Zusammenfassung
Der Umgang mit Schmerzen als hochkomplexe Thematik erfordert eine interdisziplinäre und professionelle Zusammenarbeit, um die Situation für die Patient:innen zu verbessern. Besonders chronische Schmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen massiv. Durch eine gezielte Schmerzerfassung und eine individuell angepasste Schmerztherapie, die auf alle Dimensionen des Schmerzes eingeht, kann meist eine stabile Schmerzsituation erreicht werden.
Dieses Kapitel orientiert sich am aktuellen Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“ des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP).
- Für weiterführende Informationen siehe auch:
Grundlagen
Funktionen von Schmerzen
- Schutzfunktion: Macht auf eine (potenzielle) Schädigung aufmerksam
- Förderung der Heilung: Zwingt häufig zur Einschränkung von Aktivität
Schmerzwahrnehmung (Nozizeption)
- Nozizeption: Wahrnehmung von Reizen , die den Körper potenziell oder tatsächlich schädigen
- Nozizeptoren: Registrieren die Reize und leiten diese über Schmerzfasern ins Gehirn
- Entstehung der Sinneswahrnehmung „Schmerz“: Durch Verarbeitung der Reize im Kortex des Gehirns
- Schmerzschwelle: Grenze, ab der ein Reiz als schmerzhaft wahrgenommen wird, individuell verschieden
- Ablauf
- Transduktion
- Transmission
- Schmerzwahrnehmung und Modulation
Schmerzempfinden
Das Schmerzempfinden ist individuell. Schmerzschwelle und/oder -toleranz können durch unterschiedliche Faktoren erheblich erhöht oder herabgesetzt sein. Daher sollten Äußerungen zu Schmerzen immer ernst genommen werden .
- Einflussfaktoren der Schmerzwahrnehmung
- Allgemeinzustand
- Einschränkungen durch Erkrankungen
- Psychische Faktoren
- Schmerzverstärkende Faktoren
- Schmerzmindernde Faktoren
- Vorerfahrungen mit Schmerzen
- Einflussfaktoren der Schmerzäußerung
- Kulturelle Prägung
- Alter
- Bei Kindern
- Bei Menschen >65 Jahre: Schmerzen werden ggf. als „normale Alterserscheinung“ akzeptiert
- Für weitere Informationen siehe:
- Schmerzkomponenten
- Gestörte Schmerzempfindung: Hyperalgesie und Hypalgesie
Schmerz ist, was nach Aussage der Betroffenen als Schmerz empfunden wird! Die Selbsteinschätzung der Patient:innen hat einen höheren Stellenwert als die Fremdeinschätzung durch bspw. medizinisches Personal.
Schmerzformen nach Entstehungsart
Um eine geeignete Schmerztherapie anbieten zu können, bedarf es einer ausführlichen Schmerzanamnese sowie einer genauen Beobachtung der Schmerzen. Das Bestimmen der Schmerzform kann helfen, den empfundenen Schmerz besser zu verstehen und einzuordnen.
Schmerzformen nach zeitlicher Dimension: Akuter Schmerz
- Bei neu aufgetretenen akuten Schmerzen: Ärztliches Personal informieren!
- Schmerzen als Warnsignal des Körpers, überwiegend gut therapierbar
- Akute Schmerzen verschwinden, wenn Schmerzursache beseitigt ist
- Bspw. nach Traumen, im Rahmen verschiedener akuter Krankheitsbilder oder nach medizinischen Eingriffen
- Akutschmerzarten
- Prozeduraler Schmerz: Akuter Schmerz durch Interventionen pflegerischer oder medizinischer Art
- Akute Schmerzen bei vorhandenen chronischen Schmerzen: Erkennung und Behandlung oft schwierig, bedürfen gründlicher Untersuchungen zur Abklärung
Akute Schmerzen sollten insb. bei unerwartetem Auftreten sofort dem ärztlichen Personal gemeldet werden!
Eine zügige Schmerzbehandlung kann einer Chronifizierung der Schmerzen vorbeugen!
Schmerzmittel dürfen nicht ohne ärztliche Anordnung verabreicht werden, insb. bei ungeklärter Ursache des Schmerzes!
Schmerzformen nach zeitlicher Dimension: Chronischer Schmerz
Chronische Schmerzen erzeugen bei den Betroffenen oft weitreichende psychische, emotionale und/oder soziale Probleme, die die Fähigkeiten im Alltag sowie die täglichen Routinen stark beeinflussen können . Die Schmerztherapie chronischer Schmerzen ist häufig anspruchsvoller als die akuter Schmerzen. Zur Definition chronischer Schmerzen siehe auch: Chronischer Schmerz.
Risikofaktoren für die Ausbildung chronischer Schmerzen
- Weibliches Geschlecht
- Fortschreitendes Alter
- Genetische Disposition
- In Folge von Operationen und unzureichender Schmerzlinderung
- Unzureichende körperliche Bewegung
- Ungesunde Ernährung und Übergewicht, Vitamin-D-Mangel
- Wirtschaftliche und soziale Benachteiligung, geringerer Bildungsgrad
- Psychische Belastungen
Chronifizierungssignale
- Dauerhafte bzw. häufig auftretende Symptomatik
- Zeitgleich verschiedene Symptomatik (polysymptomatischer Verlauf)
- Starke Ängste bzgl. des eigenen Gesundheitszustands bis hin zu psychischen Erkrankungen
- Reduzierte Alltagsfähigkeit mit signifikantem Schonverhalten und sozialem Rückzug
- Beziehung zu behandelndem Personal oftmals beidseitig schwierig
Chronische Schmerzarten
- Primär chronischer Schmerz: Können durch keine andere Erkrankung oder Schmerzursache erklärt werden
- Sekundär chronischer Schmerz: Ursächlich durch eine Erkrankung oder einen Eingriff entstanden, nun eigenständiges Krankheitsbild , Unterteilung bspw. in
- Komplexes regionales Schmerzsyndrom
- Chronischer tumorbedingter Schmerz: Entsteht durch Tumor, Metastasen und/oder Tumorbehandlung
- Wird ggf. auch unter 3 Monaten schon chronisch, insb. bei palliativer Situation
- Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
Schmerzgedächtnis
- Nervenbahnen werden oft oder anhaltend gereizt → Überempfindlichkeit, die im Rückenmark und ggf. dem Gehirn abgespeichert wird („Schmerzgedächtnis“)
- Schmerzen bestehen auch nach Abklingen des ursprünglichen Reizes weiter
- Folge: Wahrnehmung harmloser oder wenig schmerzhafter Reize als übermäßig schmerzhaft (siehe auch: Hyperalgesie, Allodynie) oder Auftreten spontan entstandener Schmerzzustände
Um die Entstehung chronischer Schmerzen zu verhindern, ist eine ausreichende und frühzeitige Schmerzbehandlung notwendig!
Schmerzsituation
- Stabile Schmerzsituation: Kein akuter Behandlungs-/Veränderungsbedarf
- Einschränkungen im Alltag wenig bis nicht vorhanden
- Instabile Schmerzsituation: Akuter Behandlungs-/Veränderungsbedarf liegt vor
Underreporting of Pain
Manche Betroffene äußern ihren Schmerz aus unterschiedlichen Gründen nicht. Hier ist es besonders wichtig, die Patient:innen über die Konsequenzen einer insuffizienten Schmerztherapie aufzuklären sowie die Therapie individuell anzupassen.
- Mögliche Ursachen
- Prävention
Um ein Underreporting of Pain zu verhindern, sollten die Patient:innen aktiv nach Schmerzen gefragt werden!
Schmerzerfassung
Mithilfe standardisierter Fragebögen werden die Patient:innen zu ihrer aktuellen Schmerzsituation befragt.
Allgemeine Aspekte
- Verfälschte Ergebnisse : Bspw. durch
- Seh- und Hörstörungen
- Kognitive Beeinträchtigungen
- Verständnisprobleme
- Dokumentation der Ergebnisse: Zeitnah, Zugang für alle an der Behandlung beteiligten Mitarbeitenden sicherstellen
Zeitpunkte der Schmerzerfassung
- Bei der Aufnahme
- Routinemäßig im Verlauf (insb. bei starken Schmerzen und instabiler Schmerzsituation mind. 2×/Tag)
- Bei Veränderungen des Zustands oder der erhobenen Parameter
- Bei verändertem Verhalten
- Vor und nach Schmerzmittelgaben
- Ggf. in Ruhe und bei Belastung
- Ggf. vor, während und nach pflegerischen und medizinischen Maßnahmen
Die Ergebnisse sollten zeitnah dokumentiert werden! Insb. bei Schmerzen unklarer Genese sollte das ärztliche Personal umgehend informiert werden!
Kriterien zur Schmerzerfassung
Nach der Schmerzerfassung sollte eingeschätzt werden, ob akuter Behandlungsbedarf besteht oder eine Umstellung der Therapie notwendig ist.
- Schmerzlokalisation (siehe auch: Schmerzformen)
- Ort des Schmerzes?
- Oberflächen- oder Tiefenschmerz?
- Lokalisiert , diffus , ausstrahlend?
- Einseitig, beidseitig?
- Schmerzdauer (siehe auch: Schmerzformen)
- Akut aufgetreten oder chronisch?
- Wie lange hält der Schmerz an?
- Schmerzintensität (siehe auch: Pflegerische Schmerzassessmentinstrumente)
- Bspw. schwach, stark, sehr stark?
- Schmerzqualität
- Stechend, brennend, dumpf, ziehend, pulsierend, bohrend, schneidend, reißend, krampfartig?
- Wachsend, wellen-/krampfartig, gleichmäßig?
- Begleitsymptome
- Bspw. Übelkeit, Erbrechen?
- Zeitlicher Verlauf
- Beeinflussende Faktoren
- Mögliche Auslöser oder Verstärker ?
- Maßnahmen zur Linderung / Welche wurden bereits (erfolgreich/erfolglos) getestet?
- Ggf. Erfolg früherer Behandlungen?
Zusätzlich Kriterien der Schmerzanamnese
- Schmerzerfahrungen
- Intensität vergangener Schmerzzustände, insb. im Vergleich zu gerade bestehenden Schmerzen?
- Risikofaktoren
- Erkrankungen mit erhöhtem Schmerzrisiko in der Familie vorhanden ?
- Vorerkrankungen vorhanden ?
- Ggf. vorhergegangene Operationen, Schmerzen im Operationsgebiet?
- Medikamenteneinnahme und ggf. aufgetretene Nebenwirkungen?
- Alkohol- und Nikotinkonsum ?
- Ggf. Reise- und Umgebungsanamnese notwendig
- Beeinträchtigte Lebensqualität durch negative Auswirkungen: Insb. in folgenden Bereichen
- Aktivitäten des alltäglichen Lebens und Gewohnheiten
- Soziales Leben
- Arbeitsleben
- Schlaf
- Erwartungen an die Schmerzbehandlung
- Was erwartet der/die Schmerzpatient:in von der bevorstehenden Behandlungsphase?
Kriterien zur Fremdeinschätzung
Sollten die Patient:innen nicht in der Lage sein, eine Selbsteinschätzung durchzuführen , sollten zunächst Skalen zur Fremdeinschätzung genutzt werden. Ggf. kann zusätzlich die Einschätzung der Angehörigen eingeholt werden. Auffälligkeiten bei den folgenden Kriterien können auf Schmerzen hindeuten. Es sollten aber auch immer andere Ursachen in Erwägung gezogen werden.
- Basismonitoring
- Veränderte Vitalzeichen: Hypertonie, Tachykardie, Tachypnoe
- Äußere Erscheinung
- Blässe
- (Vermehrtes) Schwitzen
- Gewichtsverlust
- Ernährung
- Appetitlosigkeit, Nahrungsverweigerung
- Gastrointestinale Symptomatik: Übelkeit, Erbrechen
- Bewegungen
- Körpersprache: Schon- und Schutzhaltung
- Verlangsamtes, ggf. unrundes Gangbild
- Bewegungsdrang
- Verändertes Verhalten
- Mimik
- Gestik
- Stimme , Lautäußerungen
- Allgemeine Unruhe, Anspannung
- Ablehnen der Körperpflege
- Licht- und Geräuschempfindlichkeit
- Schlafstörungen, Müdigkeit
- Gewohnheitsänderungen
- Sozialer Rückzug
- Mentale Situation
- Angstzustände, depressive Verstimmungen
- Abweisendes, aggressives, apathisches, verwirrtes Verhalten
- Weitere Informationen: Ggf. von Personen einholen, die mit der Vorgeschichte vertraut sind
- Schmerzverursachende Vorerkrankungen
- Schmerzerfahrungen in der Vergangenheit
Die Fremdbeurteilung durch eine nahestehende Bezugsperson sollte immer mitberücksichtigt werden!
Schmerzassessmentinstrumente
- Schmerzskalen zur Selbsteinschätzung
- Numerische Rating-Skala (NRS)
- Visuelle Analogskala (VAS)
- Verbale Rating-Skala (VRS)
- Wong-Baker FACES® Pain Rating Scale
- Likert-Skala
- Schmerzfragebogen zur Selbsteinschätzung
- Brief Pain Inventory – Short Form
- Deutscher Schmerzfragebogen
- painDETECT questionnaire (PD-Q)
- Strukturiertes Schmerzinterview für geriatrische Patienten
- Schmerztagebuch: Dokumentation des zeitlichen Verlaufs der Schmerzintensität
Schmerzerfassung bei Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen
- Bei Früh- und Neugeborenen sowie Säuglingen
- Schmerzempfinden: Voll ausgeprägt, aber nur schwer messbar
- Fremdeinschätzung: Insb. über Gesichtsausdruck, Verhaltensweisen und Vitalzeichen
- Assessmentinstrumente zur Fremdeinschätzung: Bspw.
- Berner Schmerzscore für Neugeborene / Berner Pain Score for Neonates (BPSN) – Revised
- Neonatal Infant Pain Scale (NIPS)
- Bei Kindern und Jugendlichen
- Selbsteinschätzung: Ab ca. 3–7 Jahren möglich
- Assessmentinstrumente zur Fremdeinschätzung: Bspw.
- Deutscher Schmerzfragebogen für Kinder und Jugendliche (DSF-KJ)
- Siehe auch: Mögliche Instrumente zur Erfassung postoperativer Schmerzen bei Kindern
Schmerzerfassung bei kognitiv oder verbal stark eingeschränkten Menschen
Bei diesen vulnerablen Patientengruppen muss anhand bewusster Beobachtungen und der Verwendung von Skalen die Schmerzsituation eingeschätzt werden. Äußerungen der Patient:innen zu ihrer Schmerzsituation haben immer einen höheren Stellenwert als Fremdeinschätzungen! Für weitere Informationen siehe auch: Pflegerische Kriterien zur Fremdeinschätzung auf Schmerzen.
- Assessmentinstrumente bei Demenz: Bspw.
- Assessmentinstrumente auf der Intensivstation
- Behavioral Pain Scale (BPS)
- Behavioral Pain Scale – Non-intubated (BPS-NI)
- Critical-Care Pain Observation Tool (CPOT)
- Assessmentinstrumente bei Menschen mit Teilhabeeinschränkung
- Disability Distress Assessment Tool (Dis-Dat)
- Bogen zur Evaluation der Schmerzzeichen bei Jugendlichen und Erwachsenen mit Mehrfachbehinderung (EDAAP-Skala)
Schmerztherapie
Jeder Mensch hat Anspruch auf eine angemessene, individuelle Schmerzbehandlung. Da Schmerzen subjektiv wahrgenommen werden, müssen Schmerzäußerungen immer ernst genommen werden. Pflegefachpersonen verbringen i.d.R. die meiste Zeit mit den Patient:innen, sodass ihnen bei der Patientenbeobachtung und Kommunikation der erfassten Schmerzsituation eine besondere Rolle im interdisziplinären Team zukommt. Besonders bei chronischen Schmerzen ist ein interdisziplinärer, multimodaler Therapieansatz anzustreben.
Wichtige Begriffe der Schmerztherapie
- Biopsychosoziales Modell
- Erklärungsansatz für chronische Schmerzen, bei dem neben der körperlichen Komponente auch psychische und soziale Faktoren sowie deren gegenseitige Beeinflussung berücksichtigt werden
- Fordert einen interdisziplinären Behandlungsansatz unter Einbezug aller Einflussfaktoren
- Interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie
- Verschiedene Behandlungsverfahren werden in interprofessioneller Zusammenarbeit gleichzeitig durchgeführt
- Begründet durch das biopsychosoziale Modell
- Anwendung insb. bei chronischen Schmerzen
- Total Pain: Ganzheitliches Verständnis des Schmerzbegriffes in der Palliativmedizin, das sowohl körperlichen Schmerz als auch psychische, soziale und spirituelle Einflüsse (z.B. Trauer, Angst, Hoffnungslosigkeit) in das Schmerzerleben einbezieht, siehe auch: Besondere Schmerzkonzepte in der Palliativmedizin
Aufgaben der Pflegefachperson in der Schmerztherapie
- Schmerzerfassung
- Durchführung und Überwachung der ärztlich angeordneten Schmerztherapie: Grundsätzlich bei Werten auf der NRS von 3/10 in Ruhe und 5/10 in Bewegung, auf Patientenwunsch auch bei niedrigeren Werten
- Durchführung schmerzlindernder Maßnahmen, siehe auch: Nicht-medikamentöse Schmerztherapie in der Pflege
- Zeitnahe Information des ärztlichen Personals: Insb. über
- Neu aufgetretene Schmerzen
- Schmerzen unklarer Ursache
- Zunahme der Stärke bestehender Schmerzen
- Ausbleibende Wirkung angeordneter Schmerzmedikation
- Nebenwirkungen der Schmerzmedikation
- Beratung und Schulung der Patient:innen : Bspw. über
- Optionen der medikamentösen Schmerztherapie inkl. Wirkmechanismus und möglichen Nebenwirkungen (insb. bei Opioidtherapie)
- Prävention, Erkennen und Behandeln von Nebenwirkungen der medikamentösen Schmerztherapie
- Möglichkeiten der nicht-medikamentösen Schmerztherapie
- Biopsychosoziales Modell der Schmerzentstehung
- Führen eines Schmerztagebuchs
- Umgang mit Hilfsmitteln
- Ggf. zu erwartende Schmerzen vor und nach Interventionen sowie operativen Eingriffen
- Entlassungsmanagement: Ggf. Sozialdienst einbeziehen
- Zugang zu schmerzlindernden Maßnahmen und Medikamenten gewährleistet?
- Vorgehen bei Schmerzschüben im Urlaub geplant?
- Notfallkontakte vorhanden?
- Austausch im interdisziplinären Behandlungsteam: Evaluation der durchgeführten (insb. pflegerischen) Maßnahmen und Medikamentenwirkung
Verständigungsprobleme müssen berücksichtigt und bestmöglich kompensiert werden, bspw. durch Hörgeräte oder Dolmetscher:innen!
Medikamentöse Schmerztherapie
Pflegefachpersonen sind für die Überwachung und Verabreichung der ärztlich angeordneten, medikamentösen Schmerztherapie verantwortlich. Voraussetzung dafür ist das Wissen um die zu erwartende Wirkung und häufige Nebenwirkungen, die sich insb. bei Nicht-Opioid-Analgetika und Opioid-Analgetika unterscheiden.
Siehe auch:
Pflege bei Therapie mit Nicht-Opioid-Analgetika
- Häufige Nebenwirkungen bei Nicht-Opioid-Analgetika: Abhängig vom Medikament
- Bei NSAR
- Magen- und Duodenalulzera mit Gefahr für gastrointestinale Blutung
- Analgetika-Asthma
- Bei Patient:innen mit Niereninsuffizienz: Minderdurchblutung der Nieren → Blutdruck↑, Ödeme
- Bei Metamizol
- Blutdruckabfälle
- Allergische Reaktionen
- Bei Paracetamol: I.d.R. gute Verträglichkeit, bei Überdosierung jedoch leberschädigend (hepatotoxisch)
- Bei NSAR
- Für Grundlagen sowie weitere Informationen zu Wirkungen und Nebenwirkungen siehe: Nicht-Opioid-Analgetika
Pflege bei Opioidtherapie
Die Hauptaufgabe der Pflegefachpersonen besteht in der sorgfältigen Überwachung der Patient:innen. Treten Symptome einer Intoxikation oder Entzugserscheinungen auf, muss umgehend das ärztliche Personal informiert werden. Für weitere Informationen zur Handhabung von Betäubungsmitteln, inkl. Opioiden, siehe auch: Pflegerischer Umgang mit Betäubungsmitteln.
Nebenwirkungen der Opioidtherapie
Viele der Nebenwirkungen treten insb. in der ersten Woche der Therapie auf und nehmen wieder ab, wenn sich der Körper an das Medikament gewöhnt hat (Ausnahme: Obstipation). Die Patient:innen sollten darüber informiert werden, da es sonst schnell zu einem Therapieabbruch aufgrund unangenehmer Nebenwirkungen kommen kann.
- Müdigkeit
- Übelkeit/Erbrechen
- Schwindel (durch orthostatische Dysregulation), Blutdruck↓ → Sturzprophylaxe!
- Juckreiz
-
Obstipation
- Keine Abnahme der Obstipation bei Gewöhnung an das Medikament
- Bei Opioidgabe immer medikamentöse Abführmaßnahmen durch ärztliches Personal anordnen lassen
- Opioidinduzierter paralytischer Ileus möglich → Überwachung der Patient:innen auf Ileussymptomatik bei ausgeprägter Obstipation
- Pflegerische Beratung und ggf. Durchführung der Obstipationsprophylaxe
- Für weitere Informationen siehe auch:
Treten Symptome einer Intoxikation oder Entzugserscheinungen auf, muss umgehend das ärztliche Personal informiert werden!
Grundsätze der Opioidtherapie
- Bei akuten, schweren Schmerzzuständen
- Schnell wirksame Applikationswege bis zur Verbesserung der auslösenden Situation
- Patient:innen reagieren ggf. stark auf Opioide, da der Körper nicht daran gewöhnt ist
- Bei chronischen / länger anhaltenden Schmerzzuständen
- Sorgfältige Einstellung der richtigen Dosis erforderlich
- Entwicklung einer Toleranz
- Ggf. hohe Opioiddosierungen notwendig: Insb. bei bestehender Toleranz und gleichzeitig schwerwiegender Grunderkrankung → Engmaschiger Austausch mit ärztlichem Personal und Überwachung auf Intoxikationssymptome
- Ggf. Opioidrotation notwendig
Bleibt die gewünschte Wirkung der verabreichten Medikation aus, muss Rücksprache mit dem ärztlichen Personal gehalten und ggf. weitere Medikation angeordnet werden! Die Schmerztherapie (medikamentös und nicht-medikamentös) muss so lange erweitert werden, bis eine für die Patient:innen akzeptable Schmerzsituation erreicht wurde!
Hinweise zu verschiedenen Applikationsformen
- Oral
- I.d.R. retardierte Basismedikation: Einnahme zu festen Zeiten (meist morgens und abends)
- Zusätzlich schnellwirksame Bedarfsmedikation: I.d.R. unretardierte Form der Basismedikation
- Transdermal (Pflaster)
- Wirkstoff: I.d.R. Fentanyl
- Konstante Wirkstoffabgabe bis zu 72 h
- Resorption abhängig von der Durchblutung der Haut: Schlechte Durchblutung führt zu einer geringeren Wirkstoffaufnahme , verstärkte Hautdurchblutung zu einer höheren Wirkstoffaufnahme
- Bei Symptomen einer Opioidintoxikation: Überprüfen, ob mehrere Pflaster gleichzeitig angewendet wurden
- Applikation
- Bei Wechsel des Pflasters immer Handschuhe tragen
- Vor Anbringen des neuen Pflasters altes Pflaster entfernen
- Neues Pflaster an eine andere Stelle als das alte Pflaster kleben: Auf eine flache Stelle auf dem Oberkörper bzw. dem Oberarm
- Dokumentation des Pflasterwechsels: Sorgfältig mit Datum, Uhrzeit und Körperstelle
- Pflaster nicht zerschneiden
- Altes Pflaster fachgerecht entsorgen
- Intravenös
- Im Rahmen der Notfall- und Intensivtherapie sowie Narkosen, ggf. auch in der Palliativmedizin
- Kontinuierliche Überwachung von Bewusstsein, Atmung und Kreislauf erforderlich
- Applikation über patientengesteuerte Schmerzpumpe (PCA-Pumpe) möglich
- Im Rahmen der Notfall- und Intensivtherapie sowie Narkosen, ggf. auch in der Palliativmedizin
Opioidintoxikation
Opioidintoxikationen treten auf, wenn die Medikamente in zu hoher Dosierung verabreicht bzw. eingenommen wurden. Außerdem können Störungen im Abbau und der Ausscheidung der Medikamente zu einer Intoxikation aufgrund einer Akkumulation (Ansammlung) des Medikaments im Körper führen, bspw. wenn eine Niereninsuffizienz vorliegt. Dann muss ggf. die Dosis reduziert oder das Präparat gewechselt werden.
- Symptomtrias
- Vigilanzminderung
- Beidseitige Miosis
- Atemdepression
- Therapie
- Freihalten der Atemwege durch Überstrecken des Kopfes und (assistierte) Beatmung
- Aufheben der Wirkung der Opioide am Rezeptor durch einen Opioidantagonisten nach ärztlicher Anordnung, siehe auch: Antagonisierung von Opioiden
- Prävention
- 6-R-Regel beachten
- Patient:innen für korrekte Einnahme sensibilisieren
- Keine Opioidrotation ohne Dosisreduktion , siehe auch: Wirkstärke und Äquivalente von Opioiden
Treten Symptome einer Opioidintoxikation auf, muss umgehend das ärztliche Personal informiert werden!
Opioidabhängigkeit
- Gefahr der Abhängigkeit
- Immer bei regelmäßiger Einnahme von Opioiden
- (Ärztliche) Aufklärung der Patient:innen vor Therapiebeginn notwendig
- Risikoreduktion durch engmaschige ärztliche und pflegerische Begleitung sowie Einnahme der Medikamente nach verordnetem Schema
- Langsames Ausschleichen der Opioide bei Beenden der Therapie
- Prävention
- Retardmedikamente schnell wirksamen Applikationsformen vorziehen
- Feste Einnahmeschemata statt Einnahme bei Bedarf
- Für Abhängigkeitssymptome siehe: Abhängigkeitssyndrom
- Für die Therapie siehe: Therapie der Opioidabhängigkeit und Opioidentzugsbehandlung
Opioidentzugssyndrom
Die Entzugssymptome stehen größtenteils im Gegensatz zur eigentlichen Wirkung von Opioiden. Bemerkt die Pflegefachperson Symptome, die zu einem Opioidentzugssyndrom passen, muss das ärztliche Personal informiert werden.
- I.d.R. nicht vital bedrohlich, jedoch sehr unangenehm
- Häufig auftretende Symptome
- Tachykardie
- Hypertonie
- Durchfall, Übelkeit, Erbrechen
- Craving
- Psychomotorische Unruhe
- Schlafstörungen
- Schmerzen in Muskeln und Gelenken
- Muskuläre Krämpfe und Verspannungen
Nicht-medikamentöse Schmerztherapie
Die nicht-medikamentöse Schmerztherapie kann die medikamentöse Behandlung ergänzen, die Dosis der benötigten Medikamente reduzieren und bei leichteren Schmerzen ggf. sogar ersetzen. Oftmals liegt der Fokus darauf, das Wohlbefinden und damit ggf. auch die Schmerztoleranz zu steigern.
Voraussetzungen
- In einem ruhigen Umfeld
- Nach gründlicher Anamnese und ggf. Diagnostik durch ärztliches Personal
- Nach Absprache und ggf. Anordnung des zuständigen ärztlichen Personals
- Je nach Maßnahme ggf. nur von geschultem Personal
Während der Durchführung der Maßnahmen müssen die Patient:innen kontinuierlich beobachtet werden!
Behandlungsarten
- Bewegungsübungen bzw. Mobilisationen
- Nur nach ärztlicher Anordnung und innerhalb des angeordneten Bewegungsumfangs bzw. definierter Belastungsgrenzen
- Ggf. vor der Therapie Schmerzmedikation verabreichen
- Schonhaltungen vermeiden
- Positionsveränderungen: Bspw. durch Umpositionierung, Hochlagerung, Ruhigstellung
- Thermotherapie, siehe auch: Pflegerische Thermotherapie
- Unterstützung im Wohlbefinden
- Beruhigende Gespräche
- Angenehme Berührungen, insb. durch Angehörige
-
Basale Stimulation, insb.
- Atemstimulierende Einreibungen (ASE)
- Beruhigende Körperwaschungen
- Aromapflege
- Schlafhygiene
- Entspannungstechniken
- Atemübungen
- Meditation
- Autogenes Training
- Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
- Ablenkung: Ziel ist es, die Aufmerksamkeit von den Schmerzen auf etwas anderes zu lenken und die Schmerzen dadurch in den Hintergrund treten zu lassen, bspw. durch
- Alltägliche Beschäftigungen
- Gespräche und Telefonate
- Lesen, Musik oder Hörbücher hören, fernsehen
- Bewegung
- Schmerzlindernde Hilfsmittel
- (Leichter) Gegendruck durch Bauchgurt
- Gewichtsentlastung
- Gewichtsverlagerung
- Weitere Methoden: Bspw.
- Massagen
- Akupunktur/Akupressur
- Chirurgische Eingriffe zur Beseitigung der Schmerzursache oder zur Blockade der Nerven, die den Schmerz weiterleiten
- Elektrotherapie , bspw. transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)
- Psychologische Betreuung , Hypnosetherapie
Die Reduktion von Schmerzen durch die Anwendung von bspw. Entspannungstechniken bedeutet nicht, dass die Schmerzen keine ernst zu nehmende körperliche Ursache haben!
Bei akuten Schmerzen in der pädiatrischen Versorgung
- Bei Säuglingen
- Gabe von Glucose (nur bei Neugeborenen)
- Nicht-nutritives Saugen
- Zusätzlich bei Kindern
- Ablenkung
- Kängurupflege (elterliche Berührung/Stimmen)
Pflegerische Thermotherapie
- Anwendung: Nur auf intakter Haut
- Kontraindikationen: Bspw.
- Sensibilitätsstörungen
- Schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Früh- und Neugeborene sowie Säuglinge → Gefahr der Unterkühlung bzw. Verbrennung
- Plegien
- Bei Kindern und Personen mit kognitiver Einschränkung: Nur unter permanenter Beobachtung
Kälteanwendung (Kryotherapie)
- Therapeutische Wirkung
- Vasokonstriktion, dadurch temporär verminderte Durchblutung des Gewebes
- Reduktion von Schwellung und Entzündung
- Herabsetzung der Schmerzweiterleitungsfähigkeit der Nerven
- Anwendung: Bspw. bei Traumen, Schwellungen, Entzündungen, Fieber
- Hilfsmittel
- Mit dünnem Stoff umwickelte Kühlpacks
- Feuchte Wickel
- Eisbeutel
- Durchführung
- Für 5–10 min auf schmerzende Stelle applizieren
- Hautbeobachtung auf Kälteschäden während der Anwendung
Bei Schmerzen oder V.a. Hautschädigungen sollte die Therapie sofort beendet werden!
Wärmeanwendung
- Therapeutische Wirkung
- Förderung der Durchblutung des Gewebes (durch Vasodilatation) → Steigerung des lokalen Stoffwechsels sowie des Abtransports von Stoffwechselendprodukten
- Entspannung der Muskulatur
- Anwendung: Bspw. Rücken- und Muskelschmerzen, Menstruationsbeschwerden, Koliken, Gelenkbeschwerden, rheumatische Arthritis
- Hilfsmittel
- Wärmflaschen: Hausinterne Standards und Herstellerhinweise beachten
- Körnerkissen
- Wärmepflaster
- Infrarotbestrahlung
- Warme Wickel
- Heiße Rolle
- Warme (Teil‑)Bäder
- Durchführung
- Anwendungsdauer: 5–10 min (ggf. auch 20–30 min)
- Hautbeobachtung auf Wärmeschäden während der Anwendung
Bei Schmerzen oder V.a. Hautschädigungen sollte die Therapie sofort beendet werden!
Schmerzprävention
Alle Mitglieder des interdisziplinären Behandlungsteams sollten sich regelmäßig über neue Erkenntnisse und Methoden in der Schmerztherapie fortbilden.
- Ggf. Bedarfsmedikation anordnen lassen
- Rechtzeitige Schmerzmittelgabe nach ärztlicher Anordnung vor schmerzhaften Maßnahmen
- Keine zusätzlichen (unnötigen) Schmerzen erzeugen
- Stressreduktion
- Prophylaxen durchführen
- Bezugspersonen einbeziehen: Anwesenheit kann Schmerzempfinden oder Stress reduzieren
- Bei Kindern: Eingriffe möglichst im Beisein eines Elternteils tätigen (direkter (Körper‑)Kontakt)