ambossIconambossIcon

Mitralklappeninsuffizienz

Letzte Aktualisierung: 20.1.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Die Mitralklappeninsuffizienz (Mitralinsuffizienz, MI) ist eine Schließunfähigkeit der Mitralklappe und das zweithäufigste Klappenvitium nach der Aortenklappenstenose. Sie kann durch Veränderungen des Klappenapparates selbst oder durch veränderte Volumenverhältnisse von Klappenapparat und linkem Ventrikel (LV) bedingt sein. Durch den systolischen Pendelfluss kommt es zu einer Volumenbelastung des linken Vorhofs (LA) und des linken Ventrikels.

Leichte Formen sind häufig asymptomatisch. Die hochgradige Mitralklappeninsuffizienz hingegen kann u.a. zu einer linksatrialen und -ventrikulären Dilatation, einer pulmonalvenösen Hypertonie und bei akuten Verläufen auch zu einem Lungenödem und einem kardiogenen Schock führen.

Therapiert wird in Abhängigkeit von der Genese medikamentös, interventionell (z.B. mittels TEER) oder operativ mittels Mitralklappenrekonstruktion bzw. -ersatz.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Epidemiologietoggle arrow icon

  • Prävalenz: Ca. 1–2% der Gesamtbevölkerung [1]
    • Altersabhängiger Anstieg: >10% bei >75-Jährigen [1]
    • Zweithäufigstes Klappenvitium in Europa [1][2]

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Ätiologietoggle arrow icon

Akute Mitralklappeninsuffizienz [1][3]

Chronische Mitralklappeninsuffizienz [4]

  • Primär: Schädigung des Klappenapparates
  • Sekundär (funktionell): Missverhältnis zwischen Schließ- und Zugkräften bei i.d.R. intaktem Klappenapparat

Primäre Genese [3][4]

Sekundäre Genese [1][8]

  • LV-Dysfunktion und -Dilatation: Bei Kardiomyopathien, Myokarditis oder funktioneller Ischämie
  • Anulusdilatation: Konsekutiv bei LV-Dilatation (s.o.), bei Vorhofflimmern [9]
    • Abflachung des physiologischerweise sattelförmigen Anulus → Segel werden auseinandergezogen → Inadäquater Klappenschluss
  • (Peri)prothetisch
    • Degeneration biologischer Klappenprothesen
    • Dehiszenz einer Mitralklappenprothese
    • Protheseninsuffizienz
    • Paravalvuläre Leckage: Blutstrom außerhalb des Prothesenrings
  • Mögliche Verstärkung der pathophysiologischen Abläufe durch
    • Asynchrone Ventrikelkontraktion
    • Veränderungen der Hämodynamik

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Klassifikationtoggle arrow icon

Klassifikation nach Carpentier [10]

Klassifikation der Mitralklappeninsuffizienz nach Carpentier
Typ Beweglichkeit der Klappensegel Mögliche Ursachen
I
  • Normal
II
  • Übermäßig
III
  • IIIa: Eingeschränkt, mit restriktiver Öffnung
  • IIIb: Eingeschränkt, mit restriktiver Schließung

Stadieneinteilung nach American Heart Association (AHA) [11]

Stadieneinteilung der chronischen primären Mitralklappeninsuffizienz nach der American Heart Association (AHA) [11]
Stadium Definition Klappenmorphologie Ausmaß der Regurgitation Hämodynamische Folgen Symptomatik
A
  • Risikofaktoren für MI liegen vor
  • Keine MI oder kleiner zentraler Insuffizienzjet (<20% des LA)
  • Keine
  • Keine
B
  • Fortschreitende MI
  • Zentraler Insuffizienzjet (20–40% des LA) oder spätsystolischer exzentrischer Insuffizienzjet
  • V. contracta <7 mm
  • Regurgitationsvolumen <60 mL
  • Regurgitationsfraktion <50%
  • EROA <40 mm2
  • Angiografischer Grad 1+ bis 2+
  • Keine
C
  • Zentraler Insuffizienzjet >40% des LA oder holosystolischer exzentrischer Insuffizienzjet
  • V. contracta ≥7 mm
  • Regurgitationsvolumen ≥60 mL
  • Regurgitationsfraktion ≥50%
  • EROA ≥40 mm2
  • Angiografischer Grad 3+ bis 4+
  • Keine

C1

C2

D
  • Symptomatische schwere MI
Stadieneinteilung der chronischen sekundären Mitralklappeninsuffizienz nach der American Heart Association (AHA) [11]
Stadium Definition Klappenmorphologie Ausmaß der Regurgitation Hämodynamische Folgen Symptomatik
A
  • Risikofaktoren für MI liegen vor
  • Keine MI oder kleiner zentraler Insuffizienzjet (<20% des LA)
  • V. contracta <3 mm
  • Keine bis leichtgradige LV-Dilatation mit regionalen Wandbewegungsstörungen (fixiert oder induzierbar)
  • Primäre Erkrankung des Myokards mit LV-Dilatation und systolischer Funktionsstörung
  • Ggf. Symptome der myokardialen Ischämie und/oder Herzinsuffizienz, die auf Revaskularisierung bzw. adäquate medikamentöse Therapie ansprechen
B
  • Fortschreitende MI
  • Regionale Wandbewegungsstörungen mit leichtgradigem Tethering der Mitralsegel
  • Anulusdilatation mit leichtgradigem zentralen Koaptationsverlust
  • EROA <40 mm2
  • Regurgitationsvolumen <60 mL
  • Regurgitationsfraktion <50%
  • Regionale Wandbewegungsstörungen mit eingeschränkter systolischer LV-Funktion
  • Primäre Erkrankung des Myokards mit LV-Dilatation und systolischer Funktionsstörung
C
  • Regionale Wandbewegungsstörungen und/oder LV-Dilatation mit hochgradigem Tethering der Mitralsegel
  • Anulusdilatation mit hochgradigem zentralen Koaptationsverlust
  • EROA ≥40 mm2
  • Regurgitationsvolumen ≥60 mL
  • Regurgitationsfraktion ≥50%
D
  • Symtomatische schwere MI
  • MI-assoziierte Symptome persistieren auch nach Revaskularisierung bzw. Optimierung der medikamentösen Therapie
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Pathophysiologietoggle arrow icon

Bei der chronischen Mitralklappeninsuffizienz kann die abnehmende Kontraktilität initial häufig durch eine vorlastbedingt gesteigerte LVEF kompensiert werden. Eine niedrig normale LVEF gilt daher bei hochgradiger Mitralklappeninsuffizienz schon als pathologisch!

Bei der seltenen akuten Mitralklappeninsuffizienz kann es zum Lungenödem mit initial normaler LVEF kommen!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Symptomatiktoggle arrow icon

Akute Mitralklappeninsuffizienz

Die akute Mitralklappeninsuffizienz ist ein Notfall – fulminante, ggf. tödliche Verläufe sind möglich!

Chronische Mitralklappeninsuffizienz [11]

  • Allgemein: Symptomatik oft erst im fortgeschrittenen Stadium
    • Sekundäre MI: Symptome der Grunderkrankung im Vordergrund

Bei primärer Genese

Bei sekundärer Genese

Bei der chronischen Mitralklappeninsuffizienz kommt es oft erst im fortgeschrittenen Stadium zur Entwicklung von Symptomen!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Verlaufs- und Sonderformentoggle arrow icon

Malignes Mitralklappenprolapssyndrom [13][14]

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Diagnostiktoggle arrow icon

Anamnese

Körperliche Untersuchung

Bei der Trikuspidalklappeninsuffizienz kann es zu ähnlichen Herzgeräuschen kommen, die jedoch während der Inspiration verstärkt sind! [16]

Goldstandard: Echokardiografie

  • TTE zur Beurteilung von
    • Insuffizienzgrad (leicht-, mittel- oder hochgradig)
    • Klappenmorphologie
    • LV-Funktion und -Durchmesser
    • Möglichen hämodynamischen Auswirkungen
  • TEE ergänzen bei
    • Schlechtem transthorakalen Schallfenster
    • Grenzwertig hochgradigem Befund in der TTE
    • Verdacht auf exzentrischen Verlauf
    • Unklaren anatomischen Verhältnissen
    • Planung einer TEER oder einer Klappenrekonstruktion
Kriterien für eine hochgradige Mitralklappeninsuffizienz in der 2D-Echokardiografie [4][15]
Primäre Genese Sekundäre Genese
Qualitativ
Mitralklappenmorphologie
Insuffizienzjet im Farbdoppler
  • Großer zentraler Insuffizienzjet (>50% des LA) oder
  • Exzentrischer, wandnaher Insuffizienzjet variabler Größe
Insuffizienzjet im CW-Doppler
Semiquantitativ
V. contracta
  • ≥7 mm (bzw. ≥8 mm biplan)
Pulmonalvenenfluss
  • Systolische Flussumkehr
Quantitativ
EROA (2D-PISA)
  • ≥40 mm2
  • ≥40 mm2
  • Ggf. ≥30 mm2 bei elliptischer Regurgitationsöffnung
Regurgitationsvolumen
  • ≥60 mL
  • ≥60 mL
Strukturell
Linker Ventrikel
  • Dilatiert (LVESD >40 mm)
  • Dilatiert
Linkes Atrium
  • Dilatiert (Diameter ≥55 mm, Volumenindex ≥60 mL/m2)
  • Dilatiert

Bei exzentrischem Jetverlauf lässt sich eine Mitralklappeninsuffizienz in der TTE häufig nicht abschließend beurteilen, sodass eine TEE notwendig wird!

Insb. bei der sekundären Mitralklappeninsuffizienz muss bereits eine niedrig-normale LVEF (<60%) als pathologisch eingestuft werden!

Weitere Untersuchungen

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Therapietoggle arrow icon

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Leicht- bis mittelgradige Mitralklappeninsuffizienztoggle arrow icon

  • Isolierte leichtgradige MI: I.d.R. kein regelmäßiges Follow-up notwendig
  • Mittelgradige MI: Regelmäßiges Follow-up inkl. TTE (ca. alle 1–2 Jahre )
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Akute hochgradige Mitralklappeninsuffizienztoggle arrow icon

Die akute hochgradige Mitralklappeninsuffizienz ist aufgrund möglicher fulminanter Verläufe ein Notfall!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Chronische hochgradige Mitralklappeninsuffizienztoggle arrow icon

Primäre Genese

Asymptomatischer Verlauf

  • Erhaltene LV-Funktion (LVESD <40 mm und LVEF >60%)
    • Regelmäßiges Follow-up inkl. TTE (alle 6 Monate)
      • In Einzelfällen erweiterte Risikostratifizierung
    • OP-Kriterien prüfen: ≥1 positiv → Frühzeitige chirurgische Versorgung
      • Neues (sekundäres) Vorhofflimmern oder
      • sPAP in Ruhe >50 mmHg oder
      • LA-Dilatation (LA-Volumen ≥60 mL/m2 und/oder LA-Diameter ≥55 mm)
  • LV-Dysfunktion (LVESD ≥40 mm und/oder LVEF ≤60%): Frühzeitige chirurgische Versorgung
  • Für weiterführende Informationen siehe: Operative und interventionelle Therapie bei Mitralklappeninsuffizienz

Symptomatischer Verlauf

Sekundäre Genese

Therapie von Grund- und Begleiterkrankungen

Operative und/oder interventionelle Therapie

Bei der hochgradigen sekundären Mitralklappeninsuffizienz sollte vor Erwägung invasiver Maßnahmen die Therapie der Grunderkrankung(en) optimiert werden!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Operative und interventionelle Therapie bei Mitralklappeninsuffizienztoggle arrow icon

Empfehlungen zur operativen Versorgung einer Mitralklappeninsuffizienz [2]

  • Indikation
    • Akute hochgradige MI
    • Chronische hochgradige MI
      • Primäre Genese: Mit Symptomen und niedrigem OP-Risiko oder ohne Symptome, mit LV-Dysfunktion oder ohne Symptome, mit erhaltener LV-Funktion und positiven Risikofaktoren
      • Sekundäre Genese: Zurückhaltende Indikationsstellung!
  • Allgemeine Empfehlungen
    • Durchführung an Zentrum mit großer Expertise bzgl. Klappenerkrankungen (mit interdisziplinärem Heart Team)
    • Idealerweise voraussichtlich langfristiges OP-Ergebnis bei niedrigem OP-Risiko
  • Bevorzugte Verfahren
    • Akute hochgradige MI: I.d.R. Mitralklappenersatz
    • Chronische hochgradige MI
      • Primäre Genese: I.d.R. Mitralklappenrekonstruktion
      • Sekundäre Genese: I.d.R. Mitralklappenersatz

Kathetergestützte Edge-to-Edge-Therapie (TEER) der Mitralklappe [8][17]

  • Definition: Perkutane, TEE-gesteuerte Anlage von ≥1 Clip(s) im Bereich der größten Klappeninsuffizienz
  • Indikation
    • Primäre hochgradige MI mit Symptomen, hohem OP-Risiko und voraussichtlichem Benefit
    • Sekundäre hochgradige MI mit anhaltend schwerer Symptomatik/Insuffizienz unter adäquater Therapie von Grunderkrankung(en), hohem OP-Risiko und voraussichtlichem Benefit
  • Ablauf (vereinfacht): Punktion der rechten Leistenvene → Vorschub des Katheters bis zum rechten Vorhof (RA) → Punktion des Vorhofseptums → Vorschub des Katheters in LA
    • Einbringen des geschlossenen Clips über die Katheterschleuse in den LA → Positionierung im Bereich der größten Insuffizienz → Vorschub des geöffneten Clips bis unter die Mitralklappenebene
    • Zurückziehen des Clips mit Einklemmen beider Klappensegel → Überprüfen der optimalen Position → Schließen des Clips
    • Hierdurch Entstehung einer doppelten Öffnung (sog. „double orifice“) mit Reduktion des Regurgitationsvolumens
    • Ggf. Wiederholung der ersten Schritte bei Anlage mehrerer Clips
    • Mit Schluss des Clips Abtrennung von Katheterschleuse → Zurückziehen des Katheters

COAPT-Bedingungen für MitraClip® [8][18]

Verlaufskontrolle und Antikoagulation nach Mitralklappeneingriff

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Fahreignung bei Mitralklappeninsuffizienztoggle arrow icon

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Studientelegramme zum Thematoggle arrow icon

Interesse an wöchentlichen Updates zur aktuellen Studienlage im Bereich der Inneren Medizin? Abonniere jetzt das Studientelegramm! Den Link zur Anmeldung findest du am Seitenende unter "Tipps & Links"

Interesse an noch mehr Medizinwissen zum Hören? Abonniere jetzt den AMBOSS-Podcast Über deinen Podcast-Anbieter oder den Link am Seitenende unter "Tipps & Links"

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

  • I34.-: Nichtrheumatische Mitralklappenkrankheiten
  • I05.-: Rheumatische Mitralklappenkrankheiten
    • Inklusive: Zustände, die unter I05.0 und I05.2I05.9 klassifizierbar sind, unabhängig davon, ob als rheumatisch bezeichnet oder nicht
    • Exklusive: Als nichtrheumatisch bezeichnet (I34.‑)
    • I05.1: Rheumatische Mitralklappeninsuffizienz
    • I05.8 Sonstige Mitralklappenkrankheiten
      • Mitralklappenfehler
      • Mitralvitium
    • I05.9: Mitralklappenkrankheit, nicht näher bezeichnet
      • Mitralklappenkrankheit (chronisch) o.n.A.
  • Q23.-: Angeborene Fehlbildungen der Aorten- und der Mitralklappe
    • Q23.3: Angeborene Mitralklappeninsuffizienz
    • Q23.8 Sonstige angeborene Fehlbildungen der Aorten- und Mitralklappe
    • Q23.9 Angeborene Fehlbildungen der Aorten- und Mitralklappe, nicht näher bezeichnet

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Probiere die Testversion aus und erhalte 30 Tage lang unbegrenzten Zugang zu über 1.400 Kapiteln und +17.000 IMPP-Fragen.
disclaimer Evidenzbasierte Inhalte, von festem ärztlichem Redaktionsteam erstellt & geprüft. Disclaimer aufrufen.