Zusammenfassung
Die Aortendissektion stellt als hochakutes und lebensbedrohliches Krankheitsbild die maximale Ausprägung des akuten Aortensyndroms (AAS) dar. Der Begriff des akuten Aortensyndroms umfasst neben der akuten Aortendissektion (AAD) das intramurale Aortenhämatom (IMH) sowie das penetrierende Aortenulkus (PAU). Bei allen Ausprägungsgraden des akuten Aortensyndroms handelt es sich um relativ seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Krankheitsbilder mit einer hohen Letalität. Die Aortendissektion beschreibt im engeren Sinne die Aufspaltung der aortalen Gefäßwand, die durch den Einriss der Intima mit nachfolgender Einblutung in die Media und durch die Ausbildung eines falschen Lumens entsteht. Das Aortenulkus ist eine meist auf dem Boden einer arteriosklerotischen Plaque entstehende Ruptur bzw. Ulzeration der Intima. Das Aortenhämatom wird auf die Ruptur innerhalb der Aortenwand befindlicher Gefäße zurückgeführt. Zu den wichtigsten Risikofaktoren gehören die langjährige Hypertonie, Arteriosklerose sowie genetisch bedingte Veränderungen.
Klinisch typisch ist ein plötzlich einsetzender Vernichtungsschmerz, der in Thorax, Rücken oder Abdomen ausstrahlt. Darüber hinaus kann es zur Verlegung abgehender Gefäße und entsprechenden Ischämien (z.B. Hirninfarkt, Myokardischämie oder abdominelle Organischämien) kommen. Eine weitere gefürchtete und zumeist letale Komplikation ist die Ruptur der Aorta. Diagnostisch liefert die CT-Untersuchung mit Kontrastmittel im Verdachtsfall schnell wegweisende Ergebnisse. Während bei Beteiligung der Aorta ascendens bzw. des Aortenbogens eine unverzügliche Notfall-OP erfolgen muss, können bei Dissektion der deszendierenden Aorta je nach Ausprägung ein interventioneller Aortenersatz oder selten auch eine rein konservative Therapie erfolgen.
Definition
Definition der „klassischen“ Aortendissektion
Bei der Aortendissektion kommt es aufgrund einer Einblutung in der Aortenwand zu einer Spaltung der Gefäßwand mit Bildung eines neuen Kanals zwischen den Gefäßwandschichten, der ggf. distal wieder in das Arterienlumen einmündet.
Akutes Aortensyndrom (AAS) [1]
- Definition: Klinische Notfallsituationen mit ähnlicher Symptomatik, bei denen eine Störung der Wandintegrität der Aorta besteht
- Intramurales Hämatom (IMH): Einblutung aus Vasa vasorum in die aortale Media mit Ausbildung eines Hämatoms in der Aortenwand, aber ohne Bildung eines zweiten Lumens oder Intimaeinriss
- Penetrierendes Aortenulkus (PAU)
- Entsteht durch Ruptur/Ulzeration einer arteriosklerotischen Plaque → Eindringen von Blut aus dem Aortenlumen in die Media möglich
- Akute Aortendissektion (AAD): Auftrennung der Aortenwandschichten durch Einblutung in die Media und Ausbildung eines wahren und eines falschen Lumens
- Akute Aortenverletzungen (AAV)
- Traumatische Aortenverletzung
- Iatrogene Aortenverletzung
- Aortenruptur
Übersicht weiterer Aortenerkrankungen
- Aortenaneurysma (→ siehe auch Kapitel Aneurysma und Aortenaneurysma und Aneurysma spurium)
- Arteriosklerose: Ausbildung von Plaques und Verkalkungen
- Entzündliche Erkrankungen: Bspw. Riesenzellarteriitis, Takayasu-Arteriitis, Morbus Behçet, ankylosierende Spondylitis
- Angeborene Fehlbildungen der Aorta bzw. des Aortenbogens: Bspw. die Aortenisthmusstenose
Epidemiologie
- Akute Aortendissektion:
- Häufigkeit: ca. 3/100.000 pro Jahr [2]
- Alter: >50 Jahre (Ausnahme ist das Marfan-Syndrom → Häufigkeitsgipfel: 30. Lebensjahr)
- Geschlechterverteilung: ♂ > ♀ (3:1)
- Lokalisation
- Aorta ascendens: Ca. 65%
- Aortenbogen: Ca. 5–10%
- Aorta descendens : Ca. 20–25%
- Aorta abdominalis: Ca. 5–10%
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Risikofaktoren
- Grunderkrankungen/ lebensstilbezogene Faktoren
- Arterielle Hypertonie
- Arteriosklerose
- Aneurysmata der Aorta
- Amphetamin-/Kokainabusus
- Inflammation der Aorta
- Vaskulitis mit Beteiligung der Aorta (z.B. Lues, Takayasu-Arteriitis)
- Mukoide mikrozystische Degeneration der Media (Medianekrose Erdheim-Gsell)
- Iatrogen: Zustand nach Operation mit Eröffnung der Aorta
- (Dezelerations‑)Trauma: Bspw. Verkehrsunfall oder Sturz aus großer Höhe
- Genetisch/erblich bedingte Veränderungen
- Bindegewebserkrankungen wie Marfansyndrom oder Ehlers-Danlos-Syndrom vom vaskulären Typ
- Ullrich-Turner-Syndrom
- Bikuspide Aortenklappe
- Loeys-Dietz-Syndrom
- Arterial-Tortuosity-Syndrom
- Aneurysma-Osteoarthritis-Syndrom
- Nicht-syndromale familiäre Formen des thorakalen Aortenaneurysmas/Dissektion (positive Familienanamnese!) [1]
Klassifikation
Klassifikation des akuten Aortensyndroms [1]
- Klasse 1: Klassische Aortendissektion mit wahrem und falschem Lumen
- Klasse 2: Intramurales Hämatom
- Klasse 3: Aortendissektion mit Vorwölbung der Aortenwand
- Klasse 4: Penetrierendes Aortenulkus nach Plaqueruptur
- Klasse 5: Iatrogene oder traumatische Aortendissektion
Klassifikation der Aortendissektion nach zeitlichem Aspekt
- Akute Aortendissektion: ≤14 Tage
- Subakute Aortendissektion: 15–90 Tage
- Chronische Aortendissektion: >90 Tage [1]
Stanford-Klassifikation
- Typ A: Betrifft die Aorta ascendens (unabhängig von Beginn und Ausdehnung)
- Typ B: Betrifft die Aorta descendens
- Non-A-non-B: Arcus aortae mitbetroffen („Entry“ im Arcus aortae oder Aorta descendens)
DeBakey-Klassifikation (selten verwendet)
- DeBakey-Typ I: Betrifft die Aorta ascendens und descendens sowie beliebig weitere distale Anteile
- DeBakey-Typ II: Betrifft nur die Aorta ascendens und/oder Arcus aortae
- DeBakey-Typ III: Betrifft nur die Aorta descendens
„Stanford A = Affects ascending aorta, Stanford B = Begins beyond brachiocephalic vessels“
Pathophysiologie
- Pathophysiologie
- Einriss der aortalen Intima („Entry“) → Einblutung in die Media mit Bildung eines falschen Lumens → „Wühlblutung“ führt zur Längsspaltung (also Dissektion) der Gefäßwand/Media
- Durch eine zweite Intimaläsion kann es zum Wiederanschluss („Reentry“) an das echte aortale Lumen kommen
- Mögliche Komplikationen
- Verlegung abgehender Gefäße (bspw. Koronararterien, hirnversorgende Arterien, Extremitäten-versorgende Arterien) mit Ischämie des betroffenen Gebietes
- Ruptur
- Ausbildung eines intramuralen Hämatoms möglich
Symptomatik
- Symptome der Dissektion: „Vernichtungsschmerz“, plötzlich einsetzende, stärkste (Brust‑)Schmerzen [1]
- Zusätzlich Einbeziehung des Nackens bzw. des Bereichs zwischen den Schulterblättern → Eher Verdacht auf thorakale Dissektion
-
Zusätzlich Einbeziehung des Abdomens und Rückenbereichs → Eher Verdacht auf abdominelle Dissektion
- Ggf. kann es hier auch zu periumbilikalen, kolikartigen Schmerzen durch Verlegung der Mesenterialgefäße kommen.
- Ggf. Wandern des Schmerzes durch Fortschreiten der Dissektionsmembran nach kaudal
- Symptome bei Komplikationen
- Malperfusion von Organen: Je nach Ischämiegebiet ggf. Symptome einer Myokardischämie, einer akuten Nierenschädigung, Synkope, neurologische Ausfallerscheinungen (siehe: Komplikationen der Aortendissektion)
- Bei akuter Blutung: Hämorrhagischer Schock, evtl. Reanimationspflichtigkeit
- Kardiale Symptome bei Dissektion Stanford Typ A: Symptome einer Perikardtamponade, akute Herzinsuffizienz, akute Aortenklappeninsuffizienz etc. (siehe Komplikationen der Aortendissektion)
- Siehe auch: Klinisches Management der Aortendissektion
Die Schmerzqualität wird mitunter als schneidend, reißend oder gar „wie ein Axthieb“ beschrieben. Manche Patienten berichten auch von brennenden, kolikartigen Schmerzen. Nur ein kleiner Teil der Betroffenen spricht von „wandernden Schmerzen“.
Diagnostik
Körperliche Untersuchung
- Evtl. Puls- und Blutdruckdifferenz je nach Lokalisation (A. carotis, A. subclavia, A. radialis, A. femoralis)
- Warnzeichen bei Dissektion vom Typ A nach Stanford
- Pulsdefizite der A. carotis
- Pulsus paradoxus
- Neu aufgetretenes diastolisches Strömungsgeräusch über der Aortenklappe
- Gestaute Halsvenen
- Arterielle Hypotonie
Laboruntersuchungen [1]
- D-Dimere : Insb. als Entscheidungshilfe vor Bildgebung bei Patienten mit uneindeutiger klinischer Symptomatik (siehe Klinisches Management der Aortendissektion)
- Blutbild
- Weitere Laboruntersuchungen: Insb. zur Erfassung eingetretener Komplikationen
EKG
- 12-Kanal-EKG: Ausschluss bzw. Differenzialdiagnose bez. eines Myokardinfarktes
- Siehe auch: Klinisches Management der Aortendissektion
Bildgebung [1]
Wahl der Methode
- CT-Angiografie: In den meisten Fällen Mittel der Wahl in der Akutsituation
- Darstellung der gesamten Aorta sowie schneller und sicherer Nachweis einer Dissektion inklusive Darstellung der Dissektionsmembran, Einschätzung der Beteiligung von Seitenästen, eines intramuralen Hämatoms, eines Aortenulkus etc.
- Echokardiografie: Transthorakale Echokardiografie (TTE) zur orientierenden Untersuchung proximaler Aortenabschnitte, transösophageale Echokardiografie (TEE) zur weiterführenden Diagnostik
- Transösophageale Echokardiografie (TEE): Bei Verfügbarkeit versierter Untersucher insb. beim instabilen Patienten als initiales bildgebendes Verfahren möglich
- Im TTE gute Darstellung insb. proximaler Abschnitte wie Aortenklappe und Aortenwurzel möglich
- Die Beurteilung des Aortenbogens ist in beiden Modi eingeschränkt
- Vorteile der TEE/TTE gegenüber CT/MRT
- Dopplergestützte Darstellung des Blutflusses zwischen den Lumina sowie Darstellung von Membraneinrissen möglich
- Verlaufsbeobachtung bspw. auf der Intensivstation, Einsatz bei kritisch instabilen Patienten oder auch im OP möglich
- Als gezielte Kontrolluntersuchung im stationären Setting gut geeignet
- Röntgen-Thorax: Bei niedrigem klinischen V.a. ein akutes Aortensyndrom
- Ggf. Nachweis eines verbreiterten Mediastinums
- MRT: In der Akutsituation aufgrund längerer Untersuchungszeit ungeeignet, ggf. bei stabilen Patienten und für Kontrolluntersuchungen
- Darstellung der gesamten Aorta und sicherer Nachweis einer Dissektion
- Sonografie des Abdomens: Darstellung der abdominellen Aorta
Essenzielle Informationen aus der Bildgebung
- Einschätzung der Dissektion
- Darstellung der Dissektionsmembran und der betroffenen Aortenabschnitte
- Antero- und retrograde Ausdehnung
- Ggf. Zuordnung von wahrem und falschem Lumen
- Ggf. Identifikation von Entry und Re-Entry
- Erkennen möglicher Komplikationen der Dissektion
- Aorteninsuffizienz, ggf. inklusive Schweregrad und Mechanismus
- Gestörte Organperfusion
- Perikarderguss, ggf. inklusive Ausdehnung
- Periaortale oder mediastinale Blutung als Zeichen einer (drohenden) Ruptur
- Ggf. Einschätzung eines intramuralen Hämatoms
- Aortenwandverdickung: Lokalisation und Ausdehnung
- Ggf. Einschätzung eines Aortenulkus
- Lokalisation, Länge und Tiefe
- Wanddicke der erhaltenen Aortenabschnitte
- Ggf. gleichzeitiges Vorliegen anderer aortaler Läsionen: Bspw. Aneurysmen, Plaques, entzündliche Veränderungen
Risiko-Score zur Detektion der Aortendissektion
Risikoscore zur klinischen Ersteinschätzung [1][3]
Aortendissektion-Risikoscore (ADD-RS) | |
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Durchführung |
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Anamnestische Hochrisiko-Faktoren |
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Hochrisiko-Symptome | |
Hochrisiko-Befunde |
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Schnellauswertung & Handlungskonsequenz |
Klinisches Management der Aortendissektion
Bei allen Patienten [1]
- Ausschluss eines Myokardinfarktes: Wiederholte Ableitung eines 12-Kanal-EKG und Kontrollen des Troponin, siehe Akutes Koronarsyndrom
- Vitalzeichenkontrollen: Möglichst erweitertes hämodynamisches Monitoring etablieren, mindestens regelmäßige Kontrolle von arteriellem Blutdruck, Pulsoxymetrie, Vigilanz und neurologischem Status
Weiteres klinisches Vorgehen
- Instabile Patienten und Hochrisiko-Patienten (ADD-RS >1): Als instabil gelten Patienten mit Schock, sehr stark ausgeprägten Schmerzen, Tachykardie, Tachypnoe, Hypotension und/oder Hypoxie bzw. Zyanose
- Sofortige CT-Angiografie oder/und TEE
- Umgehende Kontaktaufnahme mit der Gefäßchirurgie
- Bei Nachweis einer Aortendissektion Typ A: Not-OP (siehe auch Therapie)
- Stabile Patienten mit ADD-RS ≤1: Zielgerichtete Abklärung und Ausschlussdiagnostik mittels Untersuchung auf D-Dimere, TTE und Röntgenthorax
- D-Dimere: Negative D-Dimere sprechen gegen eine Aortendissektion
- TTE: Erlaubt eine Einschätzung der proximalen Abschnitte der Aorta und liefert ggf. Hinweise auf eine Typ-A-Dissektion
- Röntgen-Thorax: Prüfung auf das Vorliegen von Mediastinalverbreiterung, Doppelkontur der Aorta, Tracheakompression, abnormaler kardialer Kontur, linksseitigem Pleuraerguss
- Bei Hinweis auf AAS in einer der Untersuchungsmethoden: Durchführung einer CT, alternativ TEE oder MRT
- Bei unauffälligen Befunden: Andere mögliche Diagnosen bedenken, siehe Differenzialdiagnose Thoraxschmerz
Die Auswahl der geeigneten Untersuchungsmethode ist insb. vom Untersucher, der Ausstattung des Krankenhauses sowie von patientenseitigen Faktoren abhängig!
Differenzialdiagnosen
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Allgemeine Therapiemaßnahmen bei Aortendissektion
- Umgehende Kontaktaufnahme mit Herz- bzw. Gefäßchirurgie: Bei instabilen bzw. Hochrisiko-Patienten auch vor definitiver Diagnosestellung mittels Bildgebung
- Bei instabilen Patienten
- Sicherung der Atemwege: Intubation, bei Hypoxie bis zur Intubation ggf. Sauerstoffgabe bzw. Maskenbeatmung
- Erweitertes hämodynamisches Monitoring: Invasive arterielle Blutdruckmessung und ZVK-Anlage
- Einstellung von Blutdruck und Herzfrequenz: Ziel-Blutdruck ca. 100–120 mmHg systolisch, Ziel-Herzfrequenz bis 60 Schläge/min, vorzugsweise Gabe von Betablockern [4]
- Sehr kurz wirksam: Esmolol
- Länger wirksam: Metoprolol
- Für weitere Informationen siehe: Hypertensiver Notfall - Medikamentöse Therapie
- Schmerztherapie: Analgesie mit Opioiden, insb. Morphin
- Großlumige periphere Venenzugänge: Im Falle eines hohen Volumenbedarfs bei Blutung immer sinnvoll
Chirurgische Therapie
- Absolute Notfall-Indikation
- Aortendissektionen vom Typ A nach Stanford müssen zeitnah operiert werden, da unbehandelt eine sehr hohe Letalität besteht
-
Weitere Notfall-OP-Trigger
- Auftreten einer Koronarinsuffizienz
- Auftreten einer Aortenklappeninsuffizienz
- Weitere Indikationen
- Akute Aortendissektion Typ B nach Stanford: Ggf. bei komplizierter Dissektion erwägen [1] oder bei Nicht-Durchführbarkeit einer endovaskulären Intervention
- Häufiger wird bei Typ-B-Dissektionen eine endovaskuläre Aortenreparatur durchgeführt, insb. bei hohem Operationsrisiko (s.u.)
- Chronische, asymptomatische Dissektion unabhängig vom Typ: Elektive OP (eher bei Stanford A) oder eine interventionelle Therapie (eher bei Stanford B) kann erwogen werden
- Intramurales Hämatom bzw. penetrierendes Aortenulkus: Bei Typ-A-Läsion nach Stanford sollte unverzüglich eine Operation erfolgen; ebenso ist dies bei Typ-B-Läsionen zu erwägen, wenn keine geeignete interventionelle Versorgung möglich ist
- Akute Aortendissektion Typ B nach Stanford: Ggf. bei komplizierter Dissektion erwägen [1] oder bei Nicht-Durchführbarkeit einer endovaskulären Intervention
- Vorgehen und verbundene operative Risiken: Offen chirurgische Implantation einer Kunststoffprothese
- Operativer Zugang je nach Lokalisation und Ausmaß: Linkslaterale Thorakotomie, ggf. Erweiterung zur paramedianen Laparotomie, bei abdomineller Pathologie Standardlaparotomie in der Medianlinie
- Umgehung des linken Herzens unter Einsatz extrakorporaler Zirkulation und Hypothermie („Herz-Lungen-Maschine“)
- Einzellungenbeatmung während der Operation
- Anlage einer Liquordrainage [5]
- Prothesenarten
- Ersatz der Aorta ascendens
- Totaler Aortenbogenersatz
- Halbbogenersatz mit Reanastomosierung der supraaortalen Gefäßabgänge
- Sog. „Elephant-Trunk-Technik“
- Ggf. Ersatz oder Remodelling der Aortenklappe
Bei Nachweis einer Dissektion im Bereich der aszendierenden Aorta sollte die zeitnahe operative Versorgung nicht durch weitere Diagnostik verzögert werden!
Thorakale endovaskuläre Aortenreparatur (TEVAR) [1]
- Indikationsstellung
- Aortendissektion Typ B nach Stanford: Bei komplizierter und unkomplizierter Typ-B-Dissektion, insb. auch Patienten mit erhöhtem OP-Risiko (interdisziplinäre Einzelfallentscheidung!)
- Chronische Aortendissektion bei Hochrisiko-Patienten [6]
- Aortales Hämatom sowie penetrierendes Aortenulkus: Bei komplizierten Typ-B-Läsionen kann die (T)EVAR erwogen werden
- Vorgehen: Endovaskuläre Aortenreparatur
- Zugang über A. femoralis
- Einsatz eines Stentgrafts zur Abdichtung des Dissektionsbereichs
- Ggf. präventive Liquordrainage bei Patienten mit hohem Risiko für eine spinale Ischämie [7]
- Voraussetzungen
- Grundlegend immer Einzelfallentscheidung je nach individueller Pathologie, Anatomie, Grunderkrankungen, Alter etc.
- Ausreichend lange „Landezone“ im proximalen und distalen Bereich des Grafts von ca. 2 cm
- Bei Therapie von Aneurysmata: Graftdurchmesser sollte den Aortendurchmesser in der Landezone überschreiten
- Komplikationen
- Verschluss von arteriellen Abgängen
- Neurologische Ausfälle bis hin zum Querschnittsyndrom durch Ischämie des Rückenmarks [7]
- Endoleak
- Endoleak-Klassifikation
- Typ Ia: Leck im Bereich der proximalen Anheftungsstelle; Typ Ib: Im Bereich der distalen Anheftungsstelle
- Typ II: Retrograde Blutzufuhr in den Aneurysmasack über ein (IIa) oder mehrere (IIb) Seitengefäße
- Typ III: Leck durch mechanisches Versagen des Stent-Grafts (aufgrund von Separation der modularen Komponenten) (IIIa) sowie Frakturen oder Löcher im Endograft (IIIb)
- Typ IV: Leck durch die Graftabdeckung i.S. einer Graftporosität
- Typ V: Aneurysmaexpansion ohne sichtbares Leck in der Bildgebung (ggf. durch Endotension)
- Endoleak-Klassifikation
Konservative Therapie
- Indikation
- Akute Aortendissektion Typ B nach Stanford, ohne Komplikationen und mit „milder“ bis fehlender Symptomatik
- Chronische asymptomatische Aortendissektion ohne Komplikationen
- Aortenulkus und Aortenhämatom Typ B ohne Komplikationen
- Prozedere
- Initiale Therapie: Siehe Allgemeine Therapiemaßnahmen bei Aortendissektion
- Konsequente Blutdruckeinstellung: Medikamente der Wahl sind Betablocker, ggf. zusätzlich Gabe von ACE-Hemmern und/oder Vasodilatatoren
- Zielwerte <130/80 mmHg
- Behandlung weiterer Grunderkrankungen/Risikofaktoren
- Behandlung einer bestehenden Dyslipidämie
- Konsequente Einstellung bei vorhandenem Diabetes mellitus
- Lebensstilfaktoren: Ernährungsumstellung, Raucherentwöhnung
Komplikationen
Perforation bzw. Ruptur
- Akute Rücken- und Flankenschmerzen („Vernichtungsschmerz“), Schock-Symptomatik → Indikation zur Notfalloperation
- Radiologische Zeichen der drohenden Ruptur: Rasch zunehmender Durchmesser der Aorta, Vorkommen von periaortaler Flüssigkeit
Spezifische Komplikationen der Stanford-Typ-A-Dissektion
- Bei Verlegung der Koronararterien → Myokardinfarkt
- Aortenklappeninsuffizienz (neu aufgetretenes Diastolikum, Dyspnoe)
- Herzbeuteltamponade mit obstruktivem Schock
-
Ischämischer Schlaganfall durch Verlegung hirnversorgender Gefäße
- Für das Notfallmanagement des Schlaganfalls siehe auch: Schlaganfall - AMBOSS-SOP
Insb. bei jüngeren Patienten mit Schlaganfall und ausgedehntem Infarktareal in der zerebralen Bildgebung muss auch an eine Aortendissektion gedacht werden!
Gemeinsame Komplikationen Stanford-Typ-A- und B-Dissektion
Da sich die Stanford-Typ-A-Dissektion bis in die abdominelle Aorta fortsetzen kann, ergeben sich gemeinsame Komplikationen beider Dissektionstypen.
- Blutung in Thorax, Mediastinum und Abdomen
- Pleuraerguss
- Synkope
- Verlegung von Arterien mit konsekutiver Ischämie
- Truncus coeliacus, A. mesenterica superior/inferior → Akutes Abdomen, Mesenterialischämie
- Nierenarterien → Niereninsuffizienz (Oligurie, Anurie) bzw. akute Nierenschädigung
- Rückenmarksarterien → Akute Querschnittlähmung
- Für das Notfallmanagement der Querschnittlähmung siehe auch: Akutes Querschnittsyndrom - AMBOSS-SOP
- Verlegung einer Extremitätenarterie → Akute Extremitätenischämie
- Komplette Verlegung der distalen Aorta → Leriche-Syndrom
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachsorge
- Grundsätzlich [1]
- Konsequente Blutdruckeinstellung unter 130/80 mmHg siehe auch: Therapie der arteriellen Hypertonie [4]
- Statine
- Lebensstilveränderungen zur kardiovaskulären Prävention
- Bildgebung zur [1]
- Nachsorge nach offener Versorgung: Bildgebung ohne standardisierte Intervalle zur Beurteilung der Aorta
- Nachsorge nach TEVAR: Bildgebung nach 1, 6 und 12 Monaten, anschließend jährliche Bildgebung mit
- CT-Angiografie oder
- MR-Angiografie , ggf. plus Röntgen-Thorax
- Bei Niereninsuffizienz: Ggf. TEE plus Röntgen-Thorax
Prognose
- Gesamtüberleben
- 10-Jahres-Überlebensrate bei akuter Dissektion 30–60% [8]
- 30-Tage-Letalität
- Typ-A-Dissektion
- Bei konservativer Therapie 50–75%
- Mit Operation unter 20%
- Typ-B-Dissektion
- Bei endovaskulärer Therapie und komplizierter Dissektion ca. 10% [8]
- Mit Operation aufgrund von Komplikationen ca. 30%
- Typ-A-Dissektion
- Prognostisch ungünstige Faktoren: Hohes Alter, Malperfusion von Organen, Schock
Eine Typ-A-Dissektion sollte unverzüglich chirurgisch behandelt werden, eine Typ-B-Dissektion hingegen kann auch bei Komplikationen endovaskulär behandelt werden!
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 114-2020-3/3: Intensives Training assoziiert mit Aortendilatation: Risiko durch Hochleistungssport?
- Studientelegramm 14-2018-3/4: Wie erwischt man die Aortendissektion? Eine differenzialdiagnostische Herausforderung in der Notaufnahme
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- I71.-: Aortenaneurysma und -dissektion
- I71.0-: Dissektion der Aorta
- Aneurysma dissecans der Aorta
- I71.00: Dissektion der Aorta nicht näher bezeichneter Lokalisation, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.01: Dissektion der Aorta thoracica, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.02: Dissektion der Aorta abdominalis, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.03: Dissektion der Aorta, thorakoabdominal, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.04: Dissektion der Aorta nicht näher bezeichneter Lokalisation, rupturiert
- I71.05: Dissektion der Aorta thoracica, rupturiert
- I71.06: Dissektion der Aorta abdominalis, rupturiert
- I71.07: Dissektion der Aorta, thorakoabdominal, rupturiert
- I71.1: Aneurysma der Aorta thoracica, rupturiert
- I71.2: Aneurysma der Aorta thoracica, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.3: Aneurysma der Aorta abdominalis, rupturiert
- I71.4: Aneurysma der Aorta abdominalis, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.5: Aortenaneurysma, thorakoabdominal, rupturiert
- I71.6: Aortenaneurysma, thorakoabdominal, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.8: Aortenaneurysma nicht näher bezeichneter Lokalisation, rupturiert
- Ruptur der Aorta o.n.A.
- I71.9: Aortenaneurysma nicht näher bezeichneter Lokalisation, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.0-: Dissektion der Aorta
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.