Zusammenfassung
Die Mitralklappeninsuffizienz (Mitralinsuffizienz, MI) ist eine Schließunfähigkeit der Mitralklappe und das zweithäufigste Klappenvitium nach der Aortenklappenstenose. Sie kann durch Veränderungen des Klappenapparates selbst oder durch veränderte Volumenverhältnisse von Klappenapparat und linkem Ventrikel (LV) bedingt sein. Durch den systolischen Pendelfluss kommt es zu einer Volumenbelastung des linken Vorhofs (LA) und des linken Ventrikels.
Leichte Formen sind häufig asymptomatisch. Die hochgradige Mitralklappeninsuffizienz hingegen kann u.a. zu einer linksatrialen und -ventrikulären Dilatation, einer pulmonalvenösen Hypertonie und bei akuten Verläufen auch zu einem Lungenödem und einem kardiogenen Schock führen.
Therapiert wird in Abhängigkeit von der Genese medikamentös, interventionell (z.B. mittels TEER) oder operativ mittels Mitralklappenrekonstruktion bzw. -ersatz.
Epidemiologie
- Prävalenz: Ca. 1–2% der Gesamtbevölkerung [1]
- Altersabhängiger Anstieg: >10% bei >75-Jährigen [1]
- Zweithäufigstes Klappenvitium in Europa [1][2]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Akute Mitralklappeninsuffizienz [1][3]
- Degenerativ: Chordaruptur bzw. Flail Leaflet, bspw. akut auf chronisch beim Mitralklappenprolaps
- Infektiös bzw. immunologisch
- Infektiöse Endokarditis: Destruktion bzw. Perforation des Klappenapparates
- Rheumatisches Fieber: Versteifung von Segeln und Chordae (häufig kombiniertes Mitralklappenvitium) [4]
- Ischämisch: Chorda- oder Papillarmuskelruptur bei Myokardinfarkt
- Traumatisch: Chorda- oder Papillarmuskelruptur durch Thoraxtrauma
- Prothetisch: Akute Dehiszenz einer Mitralklappenprothese
- Idiopathisch: Spontane Chordaruptur (sehr selten)
Chronische Mitralklappeninsuffizienz [4]
- Primär: Schädigung des Klappenapparates
- Sekundär (funktionell): Missverhältnis zwischen Schließ- und Zugkräften bei i.d.R. intaktem Klappenapparat
Primäre Genese [3][4]
- Degenerativ: Mitralklappenprolaps (häufigste Ursache)
- Klassischer Prolaps: Systolisches Vorwölben eines oder beider Mitralsegel in den LA und sichtbare Segelverdickung und Klappeninsuffizienz
- Auskultatorisch: Systolikum und ggf. hochfrequente mesosystolische Klicks (über der Herzspitze)
- Flail Leaflet („Flail“)
- Mögliche Formen bzw. Grunderkrankungen [5][6]
- Morbus Barlow: Akkumulation von Proteoglykanen → Myxomatöse Verdickung und Vergrößerung der Segel → Verlängerung der Chordae → Prolaps [5][6]
- Fibroelastischer Mangel („fibroelastic defiency“) [5]: Mangel an Fibroelastin → Ausdünnung des Segelapparats → Verlängerung der Chordae bzw. Chordaruptur → Prolaps
- Bindegewebserkrankungen (insb. Ehlers-Danlos-Syndrom oder Marfan-Syndrom)
- Klassischer Prolaps: Systolisches Vorwölben eines oder beider Mitralsegel in den LA und sichtbare Segelverdickung und Klappeninsuffizienz
- Immunologisch
- Rheumatisches Fieber: Versteifung von Segeln und Chordae (häufig kombiniertes Mitralklappenvitium)
- Endomyokardfibrose, kardiale Beteiligung bei Lupus, eosinophile Endokarditis
- Iatrogen
- Z.n. Ballonvalvuloplastie der Mitralklappe (bei Mitralklappenstenose)
- Z.n. Bestrahlung des Thorax und/oder Einnahme kardiotoxischer Medikamente
- Kongenital: Insb. Mitralklappen-Cleft [7]
Sekundäre Genese [1][8]
- LV-Dysfunktion und -Dilatation: Bei Kardiomyopathien, Myokarditis oder funktioneller Ischämie
- Anulusdilatation: Konsekutiv bei LV-Dilatation (s.o.), bei Vorhofflimmern [9]
- Abflachung des physiologischerweise sattelförmigen Anulus → Segel werden auseinandergezogen → Inadäquater Klappenschluss
- (Peri)prothetisch
- Degeneration biologischer Klappenprothesen
- Dehiszenz einer Mitralklappenprothese
- Protheseninsuffizienz
- Paravalvuläre Leckage: Blutstrom außerhalb des Prothesenrings
- Mögliche Verstärkung der pathophysiologischen Abläufe durch
- Asynchrone Ventrikelkontraktion
- Veränderungen der Hämodynamik
Klassifikation
Klassifikation nach Carpentier [10]
Klassifikation der Mitralklappeninsuffizienz nach Carpentier | ||
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Typ | Beweglichkeit der Klappensegel | Mögliche Ursachen |
I |
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II |
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III |
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Stadieneinteilung nach American Heart Association (AHA) [11]
Stadieneinteilung der chronischen primären Mitralklappeninsuffizienz nach der American Heart Association (AHA) [11] | ||||||
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Stadium | Definition | Klappenmorphologie | Ausmaß der Regurgitation | Hämodynamische Folgen | Symptomatik | |
A |
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B |
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C |
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C1 | ||||||
C2 | ||||||
D |
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Stadieneinteilung der chronischen sekundären Mitralklappeninsuffizienz nach der American Heart Association (AHA) [11] | ||||||
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Stadium | Definition | Klappenmorphologie | Ausmaß der Regurgitation | Hämodynamische Folgen | Symptomatik | |
A |
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B |
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C |
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D |
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Pathophysiologie
- Allgemein: Ausprägung der pathophysiologischen Folgen u.a. abhängig vom zeitlichen Ablauf bzw. der Größe des Regurgitationsvolumens
- Akute MI
- Rückwärtsversagen: Pendelvolumen zwischen LV und LA → Plötzlich Vorlast↑ → Füllungsdruck von LV und LA ↑ → Rückstau in den Lungenkreislauf → Lungenödem
- Vorwärtsversagen: Pendelvolumen zwischen LV und LA → Plötzlich Vorlast↑ und Nachlast↓ → LVEF initial ↔︎ oder ↑ durch gesteigertes Schlagvolumen (Frank-Starling-Mechanismus) → Im kurzfristigen Verlauf bei hohem Regurgitationsvolumen: Rückstau in den Lungenkreislauf → HZV↓ → Kardiogener Schock
- Chronische MI
- Rückwärtsversagen: Pendelvolumen zwischen LV und LA → Schleichend Vorlast↑ → Füllungsdruck von LV und LA ↑ → Pulmonalvenöser Druck langsam ↑ → Pulmonalarterieller Druck ↑ bis zur pulmonalarteriellen Hypertonie (PAH) → Rechtsherzbelastung → Rechtsherzinsuffizienz
- Vorwärtsversagen: Pendelvolumen zwischen LV und LA → Schleichend Vorlast↑ → Füllungsdruck von LV und LA ↑ → LV-Hypertrophie und -Dilatation → LA- und Ringdilatation → MI↑ (Circulus vitiosus) → Im Verlauf Wandspannung↑ → Kontraktilität↓ → Im Verlauf LVEF↓ → Linksherzinsuffizienz
Bei der chronischen Mitralklappeninsuffizienz kann die abnehmende Kontraktilität initial häufig durch eine vorlastbedingt gesteigerte LVEF kompensiert werden. Eine niedrig normale LVEF gilt daher bei hochgradiger Mitralklappeninsuffizienz schon als pathologisch!
Bei der seltenen akuten Mitralklappeninsuffizienz kann es zum Lungenödem mit initial normaler LVEF kommen!
Symptomatik
Akute Mitralklappeninsuffizienz
- Fulminante Verläufe durch fehlende Anpassungsmechanismen möglich (siehe auch: Mitralklappeninsuffizienz - Pathophysiologie)
-
Lungenödem
- Akute Dyspnoe, Orthopnoe
- Respiratorische Insuffizienz (spO2 <90%)
-
Kardiogener Schock
- Hypotonie ± Katecholaminbedarf oder Zentralisierung
- Ggf. tachykarde oder bradykarde Rhythmusstörungen, pektanginöse Beschwerden
-
Lungenödem
- Ggf. Symptome der Grunderkrankung
Die akute Mitralklappeninsuffizienz ist ein Notfall – fulminante, ggf. tödliche Verläufe sind möglich!
Chronische Mitralklappeninsuffizienz [11]
- Allgemein: Symptomatik oft erst im fortgeschrittenen Stadium
- Sekundäre MI: Symptome der Grunderkrankung im Vordergrund
Bei primärer Genese
- Belastungsdyspnoe
- Eingeschränkte körperliche Belastbarkeit
- Ggf. Schwindel, pektanginöse Beschwerden
Bei sekundärer Genese
- Symptome der Grunderkrankung
- Symptome einer möglichen Herzinsuffizienz
- Belastungsdyspnoe, im weiteren Verlauf auch Ruhedyspnoe
- Nächtlicher Husten, Nykturie
- Hämoptysen/Hämoptoe
- Leistungsminderung, Müdigkeit
- Zyanose
- (Obere) Einflussstauung
- Periphere Ödeme
- Stauungsleber oder -niere
- Symptome eines möglichen Vorhofflimmerns: Bspw. Palpitationen, Schwindel, innere Unruhe
- Symptome einer möglichen Herzinsuffizienz
Bei der chronischen Mitralklappeninsuffizienz kommt es oft erst im fortgeschrittenen Stadium zur Entwicklung von Symptomen!
Verlaufs- und Sonderformen
Malignes Mitralklappenprolapssyndrom [13][14]
- Epidemiologie
- Häufig junge Frauen
- Familiäre Häufung, genetische Komponente noch unklar
- Symptome / klinisches Bild
- Ventrikuläre Arrythmien (insb. nsVTs, VTs)
- Ggf. Prodromi eines plötzlichen Herztodes: Palpitationen, (Prä‑)Synkopen, VES
- Diagnostische Hinweise
-
EKG
- Negative T-Welle in inferolateralen Ableitungen (II, III, aVF, V4–V6)
- QT-Verlängerung
- VES mit Ursprung im RVOT/Papillarmuskel
-
Echokardiografie
- Diastolisch verdickte Klappensegel
- Prolaps beider Segel
- Mittel- bis hochgradige MI
- Reduzierter longitudinaler linksventrikulärer Strain
- Kardio-MRT: Bspw. LGE als Zeichen einer Myokardfibrose
-
EKG
- Komplikationen: Plötzlicher Herztod
- Therapie bzw. Prävention: Betroffene frühzeitig erkennen, Monitoring, individuell ICD-Indikation diskutieren
Diagnostik
Anamnese
- Typische Symptome? (Siehe auch: Mitralklappeninsuffizienz - Symptomatik)
- Vorerkrankungen? Bspw.
- Supraventrikuläre Rhythmusstörungen: Insb. Vorhofflimmern, atriale Tachykardien
- Ventrikuläre Rhythmusstörungen
- KHK
- Kardiomyopathien (insb. dilatative oder ischämische Kardiomyopathie)
- Z.n. thorakaler Radiatio oder Einnahme kardiotoxischer Medikamente
- Z.n. Mitralklappensprengung
- Familienanamnese
- Familiäre DCM
- Häufung von Mitralklappenprolapsen
Körperliche Untersuchung
- Inspektion: Ggf. Zeichen der akuten oder häufiger chronischen Herzinsuffizienz (siehe: Mitralklappeninsuffizienz - Symptomatik)
- Palpation: Evtl. verstärkter oder nach links verlagerter Herzspitzenstoß
- Auskultation
- Bandförmiges, gießendes Holosystolikum mit Fortleitung in die Axilla
- Punctum maximum über der Herzspitze (5. ICR links, medioklavikulär)
- Leiser 1. Herzton
- Evtl. 3. Herzton bei fortgeschrittener Erkrankung: Ausdruck einer Volumenüberlastung des Ventrikels während der Diastole („Füllungston“)
- Differenzialdiagnostik
- Siehe auch: Auskultationsbefunde nach Lokalisation des Herzgeräusches
- Siehe auch: Klappenvitien und ihre Auskultationsbefunde
Bei der Trikuspidalklappeninsuffizienz kann es zu ähnlichen Herzgeräuschen kommen, die jedoch während der Inspiration verstärkt sind! [16]
Goldstandard: Echokardiografie
- TTE zur Beurteilung von
- Insuffizienzgrad (leicht-, mittel- oder hochgradig)
- Klappenmorphologie
- LV-Funktion und -Durchmesser
- Möglichen hämodynamischen Auswirkungen
- TEE ergänzen bei
Kriterien für eine hochgradige Mitralklappeninsuffizienz in der 2D-Echokardiografie [4][15] | ||
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Primäre Genese | Sekundäre Genese | |
Qualitativ | ||
Mitralklappenmorphologie |
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Insuffizienzjet im Farbdoppler |
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Insuffizienzjet im CW-Doppler |
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Semiquantitativ | ||
V. contracta |
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Pulmonalvenenfluss |
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Quantitativ | ||
EROA (2D-PISA) |
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Regurgitationsvolumen |
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Strukturell | ||
Linker Ventrikel |
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Linkes Atrium |
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Bei exzentrischem Jetverlauf lässt sich eine Mitralklappeninsuffizienz in der TTE häufig nicht abschließend beurteilen, sodass eine TEE notwendig wird!
Insb. bei der sekundären Mitralklappeninsuffizienz muss bereits eine niedrig-normale LVEF (<60%) als pathologisch eingestuft werden!
Weitere Untersuchungen
- EKG
- Ggf. Zeichen der Linksherzhypertrophie mit P-mitrale
- Im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf: Zeichen einer Rechtsherzbelastung mit P-pulmonale möglich
- Röntgen
- Posterior-anteriores Bild: Ggf. vergrößerter LA und LV
- Seitbild: Ggf. Verengung des Retrokardialraums
- Ggf. Kardio-MRT
- Ggf. Stress-Echo
- Ggf. präoperativ
Therapie
- Leicht- bis mittelgradige MI: I.d.R. keine alleinige Therapieindikation
- Hochgradige MI: Immer Therapieindikation
- Grundlage für jede Therapieentscheidung: Besprechung des Patientenfalls im Heart Team
- Akute hochgradige MI: Notfalltherapie
- Chronische hochgradige MI: Verschiedene Therapieoptionen je nach Genese und Symptomatik
- Verschiedene Optionen für operative und interventionelle Therapie bei Mitralklappeninsuffizienz je nach Ätiologie und Patienteneigenschaften
- Behandlung von Grund- und Begleiterkrankungen: In jedem Stadium essenziell (insb. Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie, KHK)
Leicht- bis mittelgradige Mitralklappeninsuffizienz
- Isolierte leichtgradige MI: I.d.R. kein regelmäßiges Follow-up notwendig
- Mittelgradige MI: Regelmäßiges Follow-up inkl. TTE (ca. alle 1–2 Jahre )
Akute hochgradige Mitralklappeninsuffizienz
- Intensivmedizinische Überwachung und Notfall-OP (i.d.R. chirurgischer Klappenersatz )
- Medikamentöse Therapie
- LV-Entlastung: Nitrate, Diuretika
- Bei Bedarf Inotropika (siehe auch: Kardiogener Schock - AMBOSS-SOP)
Die akute hochgradige Mitralklappeninsuffizienz ist aufgrund möglicher fulminanter Verläufe ein Notfall!
Chronische hochgradige Mitralklappeninsuffizienz
Primäre Genese
Asymptomatischer Verlauf
- Erhaltene LV-Funktion (LVESD <40 mm und LVEF >60%)
- Regelmäßiges Follow-up inkl. TTE (alle 6 Monate)
- In Einzelfällen erweiterte Risikostratifizierung
- OP-Kriterien prüfen: ≥1 positiv → Frühzeitige chirurgische Versorgung
- Neues (sekundäres) Vorhofflimmern oder
- sPAP in Ruhe >50 mmHg oder
- LA-Dilatation (LA-Volumen ≥60 mL/m2 und/oder LA-Diameter ≥55 mm)
- Regelmäßiges Follow-up inkl. TTE (alle 6 Monate)
- LV-Dysfunktion (LVESD ≥40 mm und/oder LVEF ≤60%): Frühzeitige chirurgische Versorgung
- Für weiterführende Informationen siehe: Operative und interventionelle Therapie bei Mitralklappeninsuffizienz
Symptomatischer Verlauf
- Operabilität bzw. niedriges OP-Risiko: Frühzeitige chirurgische Versorgung
- Inoperabilität bzw. hohes OP-Risiko
-
TEER erwägen, sofern
- Positiver Effekt zu erwarten und
- (Echokardiografische) Bedingungen zu Ansprechen und Machbarkeit erfüllt
-
TEER erwägen, sofern
- Für weiterführende Informationen siehe: Operative und interventionelle Therapie bei Mitralklappeninsuffizienz
Sekundäre Genese
Therapie von Grund- und Begleiterkrankungen
- Leitliniengerechte medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz
- HFrEF (LVEF ≤40%): Zusätzlich kardiale Device-Therapie ausreizen
- Fortgeschrittene HFrEF (LVEF <15%) und hohes Alter: Palliatives Prozedere erwägen
- Rhythmuskontrolle bei Vorhofflimmern
Operative und/oder interventionelle Therapie
- Voraussetzung: Anhaltende Symptomatik bzw. anhaltend schwere Insuffizienz nach mind. 3 Monaten optimierter medikamentöser Therapie bzw. kardialer Device-Therapie [8]
- Zusätzliche therapiebedürftige KHK oder andere Herzerkrankung
- Aortokoronarer Bypass oder andere Herz-OP geplant: Chirurgische Versorgung empfohlen
- Inoperabilität: PCI und/oder TAVI mit anschl. TEER erwägen
- Keine zusätzliche therapiebedürftige KHK oder andere Herzerkrankung
- Operabilität: Chirurgische Versorgung erwägen
- Inoperabilität und voraussichtlich gutes Ansprechen: TEER erwägen
- Inoperabilität ohne voraussichtlich gutes Ansprechen auf TEER: Evaluation für LVAD bzw. HTX
- Für weiterführende Informationen siehe: Operative und interventionelle Therapie bei Mitralklappeninsuffizienz
Bei der hochgradigen sekundären Mitralklappeninsuffizienz sollte vor Erwägung invasiver Maßnahmen die Therapie der Grunderkrankung(en) optimiert werden!
Operative und interventionelle Therapie bei Mitralklappeninsuffizienz
Empfehlungen zur operativen Versorgung einer Mitralklappeninsuffizienz [2]
- Indikation
- Akute hochgradige MI
- Chronische hochgradige MI
- Primäre Genese: Mit Symptomen und niedrigem OP-Risiko oder ohne Symptome, mit LV-Dysfunktion oder ohne Symptome, mit erhaltener LV-Funktion und positiven Risikofaktoren
- Sekundäre Genese: Zurückhaltende Indikationsstellung!
- Allgemeine Empfehlungen
- Durchführung an Zentrum mit großer Expertise bzgl. Klappenerkrankungen (mit interdisziplinärem Heart Team)
- Idealerweise voraussichtlich langfristiges OP-Ergebnis bei niedrigem OP-Risiko
- Bevorzugte Verfahren
- Akute hochgradige MI: I.d.R. Mitralklappenersatz
- Chronische hochgradige MI
- Primäre Genese: I.d.R. Mitralklappenrekonstruktion
- Sekundäre Genese: I.d.R. Mitralklappenersatz
Kathetergestützte Edge-to-Edge-Therapie (TEER) der Mitralklappe [8][17]
- Definition: Perkutane, TEE-gesteuerte Anlage von ≥1 Clip(s) im Bereich der größten Klappeninsuffizienz
- Indikation
- Primäre hochgradige MI mit Symptomen, hohem OP-Risiko und voraussichtlichem Benefit
- Sekundäre hochgradige MI mit anhaltend schwerer Symptomatik/Insuffizienz unter adäquater Therapie von Grunderkrankung(en), hohem OP-Risiko und voraussichtlichem Benefit
- Ablauf (vereinfacht): Punktion der rechten Leistenvene → Vorschub des Katheters bis zum rechten Vorhof (RA) → Punktion des Vorhofseptums → Vorschub des Katheters in LA
- Einbringen des geschlossenen Clips über die Katheterschleuse in den LA → Positionierung im Bereich der größten Insuffizienz → Vorschub des geöffneten Clips bis unter die Mitralklappenebene
- Zurückziehen des Clips mit Einklemmen beider Klappensegel → Überprüfen der optimalen Position → Schließen des Clips
- Hierdurch Entstehung einer doppelten Öffnung (sog. „double orifice“) mit Reduktion des Regurgitationsvolumens
- Ggf. Wiederholung der ersten Schritte bei Anlage mehrerer Clips
- Mit Schluss des Clips Abtrennung von Katheterschleuse → Zurückziehen des Katheters
COAPT-Bedingungen für MitraClip® [8][18]
- Symptomatische Herzinsuffizienz mit LVEF 20–50%
- Mittel- bis hochgradige MI trotz leitliniengerechter medikamentöser Therapie und kardialer Device-Therapie (EROA >30 mm2 oder Regurgitationsvolumen >45 mL)
- LVEDD <70 mm
- Schwere pulmonale Begleiterkrankung ausgeschlossen (keine COPD mit Heimsauerstoff, sPAP ≤70 mmHg)
- Mittel- bis hochgradige Rechtsherzinsuffizienz ausgeschlossen
Verlaufskontrolle und Antikoagulation nach Mitralklappeneingriff
- Verlaufskontrolle
- Anamnese, körperliche Untersuchung: Bewertung der Symptomatik, Auftreten von Herzrhythmusstörungen (bspw. Palpitationen)
- (Langzeit‑)EKG: Auftreten von Herzrhythmusstörungen
- Echokardiografie: Beurteilung der Klappenfunktion
- 1. Verlaufskontrolle innerhalb von 30 Tagen nach Eingriff
- Im Anschluss jährlich, bei Symptomen jederzeit auch vorzeitig
- Empfehlungen zu Impfschutz und Endokarditisprophylaxe beachten!
- Antikoagulation
- Mechanischer Klappenersatz: Lebenslange orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA)
- Ziel-INR orientiert sich an Thrombogenität der jeweiligen Prothese und individuellen Risikofaktoren (i.d.R. 2–3,5)
- Biologischer Klappenersatz
- Ohne andere Indikation zur Antikoagulation: 3-monatige Antikoagulation mit VKA
- Mit anderer Indikation zur Antikoagulation: Lebenslange orale Antikoagulation (initial 3 Monate bevorzugt VKA, dann Umstellung auf DOAK möglich )
- Chirurgische Klappenrekonstruktion
- Ohne andere Indikation zur Antikoagulation: 3-monatige Antikoagulation mit VKA erwägen
- TEER
- Ohne andere Indikation zur Antikoagulation: 3 Monate DAPT (ASS und Clopidogrel), anschließend lebenslange Monotherapie ASS [19]
- Mit anderer Indikation zur Antikoagulation: Fortführen der jeweiligen oralen Antikoagulation [19]
- Für Dosierung und Praxishinweise siehe auch: Therapeutische Antikoagulation - Klinische Anwendung
- Mechanischer Klappenersatz: Lebenslange orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA)
Fahreignung bei Mitralklappeninsuffizienz
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 260-2023-1/3: Noch ein „No“ für NOAK: Antikoagulation nach mechanischem Klappenersatz
- Studientelegramm 196-2021-2/3: Trikuspidalklappeninsuffizienz – 2-in-1-OP?
- Studientelegramm 149-2020-2/3: DOAK bei Vorhofflimmern und biologischer Mitralklappenprothese: Die RIVER-Studie
- Studientelegramm 42-2018-1/3: ESC I: Mitralklappeninsuffizienz: Mageres Outcome für minimal-invasive Verfahren
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- I34.-: Nichtrheumatische Mitralklappenkrankheiten
- Exklusive: Als angeboren bezeichnet (Q23.2–Q23.9); Als rheumatisch bezeichnet (I05.‑) Mitralklappen: Fehler (I05.8), Krankheit (I05.9), Stenose (I05.0); Nicht näher bezeichnete Ursache, jedoch mit Angabe von: Krankheiten der Aortenklappe (I08.0), Mitralklappenstenose oder -obstruktion (I05.0)
- I34.0: Mitralklappeninsuffizienz
- Mitralklappen:
- Insuffizienz o.n.A. oder näher bezeichnete Ursache, ausgenommen rheumatisch
- Regurgitation o.n.A. oder näher bezeichnete Ursache, ausgenommen rheumatisch
- I34.1: Mitralklappenprolaps (Floppy-Valve-Syndrom)
- Exklusive: Marfan-Syndrom (Q87.4)
- I34.8-: Sonstige nichtrheumatische Mitralklappenkrankheiten
- I34.80: Nichtrheumatische Mitralklappenstenose mit Mitralklappeninsuffizienz
- I34.88: Sonstige nichtrheumatische Mitralklappenkrankheiten
- I34.9: Nichtrheumatische Mitralklappenkrankheit, nicht näher bezeichnet
- I05.-: Rheumatische Mitralklappenkrankheiten
- Inklusive: Zustände, die unter I05.0 und I05.2–I05.9 klassifizierbar sind, unabhängig davon, ob als rheumatisch bezeichnet oder nicht
- Exklusive: Als nichtrheumatisch bezeichnet (I34.‑)
- I05.1: Rheumatische Mitralklappeninsuffizienz
- I05.8 Sonstige Mitralklappenkrankheiten
- Mitralklappenfehler
- Mitralvitium
- I05.9: Mitralklappenkrankheit, nicht näher bezeichnet
- Mitralklappenkrankheit (chronisch) o.n.A.
- Q23.-: Angeborene Fehlbildungen der Aorten- und der Mitralklappe
- Q23.3: Angeborene Mitralklappeninsuffizienz
- Q23.8 Sonstige angeborene Fehlbildungen der Aorten- und Mitralklappe
- Q23.9 Angeborene Fehlbildungen der Aorten- und Mitralklappe, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.