Zusammenfassung
Die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) ist eine chronisch fortschreitende Entzündung der intra- und extrahepatischen Gallenwege, die im Verlauf über eine Sklerosierung zur Cholestase führt. Die genaue Ätiologie ist bislang unklar. Auffällig ist jedoch eine enge Assoziation zu anderen Autoimmunerkrankungen, insb. den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. So leiden bis zu 80% der Personen mit PSC an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, mit Abstand führend ist hierbei die Colitis ulcerosa. Die Diagnosestellung erfolgt häufig im mittleren Lebensalter.
In der Hälfte der Fälle bleibt die PSC im Frühstadium asymptomatisch. In anderen Fällen manifestiert sich die Erkrankung mit Pruritus, Müdigkeit, Schmerzen im rechten Oberbauch oder cholangitischen Schüben. Im Spätstadium führt die Erkrankung zum zirrhotischen Umbau der Leber mit entsprechender Symptomatik. Daneben sind Betroffene durch die Entwicklung von Karzinomen der Gallenwege und des Kolons gefährdet und müssen dementsprechend engmaschig Vorsorgeuntersuchungen durchlaufen.
Laborchemisch finden sich häufig eine Erhöhung der Autoantikörper (pANCA in 60–80%, auch ANA möglich) und zunehmende Zeichen der Cholestase. Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus der Zusammenschau der klassischen Symptome und Laborveränderungen. Methode der ersten Wahl zur Diagnosesicherung ist die Bildgebung in Form einer MRCP, in der sich perlschnurartige Irregularitäten der Gallenwege zeigen. Eine ERCP sollte bei relevanten Strikturen durchgeführt werden und kann über die typischen bildmorphologischen Zeichen in unklaren Fällen ebenfalls zur Diagnosesicherung herangezogen werden. Die Histologie ist zur Diagnosesicherung nicht obligat und bleibt ebenfalls unklaren Fällen vorbehalten.
Die Erkrankung kann nur symptomatisch behandelt werden. I.d.R. wird Ursodesoxycholsäure (UDCA) verwendet, da es Hinweise auf eine Verbesserung des transplantatfreien Überlebens unter UDCA-Therapie gibt. Kurativ steht bei manifester Leberzirrhose lediglich die Lebertransplantation zur Verfügung.
Epidemiologie
- Geschlecht: ♂ > ♀ (2:1)
- Prävalenz: Ca. 10/100.000 in Europa
- Inzidenz: Ca. 1/100.000 Einwohner pro Jahr in Westeuropa
- Alter: Altersgipfel: 30. bis 50. Lebensjahr
- Genese: Unklar, am ehesten Autoimmunerkrankung
- Familiäre Häufung
- Assoziation mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
- Ca. 60–80% der Personen mit PSC haben eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung
- Colitis ulcerosa hierbei mit Abstand am häufigsten
- Ca. 7,5% der Personen mit Colitis ulcerosa entwickeln eine PSC
- Ca. 3,4% der Personen mit Morbus Crohn entwickeln eine PSC, insb. solche, die eine Kolonbeteiligung aufweisen
- Ca. 60–80% der Personen mit PSC haben eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung
- Overlap-Syndrome zu autoimmunen Lebererkrankungen möglich (vorrangig Autoimmunhepatitis)
- Assoziation mit HLA-B8 und HLA-DR3
Das gleichzeitige Vorliegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ist bei Personen mit PSC nicht die Ausnahme, sondern die Regel!
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Symptomatik
Frühstadium
- Häufig asymptomatisch
- Mögliche Beschwerden
- Pruritus
- Müdigkeit
- Rechtsseitige Oberbauchbeschwerden
- Ikterus
- Akute Cholangitis (Fieber, Schüttelfrost, Oberbauchschmerzen)
- Symptome der häufig assoziierten chronischen Darmerkrankung
Spätstadium
- Klinik der Leberzirrhose und Cholestase (u.a. Pruritus, Ikterus)
- Portale Hypertension
- Leberversagen
Diagnostik
- Labor
- Erhöhte Cholestaseparameter wie AP, γGT, Bilirubin (inkonstant)
- Nachweis von antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (pANCA) bei 60–80% der Personen mit PSC
- ANA-Erhöhung möglich
- Abdomensonografie
- Indikation: Routinediagnostik bei Verdacht auf PSC
- MRCP
- Indikation: Bildgebung der 1. Wahl zur Diagnosesicherung bei Verdacht auf PSC
- Ablauf: Vor der MRT Nahrungskarenz von 4 Stunden, um Darmüberlagerung zu vermeiden
- Untersuchungsgebiet: Zum Ausschluss hepatobiliärer Malignome nach Möglichkeit in derselben Untersuchung MRT des Leberparenchyms mit Gadolinium-BOPTA (Multihance®, Bracco) oder Gadolinium-EOB-DTPA (Primovist®, Bayer) und T1-gewichteten Sequenzen
- Charakteristischer Befund: Nachweis von perlschnurartigen Gangunregelmäßigkeiten
- Sensitivität und Spezifität: Zur PSC-Detektion 80–90%
- ERCP: Keine Routinediagnostik!
- Bei unklaren Befunden zur Diagnosesicherung unter Risiko-Nutzen-Abwägung (CAVE Post-ERCP-Pankreatitis)
- Bei symptomatischen Strikturen als therapeutische ERC
- Leberbiopsie zur histopathologischen Diagnostik: Zur Diagnosesicherung nicht obligat
- Bei Verdacht auf eine weitere Schädigungskomponente (z.B. medikamententoxische Schädigung, AIH)
- Aufgrund des segmentalen Befallsmusters der Gallenwege in einigen Fällen nicht repräsentativ
- Zum Ausschluss einer Small-Duct-PSC bei hochgradigem Verdacht auf PSC und fehlendem bildmorphologischen Korrelat im Cholangiogramm (siehe auch: Pathologie der PSC)
- Koloskopie: Durchführung im Rahmen der Diagnosestellung zur Beurteilung des Vorliegens einer CED, bei Diagnose einer CED ist anschließend eine jährliche Koloskopie angeraten
- Ausschluss alternativer Diagnosen: Ausschluss anderer chronisch sklerosierender Gallenwegserkrankungen
Weisen Personen mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung eine Erhöhung der Cholestaseparameter auf, ist immer an eine PSC zu denken!
Zum Vergleich: Normalbefund
Pathologie
Histopathologische Charakteristika
- Konzentrische, zwiebelschalenartige Fibrose um die betroffenen Gallengänge
- Aufgrund des möglichen segmentalen Befalls ist die Histologie nicht immer aussagekräftig
Sonderfall: Small-Duct-PSC
- Definition: PSC der kleinen Gallenwege, möglicherweise Frühform der PSC
- Diagnosestellung: Ausschließlich mittels Histologie möglich
- Cholangiografie: In jeglichen verfügbaren cholangiografischen Verfahren nicht darstellbar
- Therapie: Analog zur PSC
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnosen bei sklerosierender Cholangitis
Mechanismus | Mögliche Ursachen |
---|---|
Obstruktiv |
|
Infektiös |
|
Immunologisch |
|
Ischämisch |
|
Ischämie-ähnlich |
|
Checkliste DD: PSC vs. PBC [1]
Primär sklerosierende Cholangitis | Primär biliäre Cholangitis | |
---|---|---|
Definition |
|
|
Epidemiologie | ||
Labordiagnostik |
|
|
Diagnostik |
|
|
Komplikationen |
|
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Medikamentöse (symptomatische) Therapie [1]
- Verbesserung der Cholestaseparameter: Ursodesoxycholsäure (UDCA)
- Effekte von UDCA bei PSC: Bisher kein genereller Nachweis einer Verbesserung der Gesamtsterblichkeit oder des transplantatfreien Überlebens
- Abfall der alkalischen Phosphatase ggf. mit Überlebensvorteil
- Möglicherweise Reduktion der Inzidenz von Cholangiokarzinomen oder Kolonkarzinomen
- Effekte von UDCA bei PSC: Bisher kein genereller Nachweis einer Verbesserung der Gesamtsterblichkeit oder des transplantatfreien Überlebens
- Einsatz von Immunsuppressiva: Glucocorticoide oder weitere Immunsuppressiva i.d.R. nur bei Overlap-Syndromen mit gleichzeitiger AIH wirksam und sinnvoll
- Biologika: Bei der PSC bisher ohne Stellenwert
- Pruritus: Siehe Therapie des cholestatischen Pruritus
- Weitere Maßnahmen
- Antibiotische Therapie bei Cholangitis (eitrige Cholangitis)
- Substitution fettlöslicher Vitamine bei Mangelerscheinungen
- Großzügige Indikationsstellung für Osteoporose-Prophylaxe
Endoskopische Therapie
- Ziel: Dilatation von symptomatischen Strikturen
- Optionen: Ballondilatation, Bougierung bzw. kurzfristige Stenteinlage mittels ERC(P)
- Indikationen
- Zur Symptomverbesserung bei Stenosen
- Zur Abklärung bei Verdacht auf maligne Stenosen
- Zur Drainage der Gallenwege bei Cholangitis im Rahmen dominanter Stenosen
- Effekte endoskopischer Interventionen
Jede ERCP birgt neben der Aussicht auf symptomatische Verbesserung auch das Risiko der Einschleppung von Bakterien und Auslösung einer eitrigen Cholangitis, deren Behandlung bei PSC schwierig sein kann.
Operativ – Lebertransplantation
- Einzige kurative Therapieoption bei Fortschreiten der Erkrankung!
- Indikation: Bei fortgeschrittener Leberzirrhose
- Für Personen mit PSC ist die Zuweisung einer Listung im Standard-Exception-Verfahren möglich.
- Betroffene, die bereits ein Gallenwegskarzinom entwickelt haben, können unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen von Studien (Einschlußkriterien der Studien zählen) transplantiert werden.
- Überleben: Nach Transplantation im Median 10–12 Jahre.
- Rezidiv: PSC-Rezidiv im Transplantat bei 20–25% der Betroffenen.
Personen mit PSC sollten zur Mitbetreuung an einem Transplantationszentrum vorgestellt werden.
Therapiemonitoring und Verlaufskontrollen
Klinische Kontrollen und Laborkontrolle
- Bei klinisch stabilem Befund: Kontrolle der Klinik und der Laborwerte alle 3–6 Monate.
- Bei klinischer Verschlechterung: Monitoring der Laborwerte (v.a. AP, γGT, GOT, GPT, Bilirubin, Lebersyntheseparameter, Entzündungswerte bei Differenzialdiagnose Cholangitis)
- Veranlassen weiterer Diagnostik je nach Auffälligkeiten und Arbeitsdiagnose
- Bei Verdacht auf ein Malignom: Bestimmung der Tumormarker CA-19-9 und CEA
Sonografie Abdomen
- Durchführung: Mindestens jährlich
- Besonders zu beachtende Aspekte
- Zeichen einer etwaigen Leberzirrhose
- Veränderungen der Gallenwege
- Beurteilung der Gallenblase
Koloskopie
- Bei PSC und CED: Jährliche Koloskopie
- Bei PSC ohne CED: Koloskopie alle 3–5 Jahre oder bei klinischen Symptomen, bei Koloskopien immer Screening auf Manifestation einer CED mit Stufenbiopsien.
Weitere Untersuchungen
- FIB-4-Score: Zum Ausschluss einer fortgeschrittenen Leberfibrose
- Leber-Elastografie: Alle 1–2 Jahre zur Detektion eines fibrotischen bzw. zirrhotischen Leberumbaus
- MRT und MRCP
- Indikation: Als Verlaufskontrolle alle 12–24 Monate sowie bei klinischer Verschlechterung
- Besondere Aspekte: Sensitives Verfahren zum Ausschluss von Malignomen und zur Beurteilung fortschreitender Gallenwegsveränderungen
- Gastroskopie: Bei Verdacht auf das Vorliegen einer Leberzirrhose zum Ausschluss von Varizen.
Komplikationen
- Leberzirrhose: Häufigste und prognosebestimmende Komplikation
- Bakterielle (ggf. rezidivierende) Cholangitis: Siehe Antibiotische Therapie bei Cholezystitis
- Kolorektales Karzinom: 10-fach erhöhtes Risiko für kolorektale Karzinome bei Personen mit CED und PSC → Jährliche Vorsorgekoloskopie erforderlich
- Cholangiokarzinom
- Lebenszeitrisiko für Personen mit PSC: 10–20%
- Früherkennung mittels regelmäßiger MRCP (routinemäßig alle 12–24 Monate)
- Abklärung suspekter Gallenwegsstenosen mittels ERC
- Bei unklaren Befunden sollte eine explorative Laparotomie erwogen werden
- Gallenblasenkarzinom
- Raumforderungen oder Gallenblasenpolypen bei 6–14% der Personen mit PSC
- 50% der Raumforderungen sind Karzinome
- Bei Gallenblasenpolypen >8 mm Indikation zur Cholezystektomie, siehe: Therapiemonitoring bei PSC
- Pankreaskarzinome: Bei Personen mit PSC besteht ein bis zu 14-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Pankreaskarzinomen
- AIH-Overlap-Syndrome: Bei bis zu 10% der Personen mit PSC kommt es zu einem Overlap-Syndrom mit einer Autoimmunhepatitis
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Mittlere Überlebenszeit ohne Lebertransplantation: 10–20 Jahre
- 5-Jahres-Überleben nach Lebertransplantation: 75–85%
- Kein gängiger Prognose-Score für den Verlauf der PSC, in Studien werden daher folgende Scores und Parameter herangezogen
- Mayo-Risk-Score
- Verlauf der alkalischen Phosphatase
- Vorhandensein von dominanten Stenosen
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Primär sklerosierende Cholangitis (PSC)
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- K83.-: Sonstige Krankheiten der Gallenwege
- K83.0: Cholangitis
-
Cholangitis:
- aszendierend
- eitrig
- primär
- rezidivierend
- sekundär
- sklerosierend
- stenosierend
- o.n.A.
- Exklusive: Cholangitis mit Choledocholithiasis (K80.3–K80.4), Cholangitischer Leberabszess (K75.0), Chronische nichteitrige destruktive Cholangitis (K74.3)
-
Cholangitis:
- K83.0: Cholangitis
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.