Zusammenfassung
Die hypertrophe Kardiomyopathie umfasst ein heterogenes Bild unterschiedlicher, durch eine Verdickung des linken und/oder rechten Ventrikels gekennzeichneter Herzerkrankungen. Neben der Myokarditis stellt sie eine der häufigsten kardial bedingten Todesursachen beim jungen Menschen dar. Als Subtyp gilt die hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie (HOCM), bei der zusätzlich eine Verengung des linksventrikulären Ausflusstraktes vorliegt. Klinisch bleibt die Erkrankung oft asymptomatisch, kann sich aber auch durch Herzinsuffizienz oder plötzlichen Herztod manifestieren. In der Diagnostik zeigen sich neben einer asymmetrischen Septumhypertrophie in der Echokardiografie ggf. auch EKG-Veränderungen wie Linksherzhypertrophiezeichen oder pathologische Q-Zacken. Die Therapie besteht in der Gabe von Betablockern oder Calciumkanalblockern – fortgeschrittene Befunde sind jedoch chirurgisch oder interventionell (z.B. durch Katheterablation des Septums) zu behandeln.
Epidemiologie
- Häufigste hereditäre Kardiomyopathie
-
Prävalenz: 200 Fälle/100.000 Einwohner
- Obstruktive Form (HOCM): ca. 70%
- Nicht-obstruktive Form (HNCM): ca. 30%
- Neben der Myokarditis eine der häufigsten Ursachen des plötzlichen Herztodes bei jungen Patienten
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Je nach Ursache der hypertrophen Kardiomyopathie unterscheidet man :
- Primäre hypertrophe Kardiomyopathie: 60–90% der Fälle
- Häufigste hereditäre Kardiomyopathie
- Vererbung erfolgt autosomal-dominant mit unterschiedlich ausgeprägter Penetranz
- Gendefekt in Proteinen des Sarkomers
- Sekundäre hypertrophe Kardiomyopathie kann entstehen im Rahmen von:
- Neuromuskulären Erkrankungen: Friedreich-Ataxie
- Lysosomalen Speicherkrankheiten: Morbus Fabry
- Fehlbildungssyndromen: Noonan-Syndrom
- Amyloidose
Hypertrophien des linken oder rechten Ventrikels, die durch eine Druck- oder Volumenbelastung des Herzens z.B. im Rahmen von Klappenerkrankungen oder einer Hypertonie zustande kommen, zählen nicht zu den hypertrophen Kardiomyopathien!
Pathophysiologie
- Obstruktive und nicht-obstruktive Form
- Hypertrophie des linken (evtl. auch rechten) Ventrikels → Verschlechtert die Blutversorgung des subendokardialen Myokards, insb. bei hohen Herzfrequenzen
- Verminderte diastolische Dehnbarkeit des Ventrikels
- Zusätzlich bei der obstruktiven Form (HOCM)
- Vorwölbung des hypertrophierten Septums → Obstruktion der linksventrikulären Ausflussbahn
- Zunehmende Mitralinsuffizienz
- Zunahme der Obstruktion bei
Symptomatik
- Häufig asymptomatisch
- Wenn symptomatisch
- Obstruktive und nicht-obstruktive Form: Herzrhythmusstörungen (z.B. Vorhofflimmern, aber auch ventrikuläre Arrhythmien)
- Palpitationen
- Plötzlicher Herztod (wahrscheinlich aufgrund ventrikulärer Tachykardien/Kammerflimmern) vorwiegend während oder nach starker körperlicher Belastung (z.B. sportliche Aktivität)
- Zusätzlich bei der obstruktiven Form
- Koronare und periphere Minderperfusion
- Angina pectoris
- Dyspnoe
- Leistungsknick
- Zerebrale Minderperfusion: Schwindel, Synkopen
- Koronare und periphere Minderperfusion
- Obstruktive und nicht-obstruktive Form: Herzrhythmusstörungen (z.B. Vorhofflimmern, aber auch ventrikuläre Arrhythmien)
Diagnostik
Basisdiagnostik
- Auskultation
- Systolikum (p.m. im erweiterten Bereich des Erb-Punktes)
- Zunahme des Geräuschphänomens unter Belastung
- EKG
- Ruhe-EKG [1]
- P-mitrale: Als Zeichen einer linksatrialen Vergrößerung
- Tiefe Q-Zacken insb. in den inferioren (II, III und aVF) und lateralen (I, aVL, V4–V6) Ableitungen als Zeichen einer Septumhypertrophie (bei obstruktiver Form)
- Unspezifische Erregungsrückbildungsstörungen (ST-Strecken-Veränderungen und T-Negativierungen)
- Tiefe T-Wellen, insb. in den präkordialen Ableitungen (bei asymmetrischer apikaler Hypertrophie)
- Zeichen der Linksherzhypertrophie (siehe auch Sokolow-Lyon-Index)
- Linksschenkelblock
- Ruhe-EKG [1]
- Langzeit-EKG: Suche nach häufig assoziierten Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern oder ventrikulären Tachykardien
- Echokardiografie: Insb. zur Diagnosesicherung und Bestimmung des intraventrikulären Druckgradienten, der für die Indikationsstellung zur operativen Therapie wichtig ist
- Asymmetrische Septumhypertrophie >13 mm
- Quotient aus Septumdicke und Hinterwanddicke >1,3
- Vorwölbung des vorderen Mitralklappensegels gegen das Septum (SAM = „systolic anterior motion“)
- Provokationstest (z.B. mittels Valsalva-Manöver) obligat, wenn in Ruhe keine Obstruktion erkennbar
Weitere Diagnostik
- Kardiales MRT
- Zur Beurteilung der Ventrikelmorphologie bei uneindeutigen Befunden in der Echokardiografie
- Zum Nachweis von Fibrose- und Nekrosearealen
- Herzkatheteruntersuchung mit Laevokardiografie
- Myokardbiopsie: Hypertrophie mit Fibrose
- Ggf. genetische Testung und/oder Stammbaumanalyse
Therapie
- Konservativ/Medikamentös
- Vermeidung schwerer körperlicher Belastung
- Verbesserung der diastolischen Funktion bei allen Patienten durch:
- Ggf. Behandlung von begleitendem Vorhofflimmern (Antikoagulation, Rhythmus- oder Frequenzkontrolle)
- Operativ/Interventionell
- Bei hohem Risiko für einen plötzlichen Herztod :
- ICD-Implantation erwägen
- Bei Persistenz von Symptomen unter medikamentöser Therapie, Herzinsuffizienz ab NYHA-Stadium III oder hochgradiger Obstruktion :
- Myektomie nach Morrow
- TASH (Transkoronare Ablation der Septum-Hypertrophie)
- Bei hohem Risiko für einen plötzlichen Herztod :
Positiv inotrope sowie nachlast- oder vorlastsenkende Medikamente (Digitalis, Glyceroltrinitrat, Calciumantagonisten vom Nifedipin-Typ, ACE-Hemmer) sind bei der obstruktiven, hypertrophen Kardiomyopathie kontraindiziert!
Fahreignung bei hypertropher Kardiomyopathie
Private Fahrer | Berufskraftfahrer |
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Keine Einschränkung | Einzelfallentscheidung [2] |
- Siehe auch für Empfehlungen zur Fahreignung im Rahmen weiterer kardiovaskulärer Erkrankungen
- Fahreignung nach Synkope
- Fahreignung bei Herzrhythmusstörungen
- Fahreignung bei Herzschrittmacher und ICD
- Fahreignung bei koronarer Herzkrankheit
- Fahreignung bei Herzinsuffizienz
- Fahreignung bei arterieller Hypertonie
- Fahreignung bei Herzklappenerkrankungen
- Fahreignung bei pAVK
- Fahreignung bei Aortenaneurysma
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm Innere Medizin
- Studientelegramm 290-2024-1/3: PARIS 2024 I – Plötzlicher Herztod bei jungen Athletinnen und Athleten
- Studientelegramm 137-2020-4/4: Mavacamten – Erstes Medikament in der HOCM-Therapie
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 76-2023-2/3: Hypertrophic hearts can still flex
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- I42.-: Kardiomyopathie
- Exklusive: Ischämische Kardiomyopathie (I25.5); Kardiomyopathie als Komplikation bei: Schwangerschaft (O99.4), Wochenbett (O90.3)
- I42.0: Dilatative Kardiomyopathie
- I42.1: Hypertrophische obstruktive Kardiomyopathie
- Hypertrophische Subaortenstenose
- I42.2: Sonstige hypertrophische Kardiomyopathie
- Hypertrophische nichtobstruktive Kardiomyopathie
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.