ambossIconambossIcon

Chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie

Letzte Aktualisierung: 20.11.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Bei der chronisch-inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) handelt es sich um eine chronisch-progrediente, teilweise schubförmig verlaufende, autoimmun vermittelte entzündliche Erkrankung des peripheren Nervensystems. Es wird angenommen, dass Autoantikörper gegen Myelinbestandteile zur Entstehung der Erkrankung führen, auch wenn sich diese nicht in jedem Einzelfall nachweisen lassen. Sie entwickelt sich i.d.R. über mehrere Wochen (mind. über 8 Wochen) und kann generell in jedem Alter auftreten. Klinische Charakteristika sind eine symmetrische distale und proximale Muskelschwäche, Sensibilitätsstörungen sowie eine Hyp- oder Areflexie. Elektrophysiologisch zeigt sich vornehmlich die (namensgebende) demyelinisierende Polyradikuloneuropathie, wenngleich es im chronischen Verlauf auch zur axonalen Schädigung kommen kann. Diagnostisch wegweisend ist außerdem eine starke Eiweißerhöhung ohne Zellvermehrung im Liquor (zytoalbuminäre Dissoziation). Die Unterscheidung zum Guillain-Barré-Syndrom ergibt sich i.d.R. über den langsam-progredienten Beginn der CIDP. Therapeutisch kommen zur Akuttherapie insb. Glucocorticosteroide oder Immunglobuline zum Einsatz, an die sich im Gegensatz zum Guillain-Barré-Syndrom eine immunmodulatorische Langzeittherapie anschließen muss.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Epidemiologietoggle arrow icon

  • Inzidenz: Ca. 0,5/100.000 Personen pro Jahr [1]
  • Alter: Kann in jedem Alter auftreten, mittleres Erkrankungsalter liegt jedoch zwischen 50 und 60 Jahren [2]

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Ätiologietoggle arrow icon

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Pathophysiologietoggle arrow icon

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Symptomatiktoggle arrow icon

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Diagnostiktoggle arrow icon

Die Diagnose einer CIDP beruht in erster Linie auf Anamnese und klinisch-neurologischer Untersuchung. Sie wird durch charakteristische Befunde in der Liquoruntersuchung und der elektrophysiologischen Funktionsdiagnostik (insb. der Elektroneurografie) ergänzt.

Anamnese und körperliche Untersuchung

Blutuntersuchung [4]

  1. Standardparameter
  2. Antikörpersuche
    • Anti-GM1-IgM
    • Anti-GM2-IgM
    • Anti-NF155-AK
    • Anti-CNTN1-AK
    • Anti-aSF-IgM
    • Anti-GAAb (IgM)
    • Anti-NF186-AK
    • Anti-CASPR1-AK
  3. Parameter zur Abklärung von Differenzialdiagnosen der CIDP (Auswahl)

Die Blutuntersuchung kann bei einer CIDP auch unauffällig sein! Sie dient in Zusammenschau mit anderen Untersuchungsbefunden in erster Linie zur möglichen Untermauerung der Diagnose und zur Abgrenzung von Differenzialdiagnosen!

Funktionsdiagnostik

Elektroneurografie (ENG)

Die Demyelinisierungszeichen in der ENG sind oft unterschiedlich stark und auch nicht durchgehend an den einzelnen Nerven vorhanden, sodass die Untersuchung möglichst an allen Extremitäten durchgeführt und im Verlauf wiederholt werden muss!

Elektroneurografische Diagnosekriterien

Im Folgenden werden die elektroneurografischen Diagnosekriterien aus der aktuellen Leitlinie der European Academy of Neurology aufgeführt. Es wird darin nicht mehr zwischen sicherer, möglicher und wahrscheinlicher CIDP, sondern nur noch zwischen CIDP und möglicher CIDP unterschieden. In der aktuellen Leitlinie der DGN ist dies noch nicht eingearbeitet.

Elektroneurografische Diagnosekriterien der typischen CIDP [3]
CIDP Mögliche CIDP
  • Pathologische ENG-Ableitungen über mind. 2 sensiblen Nerven und
  • Pathologische ENG-Ableitungen über mind. 2 motorischen Nerven
  • Pathologische ENG-Ableitungen über mind. 2 sensiblen Nerven und
  • Pathologische ENG-Ableitungen über einem motorischen Nerven

Elektromyografie (EMG)

Weiterführende Diagnostik

Folgende Diagnostik kann zum Einsatz kommen, wenn eine CIDP bis hierhin noch nicht sicher diagnostiziert werden konnte.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Therapietoggle arrow icon

Therapieprinzipien

  • Rein symptomatische Therapie
  • Unterbindung der Krankheitsprogredienz

Akuttherapie [2][6][7]

Die Akuttherapie dient der Behandlung erstmalig oder erneut aufgetretener oder aus einem stabilen Zustand heraus deutlich verschlechterter klinischer Symptome der CIDP.

Langzeittherapie (Relapse-Prophylaxe) [2][6][7]

Die Langzeittherapie soll die CIDP-Symptome stabilisieren und eine Symptomverschlechterung lindern. Dazu können die o.g. Akuttherapeutika wiederkehrend in regelmäßiger Frequenz eingesetzt werden. Darüber hinaus bieten weitere Immunsuppressiva durch eine dauerhafte oder auch periodische Einnahme die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung einer langwirksamen Immunsuppression .

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Prognosetoggle arrow icon

  • Heilung der CIDP ist derzeit nicht möglich
    • 55–60% sind unter adäquater Therapie symptomfrei bzw. nicht alltagsrelevant behindert
    • 5–10% behalten leichte bis mittelschwere Residuen [9]
    • 25% bleiben stark behindert [9]
    • 10% der Betroffenen sterben im Verlauf an der Erkrankung aufgrund auftretender Komplikationen [9]
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Verlaufs- und Sonderformentoggle arrow icon

CIDP-Varianten

CIDP-Varianten (veraltet: „Atypische“ CIDP) [3]

Distale CIDP

Multifokale CIDP

Fokale CIDP Motorische CIDP Sensorische CIDP
Sensibilitätsstörungen
  • Überwiegend distal symmetrisch in mind. zwei Extremitäten
  • Multifokal, in mind. zwei Extremitäten und meist asymmetrisch mit Beginn an oberen Extremitäten
  • In nur einer Extremität
  • Keine
  • Symmetrisch in allen Extremitäten
Paresen
  • Ggf. distal, insb. der unteren Extremitäten
  • Symmetrisch, proximal und distal
  • Keine
Weitere Befunde
  • Oft Nachweis einer monoklonalen Gammopathie-IgM-Kappa, ggf. mit Anti-MAG-Antikörper
  • Pathologische ENG-Ableitungen über mind. 2 sensiblen und 2 motorischen Nerven
  • Pathologische ENG-Ableitung über mind. 2 motorischen und 2 sensiblen Nerven in mind. 2 Extremitäten
  • Ggf. mit rezidivierender Hirnnervenbeteiligung wie z.B. Fazialisparese oder Ophthalmoplegie
  • Pathologische ENG-Ableitungen über mind. 2 motorischen und 2 sensiblen Nerven einer Extremität
  • Pathologische ENG-Ableitungen über mind. 2 motorischen Nerven, normale ENG-Ableitungen über mind. 4 sensiblen Nerven
  • Pathologische ENG-Ableitungen über mind. 2 sensiblen Nerven, normale ENG-Ableitungen über mind. 4 motorischen Nerven

Sonderform: Multifokale motorische Neuropathie (MMN)

Die multifokale motorische Neuropathie gehört zu den immunvermittelten Neuropathien und wird in der Literatur oftmals als eigenständige Autoimmunerkrankung des peripheren Nervensystems, gelegentlich aber auch als eine CIDP-Variante angesehen.

  • Definition: Multilokuläre Neuropathie mit ausschließlichem Befall motorischer Fasern
    • Betrifft mehrere Nerven ohne symmetrisches oder längenabhängiges, polyneuropathisches Muster
    • Manifestiert sich zudem an mehreren Lokalisationen im Verlauf einzelner betroffener Nerven
  • Epidemiologie [2]
    • Erkrankungsalter zwischen 20 und 65 Jahren
    • > (ca. 2,7:1)
  • Symptome
    • Langsam fortschreitende Lähmung der Extremitäten, oft asymmetrisch an den oberen Extremitäten distal beginnend
    • Schwache bis fehlende Reflexe
    • Muskelatrophie, -krämpfe, Faszikulationen
    • Beteiligung der Hirnnerven möglich
    • Keine bulbäre Symptomatik
    • Aussparung des ersten Motoneurons
  • Diagnostik
  • Therapie [2][4]

Bei der MMN sind Glucocorticosteroide und Plasmapherese nicht wirksam und können die Symptomatik sogar verschlechtern!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Vergleich zwischen CIDP und GBS

Da die CIDP aufgrund des sehr ähnlichen klinischen Erscheinungsbildes früher als chronische Variante des Guillain-Barré-Syndroms angesehen wurde, werden im Folgenden beide Erkrankungen direkt gegenüber gestellt.

Vergleich zwischen CIDP und GBS

CIDP

GBS

Klinik
  • Symmetrische distale und/oder proximale Paresen
  • Sensible Defizite
  • (Autonome Beteiligung)
  • (Hirnnervenbeteiligung)
  • Selten Infektionskrankheiten im Vorfeld
  • Symmetrische von distal aufsteigende Paresen
  • (Sensible Defizite)
  • Autonome Beteiligung
  • Hirnnervenbeteiligung
  • Oft Infektionskrankheiten im Vorfeld
Verlauf
  • Chronisch (>8 Wochen)
  • Akut (4 Wochen)
Diagnostik
Therapie

Differenzialdiagnosen der CIDP

Differenzialdiagnosen der chronisch-inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (Auswahl)
Chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP)
Wichtige klinische Unterscheidungsmerkmale zur CIDP (Auswahl) Wichtige apparativ-diagnostische Unterscheidungsmerkmale zur CIDP (Auswahl) Relevante Unterschiede in der weiteren Behandlung (Auswahl)
Hereditäre sensomotorische Neuropathien (HSMN) Typ I
  • Symptomatische Therapie
Vaskulitische Polyneuropathie
  • Asymmetrisches Verteilungsmuster
Paraproteinämische Polyneuropathie
  • Tumorsuche
  • Entsprechende Behandlung des Tumors
(Neuro‑)Amyloidose
  • Langsam-progredienter Verlauf
  • Ausgeprägte autonome Beteiligung
  • Vorwiegend distale, sensibel betonte schmerzhafte PNP
  • Paresen erst im Verlauf
  • Muskel- und Nervenbiopsie zum Nachweis von Amyloidablagerungen

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Probiere die Testversion aus und erhalte 30 Tage lang unbegrenzten Zugang zu über 1.400 Kapiteln und +17.000 IMPP-Fragen.
disclaimer Evidenzbasierte Inhalte, von festem ärztlichem Redaktionsteam erstellt & geprüft. Disclaimer aufrufen.