Zusammenfassung
Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) wird nach der WHO-Klassifikation den niedrig-malignen (indolenten) Non-Hodgkin-Lymphomen zugeordnet. Sie manifestiert sich als B-Zell-Lymphom mit lymphozytärer Leukozytose im Blutbild, weshalb sie historisch den Leukämien zugeordnet wurde. Die CLL ist eine Erkrankung des höheren Lebensalters und kann sich mit schmerzlosen Lymphknotenschwellungen, Schwäche und Infektanfälligkeit präsentieren. Diagnostisch wegweisend sind Gumprecht-Kernschatten im Blutausstrich (nicht beweisend!) sowie ein hoher Anteil kleiner, reifer Lymphozyten im peripheren Blut und/oder Knochenmark. Für die Klassifikation nach Binet werden der Hämoglobinwert, die Thrombozytenzahl und der Befall von Lymphknotenregionen beurteilt. Der Nachweis der für die B-CLL typischen Antigene in der Immunphänotypisierung der Lymphozyten sichert die Diagnose. Für die komplexe Therapie der CLL werden klassische Zytostatika (Fludarabin, Cyclophosphamid, Chlorambucil) und Antikörper (Rituximab, Alemtuzumab) eingesetzt. Der Krankheitsverlauf ist sehr variabel. Im Stadium Binet A liegt das mediane Überleben bei über zehn Jahren, wohingegen es im Stadium Binet C weniger als drei Jahre sind.
Definition
Epidemiologie
Ätiologie
Risikofaktoren
- Hohes Alter
- Umweltfaktoren: Organische Lösungsmittel
- Genetik: Positive Familienanamnese
Die CLL ist eine Erkrankung des hohen Lebensalters!
Klassifikation
Nach der WHO-Klassifikation handelt es sich bei der chronischen lymphatischen Leukämie um ein lymphozytisches Lymphom aus der Gruppe der B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome.
Stadieneinteilung nach Binet (Binet-Klassifikation)
Die Stadieneinteilung erfolgt nach der Klassifikation von Binet und beinhaltet Lymphozyten- und Thrombozytenzahl, Hämoglobinwert und Anzahl der betroffenen Regionen.
Stadieneinteilung nach Binet | |||
---|---|---|---|
Stadium | Definition | Weitere Befunde | Medianes Überleben |
A |
|
|
|
B |
|
| |
C |
|
|
Stadieneinteilung nach Rai
Stadieneinteilung nach Rai | |
---|---|
Stadium | Befund |
0 | Ausschließliche Lymphozytose |
I | + Lymphadenopathie |
II | + Hepato- u./o. Splenomegalie |
III | + Anämie (Hb <11 g/dL) |
IV | + Thrombozytopenie (<100.000/μL) |
Symptomatik
Die CLL verläuft meist über einen langen Zeitraum asymptomatisch und wird erst spät oder nur zufällig diagnostiziert.
Mögliche Symptome
- B-Symptomatik
- Indolente Lymphknotenschwellungen
- Spleno- und/oder Hepatomegalie [1]
- Dermatologische Symptome
- Einschränkung der Immunabwehr: Häufigste Todesursache!
-
B-Zelldefekt mit Antikörpermangelsyndrom
- Verminderte granulozytäre Immunabwehr durch Knochenmarkinfiltration → Granulozytopenie
- Schwere bakterielle Infektionen (z.B. Erysipel mit nekrotisierendem Verlauf)
- Mykosen (Soor)
- Virale Infektionen (Herpes zoster)
-
B-Zelldefekt mit Antikörpermangelsyndrom
- Mikulicz-Syndrom: Paraneoplastische, schmerzlose Schwellung der Tränen- und Ohrspeicheldrüse
Da es sich bei der CLL um ein Lymphom handelt, sprechen Lymphknotenvergrößerungen differenzialdiagnostisch gegen eine CML und für eine CLL!
Diagnostik
Klinische Chemie
Blut
- Leukozytose mit hohem Lymphozytenanteil
- Blutausstrich
- Reifzellige, kleine Lymphozyten↑
- Gumprecht-Kernschatten: Reife, kleine Lymphozyten, die beim Blutausstrich zerplatzen und als charakteristisches Artefakt bei chronisch lymphatischer Leukämie erscheinen
- Auch bei schlechter Qualität der Probe (Blutabnahmetechnik, Zeit bis zum Ausstrich) kann es zu einem falsch-positiven Ergebnis kommen → Positives Ergebnis ist nicht beweisend!
- Ggf. Anisozytose
- Blutausstrich
- Immunphänotypisierung: Nachweis von B-CLL-Immunphänotyp (CD19, CD20, CD23), Leichtkettenrestriktion (Kappa oder Lambda)
- Antikörpermangelsyndrom: Verdrängung funktionsfähiger B-Lymphozyten
- Immunglobulinbestimmung oder Serumelektrophorese (erniedrigte γ-Bande, ggf. monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz)
- Verdrängung des blutbildenden Knochenmarks
- Anämie
- Thrombozytopenie
- Granulozytopenie
Knochenmark
Eine Knochenmarkpunktion ist zur Diagnosestellung nicht notwendig, kann aber im Verlauf zur Abklärung unklarer Zytopenien sinnvoll sein.
- Knochenmarkzytologie und -histologie: Erhöhter Anteil (>30%) kleiner, reifer Lymphozyten
Weitere Diagnostik
- Sonografie: Ggf. Splenomegalie und/oder Hepatomegalie
- Leberhistologie: Periportale Lymphozyteninfiltration mit läppchenzentraler Nekrose
- Lymphknoten: Lymphknotenbiopsie zur Diagnosesicherung bei fehlender leukämischer Ausschwemmung und differenzialdiagnostischen Abgrenzung z.B. vom Morbus Hodgkin
- Genetik: FISH-Analyse auf Deletion 17p13 → Ungünstige Prognose
Therapie
Stadiengerechte Therapie (Binet-Klassifikation)
- Stadium A: Therapie nur in Einzelfällen
- Stadium B: Therapie bei symptomatischen Patienten
- Stadium C: Therapie aller Patienten ist empfohlen
Die Therapie für die CLL unterliegt einem ständigen Wandel und steht in direkter Abhängigkeit zum Alter, der Klinik und den genetischen Befunden. Bei positivem CD20-Rezeptorstatus wird in der Regel der Antikörper Rituximab eingesetzt. Bei Patienten der Stadien B und C werden die Patienten in "fit", "unfit" und "gebrechlich" eingeteilt.
Durch medikamentöse Maßnahmen ist die CLL nach derzeitigem Kenntnisstand nicht kurativ therapierbar, da sie durch sehr geringe Teilungsraten der Tumorzellen geprägt ist und zytostatische Substanzen deswegen nicht ausreichend wirken können! Einzig die allogene Stammzelltransplantation stellt einen potenziell kurativen Therapieansatz dar!
Therapie der CLL nach den Leitlinien der DGHO
- Je "fitter" der Patient, desto intensiver das Therapieschema
- Bei "gebrechlichen" Patienten ist eine zytostatische Therapie häufig nicht mehr durchführbar
- Das Vorliegen einer 17p13-Deletion geht grundsätzlich mit einer niedrigen Ansprechrate auf Zytostatika einher, sodass alternative Therapien versucht werden müssen (z.B. Alemtuzumab)
- Die Therapieempfehlungen der CLL unterliegen einem raschen Wandel und werden häufig im Rahmen von klinischen Studien durchgeführt
- Aktuelle Leitlinien beachten (siehe: Tipps & Links)
- Eingesetzte Substanzen
- Purinanaloga: Fludarabin
- Alkylanzien: Cyclophosphamid, Chlorambucil, Bendamustin
-
Anti-CD20-Antikörper
- Rituximab: Durch Hinzunahme des Antikörpers wurden die Remissionsraten deutlich verbessert
- Obinutuzumab
- Ofatumumab
- Anti-CD52-Antikörper: Alemtuzumab
- Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor: Ibrutinib
- Rote-Hand-Brief zu Ibrutinib: Kardiotoxizität mit erhöhtem Risiko für schwere bis tödliche Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienz [2]
- PI3kδ-Inhibitor: Idelalisib
Therapieschema nach den Leitlinien der DGHO
Therapieschema nach den Leitlinien der DGHO | ||
---|---|---|
Patient | Genetik | Therapieschema |
|
|
|
| ||
|
|
|
|
| |
|
|
Allogene Stammzelltransplantation
- Bei therapierefraktären Verläufen oder Frührezidiven bei "fitten" Patienten
- Bei Deletion 17p13 und therapiebedürftiger Erkrankung
- Bei Vorliegen einer CLL mit Richter-Transformation
Komplikationen
- Immunsuppression
- Zweitmalignome
- Hyperviskositätssyndrom
- Autoimmunhämolytische Anämie (Kälte-/Wärmeantikörpertyp)
- Richter-Syndrom (bzw. Richter-Transformation): Transformation in ein hochmalignes Non-Hodgkin-Lymphom
- Häufigkeit: <5% der Fälle
- Diagnostische Hinweise
- Schnelle Lymphknotenvergrößerungen → Lymphknotenbiopsie
- Neue aggressive B-Symptomatik
- Stark angestiegene LDH-Werte
- Therapie
- Aggressive Chemotherapie
- Stammzelltransplantation (wenn Patient geeignet ist )
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- C91.-: Lymphatische Leukämie
- Die folgenden fünften Stellen sind bei der Kategorie C91 zu benutzen:
- 0:
- Ohne Angabe einer kompletten Remission
- Ohne Angabe einer Remission
- In partieller Remission
- 1: In kompletter Remission
- 0:
- C91.1-: Chronische lymphatische Leukämie vom B-Zell-Typ [CLL]
- Lymphoplasmozytoide Leukämie
- Richter-Syndrom
- Exklusive: Lymphoplasmozytoides Lymphom (C83.0)
- Die folgenden fünften Stellen sind bei der Kategorie C91 zu benutzen:
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.