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Kiefererkrankungen

Letzte Aktualisierung: 11.12.2024

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Die häufigsten Kiefererkrankungen sind Kiefergelenkerkrankungen (kraniomandibuläre Dysfunktion, CMD) und Kiefergelenkluxationen. Kiefergelenkerkrankungen umfassen Zustände, die Myalgien, Arthralgien, Kopfschmerzen und biomechanische Funktionsstörungen im und um das Kiefergelenk verursachen. Sie betreffen häufig junge Erwachsene und haben wahrscheinlich multifaktorielle Ursachen. Die Diagnose ist klinisch und basiert auf charakteristischen Merkmalen, zu denen lokale Schmerzen im Bereich des Kiefergelenks, Kopfschmerzen, Einschränkungen der Kieferfunktion und Klicken oder Knirschen des Kiefergelenks gehören. Die meisten Patient:innen werden konservativ behandelt, bspw. mit oralen Schmerzmitteln, Verhaltensänderungen, Wärmetherapie und/oder Okklusionsschienen. Patient:innen mit therapieresistenten Symptomen werden an Spezialist:innen überwiesen.

Eine Kiefergelenkluxation kann einseitig oder beidseitig aufgrund extremer Mundöffnung oder direkter Traumata auftreten. Patient:innen können den Mund nicht schließen, ihre Sprache ist beeinträchtigt und sie haben sichtbare Gesichtsdeformitäten. Die Standardbehandlung ist eine geschlossene Reposition. Komplikationen umfassen Unterkieferfrakturen, neurovaskuläre Verletzungen, Zahnverletzungen und wiederholte Luxationen. Nicht-reponierbare Kiefergelenkluxationen und dislozierte Unterkieferfrakturen erfordern i.d.R. eine spezialisierte (chirurgische) Behandlung.

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Kiefergelenkerkrankungentoggle arrow icon

Hintergrund [1][2]

Ätiologie [1][4]

Die Ätiologie von Kiefergelenkerkrankungen ist vermutlich multifaktoriell!

Symptomatik [1][2]

  • Schmerzen
    • Typischerweise vor dem Ohr
    • Konstant, dumpf, einseitig, mit intermittierenden stechenden Schmerzen
    • Ausstrahlung möglich auf das Ohr, die Schläfenregion, die periorbitale Region und/oder den Unterkiefer
  • Verschlechternde Faktoren
    • Kieferbewegungen, bspw. Kauen
    • Druckempfindlichkeit bei Palpation des Kiefergelenks
  • Weitere Symptome
    • Ohrbeschwerden
    • Kopfschmerzen (meist temporal)
    • Klicken, Knacken oder Knirschen des Kiefergelenks
    • Leichter Trismus
      • Eingeschränkte Kieferöffnung, gelegentlich schmerzhaft
      • Intermittierende Kieferblockade
    • Ggf. Bruxismus [5][6]

Eine schwerwiegendere Ursache für Trismus sollte erwogen werden, wenn der Trismus anhaltend, fortschreitend oder stark ausgeprägt ist, ohne Kieferklicken auftritt, oder von atypischen Symptomen wie Lymphadenopathie oder oralen Läsionen begleitet wird! [10][11]

Diagnostik [2]

  • Allgemeine Diagnosekriterien für Kiefergelenkerkrankungen: Typische Symptome, bspw. Schmerzen, Blockieren oder Klicken des Kiefergelenks, Kopfschmerzen [12]
    • Lokalisation im Kiefergelenk und in angrenzenden anatomischen Regionen
    • Reproduzierbarkeit durch Kieferbewegungen und/oder Provokationstests
    • Beschwerden seit mind. 30 Tagen vorhanden
    • Keine plausible Erklärung der Beschwerden durch andere zugrunde liegende Erkrankung vorhanden
  • Diagnosesicherung: Erfolgt klinisch, anhand individueller Merkmale weitere Unterscheidung von mehreren Subtypen möglich
  • Bildgebende Diagnostik
    • Indikationen
      • Ausschluss von Differenzialdiagnosen (bspw. Fraktur, Infektion)
      • Persistenz der Symptome trotz konservativer Therapie
    • Mögliche Verfahren bspw. CT, MRT

Kiefergelenkerkrankungen sind eine klinische Diagnose!

Therapie [1][2][13][14]

  • Konservativer Therapieversuch zunächst in jedem Fall indiziert
  • Bei ausbleibender Besserung nach 2–4 Wochen oder schwerer akuter Verschlechterung: Bildgebende Diagnostik, Konsultation von Spezialist:innen und Therapieeskalation erwägen
    • Konsil MKG-Chirurgie: Bei Z.n. Kiefergelenkstrauma oder -fraktur, therapieresistenten starken Schmerzen oder anhaltenden Schmerzen mit unklarer Ätiologie >3–6 Monate
    • Konsil Zahnmedizin: Bei zugrunde liegenden Zahnerkrankungen

Konservative Therapie

Opioide werden i.d.R. nicht zur Therapie von Kiefergelenkerkrankungen empfohlen und sollten nur kurzzeitig verwendet werden bei starken Schmerzen, die nicht auf NSAR ansprechen! [2]

Invasive Therapie

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Kiefergelenkluxationtoggle arrow icon

Ätiologie [17][18][19]

  • Ausgeprägte (weite) und/oder verlängerte Mundöffnung, bspw.
  • Direkte Traumata
  • Prädisposition durch anatomische Gegebenheiten
  • Schwäche oder Verletzung der Kiefergelenkbänder

Eine Kiefergelenkluxation ist ein Risikofaktor für wiederholte Kiefergelenkluxationen!

Pathophysiologie [17][18]

  • Anteriore Kiefergelenkluxation (am häufigsten): Kondylus wird vor der Fossa mandibularis eingeklemmt (kann einseitig oder beidseitig auftreten)
    • Bei weit geöffnetem Mund rotiert und gleitet die Gelenkfläche des Kondylus nach anterior
    • Wenn der Kondylus das Tuberculum articulare des Os temporale überschreitet, kontrahiert die Kaumuskulatur
    • Kaumuskulatur zieht Kondylus nach oben und blockiert ihn in dieser Position
  • Dislokationen in andere Richtungen, bspw. posterior, lateral (selten)

Symptomatik [17]

  • Okklusionsstörung bzw. Unfähigkeit, den Mund zu schließen
  • Beeinträchtigte Sprache
  • Schmerzen
  • Tastbare und/oder sichtbare Vertiefung im präaurikulären Bereich
  • Einseitige Luxation: Abweichung des Kiefers zur gegenüberliegenden Seite

Beidseitige symmetrische Kiefergelenkluxationen sind häufiger als einseitige Luxationen!

Diagnostik [17]

Die Diagnose einer Kiefergelenkluxation erfolgt i.d.R. klinisch!

Therapie [17][18][19]

Komplikationen [18]

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Geschlossene Reposition des Kiefergelenkstoggle arrow icon

Bei einer gleichzeitigen Unterkieferfraktur ist eine Behandlung durch die MKG-Chirurgie obligat!

Material [17][18]

  • Unsterile Handschuhe
  • Gazetücher
  • Optional: Beißblock
  • Optional: Finger-/Zungenschutz (bspw. Zungenspatel, Fingerschienen)

Positionierung und Zugänge [17][18]

Positionierung [16]

  • Patient:in
    • Im Sitzen: Aufrechte oder leicht zurückgelehnte Position
    • Stabilisierung von Rücken und Kopf, bspw. durch Stuhllehne oder Kopfstütze
  • Behandelnde Person

Zugänge

  • Intraoral
    • Platzierung des Daumens auf dem mandibulären Kamm hinter den Molaren
    • Umfassen der Basis des Unterkiefers auf beiden Seiten mit den anderen Fingern
  • Extraoral [16]
    • Platzierung des Daumens auf der Haut über dem luxierten Kondylus
    • Umfassen der Basis des Unterkiefers auf beiden Seiten mit den anderen Fingern

Durchführung [18]

  1. Aufklärung und Einverständniserklärung
  2. Analgosedierung
  3. Ggf. Verwendung eines Beißblocks
  4. Platzierung der Hände in Position
  5. Ausübung eines konstanten, kaudalen Drucks auf den Unterkiefer
  6. Führen des Kondylus nach unten und hinten in die Fossa mandibularis
  7. Beurteilung des Bewegungsumfangs des Unterkiefers nach der Reposition

Beim intraoralen Zugang droht eine Verletzung des Daumens, da die Zähne zum Zeitpunkt der Reposition zusammenbeißen können!

Für beidseitige Kiefergelenkluxationen ist es i.d.R. einfacher, einen Kondylus nach dem anderen zu reponieren, anstatt beide gleichzeitig!

Fehlerquellen und Problemlösungen [18]

  • Erfolglose Reposition
    • Optimierung der sedierenden und analgetischen Behandlung
    • Sicherstellen der optimalen Patientenpositionierung
    • Anderen Zugang bzw. andere Technik erwägen (bspw. Wrist-Pivot-Methode)
    • Konsil HNO bzw. MKG bei therapieresistenter Kiefergelenkluxation
  • Bissverletzung oder Quetschung der Finger der behandelnden Person: Insb. beim intraoralen Zugang
    • Prävention: Positionierung der Finger auf der Linea obliqua bei intraoraler Reposition [16]
    • Therapie: Siehe Bisswunden

Komplikationen der Kieferreposition

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Kieferschmerzen

Trismus

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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