Zusammenfassung
Luxationen des Ellenbogengelenks sind die zweithäufigsten Luxationen des Menschen und treten meist infolge eines indirekten Traumas beim Sturz auf den Arm auf. Typische Symptome stellen neben der tastbaren Verschiebung der Gelenkbestandteile eine federnde Fixation sowie schmerzhafte Bewegungseinschränkung dar. Nach der Reposition wird das Ellenbogengelenk nur kurzzeitig im Oberarmgips ruhiggestellt, da die frühfunktionelle physiotherapeutische Nachbehandlung eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Komplikationen spielt. Bei Luxationsfrakturen, erfolgloser Reposition oder anderen problematischen Begleitläsionen (bspw. freie Gelenkkörper, Gefäß- und Nervenschäden) ist eine operative Versorgung mit anschließender Ruhigstellung in beweglicher Ellenbogenorthese erforderlich.
Definition
- Ligamentäre Ellenbogenluxation: „Einfache“ Luxation des Ellenbogengelenks mit Verletzung des Kapsel-Band-Apparats, ohne Begleitfrakturen [1]
- Knöcherne Ellenbogenluxation (= Ellenbogenluxationsfraktur): „Komplexe“ Luxation mit begleitender Fraktur [1][2]
- Capitulum-humeri-Fraktur [3]
- Distale Humerusfraktur
- Terrible-Triad-Läsion (Ellenbogen) (ca. 10–15% der Fälle) [3]
- Proximale Ulnafraktur
- Fraktur des Proc. coronoideus (ca. 10% der Fälle) [3][4]
- Olecranonfraktur (ca. 6% der Fälle) [3]
- Monteggia-Fraktur [3]
- Fraktur des Epicondylus medialis bzw. lateralis humeri (ca. 12% der Fälle) [4]
- Radiuskopffraktur (5–10% der Fälle) [4]
Epidemiologie
- Zweithäufigste Luxation: Ellenbogenluxationen machen 20% aller Luxationen des Menschen aus [2]
- Inzidenz: Ca. 5–10/100.000 Einwohner/Jahr
- Geschlecht: ♂ > ♀ bei den unter 40-Jährigen, bei >40 Jahren gilt ♂ < ♀ [1]
- Lokalisation: Posteriore Ellenbogenluxation (80–85%) > posterolaterale/posteromediale Luxation (ca. 10% der Fälle) > anteriore/divergierende Luxation (Rarität)
Mit ca. 80–85% der Fälle ist die posteriore Ellenbogenluxation die häufigste Ellenbogenluxation!
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Unfallmechanismus: Meist indirektes Trauma, bspw. Sturz auf den ausgestreckten Arm [5]
- Unfallursache [6][7]
- Niedrig-energetisches Trauma, bspw. Stolpersturz, Sportverletzungen (bspw. Klettern, Basketball, Football)
- Hochenergietraumata, bspw. Verkehrsunfall
- Risikofaktor für knöcherne Ellenbogenluxation: Osteoporose
Ringtheorie nach O´Driscoll [1][2][7][8][9][10]
Der Unfallmechanismus der posterolateralen Luxation läuft „kreisförmig“ von lateral nach medial ab.
- 1. Stadium: LUCL rupturiert → Posterolaterale Rotationsinstabilität (Subluxation)
- 2. Stadium: Zusätzlich anteriore und posteriore Gelenkkapsel inkomplett rupturiert
- 3. Stadium: Komplette posteriore Ellenbogenluxation, Unterteilung in
- 3A: AMCL des MCL intakt
- 3B: MCL komplett rupturiert
- 3C: Zusätzlich Muskelabriss
Hyperextensionsmechanismus [7][9][11][12]
Nach dieser Theorie ist eine Hyperextension im Ellenbogengelenk beim Aufprall ursächlich für die posterioren Ellenbogenluxationen.
- Hyperextension im Ellenbogen und Pronationsstellung, um den Sturz abzufangen
- Ulna luxiert beim Aufprall nach posterior
- Der anteriore Teil der Gelenkkapsel reißt dabei ein
- Bei zusätzlichem Varusstress kann auch der laterale bzw. bei Valgusstress der mediale Bandapparat rupturieren
Klassifikation
Klassifikation nach Luxationsrichtung [1][6]
Diese Klassifikation beruht auf der luxierten Stellung des Unterarms im Vergleich zum Oberarm [7]
- Posteriore Ellenbogenluxation (dorsal)
- Posterolaterale Ellenbogenluxation (posteroradial)
- Posteromediale Ellenbogenluxation (posteroulnar)
- Anteriore Ellenbogenluxation
- Divergierende Ellenbogenluxation
Pathophysiologie
Siehe: Pathophysiologie der Radiuskopffraktur
Begleitverletzungen [1][2][5]
Es besteht eine hohe Variabilität bezüglich Art und Lokalisation der Begleitverletzungen.
- Bandrupturen
- Verletzungen von Extensoren/Flexoren
- Abscherverletzungen des Gelenkknorpels an
- Trochlea und Capitulum humeri
- Spitze des Olecranons und des Processus coronoideus
- Radiuskopf (ventral)
- Verletzungen von Gefäßen und Nerven: Insb. A. brachialis und N. ulnaris
Symptomatik
- Schmerzhafte, federnde Fixierung [1]
- Sicht- und tastbare Luxation
- Bewegungseinschränkung und Flexionsstellung, um Schmerzen zu vermeiden [1]
- Deformität, Schwellung
- Fehlstellung
- Bei komplexer Ellenbogenluxation: Allgemeine Frakturzeichen
Präklinisches Management
- Anamnese und körperliche Untersuchung
-
Anamnese bspw. nach SAMPLE-Schema mit Fokus auf Unfallhergang
- Unfallzeit und -mechanismus dokumentieren
- pDMS der oberen Extremität prüfen und dokumentieren
- Begleitverletzungen, Weichteilschäden, offene Fraktur?
- Bei Hochrasanztrauma: Polytrauma bzw. Begleitverletzungen ausschließen!
-
Anamnese bspw. nach SAMPLE-Schema mit Fokus auf Unfallhergang
- Monitoring (Pulsoxymetrie, Blutdruck, EKG)
- Venöser Zugang und schmerzadaptierte Analgesie
- Bei leichten Schmerzen: Bspw. Paracetamol
- Bei starken Schmerzen : Bspw. mit Piritramid
- Weitere medikamentöse Maßnahmen zur Prophylaxe und Behandlung einer opioidinduzierten Übelkeit: Bspw. mit Dimenhydrinat
- Weitere Maßnahmen
- Offene Wunden steril verbinden, aktive Blutungen mit Kompressionsverband (siehe auch: Therapie offener Frakturen)
- Immobilisierung und Schienung in schmerzarmer Position bspw. mittels Gilchrist-Verband (siehe auch: Immobilisation der oberen Extremität)
- In Ausnahmefällen Repositionsversuch [1]
- Transport in ein geeignetes Krankenhaus mit unfallchirurgischer Versorgungsmöglichkeit
Reposition nur in begründeten Fällen durchführen, bspw. bei extremer Fehlstellung, neurovaskulären Schäden oder längerdauerndem Transport! [1]
Vorgehen in der Notaufnahme
- Ersteinschätzung der Situation: Übergabe vom Rettungspersonal oder Selbstvorstellung ohne Rettungsdienst
- Bei Ellenbogenluxation mit V.a. Nerven- oder Gefäßverletzung, bei zusätzlicher offener Fraktur und/oder ausgeprägter Weichteilverletzung sollte die Diagnose sofort gesichert werden und die Therapie unverzüglich erfolgen [1]
- Anamnese und körperliche Untersuchung
- (Notfall‑)Anamnese mit Fokus auf Unfallhergang
- Bei vermutetem Arbeitsunfall: Meldung an die gesetzliche Unfallversicherung bzw. Vorstellung bei einem Durchgangsarzt
- Typische Symptomatik (schmerzhafte, federnde Fixierung)
- Dokumentation von Weichteilverletzungen
- Kontrolle von pDMS und Begleitverletzungen
- (Notfall‑)Anamnese mit Fokus auf Unfallhergang
- Aufklärung des Patienten über Durchführung und Risiken der Reposition
- Venöser Zugang
- Ggf. Monitoring (EKG, Pulsoxymetrie und Blutdruck)
- Schmerzadaptierte Analgesie: Unter Berücksichtigung bereits erhaltener Medikamente
- Primäre Therapievorschläge, siehe: Luxationen des Ellenbogengelenks - Präklinisches Management
- Bei vorheriger Opioidgabe: Paracetamol
- Ggf. Analgosedierung [1]
- Bildgebung: Röntgen des Ellenbogens in 2 Ebenen (a.p. und seitlich)
- Weitere Maßnahmen: Abhängig von der Diagnose, welche sich durch klinische Untersuchung und Röntgen ergibt
- Ligamentäre Ellenbogenluxation: Zeitnahe geschlossene Reposition, siehe: Geschlossene Reposition der posterioren Ellenbogenluxation [1]
- Knöcherne Ellenbogenluxation mit Begleitfraktur (Ellenbogenluxationsfraktur)
- Bei relevanten knöchernen Verletzungen, bspw. intraartikulärer, knorpeliger Abscherverletzung (sog. Repositionshindernis): Offene Reposition, siehe: Operative Therapie der Ellenbogenluxation [1][5][13]
- Bei geringfügigem Ausmaß, bspw. ulnaren oder radialen knöchernen Abscherverletzungen: Zeitnahe geschlossene Reposition, siehe: Geschlossene Reposition der posterioren Ellenbogenluxation [1][5]
- Bei Gefäß- oder Nervenverletzung: Sofortige Diagnostik und unverzügliche Behandlung [1]
Ligamentäre Luxationen würde man geschlossen reponieren, Luxationen mit knöcherner Verletzung je nach Befund offen!
Verlaufs- und Sonderformen
Terrible-Triad-Läsion [14][15]
- Definition: Kombinationsverletzung aus
- Posterolateraler oder posteriorer Ellenbogenluxation und
- Radiuskopffraktur und
- Fraktur des Processus coronoideus
- Ätiologie: Sturz auf die ausgestreckte Hand mit extendiertem Ellenbogengelenk und abduzierter Schulter
- Klinik: Siehe Symptome einer Ellenbogenluxation
- Diagnostik: CT nach Reposition , ggf. MRT zur OP-Planung
- Befund: Ggf. persistierende Subluxationsstellung als Zeichen der ligamentären Instabilität, o.g. knöcherne Verletzungen
- Siehe auch: Ellenbogenluxation - Diagnostik
- Klassifikation der knöchernen Läsionen
- Therapie
- Konservativ
- Indikation: Selten, bei
- Gelenkkongruenz nach Reposition und
- Freier, stabiler Beweglichkeit im Ellenbogengelenk ohne störendes Koronoid- oder Radiuskopffragment bei der Rotation und bis mind. 30 ° Extension und
- Kleiner Koronoidfraktur: Typ Regan I oder II
- Verfahren
- Kurzzeitige Ruhigstellung zur Schwellungsreduktion und Schmerztherapie
- Anschließend frühfunktionelle Nachbehandlung unter physiotherapeutischer Anleitung
- Siehe auch: Konservative Therapie der Ellenbogenluxation
- Indikation: Selten, bei
- Operativ: Rekonstruktion der wichtigsten ligamentären und ossären Stabilisatoren
- Indikation: Alle anderen Terrible-Triad-Läsionen
- Verfahren
- Rekonstruktion oder prothetischer Ersatz des Radiuskopfes
- Rekonstruktion von Bandläsionen: Readaptation des LCL , ggf. Naht des MCL bzw. Anlage eines Bewegungsfixateurs
- Ggf. Readaptation der vorderen Gelenkkapsel bzw. der Koronoidspitze: Refixation einer Koronoid-Fraktur mit Fragmentgröße ≥20–30% der Höhe des Proc. coronoideus
- Nachsorge: Frühfunktionelle Therapie zur Vermeidung einer Gelenksteife
- Ruhigstellung des Arms in einer dorsalen Oberarmgipsschiene für 3–4 d: Schwellungsreduktion und Schmerztherapie
- Ab dem 1. Tag: Physiotherapeutische Beübung nach Maßgabe des Operateurs
- Siehe auch: Ellenbogenluxation - Nachsorge
- Konservativ
- Posttraumatische Komplikationen
- Einsteifung des Ellenbogengelenks durch zu lange Ruhigstellung
- Posttraumatische Arthrose
Bei fraglich isolierter Radiuskopffraktur muss immer eine mediale Bandverletzung ausgeschlossen werden! Eine scheinbar isolierte Fraktur kann eine Terrible-Triad-Läsion des Ellenbogens maskieren.
Diagnostik
Anamnese und klinische Untersuchung [1]
- Anamnese mit Fokus auf Unfallhergang
- Direktes oder indirektes Trauma
- Richtung und Ausmaß der Gewalteinwirkung, Position des Unterarms währenddessen (Extension/Flexion)
- Vorerkrankungen: Hypermobilitätssyndrom , vorbestehende Fehlstellung oder sensomotorische Defizite der oberen Extremität, vorangegangene (Sub)Luxationen, Verletzungen oder Operationen des Ellenbogengelenks, entzündliche oder degenerative Gelenkerkrankungen
- Inspektion
- Fixierte Flexionsstellung
- Oft eindrückliche Schwellung, Deformität [16]
- Fehlstellung kann auf Luxationsrichtung hinweisen
- Begleitverletzungen, insb. der ipsilateralen oberen Extremität
- Weichteilverletzungen
- Allgemeine und spezielle Frakturzeichen, wie bspw. verstrichenes oder asymmetrisches Hueter-Dreieck [5]
- Vorbestehende Narben
- Palpation und Funktionsprüfung
- Luxation tastbar (leere Fossa olecrani)
- Überprüfung von pDMS : Insb. A. brachialis und N. ulnaris sind gefährdet, aber auch N. medianus und N. radialis
Bei der klinischen Untersuchung sollte sehr vorsichtig vorgegangen werden, da diese für den Patienten meist sehr schmerzhaft ist!
Überprüfung der pDMS vor und nach jeder Reposition!
Apparative Diagnostik [1][7]
Röntgen bei Luxationen des Ellenbogengelenks
- Indikation: Goldstandard zur Diagnosesicherung
- Nach dem Röntgen zügige Reposition vor weiterer Diagnostik
- Durchführung: Konventionelles Röntgen oder Bildwandler zur Darstellung des Ellenbogengelenks in 2 Ebenen
- Seitlich
- A.p.
- Fakultativ
- Bei V.a. Mitbeteiligung des distalen Radioulnargelenks (DRUG): Handgelenk in 2 Ebenen
- Nach Reposition: Dynamische Aufnahmen unter Bildwandler
- Befunde
- Luxationsrichtung
- Knöcherne Begleitverletzungen (Ellenbogenluxationsfraktur)
- Anteriores und posteriores Fettpolsterzeichen
- Zeichen einer Gelenkinstabilität [17]
- A.p.–Aufnahme: Asymmetrische Gelenklinie („River Delta Sign“ ) [7]
- Seitliche Aufnahme
- Vergrößerter Humero-ulnarer Abstand: „Drop Sign“ [18]
- Verschobene Radius-Capitulum-Achse [19]
- Osborne-Cotterill-Läsion (Äquivalent des Ellenbogens zur Hill-Sachs-Läsion) [5]
Nach Sicherung der Diagnose sollte zügig reponiert werden, bevor weitere Diagnostik angeschlossen wird!
Fakultative Diagnostik [1][5][7]
- CT: Bei V.a. Ellenbogenluxationsfraktur (zur Therapieplanung)
- Sonografie: Dynamische Untersuchung nach Reposition
- MRT: Zur Therapieplanung (konservativ vs. operativ) nach geschlossener Reposition
- Durchführung: In extensionsnaher Stellung des Ellenbogengelenks
- Befund
- Ausmaß der Kapsel-Band-Verletzung
- Verletzungen der stabilisierenden Muskulatur
- Inkongruenzen des Gelenks (bspw. durch Knorpel- oder Knochenfragmente, Weichteile)
- Abscherungen
Differenzialdiagnosen
- Traumatisch [1]
- Prellung
- Distorsion oder ligamentäre Verletzung ohne Luxation
- Radiuskopf-Subluxation
- Radiuskopffraktur
- Distale Humerusfraktur
- Proximale Ulnafraktur, bspw. Fraktur des Proc. coronoideus
- Monteggia-Fraktur
- Nicht-traumatisch: Epicondylitis radialis humeri
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Die konservative und frühfunktionelle Therapie entspricht zwar dem evidenzbasierten Behandlungsstandard, ist jedoch nicht immer erfolgreich. Für eindeutige Empfehlungen zur Überlegenheit der operativen Therapie bei bestimmten Befundkonstellationen gibt es aber noch nicht genug Evidenz. Deshalb wird das optimale Vorgehen nach gesicherter Ellenbogenluxation weiterhin diskutiert, verschiedene Konzepte bzw. Entscheidungs-Algorithmen sind im Gespräch. [1][13]
Ziele der Therapie [5][7]
- Schmerzfreiheit
- Wiederherstellung von Form, Funktion und Bewegungsausmaß
- Wiederherstellung der Stabilität für eine frühfunktionelle Nachbehandlung
Geschlossene Reposition der posterioren Ellenbogenluxation [5][6]
- Indikation: Ligamentäre Ellenbogenluxation und knöcherne Ellenbogenluxation ohne Repositionshindernis
- Zeitpunkt: Schnellstmöglich nach Diagnosesicherung durch Bildgebung
- Vorbereitung
- Aufklärung über Ablauf und mögliche Komplikationen des Repositionsmanövers
- Beruhigen des Patienten
- Diagnostik vor Reposition: pDMS und Röntgen des Ellenbogengelenks (siehe auch: Röntgen bei Luxationen des Ellenbogengelenks)
- Lagerung des Patienten in Rückenlage
- Mögliche Verfahren zur Analgesie und Sedierung
- I.v. Medikation, bspw. mit Piritramid (ggf. in Kombination mit Antiemetikum, bspw. Dimenhydrat , zur Behandlung einer opioidinduzierten Übelkeit) [11]
- Alternativ: Analgosedierung für nicht-elektive Interventionen in Zusammenarbeit mit der Anästhesie
- Durchführung
- 1. Person: Fixierung und Stabilisierung des betroffenen Oberarms mit beiden Händen
- Beide Daumen drücken auf das Olecranon
- Ellenbogengelenk des Patienten wird in 90 ° Flexion gehalten
- 2. Person: Kontinuierlicher Zug am Unterarm in axiale Richtung, dadurch spür- und hörbare Reposition
- Ggf. Gegendruck/Drehung des Unterarms bei seitlicher Luxation
- 1. Person: Fixierung und Stabilisierung des betroffenen Oberarms mit beiden Händen
- Während der Reposition
- Dem Patienten alle Arbeitsschritte erklären und Repositionsbewegungen langsam und kontrolliert ohne ruckartige Bewegungen durchführen
- Bei Auftreten von Schmerzen: Gelenkmanipulation unterbrechen
- Untersuchungen nach geschlossener Reposition (Vor allem die Stabilitätskontrolle ist meist nur unter Analgesie möglich) [1]
- Anlage eines fixierendem Oberarmverbandes: Bspw. gespaltener Oberarmcast oder Oberarmschiene in 90 ° Flexion [1]
- Röntgenkontrolle: Ellenbogen a.p. und seitlich, siehe auch: Röntgen bei Luxationen des Ellenbogengelenks
- Weitere Maßnahmen und Empfehlungen bei Entlassung
- Schmerzadaptierte Analgesie mit NSAR
- Kontrolle auf Druckstellen des Verbandes am Folgetag
- Sofortige Wiedervorstellung bei Gefühlsstörungen oder Schmerzen → Mögliche Einengung durch den starren Verband → Lockerere Neuanlage des Verbandes
- Ggf. Veranlassung weiterführender Diagnostik (bspw. MRT) zur Therapieplanung
- Planung der weiteren Therapie je nach Befund
Konservative Therapie der Ellenbogenluxation [1][6][7]
- Indikation [1]
- Einfache Luxation nach erfolgreicher geschlossener Reposition
- Zusätzliche Kriterien: Kontraindikation gegen eine Operation, geringer Patientenanspruch in Bezug auf Funktion und Belastung
- Setting: Ambulant
- Verfahren: Ruhigstellung des Ellenbogens in 90 ° Flexion mittels fixierender Oberarmgipsschiene
- Dauer der Ruhigstellung: Max. 1 Woche
- Anschließend ggf. ca. 6 Wochen in beweglicher Ellenbogenorthese
- Stellung des Unterarms je nach Bandläsion
- Schmerzadaptierte Analgesie mit NSAR
Operative Therapie der Ellenbogenluxation [1][7]
- Indikation [1]
- Notfallmäßig: Durchblutungsstörungen, Nervenläsionen, offene Luxationen, frustrane geschlossene Reposition der Ellenbogenluxation
- Frühelektiv
- Ellenbogenluxationsfrakturen mit operationsbedürftiger Fraktur, bspw. intraartikulären Begleitpathologien
- Nach geschlossener Reposition bestehende Instabilität, Re- oder Subluxation
- Freie Gelenkkörper (bspw. Knorpel, Weichteile)
- Ggf. Sekundäre Operation, d.h. nach Versagen der initial konservativen Therapie (nach weiterer Diagnostik zur Reduzierung des Risikos einer Reluxation)
- Zusätzliche Entscheidungskriterien: Junge, sportlich aktive Patienten
- Ausgeprägte Weichteilverletzungen [13]
- Verfahren
- Offene oder arthroskopische Bandnaht
- Ggf. osteosynthetische Versorgung von Begleitfrakturen
- Ggf. postoperative Ruhigstellung in beweglicher Ellenbogenorthese
- Postoperative Ruhigstellung: Fakultativ mit beweglicher Ellenbogengelenkorthese
Durchführung der operativen Therapie der Ellenbogenluxation [7]
- Setting: Stationär für ca. 1–2 d
- Vorbereitung
- Lagerung: Rückenlage mit Armtisch
- Falls Operation in Blutleere geplant: Anlegen einer Blutsperremanschette
- Klinische Untersuchung und Röntgenkontrolle
- Überprüfung von Stabilität/Instabilität
- Gelenkführung
- Weitere Informationen siehe: Perioperatives Management und Atlas der OP-Instrumente
- Lagerung: Rückenlage mit Armtisch
- Verfahren
- Offene primäre Bandnaht/Stabilisierung
- Zeitfenster: 14 d [6]
- Zugang
- Lateraler Zugang, bspw. nach Kocher
- Medialer Zugang, bspw. nach Hotchkiss
- Refixation des Kapsel-Band-Apparates und der Muskulatur in 90 ° Flexionsstellung
- Fixation der Seitenbänder und Gelenkkapsel an ursprünglicher Stelle
- Fixation evtl. rupturierter Muskelansätze an Ursprungs- bzw. Ansatzort
- Erneute Stabilitätsprüfung nach Fixation
- Keine ausreichende Stabilität → Ggf. Ellenbogen-Bewegungsfixateur
- Ggf. osteosynthetische Versorgung von Begleitfrakturen
- Arthroskopische Bandnaht
- Offene primäre Bandnaht/Stabilisierung
Komplikationen
- Allgemein [1][7949;294][5]
- Kompartmentsyndrom
- (Schmerzhafte) Bewegungseinschränkung
- Ellenbogensteife
- Chronische Instabilität des Ellenbogengelenks
- Erneute Luxation
- CRPS
- Posttraumatische Arthrose
- Geringere Belastbarkeit des Ellenbogens
- Siehe auch: Komplikationen nach Knochenbruch
- Bei operativer Therapie [1]
- Allgemeine Komplikationen nach Osteosynthese
- Spezifische Risiken
- Chronische Infektion
- Nahtlockerung bzw. Materialversagen
- (Hypertrophe) Narbe, Keloid
- Nervenläsion
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachsorge
Zum allgemeinen postoperativen stationären Management inkl. durchzuführender ärztlicher Verlaufskontrollen sowie Empfehlungen zur Schmerztherapie und Thromboseprophylaxe kann auch das Kapitel „Nachsorge in der Orthopädie und Unfallchirurgie" genutzt werden.
Allgemeine Hinweise zur Nachsorge
- Regelmäßige Kontrollen des Heilungsverlaufs
- Kühlung, Hochlagerung und Schonung der betreffenden Extremität
- Schmerzadaptierte Analgesie mit NSAR
- Basismaßnahmen zur Thromboseprophylaxe
Spezielle Nachsorge bei der konservativen Therapie
- Röntgenkontrollen: Bspw. im Abstand von 1, 2 und 3 Wochen und individuell bei Beschwerden oder verzögertem Heilungsverlauf
- Physiotherapie
- Eigenständiges Beüben der angrenzenden Gelenke (Schulter, Hand), ggf. Übungen in Überkopfposition
- Nach ca. 1 Woche: Frühfunktionelle, aktiv-assistierte Behandlung unter physiotherapeutischer Anleitung
- Nach ca. 2 Wochen: Beginn aktiver Bewegung
- Nach ca. 6 Wochen: Belastung unter Alltagsbedingungen, Beginn Muskelaufbautraining
- Nach ca. 3 Monaten: Unlimitierte Bewegung und Belastung
- Verfahrenswechsel: Bei erfolgloser konservativer Therapie (bspw. bei bleibender Instabilität) kann innerhalb von 2 Wochen recht unproblematisch von der konservativen auf die operative Therapie umgeschwenkt werden. [7]
Spezielle Nachsorge bei der operativen Therapie [5][6]
- Röntgenkontrollen: Je nach Maßgabe des Operateurs oder Klinikstandards
- Physiotherapie
- Materialentfernung
- Entfällt bei isolierter Bandnaht
- Bei knöcherner Ellenbogenluxation: Entfernung der Osteosynthese je nach Fraktur und Beschwerden erwägen
- Entfernung eines Fixateur externe nach 6–12 Wochen
Prognose
- Meist gutes funktionelles Ergebnis (wie vor der Luxation)
- Mögliche Folgeschäden [16]
- Gelegentlich bleibendes Streckdefizit
- Selten posttraumatische Arthrose
- Reluxation in <2% der Fälle
Prävention
- Vermeidung best. Sportarten mit hoher Belastung des Ellenbogengelenks bzw. hohem Risiko für eine Luxation (bspw. durch Stürze, Körperkontakt mit dem Gegner) [1]
- Je nach Sportart spezifische Übungen zur Prävention, Physiotherapie
3D-Anatomie
In Kooperation mit Effigos bieten wir dir die Möglichkeit, Anatomie auch in 3D zu erfahren. Die Inhalte sind vielfach auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend. Neben Komplettmodellen bieten wir dir auch sprach- oder textgeführte Exkurse zu einzelnen Themen. In allen Versionen hast du die Möglichkeit, mit den Modellen individuell zu interagieren, bspw. durch Schneiden, Zoomen oder Aus- bzw. Einblenden bestimmter Strukturen. Eine Übersicht über alle Inhalte findest du in dem Kapitel Anatomische 3D-Modelle. Die unterschiedlichen Pakete zu den 3D-Modellen findest du im Shop.
3D-Modell
Exkurs
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
S53.-: Luxation, Verstauchung und Zerrung des Ellenbogengelenkes und von Bändern des Ellenbogens
- Exklusive: Verstauchung und Zerrung von Muskeln und Sehnen in Höhe des Unterarmes (S56.‑)
- S53.1-: Luxation sonstiger und nicht näher bezeichneter Teile des Ellenbogens
- Articulatio humeroulnaris
- Exklusive: Galeazzi- (Luxations‑) Fraktur (S52.31), Luxation des Radiuskopfes, isoliert (S53.0)
- S53.10: Nicht näher bezeichnet
- S53.11: Nach vorne
- S53.12: Nach hinten
- S53.13: Nach medial
- S53.14: Nach lateral
- S53.18: Sonstige
- S53.2: Traumatische Ruptur des Lig. collaterale radiale
- S53.3: Traumatische Ruptur des Lig. collaterale ulnare
- S53.4-: Verstauchung und Zerrung des Ellenbogens
- S53.40: Teil nicht näher bezeichnet
- S53.41: Lig. collaterale radiale
- S53.42: Lig. collaterale ulnare
- S53.43: Humeroradial (-Gelenk)
- S53.44: Humeroulnar (-Gelenk)
- S53.48: Sonstige Teile
M24.-: Sonstige näher bezeichnete Gelenkschädigungen
- M24.4-: Habituelle Luxation und Subluxation eines Gelenkes
- M24.42: Habituelle Luxation und Subluxation eines Gelenkes: Oberarm [Humerus, Ellenbogengelenk]
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.