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Unfall-Ophthalmologie

Letzte Aktualisierung: 8.1.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Das Auge ist ein äußerst sensibles Organ, das für den Menschen von außerordentlicher Bedeutung ist. Anatomisch ist es relativ gut geschützt, da es durch die knöcherne Orbita und die Lider allseitig ummantelt wird. Dennoch kann es zu Verletzungen (z.B. durch Prellung, Perforation, Verätzung) kommen, die die Sehfähigkeit lang- und kurzfristig massiv einschränken können. Im Folgenden sind einige typische Verletzungsfolgen dargestellt. Eine besondere Bedeutung haben hierbei Verätzungen, da die schnellstmögliche Durchführung von Erstmaßnahmen – ausgiebige Spülung des Auges – das Augenlicht des Patienten ggf. erhalten kann. Jeder (auch nicht-augenärztlich tätige) Arzt sollte dies beherrschen.

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Contusio bulbi (Prellung)toggle arrow icon

Berlin-Ödem

  • Definition: Kontusionsödem von Makula und Netzhaut (Contre-coup-Stelle) durch eine Contusio bulbi
  • Fundoskopie: Schwellung und weißliche Trübung von Makula und umgebender Netzhaut oder peripherer Netzhaut sowie evtl. Blutungen
  • Therapie: Therapieversuch mit Glucocorticoiden möglich
  • Prognose/Komplikationen: Vollständige Rückbildung möglich, aber auch dauerhafte starke Visuseinschränkung durch Entstehung eines zystoiden Makulaödems mit konsekutivem Makulaschichtloch möglich

Bei zusätzlich erniedrigtem Augeninnendruck muss stets auch an eine mögliche Bulbusruptur gedacht werden. Besteht dieser Verdacht, muss eine sofortige Einweisung in eine Augenklinik zur eventuellen operativen Behandlung erfolgen!

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Orbitafrakturtoggle arrow icon

Grundlagen

  • Anatomische Grundlagen
    • Knöcherner Trichter, der grob in 4 Anteile unterteilt wird
    • Siehe auch: Orbita
  • Epidemiologie: Meist Männer im Alter von 21–30 Jahren [1]
    • Häufigste Frakturlokalisation: Orbitaboden, seltener mediale Orbitawand und -dach
    • Auftreten häufig auch als Begleitverletzung bei Mittelgesichtsfrakturen, insb. Jochbeinfrakturen
  • Ätiologie: Isolierte Orbitafrakturen meist durch Gewalteinwirkung von außen auf den Bulbus oder die Orbita (z.B. Faustschlag, Tennisball)
    • Transmissionstheorie: Direkte Weiterleitung der Kraft vom Orbitarand auf den Orbitaboden bzw. die Orbitawände
    • Hydrauliktheorie: Intraorbitale Druckerhöhung durch Krafteinwirkung auf Bulbus und peribulbäres Weichgewebe
  • Definitionen
    • Blow-out-Fraktur: Fraktur des Orbitabodens und/oder einer Orbitawand ohne Beteiligung des Orbitarands und Dislokation von Knochenfragmenten und Orbitainhalt aus der Augenhöhle heraus [2][3][4]
    • Trapdoor-Fraktur: Klinisch wenig auffällige Blow-out-Fraktur, bei der die Knochenfragmente sofort nach Fraktur ähnlich einer Schwingtüre wieder in ihre ursprüngliche Position zurückschnellen und dabei weichgewebigen Orbitainhalt (bspw. Augenmuskeln) einklemmen [5]
      • Auftreten nahezu ausschließlich bei Kindern
      • Rasche operative Versorgung erforderlich
    • Blow-in-Fraktur: Fraktur des Orbitabodens ohne Beteiligung des Orbitarands mit Dislokation in die Augenhöhle hinein und folgender Volumenverkleinerung dieser [2][4]
      • Verkleinerung des Orbitavolumens → Gefahr der Sehnervkompression



Symptome/Klinik [1][2][4][6]

Diagnostik [2][4][7]

  • Anamnese (bspw. nach dem SAMPLE-Schema) mit Fokus auf den Unfallhergang
  • Körperliche Untersuchung
    • Inspektion und Palpation
      • Begleitende Weichgewebsverletzungen, Schwellung?
      • Knöchernen Schädelstrukturen: Knochenstufen, Knochenreiben und/oder Druckschmerz?
      • Periorbital: Pergamentartiges Knistern bei Emphysem
    • Überprüfung der Sensibilität im Versorgungsgebiet des N. trigeminus (V)
    • Klinische Untersuchung des Auges
      • Bulbusdruck: Bimanuelle Palpation des Bulbus bei geschlossenen Lidern
      • Pupillenreflex: Testen der direkten und indirekten Pupillenreaktion auf Licht
      • Augenmotilität: Patient folgt dem Finger des Untersuchers in alle Blickrichtungen. Bei einer Motilitätsstörung können bewegungsabhängig Doppelbilder auftreten und der Bulbus der betroffenen Seite erscheint fixiert
  • Ophthalmologische Untersuchung: Ausschluss weiterer Augenverletzungen wie Contusio bulbi oder Netzhautablösung
  • Apparative Diagnostik

Je nach Unfallhergang sollten weitere Verletzungen insb. der HWS und des Schädels ausgeschlossen werden!

Therapie

Konservative Therapie [2][3][4]

  • Indikation: Nicht oder nur gering dislozierte Frakturen ohne Einschränkung der Bulbusmotilität
  • Durchführung
  • Nachsorge: Regelmäßige klinische Kontrollen für 1 Jahr auf sekundäre Symptome durch Vernarbung, Muskelverkürzung oder Resorption von Fettgewebe (bspw. Bulbusverlagerung und -motiliätsstörung)

Operative Therapie [2][3][4]

  • Indikationen nach Dringlichkeit des operativen Eingriffs
  • Zugänge
    • Zum Orbitaboden
      • Infraorbital: Inzision direkt auf dem knöchern tastbaren Infraorbitalrand
      • Subziliar: Inzision wenige Millimeter unterhalb der Unterlidkante in der 1. Hautfalte
      • Transkonjunktival: Inzision subtarsal
    • Zur medialen Orbitawand
      • Kaudale Anteile: Subziliarer oder transkonjunktivaler Zugang
      • Kraniale Anteile: Medialer Lidfaltenschnitt in der Supratarsalfalte oder Schnittführung am medialen Rand der Nasenwurzel
    • Zur lateralen Orbitawand : Inzision entlang der lateralen Augenbraue oder Lidfaltenschnitt im lateralen Drittel der Supratarsalfalte des Oberlides
    • Zum Orbitadach: Zugang unterhalb der Augenbraue oder Lidfaltenschnitt in der Supratarsalfalte
    • Sofern vorhanden: Nutzung bereits bestehender Wunden oder alter Narben („Gelegenheitszugang“)
  • Verfahren
    • Offene Reposition ohne Implantateinlage/Fixierung: Bei sehr stabilen Frakturen
    • Einlage einer resorbierbaren Folie: Zur Stabilisierung bei eher geringerem Defekt
    • Titan-Mesh: Geeignet auch zur Überbrückung größerer Defekt-/Trümmerzonen
    • Individualisiertes Implantat aus Titan: Bei sehr komplexen Fällen oder Revisionsoperationen
  • Zusätzliche intraoperative Maßnahmen
    • Darstellung und ggf. Neurolyse des N. infraorbitalis
    • Traktionstest zur Überprüfung der Bulbusmotilität nach Implantateinlage
  • Nachsorge [3][4]
    • Allgemeine Maßnahmen
      • Schmerzadaptierte Analgesie, bspw. mit Ibuprofen
      • Abschwellende Maßnahmen: Lokale Kühlung, Oberkörperhochlagerung, Nasentropfen (bspw. Otriven®) [8]
      • Schnäuzverbot für 10–14 Tage
      • Vermeiden direkter Sonneneinstrahlung
    • Nachsorge im Rahmen des stationären und poststationären Settings
      • Postoperative Visuskontrollen und Kontrolle des Innervationsgebietes des N. infraorbitalis
      • Radiologische Kontrolle der Implantatlage durch CT oder DVT (ggf. auch intraoperativ)
      • Augenärztliche Kontrolle nach vollständiger Abschwellung (ab ca. 3. postoperativen Tag)
      • Fadenzug nach ca. 5–7 Tagen
      • Körperliche Schonung und Sportverbot
    • Regelmäßige klinische Untersuchungen für 1 Jahr auf sekundäre Symptome durch Vernarbung, Muskelverkürzung oder Resorption von Fettgewebe (bspw. Bulbusverlagerung und -motiliätsstörung) [4]
    • Spezielle Verhaltenshinweise: Flugreisen in Maschinen mit Druckausgleich erlaubt (bspw. kommerzielle Flugzeuge), Vermeidung von Gerätetauchen für 6 Wochen
    • Materialentfernung i.d.R. nicht erforderlich

Durch den okulokardialen Reflex kann bei intraoperativem Druck auf den Bulbus eine Bradykardie ausgelöst werden!

Komplikationen [4]

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Retrobulbärhämatomtoggle arrow icon

  • Definition: Hämatom posterior des Bulbus oculi
  • Ätiologie und Epidemiologie
    • Traumatisch: Begleitverletzung bei bis zu 4% aller Gesichtsverletzungen [9][10]
    • Iatrogen: Postoperatives Auftreten (<1%) i.d.R. innerhalb der ersten 24 h [10][11][12]
  • Pathophysiologie: Ansammlung retrobulbären Blutes → Anstieg des intraorbitalen Drucks (Normwert ca. 3–6 mmHg) → Entwicklung eines orbitalen KompartmentsyndromsIschämie des N. opticus und Exophthalmus [10][11]
  • Symptome [4][9][10][11]
  • Diagnostik: Klinische Diagnose anhand von Anamnese und körperlicher Untersuchung
    • Zusätzliche bildgebende Diagnostik nur in unklaren Fällen durchführen
    • Nachweis kleinerer, symptomloser Retrobulbärhämatome im CT häufig ohne klinische Relevanz [13]
  • Therapie
    • Konservative Therapie: Milde Fälle ohne Symptome einer Nervenkompression [10][11]
      • Aufklärung der betroffenen Person über das Krankheitsbild
      • Engmaschige klinische Kontrollen
      • Augenärztliche Kontrolle bspw. nach 6 h
    • Operative Therapie: Schwere, symptomatische Fälle [9][10][11]
      • Notfallmäßige Dekompression
      • Beste Prognose für den Visus bei Dekompression innerhalb von 2 h
    • Mögliche Ergänzung der Therapieoptionen: Medikamentöse Senkung des Augeninnendrucks und Glucocorticoidgabe erwägen
  • Prävention (postoperatives Retrobulbärhämatom) [10][14]
    • Nicht-essenzielle Antikoagulantien präoperativ pausieren
    • Vermeidung von Valsalva-Manövern und postoperativem Erbrechen
    • Oberkörperhochlagerung postoperativ
    • Einlage einer postoperativen Drainage bei Risikofaktoren (z.B. erhöhter Blutungsneigung)
  • Prognose: Ab Eintreten eines akuten Visusverlustes Risiko für dauerhafte Erblindung ca. 50% [10]

Das Vorliegen eines symptomatischen Retrobulbärhämatoms stellt eine Notfallindikation dar (umgehende operative Entlastung erforderlich)!

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Perforierende Verletzungentoggle arrow icon

  • Verletzungsfolgen: Alle Folgen einer Prellung möglich (siehe oben), zusätzlich hohes Infektionsrisiko (insbesondere bei intraokularem Fremdkörper)
  • Diagnostik
  • Therapie: Je nach Verletzungsmuster
  • Komplikation: Sympathische Ophthalmie: Beidseitige Panuveitis als Folge perforierender Verletzungen oder (selten) intraokularer Operationen → Beidseitige Erblindung möglich

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

S02.-: Fraktur des Schädels und der Gesichtsschädelknochen

S05.-: Verletzung des Auges und der Orbita

  • Exklusive: Fraktur von Knochen der Orbita (S02.1, S02.3, S02.8); Oberflächliche Verletzung des Augenlides (S00.1–S00.2); Offene Wunde des Augenlides und der Periokularregion (S01.1); Verletzung: N. oculomotorius [III. Hirnnerv] (S04.1), Sehnerv [II. Hirnnerv] (S04.0)
  • S05.0: Verletzung der Konjunktiva und Abrasio corneae ohne Angabe eines Fremdkörpers
  • S05.1: Prellung des Augapfels und des Orbitagewebes
    • Hyphäma, traumatisch
    • Prellung des Augenlides und der Periokularregion (S00.1)
  • S05.2: Rissverletzung und Ruptur des Auges mit Prolaps oder Verlust intraokularen Gewebes
  • S05.3: Rissverletzung des Auges ohne Prolaps oder Verlust intraokularen Gewebes
    • Rissverletzung des Auges o.n.A.
  • S05.4: Penetrierende Wunde der Orbita mit oder ohne Fremdkörper
    • Exklusive: Verbliebener (alter) Fremdkörper nach perforierender Verletzung der Orbita (H05.5)
  • S05.5: Penetrierende Wunde des Augapfels mit Fremdkörper
  • S05.6: Penetrierende Wunde des Augapfels ohne Fremdkörper
    • Penetrierende Augenverletzung o.n.A.
  • S05.7: Abriss des Augapfels
  • S05.8: Sonstige Verletzungen des Auges und der Orbita
    • Verletzung des Ductus nasolacrimalis
  • S05.9: Verletzung des Auges und der Orbita, nicht näher bezeichnet
    • Verletzung des Auges o.n.A.

T15.-: Fremdkörper im äußeren Auge

  • Exklusive: Fremdkörper in perforierender Verletzung: Orbita und Augapfel (S05.4S05.5), Orbita und Augapfel, verblieben (alt) (H05.5, H44.6H44.7), Verbliebener Fremdkörper im Augenlid (H02.8)
  • T15.0: Fremdkörper in der Kornea
  • T15.1: Fremdkörper im Konjunktivalsack
  • T15.8: Fremdkörper an sonstigen und mehreren Lokalisationen des äußeren Auges
    • Fremdkörper im Punctum lacrimale
  • T15.9: Fremdkörper im äußeren Auge, Teil nicht näher bezeichnet

T26.-: Verbrennung oder Verätzung, begrenzt auf das Auge und seine Anhangsgebilde

  • T26.0: Verbrennung des Augenlides und der Periokularregion
  • T26.1: Verbrennung der Kornea und des Konjunktivalsackes
  • T26.2: Verbrennung mit nachfolgender Ruptur und Destruktion des Augapfels
  • T26.3: Verbrennung sonstiger Teile des Auges und seiner Anhangsgebilde
  • T26.4: Verbrennung des Auges und seiner Anhangsgebilde, Teil nicht näher bezeichnet
  • T26.5: Verätzung des Augenlides und der Periokularregion
  • T26.6: Verätzung der Kornea und des Konjunktivalsackes
  • T26.7: Verätzung mit nachfolgender Ruptur und Destruktion des Augapfels
  • T26.8: Verätzung sonstiger Teile des Auges und seiner Anhangsgebilde
  • T26.9: Verätzung des Auges und seiner Anhangsgebilde, Teil nicht näher bezeichnet

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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3D-Anatomietoggle arrow icon

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