Zusammenfassung
Die dilatative Kardiomyopathie (DCM) ist eine seltene Herzmuskelerkrankung mit vielen verschiedenen (v.a. genetischen) Ursachen, die definitionsgemäß allerdings nicht durch eine koronare Herzkrankheit, Herzklappenerkrankungen oder eine arterielle Hypertonie bedingt ist. Die Schädigung von Herzmuskelzellen führt zu einer Dilatation insb. des linken Ventrikels und einer Abnahme der systolischen Pumpkraft, sodass es i.d.R. zu den typischen Symptomen einer Herzinsuffizienz kommt. Die Dilatation der Herzhöhlen und die verminderte linksventrikuläre Ejektionsfraktion lassen sich gut in der transthorakalen Echokardiografie darstellen. Kausale Behandlungsoptionen gibt es nur selten. Wichtig ist eine konsequente und leitliniengerechte Behandlung der Herzinsuffizienz, die initial meist aus Lebensstilanpassungen sowie einer medikamentösen Therapie besteht und bei fortgeschrittener Erkrankung ggf. auch invasive Verfahren beinhalten kann (bspw. eine kardiale Resynchronisationstherapie oder Listung zur Herztransplantation). DCM hat eine schlechte Prognose – die 10-Jahres-Überlebensrate beträgt 10–20%.
Definition
- Dilatation des linken Ventrikels mit systolischer Dysfunktion, die nicht Folge einer koronaren Herzkrankheit, Herzklappenerkrankung oder arteriellen Hypertonie ist [1][2]
- Dilatation des linken Vorhofs sowie rechtsventrikuläre Dilatation und Dysfunktion möglich, zur Diagnosestellung aber nicht erforderlich
Eine dilatative Kardiomyopathie ist definitionsgemäß nicht Folge einer koronaren Herzkrankheit, Herzklappenerkrankung oder arteriellen Hypertonie!
Epidemiologie
Ätiologie
Einige Quellen führen auch die koronare Herzkrankheit, Herzklappenerkrankungen und arterielle Hypertonie als mögliche Ursachen für eine dilatative Kardiomyopathie auf. Dann handelt es sich allerdings je nach Ursache um eine ischämische, valvuläre oder hypertensive Kardiomyopathie. Nach den Definitionen der European Society of Cardiology (ESC), der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der American Heart Association (AHA) müssen diese Ursachen ausgeschlossen werden, bevor die Diagnose einer dilatativen Kardiomyopathie gestellt werden kann. [1]
- Familiär/genetisch: Genetische Disposition
- Neuromuskuläre Erkrankungen: Insb. Muskeldystrophie Typ Duchenne, Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener
- Infektiös: Z.n. Myokarditis (insb. Virusinfektionen)
- Weitere Ursachen: Bspw. HIV-Infektion, Chagas-Krankheit
- System-/Autoimmunerkrankungen mit kardialer Beteiligung: Bspw. Systemischer Lupus erythematodes
- Weitere Erkrankungen: Bspw. Rheumatoide Arthritis, Amyloidose, Hämochromatose, Polymyositis und Dermatomyositis, Systemische Sklerose, Vaskulitiden, Myasthenia gravis
- Medikamentös/toxisch
- Kardiotoxische Medikamente: Insb. Zytostatika und Medikamente der zielgerichteten Tumortherapie
- Zytostatika: Alkylanzien, Anthrazykline (insb. Doxorubicin), Antimetabolite
- Medikamente der zielgerichteten Tumortherapie: EGFR-Inhibitoren (insb. Trastuzumab), monoklonale Antikörper, Tyrosinkinaseinhibitoren, Immuntherapeutika
- Weitere Medikamente: All-trans-Retinsäure, trizyklische Antidepressiva, typische Antipsychotika , atypische Antipsychotika , Sympathomimetika
- Schädliche Substanzen (insb. bei chronischer Exposition): Bspw. Alkohol, Kokain, Amphetamin, Ecstasy, Anabolika, Arsen, Cobalt, Kohlenstoffmonoxid
- Kardiotoxische Medikamente: Insb. Zytostatika und Medikamente der zielgerichteten Tumortherapie
- Endokrin/metabolisch: Diabetes mellitus, Hypothyreose oder Hyperthyreose, Phäochromozytom, Akromegalie
- Nutritiv: Insb. Thiamin- oder Selenmangel
- Schwangerschaft: Peripartale Kardiomyopathie
Pathophysiologie
- Schädigung von Kardiomyozyten → Umstrukturierung der Myofilamente und Fibrosierung → Dilatation der Herzhöhlen → Herzwanddicke↓ → systolische und diastolische Dysfunktion → enddiastolischer Druck↑
Symptomatik
- Frühzeichen: Palpitationen, Belastungsdyspnoe, thorakales Druckgefühl
- Im Verlauf: Progrediente Herzinsuffizienz
- Siehe: Symptome der Herzinsuffizienz
Diagnostik
- Anamnese und körperliche Untersuchung, insb.
- 12-Kanal-EKG
- Prognostisch ungünstig: Linksschenkelblock
- Herzrhythmusstörungen möglich: Bspw. ventrikuläre Extrasystolie
- Labor
- Natriuretische Peptide (NT-proBNP)
- Ggf. spezifische Labordiagnostik: Bspw. Entzündungsparameter, Schilddrüsenhormone, Toxikologie, Rheumafaktor, antinukleäre Antikörper (ANA)
- Ggf. genetische Testung oder Antikörperbestimmung
- Echokardiografie
- Dilatation des linken Vorhofs und Ventrikels [4]
- Reduzierte linksventrikuläre Ejektionsfraktion [4]
- Ggf. Hinweis auf spezifische Ätiologie
- Ggf. Ausschluss intrakardialer Thromben (transösophageale Echokardiografie)
- Kardiale Magnetresonanztomografie [5]
- Röntgen-Thorax
- Linksbetonte Vergrößerung des Herzens (sog. Holzschuh-Form des Herzens)
- Ggf. pulmonale Stauungszeichen (Radiologie)
- Ggf. Endomyokardbiopsie
- Siehe auch: Diagnostik bei Herzinsuffizienz
Zum Vergleich: Normalbefunde
Pathologie
- Makroskopie
- Herzgröße und -gewicht↑
- Insb. linker Ventrikel deutlich dilatiert
- Myokard hyper-, normo- oder hypotroph
- Histologie
- Interstitielle Fibrose ohne interstitielle Entzündung (insb. subepikardial)
- Kaliberschwankungen der Kardiomyozyten
- Kernatypien
Therapie
- Allgemeinmaßnahmen
- Meidung kardiotoxischer Substanzen
- Regelmäßige körperliche Belastung, nach Möglichkeit strukturiertes Bewegungstraining
- Bei dekompensierter Herzinsuffizienz: Bettruhe und Atemtherapie
- Siehe auch: Therapie der Herzinsuffizienz
- Medikamentös
- Leitliniengerechte medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz
- Siehe auch
-
Antikoagulation nur bei begleitender Indikation: Bspw. Vorhofflimmern, Vorhofthrombus, Ventrikelthrombus
- Für weitere Hinweise und Empfehlungen siehe: Therapeutische Antikoagulation - Klinische Anwendung
- Wenn möglich: Kausale Therapie (bspw. antiinfektive Therapie oder Immunsuppression)
- Leitliniengerechte medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz
- Interventionell/operativ
- Ggf. kardiale Resynchronisationstherapie: Bei LVEF ≤35% und komplettem Linksschenkelblock (insb. bei QRS-Dauer >150 ms)
- Ggf. ICD (Cardioverter-Defibrillator)
- Zur Primärprävention des plötzlichen Herztodes bei LVEF ≤35% und QRS-Dauer <130 ms: Insb. bei hohem Risiko für hämodynamisch relevante Herzrhythmusstörungen (bspw. bei bereits ausgeprägter ventrikulärer Extrasystolie) [7]
- Zur Sekundärprävention des plötzlichen Herztodes: Nach hämodynamisch relevanten ventrikulären Tachykardien oder Kammerflimmern
- Ggf. mechanische Kreislaufunterstützung
- Herztransplantation [1]
- Für detaillierte Informationen siehe auch: Herzinsuffizienz - Invasive Therapie
Komplikationen
- Progrediente Linksherzinsuffizienz
- Rechtsherzinsuffizienz (Globalinsuffizienz)
- (Funktionelle) Mitralklappeninsuffizienz
- Systemische Thromboembolien: Schlaganfall, Lungenembolie, Mesenterialinfarkt
- Herzrhythmusstörungen: Ventrikuläre Tachykardien, Kammerflimmern
- Plötzlicher Herztod
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- 10-Jahres-Überlebensrate: 10–20% [3]
- Letalität: Bis zu 10%/Jahr [3]
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 201-2022-2/3: Subanalysen von DANISH: Mehr Klarheit für ICD-Therapie bei nicht-ischämischer Kardiomyopathie
- Studientelegramm 155-2021-2/3: ICD-Indikation bei NICM: Myokardnarbe wichtiger als EF?
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- I42.-: Kardiomyopathie
- Exklusive: Ischämische Kardiomyopathie (I25.5); Kardiomyopathie als Komplikation bei: Schwangerschaft (O99.4), Wochenbett (O90.3)
- I42.0: Dilatative Kardiomyopathie
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.