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Akutes Leberversagen

Letzte Aktualisierung: 5.2.2025

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Das akute Leberversagen (ALV) ist eine seltene Erkrankung mit hoher Mortalität. Kennzeichnend sind die akute Entwicklung eines Ikterus, die Einschränkung der Lebersyntheseleistung (v.a. als Koagulopathie) sowie das Auftreten einer hepatischen Enzephalopathie bei Patienten ohne eine vorbestehende Lebererkrankung. In Europa und Nordamerika spielen bei der Entstehung medikamentös-toxische Ursachen (hier v.a. Paracetamol) und Virushepatitiden eine übergeordnete Rolle. Die spezifischen Therapiemöglichkeiten bei einem akuten Leberversagen sind beschränkt und nur für wenige Auslöser verfügbar (z.B. durch Gabe von N-Acetylcystein bei Paracetamol-Intoxikation). Bei progredientem, nicht anders beherrschbarem Leberversagen bleibt die Lebertransplantation bei geeigneten Patienten die einzig mögliche Therapie. Um die Entwicklung des Leberversagens und die eventuelle Notwendigkeit einer Lebertransplantation abschätzen zu können, müssen eine rasche Diagnostik der potenziellen Ursache, eine frühzeitige Diagnose einer hepatischen Enzephalopathie sowie der Ausschluss einer zugrunde liegenden vorbestehenden Lebererkrankung erfolgen. Als Prognosekriterien für die Indikation zur Lebertransplantationslistung werden beim akuten Leberversagen die King’s-College-Kriterien (bei nicht viral induziertem, akutem Leberversagen) und die Clichy-Kriterien (bei viral induziertem Leberversagen) genutzt.

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Epidemiologietoggle arrow icon

  • Inzidenz: 1,13 Fälle/100.000 Personenjahre [1]
  • > (ca. 55%/45%)
  • Medianes Alter: 60 Jahre

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

Primäre Formen des akuten Leberversagens [2]

Die primären Formen des Leberversagens kommen für eine Behandlung mittels Notfalltransplantation infrage, sekundäre Formen mit Ausnahme des hepatozellulären Karzinoms dagegen nur selten!

Sekundäre Formen des Leberversagens

In etwa 20% der Fälle bleibt die Ursache eines akuten Leberversagens unklar (kryptogen)!

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Klassifikationtoggle arrow icon

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Pathophysiologietoggle arrow icon

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Symptomatiktoggle arrow icon

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Diagnostiktoggle arrow icon

Anamnese

Körperliche Untersuchung

Labordiagnostik

Basislaborwerte

Ergänzende Laboruntersuchungen bei V.a. ALV

Bildgebung

Leberbiopsie

  • Indikation
    • Akutes Leberversagen unklarer Genese
    • Ausschluss und ggf. Staging einer etwaigen präexistenten Lebererkrankung
  • Nicht notwendig: Bei akutem Leberversagen eindeutiger Genese (z.B. gesicherte Paracetamol-Intoxikation, akute virale Hepatitis)

Bei einer hochgradigen Gerinnungsstörung und/oder Aszites ist eine perkutane Leberbiopsie ungeeignet. Sinnvolle Alternative ist ggf. eine transjuguläre Leberbiopsie oder laparoskopische Gewinnung eines Leberstanzzylinders!

Ergänzende Diagnostik

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Ätiologische Einordnungtoggle arrow icon

Diagnostische Hinweise auf mögliche Ätiologie

DD Akutes Leberversagen Klinische Aspekte
Paracetamol
  • Rasch fortschreitendes Leberversagen
  • Sehr hohe Transaminasen
  • Niedrige Bilirubinwerte
  • Azidose
  • Ggf. begleitende Nierenfunktionseinschränkung
  • Niedrige Phosphatwerte sind ggf. günstiger prognostischer Marker, Phosphatsubstitution anstreben
Medikamentös-toxisch (nicht Paracetamol)
  • Subakute Verläufe können klinisch und bildmorphologisch Zirrhose ähneln
Maligne Erkrankungen/Infiltration
Akute Autoimmunhepatitis
Morbus Wilson
Knollenblätterpilzvergiftung
Akute Ischämie
  • Hohe Transaminasen
  • Hohe LDH und hohe Kreatininwerte, die sich rasch nach hämodynamischer Stabilisierung normalisieren
  • Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz oder schwerer respiratorischer Erkrankung
Akutes Budd-Chiari-Syndrom

Ätiologische Einordnung anhand der Basislabordiagnostik [5]

Einschätzung der Genese eines ALV anhand von Basislaborwerten GOT GPT γGT AP
Hepatozellulärer Schaden
z.B. durch Virushepatitis, AIH
↑↑ ↑↑ (↑)
Cholestase
z.B. mechanisch bedingt
↑↑ ↑↑ ↑↑

Toxischer Schaden
z.B. durch Alkohol, Nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH)

(↑) ↑↑
Quotientenbildung der Leberenzyme zur Abschätzung der Genese Mögliche Genese
GOT/GPT
  • Verschlussikterus <1
  • Chronisch aktive Hepatitis <1
GOT/γ-GT
(GOT+GPT)/LDH
  • Akute virale Hepatitis >50
  • Akute vaskuläre hepatische Zirkulationsstörung <10

Spezifische ätiologische Labordiagnostik

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Prognostische Einschätzung und Verlegungskriterientoggle arrow icon

Prognoseeinschätzung und Verlegungskriterien

  • Prognostische Einschätzung: Auf Grundlage 12- bis 24-stündlicher Reevaluation und Abgleich mit Scores

King's-College-Kriterien bei Paracetamol-induziertem ALV

King's-College-Kriterien bei nicht durch Paracetamol induziertem ALV

  • INR >6,5
  • Oder Erfüllen von mind. 3 der 5 folgenden Kriterien
    • Ätiologie unklar oder medikamentös-toxisch
    • Alter: <10 Jahren oder >40 Jahre
    • Zeitraum zwischen Entstehung des Ikterus und hepatischer Enzephalopathie >7 Tage
    • INR >3,5
    • Serumbilirubin >17,4 mg/dL bzw. >300 mmol/L

Clichy-Kriterien bei viral induziertem ALV

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Therapietoggle arrow icon

Neben einer supportiven intensivmedizinischen Therapie, die bei allen Patienten mit einem akuten Leberversagen indiziert ist, sollte ggf. auch eine der untenstehenden spezifischen Therapieformen je nach Auslöser erfolgen.

Spezifische Therapieformen

Prinzipien der supportiven Therapie

Indikation zur Lebertransplantation

  • Engmaschige Reevaluation: 12- bis 24-stündliche Evaluation der Patienten nach den King's-College-Kriterien des ALV bzw. den Clichy-Kriterien bei viral induziertem ALV
  • Ausschluss von Kontraindikationen einer Notfall-Lebertransplantation
    • Florider Alkohol- oder Drogenabusus
    • Mangelnde Compliance
    • Unkontrolliertes Malignom
    • Unkontrollierte Infektion
    • Höheres Lebensalter
    • Im Zweifelsfall: Stets Hinzuziehen eines erfahrenen Transplantationsmediziners zur Mitbeurteilung; ggf. zur Einschätzung von Suchterkrankung und Compliance auch Hinzuziehen eines in der Transplantationsmedizin erfahrenen Psychiaters oder Psychosomatikers
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Paracetamol-Intoxikationtoggle arrow icon

  • Pathophysiologie
    • Physiologisch: Toxischer Hauptmetabolit von Paracetamol (N-Acetyl-p-benzochinonimin (NAPQI)) wird über das hepatische Cytochrom-P450-System produziert → Glutathionvorräte in der Leber können NAPQI entgiften
    • Pathologisch: Bei akuter Überdosierung von Paracetamol → Verminderung der Glutathionvorräte in der Leber → Akkumulation von NAPQI → Leberzellnekrosen
  • Risikofaktoren der Paracetamol-Intoxikation
  • Toxische Dosen
    • Toxizitätsschwelle ab ca. 125 mg/kgKG
    • Ab 250 mg/kgKG: 50% schwere Leberschädigung
    • Ab 350 mg/kg: Immer schwere Leberschädigung
  • Klinik
    • 0–24 h: Übelkeit, Erbrechen, Lethargie, Schwitzen
      • Koma nur bei exzessiven Dosen (>800 mg/kgKG)
    • 24–48 h: Anstieg der Transaminasen bei Wohlbefinden
    • 48–96 h: Klinik des akuten Leberversagens

Therapie der Paracetamol-Intoxikation

  • Akutmaßnahmen bei Aufnahme: Bestimmung des Serumparacetamolspiegels
    • Hochdosierte NAC-Therapie: Bis 16 h nach Einnahme ist die hochdosierte intravenöse Verabreichung von N-Acetylcystein sinnvoll [6]
    • Giftelimination mit Aktivkohle: Begrenzt wirksam, wenn überhaupt nur bis 1 h nach Paracetamoleinnahme sinnvoll
    • Weitere Maßnahmen
      • Ggf. bei hohen Dosen Kontakt mit dem Dialysedienst sinnvoll
      • Ggf. Kontakt mit der Giftnotrufzentrale, insb. bei Mischintoxikationen sinnvoll
  • Spiegelbestimmung
  • Monitoring: Klinische Überwachung auf Komplikationen wie
  • Prognose
    • Anhand des Nomogramms erfolgt die Abschätzung der Prognose
    • Patienten auf der High-Risk-Treatment-Linie müssen an einem Transplantationszentrum vorgestellt werden
    • Abschätzung der Prognose des akuten Leberversagens anhand der King's-College-Kriterien für die Paracetamol-Intoxikation
      • Bei Erfüllen der Kriterien: Sofortige Überleitung des Patienten an ein Transplantationszentrum
    • Je nach Dosierung und Einleitung der Therapie innerhalb des therapeutischen Fensters große prognostische Variabilität, von Restitutio ad integrum bis hin zum tödlichen Leberausfall

Die Paracetamol-Intoxikation ist ein Notfall. Das therapeutische Fenster für die Spülung und Gabe von N-Acetylcystein ist begrenzt, die Therapie muss sofort eingeleitet werden!

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Knollenblätterpilzvergiftungtoggle arrow icon

Therapie der Knollenblätterpilzvergiftung

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Komplikationentoggle arrow icon

Hepatische Enzephalopathie

Erhöhter Hirndruck

  • Ursache: Als Komplikation der hepatischen Enzephalopathie durch ein zerebrales Ödem
  • Management
    • Bei Gefahr der Hirnstammeinklemmung: Intensivmedizinische Überwachung!
    • Bei Beatmung: Möglichst niedriges CO2 bei möglichst niedrigem endexspiratorischem Druck (PEEP) anstreben
    • Hirndrucksonde erwägen, um Hirndruck auf 25 mmHg einzustellen
    • Siehe auch: Hirndrucksenkung

Hypoglykämie

Kreislaufdysregulation

  • Ursache: Portalvenöser Druck↑ → Erweiterung der splanchnischen Gefäße → Venöser Rückfluss↓ → Kardiales Auswurfvolumen↓
  • Management

Akute Nierenschädigung

Infektionen

  • Ursache
    • Bei Leberversagen besteht ein erhöhtes Risiko für Infektionen
    • Bakterielle und fungale Infektionen zählen zu den Hauptursachen für einen letalen Ausgang eines ALV
  • Management
    • Sorgfältiges klinisches und paraklinisches Infektions-Screening mit Entnahme von Blut- und Urinkulturen und ggf. Kulturen aus dem Aszites bei Hinweisen auf eine Infektion
    • PCT bei Infektionsverdacht
    • Im ALV niedrige Schwelle zur antibiotischen Therapie und ggf. Ergänzung um antifungale Medikation bei Anzeichen einer systemischen Mykose

Koagulopathie

  • Ursache: Eingeschränkte Lebersyntheseleistung führt zur verminderten Produktion der hepatisch synthetisierten Gerinnungsfaktoren
  • Management
    • Zur Gerinnungskorrektur zunächst Vitamin-K-Substitution
    • Substitution von Plasmakonzentraten (insb. auch PPSB) sind bei akuten Blutungsereignissen und bei zu erwartender Nachblutung (z.B. bei Leberpunktion, ZVK-Anlage) indiziert

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

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Prognosetoggle arrow icon

  • Prognose: Abhängig von der Schwere des Leberversagens und dem Maß der Zellschädigung
  • Mortalität: Ca. 30%
  • Spontane Regeneration: Bei ca. 45% der Patienten mit ALV
  • Lebertransplantation: Bei ca. 25% der Patienten
  • Gesamtprognose: Ca. 85% 1-Jahres-Überlebensrate, ca. 80% 3-Jahres-Überlebensrate
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