Zusammenfassung
Akute Leukämien umfassen maligne Neoplasien der lymphatischen und myeloischen Zellreihe, bei denen es zur übermäßigen Proliferation unreifer, nicht funktionstüchtiger Blasten im Knochenmark kommt, ggf. mit Freisetzung ins Blut.
Die akute lymphatische Leukämie (ALL) ist die häufigste maligne Tumorerkrankung im Kindesalter, die akute myeloische Leukämie (AML) betrifft v.a. Erwachsene. Beide sind u.a. mit Trisomie 21 und der exogenen Schädigung des Knochenmarks assoziiert, z.B. durch Strahlen, Benzol oder Chemotherapie. Klinisch führt die Verdrängung der physiologischen Leukopoese, Erythropoese und Thrombopoese zu Infektneigung, Anämie und Gerinnungsstörungen. Leukämien können mit erhöhten, erniedrigten oder normalen Leukozytenzahlen im Blut einhergehen, daher ist der Nachweis von Blasten im Knochenmark mitunter entscheidend für die Diagnosestellung. Die Chemotherapieschemata bei akuten Leukämien beinhalten grundsätzlich Hochdosiszyklen zur massiven Reduktion der Tumorzellzahl sowie anschließende Niedrigdosiszyklen zur Erhaltungstherapie. Je nach Risikoprofil wird ggf. eine Stammzelltransplantation durchgeführt. Abhängig von zyto- bzw. molekulargenetischen Befunden können zusätzlich auch monoklonale Antikörper oder Proteinkinaseinhibitoren zum Einsatz kommen.
Die akute Promyelozytenleukämie (APL), eine Unterform der AML, stellt aufgrund einer zunehmenden Blutungsneigung einen hämatologischen Notfall dar. Schon bei V.a. eine APL sollte daher unverzüglich eine Kombinationstherapie mit All-trans-Retinsäure eingeleitet werden.
Für ergänzende Informationen zu Kindern und Jugendlichen siehe: Akute Leukämien im Kindes- und Jugendalter.
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Epidemiologie
Akute lymphatische Leukämie [1][2]
- Inzidenz: Gesamtinzidenz 1/100.000 pro Jahr
- Häufigkeitsgipfel im Kindesalter und im hohen Erwachsenenalter (ca. 2/100.000 bei >80-Jährigen) [1]
- Medianes Erkrankungsalter: Ca. 5 Jahre [2]
- Häufigste maligne Tumorerkrankung des Kindesalters
- Geschlechterverhältnis: ♂ > ♀ (1,4:1) [1]
Akute myeloische Leukämie [3]
- Inzidenz: Gesamtinzidenz ca. 4/100.000 pro Jahr
- Häufigkeitsgipfel im höheren Erwachsenenalter (>100/100.000 bei >70-Jährigen )
- Medianes Erkrankungsalter: Ca. 70 Jahre
Akute Promyelozytenleukämie [4]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Exogene Faktoren [1][3]
- Umweltfaktoren
- Myelotoxische Chemikalien: Bspw. Benzol, Chloramphenicol
- Ionisierende Strahlung: Radioaktive Strahlung
- Weitere: Rauchen, Mineralölprodukte, Farben, Ethylenoxiden, Herbizide, Pestizide, Viren [5]
- Iatrogene Faktoren
Endogene Faktoren
- Genetische Faktoren
- Trisomie 21
- Weitere Chromosomenaberrationen (z.B. Translokation t(15;17) bei der akuten Promyelozytenleukämie)
- Angeborene Störung der DNA-Reparaturmechanismen (z.B. Ataxia teleangiectatica)
- Hämatologische Erkrankungen
Klassifikation
Sowohl bei der ALL als auch der AML können weitere Subtypen unterschieden werden. Als Erstes wurde die sog. FAB-Klassifikation entwickelt, bei der v.a. zytomorphologische Kriterien herangezogen werden. Neuere Systeme wie die WHO-Klassifikation berücksichtigen zytogenetische und molekulargenetische Erkenntnisse, wodurch eine bessere Objektivierbarkeit, Reliabilität und Risikostratifizierung erreicht werden sollen. Bei der ALL werden zusätzlich noch anhand immunologischer Merkmale B- und T-Linien-ALL unterschieden. [6][7]
- Für detaillierte Informationen zu den Klassifikationssystemen und Subtypen siehe auch:
Klassifikation der ALL
GMALL-Klassifikation der ALL
Die Einteilung der ALL erfolgt in der GMALL(German-Multicenter-ALL)-Klassifikation anhand immunologischer Charakteristika. Spezifische klinische, zytogenetische und molekulargenetische Merkmale sind mit den einzelnen Subtypen assoziiert. Diese Einteilung hat in der klinischen Praxis in Deutschland den höchsten Stellenwert. [1]
- B-Linien-ALL
- T-Linien-ALL
WHO-Klassifikation der ALL (2016) [6]
Die WHO-Klassifikation unterscheidet unreife und reifzellige Neoplasien anhand zytogenetischer und molekulargenetischer Charakteristika. Lymphatische Leukämien und lymphoblastische Lymphome werden zusammen klassifiziert und nur anhand des Blastenanteils im Knochenmark unterschieden. Ab einem Blastenanteil von >25% handelt es sich um eine Leukämie.
- Lymphatische Vorläuferzell-Neoplasien
- B-lymphoblastische Leukämien
- Nicht anders spezifiziert (NOS = „not otherwise specified“)
- Mit spezifischen Chromosomenaberrationen
- T-lymphoblastische Leukämien
- B-lymphoblastische Leukämien
- Reife B-Zell-Neoplasien
- Reifzellige „Burkitt“-B-ALL
FAB-Klassifikation der ALL [7]
Die Einteilung der ALL erfolgt in der FAB-Klassifikation anhand zytomorphologischer Charakteristika. Diese Klassifikation spielt nur noch in der Diagnostik des Subtyps L3 eine Rolle, die Diagnose muss aber zusätzlich immer noch molekulargenetisch und immunphänotypisch bestätigt werden. Die FAB-Klassifikation wurde zugunsten molekulargenetischer und immunphänotypischer Analysen zunehmend verlassen.
- Subtyp L1: Akute Lymphoblastenleukämie mit kleinen Zellen
- Subtyp L2: Akute Lymphoblastenleukämie mit mittelgroßen Zellen
- Subtyp L3: Akute Lymphoblastenleukämie mit großen Zellen
Klassifikation der AML
WHO-Klassifikation der AML (2016) [3][6]
Die Einteilung der AML erfolgt in der WHO-Klassifikation anhand zytogenetischer molekulargenetischer Charakteristika in Subtypen
- AML-Subtypen
- AML mit spezifischen genetischen Aberrationen, bspw. balancierten Translokationen , Inversionen oder Mutationen
- AML mit Myelodysplasie-assoziierten Veränderungen (AML-MRC; Myelodysplasia Related Changes)
- AML, therapieinduziert (tAML)
- AML, Not otherwise specified (NOS)
- Myeloid sarcoma
- Myeloische Proliferation in Zusammenhang mit Trisomie 21
- Akute Leukämie unklarer Linie
FAB-Klassifikation der AML
Die Einteilung der AML erfolgt in der FAB-Klassifikation anhand zytomorphologischer Charakteristika in acht Untergruppen (M0 bis M7) . Die FAB-Klassifikation wurde im klinischen Alltag zunehmend durch die WHO-Klassifikation abgelöst. [9][10][11]
FAB-Klassifikation der AML [10] | |||||
---|---|---|---|---|---|
FAB-Typ | Differenzierungsgrad | Morphologie und Granula | Auer-Stäbchen | Myeloperoxidase | Unspezifische Esterase |
M0 | AML mit minimaler Differenzierung |
| – | – | – |
M1 | AML ohne Ausreifung |
| +/– | + | – |
M2 | AML mit Ausreifung |
| + | + | – |
M3 | Akute Promyelozytenleukämie |
| ++ | + | – |
M4 | Akute myelomonozytäre Leukämie |
| +/– | + | + |
M5a | Akute monozytäre Leukämie ohne Ausreifung |
| – | – | + |
M5b | Akute monozytäre Leukämie mit Ausreifung |
| – | – | + |
M6 | Akute Erythroleukämie |
| + | + | +/– |
M7 | Akute Megakaryoblastenleukämie |
| – | – | +/– |
Interpretation: „-“ = selten/wenig, „+/-“ = gelegentlich/mäßig, „+" = häufig/stark, „++" = sehr häufig/stark |
Pathophysiologie
- Allgemein: Genetische Aberration (bzw. Akkumulation mehrerer Aberrationen ) → Unkontrollierte Proliferation eines malignen Klons → Verdrängung der normalen Hämatopoese (Zytopenien) und ggf. Befall von Organen [1][3]
- ALL: Unkontrollierte Proliferation eines malignen Klons ausgehend von einer lymphatischen Zelle
- AML: Unkontrollierte Proliferation eines malignen Klons ausgehend von einer myeloischen Zelle
- APL: Initial meist reziproke Translokation der Chromosomen 15 und 17 → Fusion der Gene für RARA auf Chromosom 17 und PML (promyelozytisches Leukämieprotein) auf Chromosom 15 → Entstehung eines PML-RARA-Proteins, das zur gestörten Zellreifung der Promyelozyten führt
Symptomatik
Allgemeine Symptome [1][3]
Die Symptome entwickeln sich sehr schnell innerhalb von Tagen.
- B-Symptomatik
- Symptome der gestörten Hämatopoese
- Leukozytopenie
- Infektanfälligkeit: Vermehrt bakterielle und mykotische Infekte (z.B. Mundsoor bei Candida-albicans-Befall)
- Fieber, grippeähnliche Symptome
- Anämie
- Schwäche, chronische Müdigkeit, Blässe
- Belastungsdyspnoe, Schwindel, Tachykardie
- Thrombozytopenie
- Petechiale Spontanblutungen und Hämatome
- Nasenbluten, Zahnfleischbluten, Menorrhagien
- Leukozytopenie
- Ggf. Symptome leukämischer Organinfiltrationen
- Meningeosis leucaemica (v.a. bei ALL ): Kopfschmerzen, Erbrechen, Lethargie, Nackensteifigkeit, Nervenausfälle (insb. Hirnnerven), Querschnittsymptome
- Splenomegalie, Hepatomegalie : Viszerale Schmerzen
- Hodenschwellung [12]
- Hautinfiltrate
- Infiltration der Tränendrüsen sowie okulärer und retrobulbärer Strukturen: Exophthalmus, Visuseinschränkung, Sicca-Syndrom
- Ggf. Komplikationen der akuten Leukämien
Spezifische Symptome bei ALL
- Häufig Meningeosis leucaemica
- Ggf. Knochenschmerzen durch Knocheninfiltration: Kinder verweigern das Laufen und wollen getragen werden
- Arthralgie, Gelenkschwellung, Rötung und Bewegungsbeeinträchtigung [13]
- Ggf. indolente Lymphknotenschwellung (Lymphadenopathie)
- Ggf. Stridor und Atemnot durch Thymusinfiltration (sog. Mediastinaltumor, insb. bei T-ALL)
Spezifische Symptome bei AML in Abhängigkeit vom Subtyp
- Akute Promyelozytenleukämie (APL): Ggf. DIC und Hyperfibrinolyse mit bedrohlichen Blutungen in Gehirn, Gastrointestinaltrakt, Lunge, Haut und Schleimhäuten
- Akute myelomonozytäre Leukämie: Häufiger Organinfiltrationen wie bspw. Gingivahyperplasie und Meningeosis leucaemica
- Akute Megakaryoblastenleukämie: Häufiger Knochenmarkfibrose mit Panzytopenie
Diagnostik
Klinische Untersuchung [1][3][14][15]
- Anamnese und körperlicher Untersuchungsbefund siehe: Symptome/Klinik
- Allgemeinzustand und Komorbiditäten: Für die Therapieplanung entscheidend
- ECOG: Evaluierung des Allgemeinzustandes
- Hematopoietic Cell Transplantation-specific Comorbidity Index (HCT-CI) : Evaluierung der Komorbiditäten (für einen Rechner siehe: [16])
Blutuntersuchung
- Blutbild und Differenzialblutbild
- Leukozyten : Leukozytose , normale Leukozytenzahl oder Leukozytopenie (Aleukämischer Verlauf)
- Thrombozytopenie
- Anämie
- Durchflusszytometrie: Zur Immunphänotypisierung, i.d.R. als sog. FACS-Untersuchung
- Gerinnungsdiagnostik: Hinweise auf Gerinnungsstörungen
- Insb. bei V.a. APL: Quick, PTT, Fibrinogen, D-Dimere, Faktor XIII
- Erhöhter Zellzerfall: LDH↑ und Harnsäure↑
- Blutausstrich
- Leberwerte
- Transaminasen, γGT, AP, Bilirubin und INR zur orientierenden Beurteilung aller Leberteilfunktionen
- Hepatitis-Serologie für Hepatitis B und C
- Nierenwerte
- Retentionswerte (Kreatinin, Harnstoff)
- Urindiagnostik
- Elektrolyte
Die Leukozytenzahlen sind kein sicheres Diagnosekriterium! Wegweisender Befund sind unreife Zellen (Blasten) im Blutausstrich!
Knochenmarkuntersuchung
Die Diagnose einer akuten Leukämie wird durch die Knochenmarkzytologie und -histologie gesichert (Aspirat, ggf. Stanzbiopsie ). Die Diagnose sollte möglichst referenzpathologisch bestätigt werden.
- Morphologie, Zytologie und Zytochemie: Hyperzelluläres Knochenmark, monomorphes Zellbild mit überwiegend Blasten
- Immunphänotypisierung: Zum Nachweis spezieller Oberflächenproteine, bspw. CD20
- Zytogenetik bzw. FISH: Nachweis von Chromosomenaberrationen
- Molekulargenetik: Nachweis von Mutationen oder Genumlagerungen
Einteilung in Subtypen
- ALL: Während Vorphasetherapie
- AML [1][3]: Aufgrund therapeutischer und prognostischer Unterschiede sollte nach Diagnosestellung eine Einteilung in den entsprechenden Subtyp erfolgen, auch wenn dies eine gewisse Verzögerung des Therapiebeginns bedeutet
- Ausnahmen, bei denen eine unmittelbare Therapieeinleitung notwendig ist: Bspw. Leukostase-Syndrom, Tumorlysesyndrom
- Siehe: Therapie der AML
- APL: Bei morphologischem V.a. eine akute Promyelozytenleukämie sowie Hinweisen auf eine Gerinnungsaktivierung sollte noch vor genetischer Bestätigung die Therapie mit All-trans-Retinsäure eingeleitet werden . [4]
- Siehe: Therapie der APL
Bei V.a. eine akute Promyelozytenleukämie sollte unmittelbar eine Therapie mit All-trans-Retinsäure gestartet werden!
Liquordiagnostik[2]
- Verfahren: Lumbalpunktion mit Liquordiagnostik
- Ziel: Nachweis von Blasten als Zeichen eines ZNS-Befalls
- Indikation: Standarddiagnostik bei ALL; bei AML nur, wenn eine ZNS-Symptomatik vorliegt
- Befunde
Bildgebung
- Röntgen-Thorax: Mediastinalverbreiterung bei Thymusinfiltration, fleckige Verschattungen bei Leukostase
- Sonografie-Abdomen: Hepatosplenomegalie und vergrößerte Lymphknoten
Weitere Untersuchungen
- Infektiologische Untersuchungen: Hepatitis-B-,-C- und HIV-Serologie
- Schwangerschaftstest, Aufklärung über fertilitätserhaltende Maßnahmen und Notwendigkeit der Antikonzeption während der Therapie
- EKG, Echokardiografie und Lungenfunktion
- Ggf. HLA-Typisierung
- Ggf. CMV-Status
- Ggf. Biomaterialasservierung für Studien/spätere Analysen
Diagnostik der minimalen Resterkrankung (MRD)
- Verfahren: Real-time PCR
- Durchführung: An Referenzlaboren mit internationalen Qualitätssicherungsverfahren
- Relevanz: Prognostisch und therapeutisch
Therapie
Grundlegendes Therapieschema [1][3][6][17][18]
- Durchführung: An hämatologisch-onkologischen Zentren, möglichst im Rahmen von Studien!
Induktionstherapie
- Ziel: Komplette Remission (engl. complete Remission = CR)
- Therapieoptionen: Chemotherapieregime plus ggf. monoklonale Antikörper, Proteinkinaseinhibitoren
- Dauer: Einige Wochen
Postremissionstherapie
- Konsolidationstherapie
- Ziel: Festigung der Remission
- Therapieoptionen: Intensivierte Chemotherapieregime oder allogene Stammzelltransplantation ggf. plus Proteinkinaseinhibitoren
- Dauer: Einige Monate
- Ggf. Erhaltungstherapie
- Ziel: Erhalt der Remission
- Therapieoptionen: Mildere Chemotherapieregime oder Proteinkinaseinhibitoren
- Dauer: Monate bis Jahre
Ggf. ZNS-Prophylaxe bzw. ZNS-Therapie bei akuten Leukämien [1]
- Indikationen
- Therapieoptionen
- Chemotherapie entweder nur mit Methotrexat oder in Kombination mit Cytarabin und ggf. einem Steroid
- Schädelbestrahlung (24 Gy)
- Durchführung
- Beginn meist parallel zur Induktionstherapie
- Keine standardisierten Protokolle, oft Kombination aller Modalitäten
Supportive Therapie
- Siehe hierzu: Supportive Therapie bei onkologischen Erkrankungen
Therapie der ALL
Im Folgenden werden die Therapieoptionen für Erwachsene aufgeführt, wobei Erwachsene >55 Jahre aufgrund erhöhter Mortalität und Unverträglichkeiten weniger intensiv behandelt werden sollten. Zunächst ist eine 5-tägige Vorphasetherapie zur Prävention eines Tumorlyse-Syndroms vorgesehen. In dieser Zeit können alle notwendigen Befunde zur Einteilung in die entsprechenden Subtypen abgewartet werden. Außerdem kann bereits die Liquordiagnostik sowie eine intrathekale Prophylaxe stattfinden.
Induktionstherapie [1]
Zur Induktionstherapie zählen die Vorphasetherapie, die Induktionsphase I sowie die Induktionsphase II. Die gesamte Induktionstherapie dauert etwa 6–7 Wochen.
- Vorphase: Dexamethason und Cyclophosphamid
- ZNS-Prophylaxe bzw. ZNS-Therapie bei akuten Leukämien
- Induktionsphase I
- Zytostatika: Vincristin, Anthrazyklin-Derivat (z.B. Daunorubicin), Asparaginase
- Dexamethason
- Anti-CD20-Antikörper bei CD20-Positivität
- Imatinib bei Philadelphia-Translokation
- Remissionskontrolle
- Zytologische Kontrolle des Blastenanteils im Knochenmark
- <5%: Komplette Remission
- Bei grenzwertigem Befund: Diagnostik der minimalen Resterkrankung abwarten
- >5%: Einstufung als Hochrisiko
- Ggf. bildgebende Kontrolle initial detektierter extramedullärer Befälle
- Zytologische Kontrolle des Blastenanteils im Knochenmark
- Induktionsphase II
- Zusätzliche Gabe der Zytostatika Cyclophosphamid, Cytarabin, 6-Mercaptopurin
- Parallel prophylaktische Schädelbestrahlung und intrathekale Methotrexat-Gabe
Post-Remissionstherapie
Konsolidierungstherapie
- Stammzelltransplantation : Bei Hochrisiko in Erstremission , nach Rezidiv und bei Philadelphia-Translokation
- Konditionierung: Bei >45-Jährigen dosisreduziert mit 8 Gy Ganzkörperbestrahlung
- Definition Hochrisiko: Wenn mind. einer der folgenden Faktoren zutrifft
- Zyklen hochdosierter Zytostatika: Bei normalem Risiko
- Methotrexat
- Cytarabin
- Asparaginase
- Ggf. Reinduktionstherapie
- Engmaschige Remissionskontrolle
- Zytologische Kontrolle des Blastenanteils im Knochenmark
- Diagnostik der minimalen Resterkrankung
- Ggf. PET-Untersuchung
- Ggf. bildgebende Kontrolle initial detektierter extramedullärer Befälle
Erhaltungstherapie
- Orale niedrigdosierte Zytostatika: Methotrexat und Mercaptopurin
- Intrathekale Methotrexat-Gabe
- Regelmäßige Diagnostik der MRD
Rezidivtherapie
Die Therapie im Rezidiv ist abhängig vom Subtyp des Rezidivs , dem Befallsmuster , der Remissionsdauer bzw. der Therapiephase bei Refraktärität, dem Alter sowie der Spenderverfügbarkeit. Für Beratungsanfragen auch zur Rezidivtherapie steht die GMALL-Studiengruppe zur Verfügung.
- Ggf. Vorphasetherapie
- Ggf. Intrathekale Prophylaxe
- Induktionstherapie
- Bei Spätrezidiv: Erneute Standard-Induktionstherapie erwägen
- Bei (molekularem) Frührezidiv und Refraktärität: Immuntherapie erwägen (Blinatumomab oder Inotuzumab)
- Blinatumomab: Bispezifischer Anti-CD19-Antikörper, der CD3-positive T-Zellen aktiviert
- Inotuzumab (Inotuzumab Ozogamicin): Wirkstoffkonjugat aus Anti-CD22-Antikörper (Inotuzumab) und Zellgift Calicheamicin (Ozogamicin)
- Bei T-ALL-Rezidiv: Nelarabin erwägen
- Ziel, falls geeignet: Konsolidierende allogene Stammzelltransplantation, möglichst nach Erreichen erneuter CR
- Falls keine Stammzelltransplantation möglich: Konsolidations- und Erhaltungstherapie erwägen
- Alternativ bei B-ALL-Rezidiv und Erwachsenen ≤25 Jahre: CAR-T-Zell-Therapie erwägen
Jedes ALL-Rezidiv sollte aufgrund der komplexen Therapie und schlechten Prognose als medizinischer Notfall gelten!
Therapie der AML
Im Folgenden werden die Therapieoptionen für Erwachsene aufgeführt, wobei Ältere aufgrund erhöhter Mortalität und Unverträglichkeiten weniger intensiv behandelt werden sollten. Aufgrund therapeutischer und prognostischer Unterschiede sollte vor Therapiebeginn eine Einteilung in den entsprechenden Subtyp erfolgen, auch wenn dies eine gewisse Verzögerung bedeutet (Ausnahmen, bei denen eine unmittelbare Therapieeinleitung notwendig ist: Bspw. Leukostase-Syndrom, Tumorlysesyndrom). [1][3]
Induktionstherapie [3]
- Vorphase
- Indikation: Leukozyten >50.000/μL
- Zytostatika: Cytarabin oder Hydroxyurea
- Ggf. ZNS-Therapie bei akuten Leukämien
- Induktionstherapie: 7+3-Schema; Cytarabin an 7 Tagen und ein Anthrazyklin oder Anthracendion (bspw. Daunorubicin) an 3 Tagen
- Bei ≤75-Jährigen , ohne kritische Vorerkrankungen oder die unten aufgeführten Subtypen
- Doppelinduktion bei ≤65-Jährigen
- Einfache Induktion bei >65-Jährigen
- Bei ≤75-Jährigen , ohne kritische Vorerkrankungen oder die unten aufgeführten Subtypen
7+3-Schema | |||
---|---|---|---|
Therapeutikum | Dosis | Dauer | |
Cytarabin | 100–200 mg/m2 i.v. kontinuierlich | Tag 1–7 | |
Ein Anthrazyklin oder Anthracendion | Daunorubicin | 60 mg/m2 i.v. | Tag 1–3 |
Idarubicin | 10–12 mg/m2 i.v. | ||
Mitoxantron | 10–12 mg/m2 i.v. |
- Subtypabhängige Therapie
- CD33+/NPM1-Mutation/FLT3-Wildtyp, CD33+/CBF-AML : 7+3-Schema mit Daunorubicin plus Gemtuzumab Ozogamicin in der ersten Induktion
- FLT3-Mutation : 7+3-Schema plus Midostaurin an Tag 8–21 (Dosis: 50 mg p.o. zweimal täglich)
- Absetzen 48 h vor Konditionierung bei geplanter Stammzelltransplantation
- CYP3A4-Inhibitoren : Insb. bei >60-Jährigen auf Spiegelerhöhungen und Toxizitäten achten
- CYP3A4-Induktoren : Vermeiden aufgrund der Spiegelabsenkung von Midostaurin
- AML-MRC , tAML : Alternative mit Daunorubicin liposomal/Cytarabin (CPX-351) bei ≥18-Jährigen
- CD33-positive Intermediär-Risiko-AML: 7+3-Schema ggf. plus Gemtuzumab Ozogamicin
- Palliative Therapie
- Indikation: Bei >75-Jährigen, Komorbiditäten , ECOG ≥3 und/oder ungünstiger Prognose und/oder Patientenwille
- Therapieoptionen
- Ambulante zytoreduktive Chemotherapie
- 5-Azacitidin plus Venetoclax [19]
- Alternativen
- Niedrigdosiertes Cytarabin (LDAC) plus Venetoclax
- Niedrigdosiertes Cytarabin (LDAC) plus Glasdegib
- Hydroxyurea und eine hypomethylierende Substanz (5-Azacitidin oder Decitabin)
- Niedrigdosiertes Cytarabin (LDAC) als Monotherapie
- Best Supportive Care
- Ambulante zytoreduktive Chemotherapie
Post-Remissionstherapie
Konsolidierungstherapie
Risikostratifizierung der AML [17]
Risikostratifizierung gemäß des European LeukemiaNet | ||
---|---|---|
Risiko | Chromosomale Aberrationen | Mutationen |
Ungünstig | ||
Intermediär |
| |
Günstig |
|
Therapieoptionen
- Allogene Stammzelltransplantation: Bei ≤65-Jährigen mit intermediärem oder ungünstigem Risiko
- Ggf. mit dosisreduzierter Konditionierung auch bei >65- und <75-Jährigen erwägen
- Zyklen mit hochdosiertem Cytarabin (HDAC): Bei günstigem Risiko
- Zyklen mit intermediärdosiertem Cytarabin (IDAC): Bei >65- und <75-Jährigen
- Ggf. autologe Stammzelltransplantation: Bei Niedrigrisiko
- Subtypabhängige Therapie
- CD33+/NPM1-Mutation/FLT3-Wildtyp, CD33+/CBF-AML : Bei Cytarabin-basierter Konsolidierung ggf. plus Gemtuzumab Ozogamicin
- NPM1-Mutation/FLT3-ITDlow
- FLT3-Mutation
- NPM1-Mutation/FLT3-ITDlow/ohne relevante MRD, NPM1-Mutation/FLT3-TKD/ohne relevante MRD: Bei Cytarabin-basierter Konsolidierung ggf. plus Midostaurin an Tag 8–21
- NPM1-Mutation/FLT3-ITDlow/relevante MRD, NPM1-Mutation/FLT3-ITDhigh, NPM1-Wildtyp/FLT3-ITD: Allogene Stammzelltransplantation plus Sorafenib zur Erhaltungstherapie
- AML-MRC
- Allogene Stammzelltransplantation
- Alternativ auch CPX-351 möglich
- tAML : Abhängig von der Risikostratifizierung
Erhaltungstherapie
- Subtypabhängige Therapie
- FLT3-Mutation
- Nach Cytarabin-basierter Konsolidierung mit Midostaurin: Erhaltungstherapie mit Midostaurin (12 Zyklen à 28 Tage)
- Nach allogener Stammzelltransplantation bei FLT3-ITD-Mutation: Erhaltungstherapie mit Sorafenib über 2 Jahre (Start zwischen Tag 60 und 100 nach Transplantation) möglich
- FLT3-Mutation
Remissionskriterien und Rezidiv bei AML
Komplette Remission (CR)
- Morphologisch leukämiefreier Zustand (MLFS)
- Blasten <5% im Knochenmark, keine Blasten im peripheren Blut
- Keine Auer-Stäbchen, keine extramedullären Manifestationen
- Neutrophile <500/μL und Thrombozyten <50.000/μL
- Morphologische CR
- Blasten <5% im Knochenmark, keine Blasten im peripheren Blut
- Keine Auer-Stäbchen, keine extramedullären Manifestationen
- Partielle hämatologische Regeneration (CRh): Neutrophile ≥500/μL und Thrombozyten ≥50.000/μL
- Inkomplette Regeneration (CRi): Nur Neutrophile ≥1.000/μLoder nur Thrombozyten ≥100.000/μL
- Komplette hämatologische Remission: Neutrophile ≥1.000/μL und Thrombozyten ≥100.000/μL
- Zytogenetische CR (CRc): CR ohne initial nachgewiesene zytogenetische Aberration
- Molekulare CR (CRm): CR ohne initial nachgewiesene molekulare Veränderung
Partielle Remission (PR)
- Blasten 5–25% im Knochenmark und Blastenreduktion ≥50% im Vergleich zum Diagnosezeitpunkt, keine Blasten im peripheren Blut
- Neutrophile ≥1.000/μL und Thrombozyten ≥100.000/μL
Rezidiv
- Blasten ≥5% im Knochenmark oder Blasten im peripheren Blut
- Extramedulläre Manifestation
Rezidivtherapie
- Reinduktion: HDAC oder IDAC zum Erreichen einer erneuten CR
- Allogene Stammzelltransplantation, falls geeignet
- Subtypabhängige Therapie
- FLT3-Mutation
- Reinduktion: Gilteritinib
- Allogene Stammzelltransplantation
- Erhaltungstherapie: Gilteritinib
- FLT3-Mutation
Therapie der APL
Die APL ist ein hämatologischer Notfall aufgrund des foudroyanten Verlaufs mit Blutungskomplikationen und hoher Frühmortalität. Schon bei klinischem/morphologischem V.a. eine APL sollte noch vor genetischer Bestätigung (t(15;17), PML-RARA ) eine Therapie eingeleitet werden! [4]
Medikamente
- All-trans-Retinsäure
- Synonyme: ATRA, Tretinoin
- Angriffspunkt: RARA-Teil des PML-RARA-Proteins
- Wirkungsweise: Aufhebung des Differenzierungsblocks und dadurch Differenzierung der Promyelozytenvorstufen
- Arsentrioxid
- Synonyme: ATO, As2O3
- Angriffspunkt: PML-Teil des PML-RARA-Proteins
- Wirkungsweise: Differenzierung und Apoptose der Promyelozyten
- Zytostatika: Anthrazyklin (Idarubicin), Cytarabin, Methotrexat, Purinethol
Therapiealgorithmus
- Prätherapeutische Risikostratifizierung
- Leukozytenzahl ≤10.000/μL: Standardrisiko
- Leukozytenzahl >10.000/μL: Hochrisiko
- Bei Standardrisiko : ATRA plus ATO zur Induktions- und Konsolidierungstherapie für insg. ca. 28 Wochen [4]
- Bei Hochrisiko: ATRA plus Zytostatika zur Induktions- und Konsolidierungstherapie
- Anthrazyklin (Idarubicin), Cytarabin zur Induktions- und Konsolidierungstherapie
- Methotrexat, Purinethol zur Erhaltungstherapie für ca. 2 Jahre
- Zusätzliche supportive Therapie
- Maßnahmen mit Blutungsrisiko zunächst vermeiden: Lumbalpunktion, ZVK-Anlage, invasive Untersuchungen (bspw. Bronchoskopie)
- Substitution mit Fibrinogen, FFP und Thrombozytenkonzentraten
- Substitution mit Tranexamsäure, Faktor XIII oder ATIII im Einzelfall zu erwägen
- Remissionskontrolle (MRD)
- Bei Standardrisiko und ATRA plus ATO: Bis zum Erreichen der molekularen Remission
- Bei Hochrisiko und/oder ATRA plus Zytostatika: Monitoring alle 3 Monate für 2 Jahre
- Rezidivtherapie
-
Induktionstherapie abhängig von Erstlinientherapie
- Bei chemotherapiebasierter Erstlinie: ATRA plus ATO
- Bei ATO-basierter Erstlinie: ATRA plus Chemotherapie
- Anschließend Remissionskontrolle (MRD) und ggf. Stammzelltransplantation
- Bei molekularer Remission: Autologe Stammzelltransplantation, ggf. watch and wait
- Bei Refraktärität: Allogene Stammzelltransplantation, alternativ bspw. intensive Chemotherapie oder ggf. Gemtuzumab Ozogamicin (Off-Label Use)
- Ggf. ZNS-Therapie
- Nur bei ZNS-Rezidiv und Hochrisiko nach Erreichen hämatologischer Remission
- Intrathekale Tripletherapie: Methotrexat, Ara-C und Hydrocortison
-
Induktionstherapie abhängig von Erstlinientherapie
Durch sehr hohe Remissionsraten gilt die APL heutzutage als die günstigste Unterform aller akuten Leukämien bei Erwachsenen!
Komplikationen der Therapie
- APL-Differenzierungssyndrom [4]
- Beginn: Häufig 2 Wochen nach Therapiebeginn
- Symptome: Dyspnoe, Fieber unklarer Genese, Ödeme/Gewichtszunahme, Lungeninfiltrate ohne Hinweis auf eine Infektion, Pleura- oder Perikarderguss
- Therapie: Dexamethason , diuretische Therapie
- Prophylaxe: Prednison
- EKG-Veränderungen mit Verlängerungen der QTcF-Zeit (Fridericia-Korrekturmethode)
- Substitutionsbedürftige Elektrolytverschiebungen
Komplikationen
Tumorlyse-Syndrom [20][21]
Pathophysiologie
- Rascher und massiver Tumorzellzerfall
- Massive Freisetzung von Elektrolyten und Zellbestandteilen
- Ausbildung von Calciumphosphat- und Harnsäurekristallen in der Niere
Klinik
- Uratnephropathie mit Gefahr der akuten Nierenschädigung
- Herzrhythmusstörungen
- Epileptische Anfälle
Diagnostik [22]
- Blutuntersuchungen
- Retentionsparameter
- Elektrolyte
- Hyperphosphatämie und sekundäre Hypokalzämie
- Hyperkaliämie
- LDH
- Urinuntersuchungen
- Hyperurikämie
- Bei akuter Uratnephropathie: Erhöhter Harnsäure-Kreatinin-Quotient von >1
- Sonografie der ableitenden Harnwege: Bei Nierenfunktionsstörung zum Ausschluss einer postrenalen Genese
Klassifikation nach Cairo-Bishop
- Labortechnisches Tumorlysesyndrom: Rein labortechnisch nachgewiesene Elektrolytstörung
- Elektrolytstörung: Harnsäure >8 mg/dL oder >25% Anstieg gegenüber dem Wert vor Tx-Beginn, K+ >6 mmol/L oder >25% Anstieg, Phosphat >1,45 mmol/L oder >25% Anstieg, Ca2+ <1,75 mmol/L oder >25% Abfall
- Beginn: Innerhalb von 3 Tagen nach Beginn der Chemotherapie bis 7 Tage nach Ende der Chemotherapie
- Klinisches Tumorlysesyndrom: Labortechnisch nachgewiesenes Tumorlysesyndrom mit klinischen Symptomen, plus
- Kreatinin >1,5× obere Normgrenze als Marker für die sich verschlechternde Nierenfunktion
- Oder Herzrhythmusstörungen bzw. plötzlicher Herztod
- Oder epileptischer Anfall
Risikostratifizierung
Risiko eines Tumorlyse-Syndroms [23] | |
---|---|
Hoch |
|
Intermediär |
|
Niedrig |
|
Prophylaxe [23][25][26][27]
- Monitoring
- Hydrierung
- Vermeidung
- Bei intermediärem und ggf. auch schon bei niedrigem Risiko: Allopurinol
- Bei intermediärem bis hohem Risiko
- Mittel der Wahl bei hohem Risiko: Rasburicase i.v.
- Alternative: Febuxostat [28]
- Siehe auch Rote-Hand-Brief zu Febuxostat
- Vorphasetherapie
Kein gleichzeitiger Einsatz von Rasburicase und Allopurinol!
Therapie [22][25]
- Intensivmedizinische Betreuung
- Hydrierung
- Elektrolytausgleich
- Bei Hyperkaliämie
- Natriumbicarbonat
- Kationenaustauscherharze
- Schleifendiuretika oder
- Glucose plus Insulin
- Frühe Indikationsstellung zur Dialyse
- Siehe: Therapie der Hyperkaliämie
- Bei Hyperphosphatämie: Orale Phosphatbinder
- Bei Hypokalzämie: Keine Therapie
- Bei Hyperkaliämie
- Hämodialyse: Bei akuter Nierenschädigung, ausgeprägter Elektrolytentgleisung
- Alternative: Kontinuierliche veno-venöse Hämofiltration
Leukostase-Syndrom [29][30][31]
Definition und Ätiologie
- Definition: Medizinischer Notfall mit Mikrozirkulationsstörungen bedingt durch eine übermäßige Anzahl unreifer Leukozyten
- Hyperleukozytose:Leukozytenzahl >100.000/μL
- Ätiologie: Meist im Rahmen akuter Leukämien, seltener bei chronischen Leukämien
Klinik und Diagnostik
Die Diagnose wird bei Leukämien anhand der klinischen Symptomatik gestellt, insb. die Kapillaren in Lunge und ZNS sind betroffen .
- Pulmonal: Dyspnoe, Tachypnoe, Hypoxie
- Neurologisch: Kopfschmerz, Schwindel, Bewusstseinsstörungen, Sehstörungen, fokalneurologische Ausfälle, Krämpfe
- Weitere Befunde
- Retinaeinblutungen, intrazerebrale Blutungen
- Thrombosen bis hin zum Multiorganversagen
- Priapismus
Therapie
- Intensivmedizinische Betreuung
- Prophylaxe eines Tumorlyse-Syndroms
- Vermeidung von Bluttransfusionen
- Zytoreduktive Therapie
- Systemische Chemotherapie: Unmittelbare Einleitung der Induktionstherapie
- Therapeutische Leukapherese
- Kontraindiziert bei APL
- Ggf. Hydroxyurea
Die Diagnose des Leukostase-Syndroms wird bei Leukämien klinisch anhand von Anzeichen einer Endorganschädigung gestellt (insb. Lunge und ZNS)!
Das Leukostase-Syndrom ist ein hämatologischer Notfall und muss umgehend behandelt werden!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachsorge
- Regelmäßiges Blutbild: Bspw. alle 1–3 Monate innerhalb der ersten 2 Jahre , dann alle 3–6 Monate für weitere 3 Jahre, ggf. im Anschluss jährliche Kontrollen
- Regelmäßige Kontrollen der MRD: Bspw. alle 3 Monate im ersten Jahr nach Therapie, alle 6 Monate im zweiten Jahr
- Knochenmarkuntersuchung: Bei auffälligem Blutbild oder klinischem V.a. ein Rezidiv
Prognose
Überlebensraten [1][3]
Die Prognose ist u.a. abhängig vom Alter, wobei ein fortgeschrittenes Alter i.d.R. eine ungünstigere Prognose darstellt. Bei Therapierefraktärität oder Rezidiv ist die Prognose schlechter.
- Unbehandelt: <1Jahr
- ALL: Langzeitüberlebensraten, insb. abhängig von Alter und Subtyp
- Kinder: Ca. 90%
- Erwachsene ≤55 Jahre: 60–70%
- AML: 5-Jahres-Überlebensraten, insb. abhängig von Alter und Risikogruppe
- Erwachsene <30 Jahre: Ca. 60%
- 45–54 Jahre: Ca. 43%
- 55–64 Jahre: Ca. 23%
- APL
- Frühtodesraten um 25%
- Bei frühzeitiger Therapie: Günstigste Prognose aller Leukämieformen bei Erwachsenen!
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 32-2018-3/3: Zusammenhang zwischen Beziehungsstatus und Überleben nach AML-Therapie
- Studientelegramm 16-2018-3/3: CAR-T-Zellen bestätigen ihr Potenzial in der Therapie der ALL bei Kindern und jungen Erwachsenen
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AMBOSS-Podcast zum Thema
Stammzellspende: Wissen für die hausärztliche Praxis (Mai 2023)
Interesse an noch mehr Medizinwissen zum Hören? Abonniere jetzt den AMBOSS-Podcast über deinen Podcast-Anbieter oder den Link am Seitenende unter "Tipps & Links.”
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Akute lymphatische Leukämie (ALL)
Akute myeloische Leukämie (AML)
Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- C91.-: Lymphatische Leukämie
- Die folgenden fünften Stellen sind bei der Kategorie C91 zu benutzen:
- 0:
- Ohne Angabe einer kompletten Remission
- Ohne Angabe einer Remission
- In partieller Remission
- 1: In kompletter Remission
- 0:
- C91.0-: Akute lymphatische Leukämie [ALL]
- Die folgenden fünften Stellen sind bei der Kategorie C91 zu benutzen:
- C92.-: Myeloische Leukämie
- Inklusive:
-
Leukämie:
- granulozytär
- myelogen
-
Leukämie:
- Die folgenden fünften Stellen sind bei der Kategorie C92 zu benutzen:
- 0:
- Ohne Angabe einer kompletten Remission
- Ohne Angabe einer Remission
- In partieller Remission
- 1: In kompletter Remission
- 0:
- C92.0-: Akute myeloblastische Leukämie [AML]
- Akute myeloische Leukämie, minimal differenziert
- Akute myeloische Leukämie (mit Ausreifung)
- AML1/ETO
- AML M0
- AML M1
- AML M2
- AML mit t(8;21)
- AML (ohne eine FAB-Klassifizierung) o.n.A. Refraktäre Anämie mit Blastenkrise in Transformation
- Exklusive: Akute Exazerbation einer chronischen myeloischen Leukämie (C92.1‑)
- C92.4-: Akute Promyelozyten-Leukämie [PCL]
- C92.5-: Akute myelomonozytäre Leukämie
- C92.6-: Akute myeloische Leukämie mit 11q23-Abnormität
- Akute myeloische Leukämie mit Veränderungen des MLL-Gens
- C92.8-: Akute myeloische Leukämie mit multilineärer Dysplasie
- Inklusive:
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.