Zusammenfassung
Die Organe der Thoraxhöhle sind durch den knöchernen Thorax gut geschützt. Bei operativen Eingriffen am Thorax muss dennoch die Zielstruktur erreicht werden. Bei der Wahl eines geeigneten Zugangsweges sind daher Kenntnisse der Anatomie und der Vor- und Nachteile der einzelnen Zugänge elementar. So kann der Thorax von der Mitte über eine Sternotomie, von vorne oder von hinten eröffnet werden. Auch bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand nach penetrierendem Thoraxtrauma kann in Ausnahmefällen eine Notfallthorakotomie indiziert sein, meist zur Entlastung einer Perikardtamponade. Beim abschließenden Verschluss der Thoraxwand ist besonders auf ein gefäß- und nervenschonendes Vorgehen (bspw. durch das Anlegen von Transkostalnähten) zu achten, um Komplikationen wie Nachblutungen oder das Post-Thorakotomie-Syndrom zu vermeiden.
Anatomische Grundlagen
Allgemeine Anatomie des Thorax
- Brustwand
- Brusthöhle
- Atemwege und Lunge
- Atemmuskulatur
- Arterielle Versorgung der Brustwand
- Venöse Ableitung der Brustwand
- Innervation der Rumpfwand
- Hautspaltlinien und Hautfaltenlinien
Landmarken und Grenzstrukturen
Knochen
Muskeln und Nerven [2][3]
- Allgemein
- M. latissimus dorsi mit N. thoracodorsalis
- M. serratus anterior und posterior mit N. thoracicus longus
- Interkostalmuskulatur und Interkostalnerven
- Anterolateraler Zugang: M. pectoralis major und minor
- Posterolateraler Zugang [4]
- Relevante Muskellücken
- Safe Triangle: Im 5. ICR zwischen den lateralen Rändern des M. pectoralis major und M. latissimus dorsi
- Dorsale dreieckige Muskellücke: Medial der Scapula zwischen dem kaudalen Rand des M. trapezius und dem Oberrand des M. latissimus dorsi
Bei der Mobilisation von M. latissimus dorsi und M. serratus anterior müssen der N. thoracodorsalis und der N. thoracicus longus unbedingt geschont werden!
Weichteile [4]
Thorakale Zugänge
Im Folgenden werden Charakteristika und Prinzipien einer Auswahl besonders relevanter Zugänge detaillierter erläutert. Die sorgfältige Planung ist Voraussetzung für den Erfolg des operativen Eingriffs und hat einen Kompromiss aus bester Übersicht und geringstem muskulärem Trauma zum Ziel. Durch die meist ältere und stark vorerkrankte Patientenklientel ist v.a. auch die Zusammenarbeit der beteiligten Disziplinen essenziell (siehe auch: Anästhesie in der Thoraxchirurgie).
Mögliche Zugangswege [3][4][5][6]
Charakteristika ausgewählter thoraxchirurgischer Zugänge | ||||
---|---|---|---|---|
Zugangsweg | Erreichbare Strukturen | Typische Indikationen | ||
Offene Zugänge | Laterale Zugänge | Anterolaterale Zugänge |
|
|
Posterolaterale Zugänge |
|
| ||
Mediane Zugänge |
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Minimalinvasive Zugänge |
|
Ein falscher Zugang zum Thorax kann die geplante Operation stark erschweren! Deshalb ist eine sorgfältige Planung auf Basis einer Schnittbildgebung unbedingt notwendig!
Mediane Zugänge zum Thorax
Mediane transsternale Thorakotomie (Sternotomie) [4][5]
- Mögliche Indikationen
- Operation großer Raumforderungen des vorderen Mediastinums, bspw. Thymome, Thymuskarzinome, retrosternale Strumen
- Offene Herzchirurgie
- Bifurkationsnahe Trachealchirurgie
- Bilaterale pulmonale Prozesse, bspw. Metastasen oder Emphysem
- Lungentransplantation
- Vorteile: Gute Übersicht über das vordere Mediastinum, das untere Drittel der Trachea und die Trachealbifurkation
- Nachteile: Ggf. Thoraxinstabilität
- Lagerung: Rückenlagerung, i.d.R. beide Arme ausgelagert
- Abwaschen
- Hals bis Spina iliaca superior
- Seitlich tief
- Durchführung
- Hautinzision Jugulum bis Xiphoid
-
Sternum freilegen
- Haut und Subkutangewebe mit Diathermie median durchtrennen
- Gründliche Blutstillung
- Jugulum exponieren: Bspw. mit einem Kocher-Haken
- Lig. interclaviculare unter Schonung der V. brachiocephalica sinistra durchtrennen
- Jugulum und Sternum präparieren: Mit dem Zeigefinger und bspw. kleinem Stieltupfer Jugulum und Sternum stumpf bis retrosternal umfahren
-
Sternum eröffnen
- Von kranial nach kaudal mit Sternumsäge oder Meißel unter NaCl-Spülung
- Blutungskontrolle
- Ggf. Knochenwachs auftragen
- Wundränder abdecken, Sperrer einsetzen
- Weitere OP-Schritte je nach Indikation
- Varianten
- Partielle apikale Sternotomie , ggf. in Kombination mit
- Anterolateraler Thorakotomie
- Infra- oder supraklavikulärer Inzision
- Kombinationen mit
- Anterolateraler Thorakotomie (Hemi-Clamshell-Thorakotomie)
- Oberbauchlaparotomie
- Partielle apikale Sternotomie , ggf. in Kombination mit
Laterale Zugänge zum Thorax
Anterolaterale Thorakotomie [2][5][8]
- Mögliche Indikationen
- Behandlung eines Lungenemphysems
- Bullaresektion, Biopsien
- Standardlungenresektionen
- Ösophagusdissektion
- Thoracic-Outlet-Syndrom
- Notfallthorakotomie
- Vorteile: Mäßiges muskuläres Trauma, Erweiterung nach dorsal oder ventral möglich
- Nachteile: Mediastinale und posteriore Strukturen schlecht erreichbar
- Lagerung: Seitenlagerung
- Abwaschen
- Sternum bis Wirbelsäule
- Axilla bis zur Höhe der Spina iliaca superior
- Durchführung
- Hautinzision im Bogen von parasternal zur Scapulaspitze bzw. zum ventralen Rand des M. latissimus dorsi
- M. latissimus dorsi nach dorsal mobilisieren
- M. pectoralis major und M. serratus anterior ventral in Faserrichtung unter Schonung des N. thoracicus longus spalten
- Ab jetzt Einlungenventilation des nicht betroffenen Lungenflügels
- Interkostalmuskulatur im gewünschten ICR (je nach Indikation) kurzstreckig eröffnen
- Pleura parietalis vorsichtig mit dem Skalpell eröffnen und Kunststoffrinne einbringen
- Interkostalmuskulatur am Oberrand der Rippe auf der Kunststoffrinne mittels Diathermie von der Knorpelknochengrenze bis zur mittleren Axillarlinie durchtrennen
- Ggf. Adhäsionen stumpf oder scharf lösen
- Wundränder abdecken, Rippensperrer einsetzen und langsam öffnen
- Weitere OP-Schritte je nach Indikation
- Varianten
- Axilläre Thorakotomie
- Kombinationen mit
- Bilateral (Clamshell-Thorakotomie), ggf. auch mit medianer transsternaler Thorakotomie
- Doppelthorakotomie
Adhäsionen können beim Öffnen des Rippensperrers zu Lungeneinrissen führen!
Posterolaterale Thorakotomie [2]
- Mögliche Indikationen [9]
- Broncho- und angioplastische Eingriffe
- Komplexe onkologische Resektionen, bspw. Operation von apikal gelegenen Raumforderungen (z.B. Pancoast-Tumoren) [5]
- Pleuropneumektomien
- Dekortikationen
- Distale Tracheateilresektionen
- Vorteile: Gute Übersicht
- Nachteile: Muskuläres Trauma
- Lagerung: Seitenlagerung, Arm über dem Kopf
- Abwaschen [8]
- Sternum bis Wirbelsäule
- Axilla bis zur Höhe der Spina iliaca superior
- Durchführung
- Hautinzision
- Beginnend in der vorderen Axillarlinie auf Höhe des 4.–5. ICR
- Schnittführung leicht schräg nach kranial
- Dabei ca. 2–3 cm kaudal einer horizontalen Linie durch die Scapulaspitze bleiben
- Endend paravertebral zwischen Scapula und Wirbelsäule
- M. latissimus dorsi mit zwei Fingern leicht anheben und mittels Diathermie zwischen den Fingern durchtrennen
- M. serratus anterior spreizen, von der Thoraxwand abheben
- Ggf. M. trapezius und M. rhomboideus durchtrennen
- Interkostalmuskulatur im gewünschten ICR (je nach Indikation) am Rippenoberrand mittels Diathermie über Präpariertupfer durchtrennen, ggf. Interkostalgefäße ligieren
- Pleura eröffnen
- Wundränder abdecken, Rippensperrer schrittweise einsetzen, ggf. obere und untere Rippe mit einer kräftigen Schere durchtrennen
- Weitere OP-Schritte je nach Indikation
- Hautinzision
- Varianten [5]
- Erweiterung nach ventral bis zum Sternum oder dorsal/kranial parallel der Wirbelsäule bis zum Nacken
- Doppelthorakotomie
Unkontrollierte Rippenfrakturen durch das Aufspreizen des Rippensperrers können vermieden werden, indem die Rippen mit einer kräftigen Schere gezielt durchtrennt werden!
Unter der Interkostalmuskulatur folgt unmittelbar die Lunge, die bei der Thorakotomie unbedingt geschützt werden muss!
Minimalinvasive Zugänge zum Thorax
Thorakoskopie [3][10]
- Mögliche Indikationen
- Diagnostische Thorakoskopie (VAT) oder thorakoskopische Chirurgie (VATS)
- Emphysemreduktion
- Hämatomausräumung
- Lungensegmentresektion, Lungenlappenresektion, Pneumonektomie, Manschettenresektion, Lungenkeilresektion
- Pleurektomie, bspw. bei Pleuraempyem
- Pleurodese
- Lagerung: Seitenlagerung
- Abwaschen
- Sternum bis Wirbelsäule
- Axilla bis zur Höhe der Spina iliaca superior
- Durchführung: Mögliche Trokarpositionen (dabei Druck auf die Inzisionsstellen vermeiden! )
- Nach Demmy, McKenna et al.
- Arbeitstrokar: 6. ICR, vordere Axillarlinie
- Kameratrokar: 6. oder 8. ICR, mittlere Axillarlinie
- Hilfsinzision: 3. oder 4. ICR, mittlere Axillarlinie
- Nach Hansen
- Dorsale Thorakoskopie: Hilfsinzision dorsal
- Uniportale Videothorakoskopie: Port z.B. im 5. ICR, zwischen vorderer und mittlerer Axillarlinie [11]
- Roboter-assistierte Thorakoskopie: Je nach Indikation
- Nach Demmy, McKenna et al.
Hoher Druck mit den Trokaren auf die Inzisionsstelle sollte unbedingt vermieden werden, da dies die Interkostalnerven schädigen kann!
Mediastinoskopie [3][12]
- Mögliche Indikationen
- Diagnostische Mediastinoskopie (VAM) oder mediastinoskopische Chirurgie
- Staging mediastinaler Tumoren
- Lymphadenektomie des Mediastinum (VAMLA)
- Thymektomie
- Lagerung: Rückenlagerung, HWS rekliniert
- Abwaschen
- Sternum bis Wirbelsäule
- Kinn bis Bauchnabel
- Durchführung: Mögliche Trokarpositionen
- Kollare Mediastinoskopie
- Hautschnitt 3–5 cm bogenförmig 1–2 cm kranial des Sternums
- Gerade Halsmuskulatur mit Schere und Zeigefinger spreizen
- Schilddrüsenisthmus mit dem Zeigefinger nach kranial drücken
- Bis zur Trachea durch Spreizen der Schere stumpf präparieren
- Zeigefinger so weit wie möglich auf der Trachea nach kaudal fahren, prätracheales Gewebe wird dabei von der Trachea abgeschoben
- Mediastinoskop einbringen
- Weitere OP-Schritte je nach Indikation
- Anteriore Mediastinoskopie: 2. ICR parasternal
- Roboter-assistierte Mediastinoskopie: Je nach Indikation [13]
- Kollare Mediastinoskopie
Notfallthorakotomie
- Indikationen: Penetrierende thorakale oder thorakoabdominale Verletzung und
- Persistierende Hypotension (syst. Blutdruck <70 mmHg) trotz Volumen- und Katecholamintherapie
- Hoher Blutverlust über Thoraxdrainage, initial oder persistierend
- Perikardtamponade
- Beobachteter Herz-Kreislauf-Stillstand oder initial bestandene Lebenszeichen mit [15]
- Unkontrollierbare abdominelle oder pelvine Blutung
- Luftembolie
- Tracheobronchialer Abriss
- Durchführung
- Anterolaterale Thorakotomie in Höhe des 4.–6. ICR der betroffenen Seite
- Ggf. beidseitig (Clamshell-Thorakotomie) [1]
- Bei lokalisierter Verletzung: Gezielter Zugang
Thoraxwandverschluss
Sternumnaht
- Material
- Draht oder
- Langsam resorbierbares Nahtmaterial
- Durchführung
- Von kranial nach kaudal
- 6–8 Nähte zwischen den Rippenansätzen beidseits um die Sternumhälften legen [2]
- Draht mit gekreuztem Zug verzwirbeln, abschneiden, 1 cm Draht belassen
- Faden auf der lateralen Kante des Sternums knoten
- Entfernung der Drahtcerclagen nach Heilung: Nur bei Beschwerden [5]
Annähern der Rippen
- Material
- Resorbierbares Nahtmaterial der Stärke 1-0 bis 2-0
- Ggf. Bohrer
- Durchführung [3][4][5]
- Ggf. 4 Löcher in die kaudale Rippe bohren
- Faden um die Rippen bzw. durch die Bohrlöcher führen
- Ggf. Interkostalblockade mit langwirksamem Lokalanästhetikum
- Rippen annähern, z.B. mit Rippenapproximator nach Bailey
- Faden auf der Kante der Rippen knoten
Muskelnaht
- Material: Resorbierbares Nahtmaterial der Stärke 1-0
- Durchführung
- Muskelfaszie und ggf. Periost greifen
- Einzelnähte oder fortlaufende Naht [2]
Anlage einer Thoraxdrainage [16]
- Indikation: Nach Thorakotomie
- Ziele
- Reexpansion der Restlunge
- Entfernung von Wundsekret
- Material
- Positionierung
- Venteroapikal und dorsobasal oder
- Apikal mit mehreren Drainageöffnungen im Verlauf
- Sog: Initial: -15 cmH2O
Subkutan- und Hautnaht
- Erforderliche Luftdichtigkeit wird hauptsächlich durch die Subkutannähte erreicht [2]
- Siehe: Subkutannaht und Hautnaht
Postoperatives Management
Management der Thoraxdrainage [8]
- Sog
- Initial: -15 cmH2O
- Nach Reexpansion: -8 cmH2O
- Kein Sog nach Pneumonektomie
- Entfernung bei
- Reexpansion der Lunge
- Fistelrate <20 mL/min
- Sekretion <250 mL/d bzw. <100 mL/d
- Röntgenkontrolle
- Am Tag der Anlage
- 24 h nach Entfernung
Analgesie [8]
- Ziel: Schmerzen <3/10 VAS in Ruhe und <5/10 VAS bei tiefem Durchatmen und Husten
- Weniger pulmonale Komplikationen
- Schmerzarme Mobilisation und Atemtherapie
- Suffizientes Abhusten
- Verfahren
- Intraoperative Interkostalblockade
- Analgesie nach WHO-Stufenschema, i.d.R. Stufe III
- Ggf. patientengesteuerte Analgesie
- Regionalanästhesie in der Thoraxchirurgie
Komplikationen
Es wird eine Auswahl häufiger Komplikationen nach thoraxchirurgischen Eingriffen genannt, unabhängig von der jeweiligen Zugangsart.
- Hypoxämische respiratorische Insuffizienz oder hyperkapnische respiratorische Insuffizienz
- Pneumonie, Hämoptyse, ARDS
- Ischämie, Myokardinfarkt, STEMI und NSTEMI
- Vorhofflimmern, Rechts- und/oder Linksherzdekompensation
- Mediastinitis [4]
- Perikarditis, Perikardtamponade
- Brustwandserom
- Lappentorsion
- Chylothorax
- Persistierende Parenchymfistel
- Fehlende Ausdehnung der Restlunge mit nicht-ausgefülltem Pleuraraum
- Pleuraempyem
- Bronchusinsuffizienz
- Post-Thorakotomie-Syndrom [17]
- Instabiles Sternum nach Sternotomie [4]
- Siehe auch: Komplikationen der Thoraxdrainage
- Siehe auch: Allgemeine postoperative Komplikationen
Plötzlich auftretende Thoraxschmerzen können auch nach thorakalen Eingriffen durch eine Angina pectoris bedingt sein! Deshalb muss die Indikation zur Aufzeichnung eines EKG großzügig gestellt werden!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.