseintritt: Nach 3–6 Monaten, Empfehlung zur Langzeittherapie (>1 Jahr)
- 5-ARI-Typen [4]
- Nebenwirkungen
- Sexuelle Funktionsstörungen (erektile Dysfunktion, Libidoverlust, reduziertes Ejakulatvolumen)
- Gynäkomastie (jedoch kein erhöhtes Brustkrebsrisiko)
- Psychische Störungen/Demenz
- Wirkstoffe
- Finasterid
- Dutasterid
- Wirkung: Reduktion des Prostatavolumens um 18–28% sowie Reduktion des freien PSA-Levels um 50%
5α-Reduktase-Hemmer führen zu einer Abnahme des PSA-Wertes. Im Rahmen des Prostatakarzinomscreenings unter 5-ARI-Therapie ist der PSA-Wert nur bedingt aussagekräftig! Eine PSA-Wert-Bestimmung vor Therapiebeginn wird empfohlen.
Phosphodiesterase-V-Inhibitoren
- Spezielle Indikation: Mittlere bis starke LUTS mit/ohne erektile Dysfunktion [9][10]
- Wirkmechanismus: Steigerung des intrazellulären cGMP → Reduktion des Muskeltonus der glatten Muskelzellen von Detrusor, Prostata und Corpus cavernosum
- Wirkstoffe: Tadalafil (Cialis®) , Sildenafil (Viagra®), Vardenafil (Levitra®)
- Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Flush, Farbsehstörungen, verstopfte Nase, Dyspepsie
- Kontraindikation: Bei schwerer Herzinsuffizienz, instabiler KHK und kürzlich erlittenem Herz- bzw. Schlaganfall
Eine Kombination von Phosphodiesterase-V-Inhibitoren mit Nitraten und NO-Donatoren würde zu einem starken Blutdruckabfall führen und ist daher unbedingt zu vermeiden!
Anticholinergika
- Spezielle Indikation: Symptomreduktion (insb. bei überaktiver Blase ohne relevante infravesikale Obstruktion)
- Kontraindikation: Signifikante BPO (Restharn >150 mL) , Engwinkelglaukom
- Wirkmechanismus: Kompetitive Blockade von Acetylcholin an den muskarinischen Acetylcholinrezeptoren → Parasympathikuswirkung↓ → Detrusorkontraktion↓ und Sphinkterrelaxation↑
- Wirkstoffe
- Fesoterodin
- Darifenacin, Oxybutynin, Propiverin, Solifenacin, Tolterodin, Trospiumchlorid
- Nebenwirkungen: Mundtrockenheit, Obstipation, Harnverhalt, kognitive Störungen, Schwindel (langsame Dosissteigerung , engmaschigere Kontrollen und relative Kontraindikation bei älteren multimorbiden Männern)
- Siehe auch: Dranginkontinenz für Details zur medikamentösen Therapie mit Anticholinergika
β3-Adrenozeptor-Agonist [8]
- Spezielle Indikation: Gesteigerte Miktionsfrequenz und Drangsymptomatik
- Wirkmechanismus: Relaxation der glatten Muskulatur (Erhöhung von cAMP) der Harnblase mit folglicher Vergrößerung der funktionellen Harnblasenkapazität
- Wirkstoff: Mirabegron (Betmiga®)
- Nebenwirkungen: Tachykardie, Vorhofflimmern, Harnwegsinfektionen, Hypertonie, Gastritis, Ödeme, Pruritus
Medikamentöse Kombinationstherapien [11][12]
- Kombination günstiger Effekte: Symptomreduktion sowie Verringerung des Progressionsrisikos
- Alphablocker und 5α-Reduktase-Hemmer
- Indikation: Reduktion von Symptomatik und Progression
- Alphablocker und Anticholinergika
- Indikation: Reduktion von Speicher- und Entleerungssymptomen im Sinne eines Overactive-Bladder-Syndroms
- Wirkungssteigerung (15–20%) im Vergleich zur Alphablocker-Monotherapie
- Keine Langzeitdaten vorhanden
- Alphablocker und Phosphodiesterase-V-Inhibitoren
- Besserung von IPSS, erektiler Dysfunktion und Qmax (im Vergleich zu Alphablockern alleine)
- Keine Zulassung: Anwendung bislang nur in Studien
- 5α-Reduktase-Hemmer und Phosphodiesterase-V-Inhibitoren
- Indikation: Mittleren bis schweren Symptomatik und Prostatavolumen >40 mL
- 66% reduziertes Progressionsrisiko vs. Placebo
- Effektiver als Monotherapie
- Keine Zulassung: Anwendung bislang nur in Studien
Keine Kombination von α1-Blockern mit anderen Alpharezeptorblockern im Rahmen einer Hypertonietherapie! [5]
Phytotherapie [5][6]
- Substanzen: Bspw. Sägepalmenextrakt, Kürbiskerne oder Brennnesselwurzel
- Wirkung: Kurzfristige Symptomlinderung möglich [12]
Keine Empfehlung zur Phytotherapie in der Leitlinie bei bisher mangelnder Evidenz für eindeutige Wirksamkeit! [6]
Operative Therapie [5][6]
OP-Indikationen
- Absolute OP-Indikationen
- Rezidivierender Harnverhalt
- Rezidivierende Harnwegsinfektionen
- Konservativ nicht beherrschbare, rezidivierende Makrohämaturien
- Harnblasenkonkremente
- Dilatation des oberen Harntraktes, eingeschränkte Nierenfunktion oder Niereninsuffizienz durch Bladder Outlet Obstruction
- Relative OP-Indikationen
- Unzureichende Symptomlinderung durch medikamentöse Therapie
Empfohlene Verfahren [6]
Transurethrale Resektion der Prostata (TUR-P)
- Indikation
- Prostatavolumen bis ca. 80 mL
- Keine Antikoagulation
- Wirkung [4][6]
- Verbesserung des Harnstrahls (Qmax): +162%
- Verbesserung des IPSS: -70%
- Reduktion des Restharns: -77%
- Nebenwirkung
- Retrograde Ejakulation aufgrund weiter Prostataloge mit offenstehendem Harnblasenhals
- Ejakulatorische Dysfunktion (65%), erektile Dysfunktion (10%), Harnröhrenstrikturen (7%), Harninkontinenz (3%), Re-Intervention pro Jahr (1%), Transfusionsbedarf [13]
- Komplikation: TUR-Syndrom
- Symptome: Unruhe, Kopfschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Lungenödem, Kreislaufschock
- Pathologie: Lange OP-Dauer und/oder große Wundfläche → Resorption der elektrolytfreien Spülflüssigkeit → Entstehung von Hyponatriämie und Hypervolämie (hypotone Hyperhydratation)
- Siehe auch: Hyponatriämie - Therapie
- Siehe auch: TUR-Prostata GeSRU-Operationsvideos
Weitere transurethrale (bzw. transrektale) Verfahren
- Transurethrale Inzision der Prostata (TUIP)
- Indikation: Kleines Prostatavolumen und enger Blasenhals
- Durchführung: Desobstruktion durch Inzision des Prostatagewebes und des Harnblasenhalses (bei 4 und 8 Uhr)
- Ergebnis: Verminderte postoperative retrograde Ejakulation
- Mikrowellentherapie (MT)
- Indikation: Wie TUR-P, auch bei erhöhter Komorbidität, seltenes Verfahren
- Verfahren
- Transurethral (TUMT)
- Transrektal (TRMT)
- Durchführung: Lokale Applikation von Mikrowellen (900–1300 MHZ) über Spezialkatheter → Erhitzung der Prostata auf 70 °C (gleichzeitige Kühlung der Urethramukosa auf <44 °C) → Symptomreduktion durch lokale Nekrose und Apoptose des Adenoms
- Ergebnis: Gute Symptomlinderung, Risiko eines Harnverhalts, nicht selten Therapieversager
- Transurethrale Nadelablation der Prostata (TUNA)
- Indikation: Wie TUR-P, auch bei erhöhter Komorbidität, seltenes Verfahren
- Durchführung: TRUS-gesteuertes Einführen von Sonden in die Prostata zur lokalen Mikrowellenapplikation → Nekrose
- Ergebnis: Ambulantes Verfahren in Lokal- bzw. Spinalanästhesie, hohes Risiko eines Harnverhalts, spätes Ergebnis durch Nekrose
Transurethrale Laseroperationen
- Indikation: Bei guter Expertise der operierenden Person unabhängig vom Volumen
- Wirkmechanismus
- Laserenukleation: Lösen des hyperplastischen Gewebes apexnah, entlang der Pseudokapsel → Luxation in die Harnblase und Zerkleinerung mittels Morcellator (Gewebefragmentierer) → Histologische Untersuchungen des Prostatagewebes
- Laservaporisation: Einführung der Lasersonde bis vor das zu entfernende Gewebe → Gleichzeitige Verdampfung und Koagulation durch hohe Energiedichte
- Laserablation: Einführung der Lasersonde in das zu entfernende Gewebe → Induktion lokaler Gewebsnekrosen → Symptomlinderung mit zeitlicher Verzögerung
- Laservaporesektion: Abtragung kleinerer Gewebsfragmente und Verödung der Schnittfläche → Histologische Untersuchungen der Gewebsfragmente (kein Morcellator notwendig)
- Holmium-Laser: Schneidender gepulster Laser
- Verfahren
- Enukleation (HoLEP)
- Ablation (HoLAP)
- Indikation: Unabhängig vom Prostatavolumen
- Vorteil
- Siehe auch: TUR-Prostata GeSRU-Operationsvideos
- Verfahren
- Thulium-Laser
- Schneidender Dauerstrahler-Laser
- Enukleation (ThuLEP) / Vaporisation (ThuVAP) / Vaporesektion (ThuVARP)
- Indikation: Unabhängig vom Prostatavolumen
- Vorteil
- Greenlight-Laser
Prostataarterienembolisation
- Indikation: Rezidivierende Makrohämaturie und Miktionsbeschwerden bei Kontraindikation für eine operative Therapie bzw. expliziter Patientenwunsch
- Technik: Angiografie mit supraselektiver Embolisation der A. vesicales inferior bds.
Offen-operative Verfahren
- Offene Prostataadenomenukleation [4]
- Indikationen
- Prostatavolumen >75 mL
- Große Blasendivertikel
- Große Harnblasensteine
- Komplexe Harnröhrenerkrankungen (bspw. Z.n. Hypospadiekorrektur)
- Lagerungstechnische Probleme
- Verfahren
- Transvesikale Adenomenukleation nach Freyer bzw. Harris-Hryntschak
- Retropubische Adenomektomie nach Millin
- Indikationen
Die operative Versorgung eines benignen Prostatasyndroms schließt eine spätere Prostatakarzinomentwicklung nicht aus, da Gewebereste im Körper verbleiben!
Bei nahezu allen operativen Maßnahmen kommt es nach der Operation dauerhaft zur retrograden Ejakulation in die Harnblase im Zuge der anatomischen Veränderung!
Neue minimal-invasive Therapien
- Therapieziele bzw. -vorteile
- Erhalt der sexuellen Funktion
- Erhalt der antegraden Ejakulation
- Ambulante Verfahren in Lokalanästhesie
Verfahren
- Intraprostatische Injektion
- Indikation
- Durchführung
- Transperineale intraprostatische Injektion
- In Lokalanästhesie
- Wirkstoffe
- Botulinumtoxin A (BoNT-A)
- Alternativ: NX-1207 oder PRX302
- Mechanische Verfahren
- Urolift®: Permanentes transprostatisches Retraktoren-Implantat
- Indikationen: Prostatavolumen <70 mL, kleiner Mittellappen, führende Entleerungsstörungen, Wunsch nach Erhalt der sexuellen Funktion
- Wirkung: Partielle Desobstruktion vom Blasenauslass bis hin zum Colliculus seminalis
- iTND®: Temporäres transprostatisches Implantat
- Indikation
- Wunsch nach Erhalt der sexuellen Funktion
- Leichte bis mittlere LUTS
- Relative Kontraindikation: Großer Mittellappen, vorherige Operationen der Prostata
- Wirkung: Erzeugt lokale Drucknekrosen und somit Gewebedestruktion am Blasenhals
- Entfernung: Nach 5–7 Tagen
- Indikation
- Urolift®: Permanentes transprostatisches Retraktoren-Implantat
- Ablative Techniken
- REZUM®
- Indikation: Prostatavolumen <80 mL
- Durchführung: Konvektive Wasserdampfenergie führt zu thermischen Zellnekrosen
- Vorteile: Ambulantes Verfahren in Analgosedierung, bei großem Mittellappen möglich
- Nachteil: Aktuell keine randomisierten Studien mit klinischen Langzeitergebnissen
- Aquablation (AquaBeam®)
- Indikation: Leichte bis mittlere LUTS
- Durchführung: Abtragung durch Hochdruckstrahl mit Kochsalzlösung
- Vorteile: Computergestützter Führung, hitzefrei, vergleichbare Wirksamkeit zur TUR-P, geringes Risiko sexueller Beeinträchtigung
- Nachteile: Hohes Nachblutungsrisiko, bisher keine Langzeitergebnisse vorhanden
- REZUM®
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- N40: Prostatahyperplasie
- Inklusive: Adenofibromatöse Prostatahypertrophie
- Niedriggradige intraepitheliale Neoplasie der Prostata [low-grade PIN] Prostatahypertrophie (gutartig)
- Prostatavergrößerung (gutartig)
- Querbarre am Harnblasenhals (Prostata)
- Verschluss der prostatischen Harnröhre o.n.A.
- Exklusive: Gutartige Neubildungen der Prostata (D29.1), Hochgradige intraepitheliale Neoplasie der Prostata [high-grade PIN] (D07.5)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.