Zusammenfassung
Das Aortenaneurysma bezeichnet eine Aussackung der Gefäßwand der Aorta. Unterschieden werden thorakale und abdominelle Aortenaneurysmen, wobei die häufigste Lokalisation infrarenal (distal des Abgangs der Aa. renales) ist. Meist sind Aortenaneurysmen asymptomatisch und können durch Komplikationen wie Dissektion oder Ruptur als hochakutes, lebensbedrohliches Krankheitsbild auffallen. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. Daher gibt es in Deutschland für Männer über 65 Jahre bzw. Personen mit Risikoprofil ein Ultraschall-Screening.
Diagnostisch ist die CT-Angiografie der Goldstandard. Bei kleinen Aneurysmen kann ein konservatives, beobachtendes Prozedere indiziert sein, während ausgeprägte oder schnell voranschreitende Befunde invasiv (operativ oder mittels endovaskulärer Therapie) versorgt werden.
Im Folgenden liegt der Fokus auf der Detektion und Behandlung des nicht rupturierten Aortenaneurysmas. Die hochakuten Krankheitsbilder der Aneurysmaruptur oder Aortendissektion stellen eine Notfallsituation mit meist schlechter Prognose dar und werden an anderer Stelle dargestellt. Siehe auch: Rupturiertes Bauchaortenaneurysma - AMBOSS SOP und Aortendissektion.
Definition
- Aortenaneurysma: Aussackung der Gefäßwand der Aorta mit definierten Grenzwerten [1][2][3]
- Häufigste Form: Aneurysma verum mit Ausweitung aller drei Gefäßwandschichten (Intima, Media, Adventitia)
- Weitere Formen
- Aneurysma dissecans: Folge einer stattgehabten Aortendissektion
- Aneurysma spurium
Epidemiologie
- Thorakales Aortenaneurysma [4]
- Prävalenz: 0,1–0,3%
- Abdominelles Aortenaneurysma [1][5][6]
- Prävalenz: Gesamt ca. 3,5%
- Häufigkeitsgipfel: 70–80 Jahre
- Geschlechterverhältnis: ♂ > ♀ (ca. 6:1)
- Rupturrisiko unbehandelter Bauchaortenaneurysmen
- Risikofaktoren
- Weibliches Geschlecht
- Aktives Rauchen
- Großer Durchmesser
- Form des Aneurysmas [7]
- Jährliches Rupturrisiko (nach Durchmesser) [1]
- 3,0–5,5 cm: 0–1,6%
- 5,6–6,0 cm: 3,5%
- 6,1–7,0 cm: 4,1%
- >7,0 cm: 6,3%
- Risikofaktoren
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Wesentliche Risikofaktoren für thorakoabdominelle Aortenaneurysmen [1][8]
- Höheres Lebensalter
- Männliches Geschlecht
- Rauchen
- Weitere
- Kardiovaskuläre Erkrankung, insb. Arteriosklerose und arterielle Hypertonie
- Positive Familienanamnese
- Chronische Aortendissektion
Weitere Ursachen (insb. thorakale Lokalisation) [8][9]
- Bindegewebserkrankungen (bspw. Marfan-Syndrom , Ehlers-Danlos-Syndrom)
-
Vaskulitis oder Infektionskrankheiten mit Aortenbeteiligung, bspw.
- Syphilis → Mesaortitis luica
- Mykotisches Aneurysma
- Takayasu-Arteriitis
- Zystische Medianekrose Erdheim-Gsell
- Trauma
Klassifikation
Einteilung nach Lokalisation [1][8]
- Thorakales Aortenaneurysma
- Aorta ascendens
- Aortenbogen
- Aorta descendens
- Abdominelles Aortenaneurysma [1]
- Suprarenales Bauchaortenaneurysma: Oberhalb der A. renalis mit Einschluss eines Nierenarterienabgangs und Ausdehnung bis zur Basis der A. mesenterica superior
- Pararenales Bauchaortenaneurysma: Einschluss beider Nierenarterienabgänge bis zur juxtarenalen Aorta oder der Basis der A. mesenterica superior
- Juxtarenales Bauchaortenaneurysma: Ausdehnung infrarenal bis zu den Nierenarterienabgängen
- Infrarenales Bauchaortenaneurysma: Unterhalb der A. renalis (normal weite Aorta zwischen der oberen Ausdehnung des Aneurysmas und den Nierenarterienabgängen)
- Häufigste Lokalisation
- Distale Ausdehnung bis in die Beckenarterien bei ca. ⅓ der Patienten [10]
- Thorakoabdominelles Aortenaneurysma: Dilatation der thorakalen und abdominellen Aorta
- Modifizierte Klassifikation nach Crawford und Safi [11]
- Typ I: Aorta descendens von linker A. subclavia bis zum Truncus coeliacus
- Typ II: Aorta descendens von linker A. subclavia bis Aortenbifurkation
- Typ III: 6. ICR bis zur Bifurkation
- Typ IV: 12. ICR bis zur Bifurkation
- Typ V: 6. ICR bis zu den Nierenarterien
- Modifizierte Klassifikation nach Crawford und Safi [11]
Einteilung nach klinischem Befund [12]
- Asymptomatisches Aortenaneurysma: Gesichertes Aortenaneurysma ohne Beschwerden
- Symptomatisches Aortenaneurysma: Gesichertes Aortenaneurysma mit variablen Beschwerden ohne Lücke in der Aortenwand
- Rupturiertes Aortenaneurysma: Dilatierte Aortenwand mit Austritt von Blut außerhalb der Adventitia
- Gedeckt perforiertes Aortenaneurysma: Begrenzung des Hämatoms durch Gewebe
- Frei rupturiertes Aortenaneurysma: Freier Blutfluss in eine Körperhöhle
Pathophysiologie
- Multifaktorielle Genese [4][13]
- Gefäßwandschädigung → Veränderter Blutfluss und Kräfteverteilung (Unterbrechung der laminaren Blutströmung, Verwirbelungen) → Ausbildung eines Aneurysmas (Aussackung der Gefäßwand)
- Ursache
- Degenerative, entzündliche und enzymatische Prozesse
- Unterschiedliche Pathogenese je nach Lokalisation des Aneurysmas
- Störung der NO-Synthese unter Nikotineinfluss
- Histopathologische Veränderungen
- Thorakales Aortenaneurysma: Nicht-inflammatorischer Verlust glatter Muskelzellen der Media
- Abdominelles Aortenaneurysma insb.
- Schwere Atherosklerose der Intima
- Inflammatorisch bedingter Verlust glatter Muskelzellen der Media
- Dedifferenzierung von Muskelzellen
- Ursache
- Ggf. Thrombenbildung im Aneurysma → Periphere Thrombembolien
Symptomatik
Aortenaneurysmen sind meist asymptomatisch oder weisen unspezifische Symptome auf. Sie werden daher häufig als Zufallsbefunde im Rahmen von Sonografien oder CT-Untersuchungen diagnostiziert. Erst bei Ruptur oder Aortendissektion kommt es zu einem hochakuten Krankheitsbild. Zum weiteren Vorgehen siehe auch: Aortendissektion und Rupturiertes Bauchaortenaneurysma - AMBOSS SOP.
Unspezifische Beschwerden
- Druckgefühl in der Brust
- Thorakale Rückenschmerzen
- Abdominal- oder Flankenschmerz (teilweise kolikartig )
- Schwindelgefühl
Spezifischere Beschwerden
Thorakales Aortenaneurysma
- Thromboembolien im Versorgungsgebiet
- Einengung bzw. Irritation mediastinaler Strukturen
- Stridor (Trachea)
- Schluckbeschwerden (Ösophagus)
- Obere Einflussstauung (V. cava superior)
- Heiserkeit (N. laryngeus recurrens)
- Horner-Syndrom (Sympathische Ganglien)
Abdominelles Aortenaneurysma
- Tastbarer pulsierender Tumor im Bauchraum
- Seitendifferente oder schlecht tastbare Leistenpulse
- Periphere Thromboembolien im Versorgungsgebiet
„Red flags“ des rupturierten Bauchaortenaneurysmas [12]
- „Typischer“ Patient mit Risikofaktoren für thorakoabdominelle Aortenaneurysmen
- Klassische Symptomtrias
- Plötzlich einsetzende starke Bauch- oder Rückenschmerzen
- Hypotension bzw. akuter Blutdruckabfall bis hin zum Schock
- Pulsatile abdominelle Raumforderung
Bei klassischer Risikokonstellation (männlicher Raucher >50 Jahre) und unklarem Schockgeschehen muss immer an ein (gedeckt) rupturiertes Bauchaortenaneurysma gedacht werden!
Diagnostik
Die folgenden Inhalte beziehen sich auf ein elektives Setting. Bei einer notfallmäßigen Versorgung wird hiervon abgewichen: Das rupturierte Aortenaneurysma hämodynamisch instabiler Patienten (Blutdruck syst. <80 mmHg) wird unmittelbar operiert, das hämodynamisch stabiler Patienten (Blutdruck syst. >80 mmHg) nach Durchführung einer Notfall-CT. Für das Vorgehen bei V.a. Ruptur siehe auch: Rupturiertes Bauchaortenaneurysma - AMBOSS SOP.
Körperliche Untersuchung
Apparative Untersuchungen
Sonografie
- Indikation
- Screening und Verlaufskontrolle: Abschätzung des abdominellen Aortendurchmessers (siehe auch: Screening auf Bauchaortenaneurysma und Nachsorge bei Aortenaneurysma)
- Ausschluss von Begleiterkrankungen (insb. Poplitealaneurysmen, Carotisstenose)
- Für die Notfalldiagnostik bei instabilen Patienten siehe: Notfallsonografie
CT-Angiografie (CTA)
- Indikation: Goldstandard zur Beurteilung der Aorta
- Durchführung: Dünnschicht-CT mit Kontrastmittel von Kopf bis unter die Leiste
- Beurteilung von
- Gefäßverlauf
- Abgehende Äste
- Ausdehnung des Aneurysmas: Klassifikation des Aortenaneurysmas
- Gefäßdurchmesser
- Zusätzliche mögliche Thromben
- Weite des Aortenlumens: Zentral hyperdenser, kontrastierter Bereich
- Wandbeschaffenheit
- Ggf. randständiges, hypodenses thrombotisches Material
- Ggf. arteriosklerotische Verkalkungen der Gefäßwand
- Bei Ruptur: Nachweis von Kontrastmittelaustritt
- Gefäßverlauf
MR-Angiografie (MRA)
- Indikation: Alternative Bildgebung bei Kontraindikationen gegen Kontrastmittel, bspw. Niereninsuffizienz
Weitere Diagnostik [1]
- Duplexsonografie der A. poplitea: Ausschluss eines Poplitealaneurysmas
- Indikation: Nachgewiesenes abdominelles Aortenaneurysma
- Hintergrund: Gehäufte Koinzidenz von Popliteal- und Femoralaneurysmen bei abdominellem Aortenaneurysma
- Digitale Subtraktionsangiografie (DSA)
- Röntgen- Thorax
- Indikation: Im Rahmen einer präoperativen Diagnostik
- Ggf. zusätzliche Informationen bei thorakalen Aneurysmen
- Spezifische präoperative Diagnostik
- Duplexsonografie der A. carotis
- Transthorakale oder transösophageale Echokardiografie
- CT Thorax (Ausschluss von Lungenerkrankungen)
- Siehe auch: Perioperatives Management bei elektiver Aortenintervention
Therapie
Die Therapie des asymptomatischen abdominellen Aortenaneurysmas hängt v.a. von der Größe und dem assoziierten Rupturrisiko ab. Aufgrund der höheren Prävalenz bei Männern und der besseren Studienlage beziehen sich die im Folgenden genannten Größenangaben überwiegend auf Männer.
Therapieoptionen thorakoabdomineller Aortenaneurysmen [1][2][6][8][9][14][15] | |||
---|---|---|---|
Klinik | Befund | Therapie | Weitere Maßnahmen |
Rupturiert |
|
|
|
Symptomatisch |
|
| |
Asymptomatisch |
|
| |
|
|
Therapie des abdominellen Aortenaneurysmas
Konservative Therapie [1][6][8]
- Indikationen siehe: Therapieoptionen thorakoabdomineller Aortenaneurysmen
- Durchführung
- Minimierung kardiovaskulärer Risikofaktoren bei Aortenaneurysma
- Regelmäßige sonografische Verlaufskontrollen bei Bauchaortenaneurysma (Intervall abhängig von Geschlecht und Aneurysmagröße ) [1]
- Frauen
- Durchmesser 3,0–3,9 cm: Alle 2–3 Jahre
- Durchmesser 4,0–4,5 cm: Alle 6 Monate
- Durchmesser >4,5 cm–4,9 cm: Alle 3 Monate
- Männer
- Durchmesser 3,0–3,9 cm: Alle 2 Jahre
- Durchmesser 4,0–4,9 cm: Jährlich
- Durchmesser 5,0–5,4 cm: Alle 6 Monate
- Frauen
Invasive Therapie des abdominellen Aortenaneurysmas
- Indikationen siehe: Therapieoptionen thorakoabdomineller Aortenaneurysmen
- Therapieoptionen
- Offene Operation bei Bauchaortenaneurysma oder
- Endovaskuläre Aortenreparatur bei Bauchaortenaneurysma
- Für Informationen zur Therapie des rupturierten Bauchaortenaneurysmas siehe auch:
Offene Operation bei Bauchaortenaneurysma [1][16]
- Prinzip: Ersatz des aneurysmatischen Gefäßabschnittes durch Einsatz einer Rohrprothese oder Y-Prothese
- Schnittführung und Zugang
- Quere oder vertikale Inzision
- Transperitonealer oder retroperitonealer Zugang
- OP-Prinzipien
- Blutfluss zu einer A. iliaca interna möglichst erhalten
- Bei intraoperativer Darmischämie: Reimplantation der A. mesenterica inf.
- Kurze renale Ischämiezeiten anstreben
- Wahl der Prothese [1]
- Rohrprothesen bei passenden anatomischen Gegebenheiten vorziehen
- Wahl des Materials obliegt dem Chirurgen
- Ablauf (vereinfacht skizziert)
- Abklemmen der Aorta entsprechend der Lokalisation des Aneurysmas
- Eröffnen des Aneurysmasacks, Entfernen eventueller Thromben
- Implantation der Prothese
- Verschluss des Aneurysmasacks über der Prothese
- Bei Medianlaparotomie: Einlage eines Netzes in Sublay-Technik empfohlen (Prävention einer Narbenhernie)
- Wundverschluss
Endovaskuläre Aortenreparatur bei Bauchaortenaneurysma (EVAR) [1][17]
- Prinzip: Ausschaltung des Aneurysmas durch einen Aortenstent
- Zugangswege zur Arteria femoralis
- Bevorzugt perkutan
- Alternativ: Offen-chirurgisch (über die Leiste)
- Wahl der Prothese: Nach anatomischen Gegebenheiten
- Ablauf (vereinfacht skizziert am Beispiel einer zweiteiligen Bifurkationsprothese) unter angiografischer Kontrolle
- Zugang über die Leiste: Perkutan oder chirurgisch
- Einbringen eines Führungsdrahtes in die A. femoralis und Vorschub in die abdominelle Aorta
- Einbringen und Vorschub des zusammengefalteten Prothesenkörpers über den liegenden Führungsdraht (Seldinger-Technik)
- Expansion des Prothesenkörpers durch Entfaltung des inneliegenden Ballons
- Einbringen eines weiteren Führungsdrahtes in die kontralaterale A. femoralis
- Verankerung der proximalen Landungszone
- Vorschub des kontralateralen Prothesenschenkels (Seldinger-Technik) über den zweiten Führungsdraht
- Expansion des zweiten Prothesenschenkels (mittels Ballon)
- Distale Verankerung beider Prothesenschenkel
- Entfernen der Führungsdrähte
- Wundverschluss
Verfahrenswahl [1]
Nach anatomischen Gegebenheiten und Dringlichkeit
- Intaktes Aortenaneurysma
- Rupturiertes Aortenaneurysma
- Bevorzugt EVAR
- Voraussetzung: Anatomische Machbarkeit, Erfahrung des Operateurs und strukturelle Gegebenheiten
Nach Patientencharakteristik
- Patientenwunsch berücksichtigen
- Patientencompliance berücksichtigen, insb. bei EVAR
Die EVAR bedarf lebenslanger Nachsorgeuntersuchungen; die Compliance des Patienten bei der Wahl des Verfahrens ist somit mitentscheidend!
Therapie des thorakalen Aortenaneurysmas
Konservative Therapie [2][8][14][15]
- Indikationen siehe: Therapieoptionen thorakoabdomineller Aortenaneurysmen
- Durchführung
- Minimierung kardiovaskulärer Risikofaktoren bei Aortenaneurysma
- Regelmäßige sonografische Verlaufskontrollen bei thorakalem Aortenaneurysma (Intervall abhängig von Lokalisation und Durchmesser des Aneurysmas) [14]
- Aorta descendens
- Durchmesser <4,5 cm: Jährlich
- Durchmesser 4,5– 5,5 cm: Alle sechs Monate
- Aorta ascendens
- Durchmesser >4,5 cm: Jährlich
- Zunahme des Durchmessers >3mm/Jahr: Jährlich
- Aorta descendens
Invasive Therapie des thorakalen Aortenaneurysmas [8][14][15]
- Indikation
- Rupturiertes/Symptomatisches Aortenaneurysma
- Asymptomatisches Aortenaneurysma: Abhängig von Lokalisation, Durchmesser und Risikoprofil
- Aorta ascendens und Aortenbogen: Durchmesser ≥5,5 cm, Abweichungen bei Risikokonstellationen bspw.
- Marfan-Syndrom: Durchmesser ≥5,0 cm
- Ggf bei Marfan-Syndrom und Vorliegen von Risikofaktoren : Durchmesser ≥4,5 cm
- Ggf. bei bikuspider Aortenklappe mit Risikofaktoren : Durchmesser ≥5,0 cm
- Weitere individuelle Indikationen: Aorteninsuffizienz, geplante Schwangerschaft, kleine Körpergröße
- Aorta descendens: Durchmesser ≥6,0 cm, TEVAR erwägen ab Durchmesser ≥5,5 cm
- Marfan-Syndrom: TEVAR vorziehen
- Abweichungen bei erhöhtem Rupturrisiko
- Aorta ascendens und Aortenbogen: Durchmesser ≥5,5 cm, Abweichungen bei Risikokonstellationen bspw.
- Therapieoptionen
- Verfahrenswahl [15]
- Möglicher Vorteil von TEVAR bei hoher Komorbidität
- Voraussetzung: Anatomische Machbarkeit
Offene Operation bei thorakalem Aortenaneurysma [8]
- Prinzip: Offen chirurgische Implantation einer Kunststoffprothese
- Lagerung: Rechtsseitenlage
- Zugangsweg: Linkslaterale Thorakotomie oder Thorakolaparotomie links (je nach Lokalisation und Ausmaß)
- Besonderheiten
- Einsatz einer „Herzlungenmaschine“ zur extrakorporalen Zirkulation
- Intraoperatives Neuromonitoring (Ableitung motorisch evozierter Potenziale)
- Ablauf (vereinfacht skizziert)
- Exposition der Aorta
- Abklemmen der Aorta (je nach Aneurysmalokalisation)
- Durchtrennung der thorakalen Aorta
- Rekonstruktion: Implantation einer Rohrprothese
Endovaskuläre Therapie bei thorakalem Aortenaneurysma
- Prinzip: Ausschaltung des Aortenaneurysmas durch einen Aortenstent (Zugang über die A. femoralis)
- Ablauf siehe: Thorakale endovaskuläre Aortenreparatur
Perioperatives Management bei elektiver Aortenintervention
Für allgemeine Hinweise zum perioperativen Management siehe:
Präoperative Risikoevaluation
Der Nutzen einer elektiven Versorgung (Reduktion des Rupturrisikos) sollte gegen das individuelle perioperative Risiko abgewogen werden.
- Für die allgemeine präoperative Risikoevaluation siehe: Einschätzen des perioperativen Risikos
- Präprozedurale Risikoabschätzung nach OP-Verfahren, bspw. mit dem „British Aneurysm Repair Score“ (BAR-Score) [18]
- Abschätzung des Risikos für einen postoperativen Myokardinfarkt nach EVAR mittels Vascular Quality Initiative Cardiac Risk Index
Für Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz oder sauerstoffpflichtiger COPD ist der Nutzen einer elektiven Versorgung eines Bauchaortenaneurysmas nicht gesichert! [1]
Präoperative Laboruntersuchungen und Diagnostik [1][19]
Die Indikationsstellung für präoperative Diagnostik richtet sich nach dem individuellen Risikoprofil und der Art des Eingriffs (siehe auch: Präoperative Diagnostik und Laboruntersuchungen).
- Mögliche Laboruntersuchungen
- Blutbild, Elektrolyte
- Gerinnung
- Leberwerte, Nierenwerte
- Blutgruppenbestimmung und „Kreuzprobe“ bei relevantem Blutungsrisiko
- Blutgasanalyse
- Für die Indikationsstellung siehe auch:
- Mögliche Diagnostik
- 12-Kanal-EKG
- Röntgen-Thorax
- Lungenfunktionsdiagnostik
- Echokardiografie
- Kardiale Belastungstests
- Präoperative Koronarangiografie
- Präoperative Bestimmung kardialer Biomarker
- Für die Indikationsstellung siehe auch: Präoperative Diagnostik
- Spezifische Diagnostik vor elektiver Versorgung eines Aortenaneurysmas [1]
- Thorax-CT: Ausschluss von Lungenerkrankungen (insb. Malignomen) vor invasiver Versorgung eines Bauchaortenaneurysmas empfohlen
- Duplexsonografie der A. carotis interna: Bei nachgewiesenem Bauchaortenaneurysma präprozedural empfohlen
- Nephrologisches Konsil empfohlen, wenn
- GFR <45 mL/min/1,73 m2 oder
- GFR <60 mL/min/1,73 m2 und Proteinurie oder Hämaturie oder Hypertonie
Präoperative Anordnungen
- Änderungen der Vormedikation siehe:
- Periprozedurale Statinbehandlung erwägen [1][19]
- Beginn zwei Wochen vor dem Eingriff
- Mind. vier Wochen nach dem Eingriff fortsetzen
- Bereitstellung von Blutprodukten
- Nierenprotektion bei Verwendung von Kontrastmittel (insb. vor EVAR)
-
Nephrotoxische Medikamente pausieren, insb. Metformin [1]
- Einnahmepause 24–48 h vor Eingriff
- Wiederaufnahme: Nach Kontrolle der Nierenfunktion
- Prä- und postinterventionelle Hydrierung
- Insb. bei eingeschränkter Nierenfunktion und/oder EVAR
- Durchführung: Hydrierung mit Kochsalzlösung
-
Nephrotoxische Medikamente pausieren, insb. Metformin [1]
- Perioperative Thromboseprophylaxe ansetzen
Aufklärung
- Allgemeine Inhalte siehe: Chirurgische Aufklärung und Anästhesiologische Aufklärung
- Eingriffsspezifische Aufklärung (je nach Verfahren) insb.:
- Für die Art des Eingriffs siehe: Invasive Therapie des thorakalen Aortenaneurysmas bzw. Invasive Therapie des abdominellen Aortenaneurysmas
- Für Komplikationen des Eingriffs siehe: Komplikationen bei interventioneller Versorgung eines Aortenaneurysmas
- Aufklärung und Einwilligung zur Transfusion von Erythrozytenkonzentraten
- Postoperatives Prozedere
- Postoperative Überwachung auf einer Intensivstation bzw. IMC, insb. bei offenem Operationsverfahren [1] (siehe auch: Aufnahmekriterien für die Intensiv- und Intermediate-Care-Station)
- Nachsorge bei Aortenaneurysma
Unmittelbar perioperatives Management
- Allgemeine Hinweise siehe: Unmittelbar perioperatives Management, insb.:
- Perioperative Antibiotikaprophylaxe
- Vermeidung einer perioperativen Hypothermie
- Patient Blood Management, inkl. maschinelle Autotransfusion [1]
- Anästhesiologisches Management siehe:
Management nach Aortenintervention [20]
- Patientenaufnahme
- Nach offener Versorgung: Meist Überwachung auf einer Intensiv- und Intermediate-Care-Station
- Nach endovaskulärer Versorgung: Je nach Risikoprofil Regelstation, Intermediate-Care- oder Intensivstation [1]
- Siehe auch: Patientenaufnahme (Intensiv- und Intermediate-Care-Station)
- Kontrolluntersuchungen, insb.
- Tasten der Pulse!
- Prüfen der Motorik und Sensibilität
- Bilanzierung
- Wundkontrollen, Kontrolle von Drainagen
- Laborkontrollen
- Siehe auch: Postoperatives Management auf der Station
- Mobilisation
- Nach offener Versorgung: Um den 1. postoperativen Tag
- Nach endovaskulärer Versorgung: Am Operationstag
- Kostaufbau: Nach Verlauf und klinikeigenem Protokoll
- Wiederansetzen der Dauermedikation
- Nachsorge
- Nach offener Versorgung: Prävention von Narbenhernien, bspw. durch Hebebeschränkung
- Siehe auch: Nachsorge bei Aortenaneurysma
Komplikationen
Komplikationen unbehandelter Aortenaneurysmen [1]
- Aortenruptur (Aneurysmaruptur)
- Risikofaktoren siehe: Rupturrisiko unbehandelter Bauchaortenaneurysmen
- Klinik siehe: „Red flags“ des rupturierten Bauchaortenaneurysmas
- Diagnostik siehe: Diagnostik des Aortenaneurysmas
- Therapie siehe: Rupturiertes Bauchaortenaneurysma - AMBOSS SOP
- Aortendissektion
- Embolien aus thrombotischem Material des Aneurysmas
Komplikationen bei interventioneller Versorgung eines Aortenaneurysmas [1][21][22]
Prozedurale Komplikationen
- Allgemein
- Generelle OP-Komplikationen
- Ischämie von Endorganen
- Systemische Komplikationen, bspw. perioperative Myokardischämie oder Hirninfarkt
- Abschätzung des Risikos für einen postoperativen Myokardinfarkt nach EVAR mittels Vascular Quality Initiative Cardiac Risk Index
- Nierenfunktionseinschränkungen
- Siehe auch: Allgemeine postoperative Komplikationen
- Zusätzlich bei EVAR
- Verletzung der Zugangsgefäße
- Fehlplatzierung der Endoprothese
- Post-Implantationssyndrom
Spätkomplikationen [2][22]
- Allgemein
- ♂: Potenzstörungen
- Aortointestinale Fistel
- Infektionen der implantierten Prothese
- Langfristige Nierenfunktionseinschränkung
- Wundheilungsstörungen
- Zusätzlich bei EVAR
- Endoleckagen bei Aortenaneurysma
- Definition: Persistierender Blutfluss innerhalb des Aneurysmasacks außerhalb der endovaskulären Gefäßprothese
- Diagnostik: CT, MRT, kontrastmittelgestützte Duplexsonografie
- Endoleak-Klassifikation nach Ursache
- Therapie: Je nach Klassifikation interventionelle Ausschaltung oder Beobachtung
- Weitere Spätkomplikationen
- Endoleckagen bei Aortenaneurysma
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachsorge
Ziel der postinterventionellen Nachsorge ist die frühzeitige Detektion von aneurysmaasoziierten Komplikationen, insb.
- Expansion des Aneurysmas nach proximal oder distal
- Anastomosenaneurysmata
- Stenosen (insb. in Prothesenschenkeln oder Anastomosen)
- Endoleaks
Nachsorge nach abdomineller Aortenintervention [1]
- Nachsorge nach offener Versorgung
- Verfahren: Klinische Verlaufskontrollen inkl. Duplexsonografie, ggf. CT
- Intervalle
- Nicht standardisiert
- CT-Kontrolle alle 5 Jahre erwägen
- Nachsorge nach EVAR: Lebenslange, standardisierte Verlaufskontrollen durch behandelndes Gefäßzentrum
- Verfahren
- CTA und Röntgen-Abdomen bzw. Duplexsonografie
- Bei Niereninsuffizienz: Duplexsonografie, CT ohne Kontrastmittel und Röntgen-Abdomen bei jeder Nachsorge, ggf MRT bei unklaren Befunden
- Intervalle: 30 d nach Intervention und in der Folge nach Befund
- Unauffällig: Erneute CTA nach einem Jahr, dann jährlicher Duplexultraschall und Röntgen- Abdomen
- Endoleak: Erneute CTA nach einem halben und einem Jahr (ggf. erforderliche Therapie einleiten), dann jährliche CTA und Röntgen-Abdomen
- Aneurysmagröße↑: Sofortige CTA
- Neues Endoleak: Sofortige CTA
- Aortointestinale oder -cavale Fisteln: Endoskopie, PET-CT, DSA
- Stentgraftinfektion: Endoskopie, PET-CT, DSA
- Verfahren
Nachsorge nach thorakaler Aortenintervention [2]
- Untersuchungsintervalle nach
- Offener Versorgung: Bildgebung ohne standardisierte Intervalle
- TEVAR siehe: Nachsorge nach TEVAR
Prävention
Minimierung kardiovaskulärer Risikofaktoren bei Aortenaneurysma [1][14]
- Rauchstopp (wichtigster modifizierbarer Risikofaktor!)
- Weitere Maßnahmen
- Lebensstilveränderungen zur kardiovaskulären Prävention
- Blutdruckkontrolle
- Therapie der arteriellen Hypertonie
- Medikamentöse Prophylaxe bei kardiovaskulärem Risikoprofil , bspw.
- Lipidsenkung zur kardiovaskulären Prävention, bspw. mit Statinen wie Simvastatin. Dosierung abhängig vom individuellen kardivaskulären Risiko (siehe auch: Statin-Therapieschemata)
- Thrombozytenaggregationshemmung, bspw. mit z.B. Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel
- Siehe auch: Atherosklerose und kardiovaskuläre Prävention
Screeninguntersuchungen
Screening auf Bauchaortenaneurysma [1]
- Indikation: Standardisiertes Ultraschallscreening für
- Männer >65 Jahre
- Frauen >65 Jahre mit Raucheranamnese (aktuelle und ehemalige Raucher)
- Ggf. Personen mit positiver Familienanamnese (Verwandte 1. Grades)
- Durchführung: B-Bild-Sonografie am größten Durchmesser der Aorta
- Schallebene: AP und transversal
- Messung: Senkrecht zur Gefäßachse
- Leading-edge-Methode: Messung von der Außenwand bis zur gegenüberliegenden Innenwand
- Zusätzlich Beurteilung der Nierenarterienabgänge und der Iliakalgefäße
Für über 65 Jahre alte Männer soll ein Screening auf Bauchaortenaneurysma mittels Ultraschall erfolgen.
Screening auf thorakales Aortenaneurysma [2]
- Mögliche Indikationen
- Patienten mit Marfan-Syndrom
- Ggf. Verwandte 1. Grades von Patienten mit bikuspider Aortenklappe
Fahreignung bei Aortenaneurysma (asymptomatisch)
- Private Fahrer: Keine Einschränkung
- Berufskraftfahrer: Fahreignung ab Aortendurchmesser >5,5 cm [23]
- Für Empfehlungen zur Fahreignung im Rahmen weiterer kardiovaskulärer Erkrankungen siehe auch:
- Fahreignung nach Synkope
- Fahreignung bei Herzrhythmusstörungen
- Fahreignung bei Herzschrittmacher und ICD
- Fahreignung bei koronarer Herzkrankheit
- Fahreignung bei arterieller Hypertonie
- Fahreignung bei Herzinsuffizienz
- Fahreignung bei Herzklappenerkrankungen
- Fahreignung bei pAVK
- Fahreignung bei hypertropher Kardiomyopathie
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 147-2020-2/3: Prävalenz thorakaler Aortenaneurysmen bei abdominalem Aortenaneurysma
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- I71.-: Aortenaneurysma und -dissektion
- I71.0-: Dissektion der Aorta
- Aneurysma dissecans der Aorta
- I71.00: Dissektion der Aorta nicht näher bezeichneter Lokalisation, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.01: Dissektion der Aorta thoracica, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.02: Dissektion der Aorta abdominalis, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.03: Dissektion der Aorta, thorakoabdominal, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.04: Dissektion der Aorta nicht näher bezeichneter Lokalisation, rupturiert
- I71.05: Dissektion der Aorta thoracica, rupturiert
- I71.06: Dissektion der Aorta abdominalis, rupturiert
- I71.07: Dissektion der Aorta, thorakoabdominal, rupturiert
- I71.1: Aneurysma der Aorta thoracica, rupturiert
- I71.2: Aneurysma der Aorta thoracica, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.3: Aneurysma der Aorta abdominalis, rupturiert
- I71.4: Aneurysma der Aorta abdominalis, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.5: Aortenaneurysma, thorakoabdominal, rupturiert
- I71.6: Aortenaneurysma, thorakoabdominal, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.8: Aortenaneurysma nicht näher bezeichneter Lokalisation, rupturiert
- Ruptur der Aorta o.n.A.
- I71.9: Aortenaneurysma nicht näher bezeichneter Lokalisation, ohne Angabe einer Ruptur
- I71.0-: Dissektion der Aorta
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.