Zusammenfassung
Die Anlage eines arteriellen Katheters erfolgt meist in der A. radialis oder A. femoralis, vordringlich zur invasiven Blutdruckmessung oder zur wiederholten Blutentnahme für arterielle Blutgasanalysen. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Seldinger-Technik zur Anlage eines arteriellen Katheters an den häufigsten Punktionsstellen. Natürlich kann die Prozedur je nach Punktionsstelle, Klinikausstattung, Fachrichtung sowie auch individueller Erfahrung abweichen.
- Zur Gewinnung arteriellen Blutes für eine Blutgasanalyse siehe: Arterielle Blutentnahme
- Zur Interpretation der Blutgasanalyse siehe: Arterielle Blutgasanalyse
Definition
- Definition: In einer peripheren Arterie befindlicher Katheter zur (kontinuierlichen) invasiven Blutdruckmessung und/oder zur wiederholten Durchführung einer arteriellen BGA
- Punktionsstellen
- Gängig: A. radialis oder A. femoralis [1]
- Gelegentlich: A. brachialis, A. ulnaris
- Selten: A. dorsalis pedis [2]
- Ausnahmefälle: A. axillaris
- Punktionstechniken: Grundsätzlich unterscheidet man
- Seldinger-Technik: Punktion der Arterie mit einer Kanüle → Vorschieben eines geraden, weichen Seldinger-Drahts durch die Punktionskanüle in die Arterie → Entfernen der Punktionskanüle → Einführen des Katheters über den Seldinger-Draht in die Arterie
- Über-die-Nadel-Punktionstechnik: Direkte Punktion der Arterie mit einer arteriellen Kanüle (Arterienkanüle)
Bei der Auswahl der Punktionsstelle sind stets der klinische Kontext und die individuellen Besonderheiten der punktierten Person zu beachten!
Indikation
- Invasive arterielle Blutdruckmessung : Kontinuierliche, exakte Bestimmung des arteriellen Blutdrucks bei [1][3][4]
- Operationen
- Bestimmte Fachgebiete oder
- Kardiovaskuläre Vorerkrankungen oder
- Erwartbare, hämodynamisch relevante Blutungen
- Intensivstationärer Behandlung
- Hochdosierter Katecholamin- und/oder Volumengabe
- Polytrauma, Schock, massiver Blutung
- Hämodynamischer Instabilität
- Erhöhtem intrakraniellen Druck (ICP) bzw. zum Monitoring in der neurologischen Intensivmedizin [5]
- Operationen
- Arterielle Blutgasanalyse: Bestimmung von paO2, paCO2, Elektrolyten, Parametern des Säure-Basen-Haushalts, Glucose, Hb und Lactat, insb. bei
- Häufig wiederholten arteriellen Blutentnahmen innerhalb eines Zeitraums
- Fehlendem zentralvenösen Katheter (ZVK)
- Siehe auch: Indikationen für eine arterielle Blutentnahme
- Pulskonturanalyse
- Beurteilung der arteriellen Druckkurve
- Bestimmung des Herzzeitvolumens (HZV), der Pulsdruckvariation (PPV), systolischen Druckvariation (SPV) und Schlagvolumenvariation (SVV)
- Siehe auch: Erweitertes hämodynamisches Monitoring
- Intraarterielle Infusion bzw. Injektion: Bspw. Kontrastmittel, intraarterielle Lysetherapie
Bei einer (potenziellen) hämodynamischen Instabilität ist die Anlage eines arteriellen Katheters indiziert!
Wenn eine Indikation zur Anlage eines arteriellen Katheters besteht, so soll diese im perioperativen Bereich vor der Narkoseeinleitung erfolgen! [6]
Kontraindikation
Einschränkungen der Indikationsstellung
- Durchblutungsstörungen
- Bei Punktion der A. radialis: Pathologischer Allen-Test
- Bei Punktion der A. radialis und der A. dorsalis pedis: Morbus Raynaud
- Thrombangiitis obliterans
- Fortgeschrittene Arteriosklerose
- Ischämie des nachgeschalteten Areals
- Pathologien im Punktionsgebiet
- Lokale Weichteilinfektionen
- Anatomische Fehlbildungen bzw. Veränderungen (Tumor, Bestrahlung, Operationen, schwere Verletzung in der Vergangenheit) [7]
- Schwere Störungen der Blutgerinnung
- Schwere Gerinnungsstörungen
- Pathologische Gerinnungsparameter
- Bei Punktion der A. femoralis: Inguinale Lymphadenopathie
- Bekannte Allergie gegen: Lokalanästhetika, Desinfektionsmittel, Katheter- bzw. Punktionsmaterial
Grenzwerte der Blutgerinnung für Gefäßpunktionen (50er-Regel)
Grenzwerte der Blutgerinnung für Gefäßpunktionen (50er-Regel) | |
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Gerinnungsparameter | Relative Kontraindikation |
PTT | >50 s |
Quick-Wert | <50% (INR >1,5) |
Anti-Xa-Spiegel | >0,3 IE/mL |
Thrombozytenzahl | <50.000/μL |
Es werden die wichtigsten Kontraindikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Vorbereitung
- Bei erhaltenem Bewusstsein [8]
- Anamnese: Gerinnungs- oder Durchblutungsstörungen, Allergien gegen Desinfektionsmittel oder Lokalanästhetika?
- Aufklärung: Information über Vorgehen, Alternativen, Komplikationen , Einwilligung einholen und dokumentieren
- Aktuelles Gerinnungslabor: Thrombozytenzahl, Quick-Wert und PTT
- Bei Antikoagulation mit NMH: Ggf. zusätzlich Anti-Xa-Spiegel
- Auswahl der Punktionsstelle: I.d.R. wird A. radialis bevorzugt, siehe auch: Auswahl der Arterie zur Anlage eines arteriellen Katheters
- Inspektion, Palpation
- Bei geplanter Punktion der A. radialis
- Nicht-dominante Hand bevorzugen
-
Allen-Test durchführen
- Falls unklares Ergebnis: Doppler-Sonografie erwägen
- Bei geplanter Punktion der A. femoralis
- Inguinale Lymphknoten palpieren
- Haarentfernung im Punktionsgebiet
- Ggf. Sonografie
Jede Blutentnahme stellt im juristischen Sinne eine Körperverletzung dar und darf (außer in Notfällen oder nach richterlicher Anordnung) nur mit entsprechender Aufklärung sowie Einwilligung erfolgen!
Auswahl der Arterie [4][7]
Auswahl der Arterie zur Anlage eines arteriellen Katheters | ||
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A. radialis | A. femoralis | |
Vorteile |
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Nachteile |
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Hinweise zu weiteren Punktionsstellen [1] | ||
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Bei fehlenden Kontraindikationen sollte ein arterieller Katheter primär in die A. radialis gelegt werden! [6]
Materialien
Sterile Vorgehensweise [3][4]
- Desinfektionsmittel [10][11]
- Steril abgedeckter Tisch
- Lochtuch
- Sterile Wattetupfer
- Sterile Kompressen
- Steriles Pflaster
- Ggf. sterile Schale
- Persönliche Schutzausrüstung
- Mundschutz
- Kopfhaube
- Sterile Handschuhe in passender Größe
- Bei Punktion der A. femoralis
- Ggf. steriler Überzug für Ultraschallkopf
- Steriler Kittel, großes Lochtuch [11]
Weiteres Material zur Vorbereitung
- Für die Lagerung: Tuchrolle und Klebeband
- Abwurf
- Zubehör für die invasive Blutdruckmessung
- Druckmodul (Monitoreinheit)
- Druckaufnehmer
- Haltevorrichtung für den Druckaufnehmer
- Druckspülsystem [11]
- Infusionsbeutel mit Spüllösung (500 mL NaCl 0,9%, mit oder ohne Heparin)
- Druckmanschette
- Zuleitung
- Roter 3-Wege-Hahn (zur Spülung und Blutentnahme)
Material für die Punktion in Seldinger-Technik
- Lokalanästhesie
- 5-mL-Spritze
- 5–10 mL Lokalanästhetikum (bspw. 1% Xylocain® mit dem Wirkstoff Lidocain)
- Kanüle zum Aufziehen des Lokalanästhetikums
- Dünne Kanüle (∼25 G–26 G) zur Infiltration der Haut mit Lokalanästhetikum
- Arterienkatheter-Set
- Punktionskanüle
- Führungsdraht (Seldinger-Draht)
- Arterieller Katheter (Größe bei Punktion der A. radialis, A. brachialis, A. dorsalis pedis oder A. axillaris: 20 G, Größe bei Punktion der A. femoralis: 18–20 G)
- Material zur eindeutigen Kennzeichnung des Zugangs
- Spülen des Katheters: ∼10–20 mL NaCl 0,9% in einer 10–20 mL Spritze
Optional: Material zur Annaht des Katheters
- Skalpell
- Nadelhalter
- Pinzette
- Nahtmaterial (nicht resorbierbarer, polyfiler Faden)
Alle Materialien sind ihrer Gebrauchsreihenfolge nach zu richten und aufzustellen. Dabei muss der sterile Tisch als Ablage in Griffweite des Punktierenden aufgebaut werden!
Ablauf/Durchführung
- Räumlichkeit
- Ausreichend heller, ruhiger und störungsfreier Raum
- Verstellbares Patientenbett bzw. Untersuchungsliege
- Ggf. bei Punktion der A. femoralis: Sonografiegerät
- Personal: Optional eine Assistenzkraft zum Anreichen der Materialien
- Druckspülsystem
- Vortest durchführen
- Durchspülen der Schläuche vor Anschluss an den arteriellen Katheter
Lagerung und Vorbereitung der Punktionsstelle
- Patientenlagerung in Rückenlage
- Bei Punktion der A. radialis
- Arm liegt komplett auf einer Unterlage auf , Unterarm in Supination
- Handgelenk in Dorsalextension über Tuchrolle fixieren [7]
- Bei Punktion der A. femoralis
- Bein gestreckt (Hüftgelenk in Extension, ggf. Polster benutzen)
- Oberschenkel leicht nach außen rotieren
- Bei Punktion der A. radialis
- Punktionsstelle tasten und ggf. markieren
- Bei Punktion der A. radialis: Punktionsstelle liegt ca. 2–4 cm proximal des Handgelenks
- Bei Punktion der A. femoralis: Punktionsstelle liegt kaudal des Leistenbandes, tief unter der Haut
Wache Patient:innen sollten bequem und stabil liegen und im Verlauf über die einzelnen Schritte informiert werden!
Punktion
Ablauf bei Anlage eines arteriellen Katheters in Seldinger-Technik
- Hygienische Händedesinfektion, bei Bedarf im Verlauf wiederholen
- Anziehen der sterilen Handschuhe
- Desinfektion: Gründliches und großzügiges Desinfizieren des Areals mit vollständiger Benetzung durch das Desinfektionsmittel; Einwirkzeit beachten und abwarten
- Auflegen des Lochtuches, sodass die geplante Punktionsstelle zentral im Lochbereich liegt
- Palpation der Arterie
- Infiltrationsanästhesie (bei erhaltenem Bewusstsein)
- Lokalanästhetikum steril aufziehen (wenn möglich mithilfe einer 2. Person)
- Kleine Kanüle auf Spritze aufsetzen
- Punktion ankündigen, flacher Einstichwinkel, alternierend Aspiration und Injektion
- Hautquaddel mit Lokalanästhetikum setzen
- Wirkeintritt abwarten
- Punktion der Arterie im 30–45°-Winkel zur Haut
- Bei erfolgreicher Punktion der Arterie
- Position der Kanüle prüfen, ggf. noch 1–2 mm weiter vorschieben
- Bei korrekter Lage entsteht pulsatiler Blutfluss
- Einführen des Seldinger-Drahts: Mit dem weichen, flexiblen Ende voran [8]
- Entfernen der Kanüle
- Fixierung des Drahtes mit einer Hand in seiner Position
- Entfernen der Kanüle aus dem Gefäß und Abstreifen vom Führungsdraht
- Einführen des Katheters
- Auffädeln auf den Führungsdraht
- Vorsichtiges Einführen des Katheters in Haut und Gefäß
- Fixieren des Katheters [12][13]
- Fixierung mit einem speziellen Katheterpflaster in den meisten Fällen ausreichend
- Zusätzliche Annaht des Katheters v.a. in der Intensivmedizin üblich [14][15]
- Seldinger-Draht während der Fixierung gegen Dislokation sichern
- Entfernen des Seldinger-Drahts
- Ggf. Durchspülen des Katheters mit ca. 10–20 mL NaCl 0,9%
- Verbinden der Zuleitung des Druckaufnehmers mit dem Katheter
- Auf luftfreies System achten
- Durchspülen des Katheters
- Eindeutige Kennzeichnung des Gefäßzugangs als arteriell
- Dokumentation: Punktionsstelle bzw. Lage des Katheters, etwaige Besonderheiten sowie Komplikationen vermerken
Nach erfolgter Lokalanästhesie sollte die Spritze verworfen werden, um eine versehentliche intravasale Applikation bei Verwechslung der Spritzen zu verhindern!
Problemmanagement
- Bei erschwerter Punktion
- Punktionskanüle vorsichtig vor- und zurückschieben bei gleichzeitiger Palpation des Pulses
- Druck der palpierenden Finger vermindern
- Alternative Punktionsstelle erwägen
- Kleinere Hautquaddel bei der Lokalanästhesie setzen [8]
- Sonografiegestützte Punktion erwägen
- Erleichtert Auffinden der Arterie
- Ermöglicht Punktion tiefer gelegener Abschnitte [7]
- Bei Unsicherheit über korrekte arterielle Lage des Katheters: Anfertigen einer BGA zur Abgrenzung einer akzidentellen venösen Punktion [16]
Katheter-Handling
- Kennzeichnung: Eindeutige Markierung als arterieller Zugang obligat, um versehentliche intraarterielle Injektion zu verhindern
- Desinfektion: Vor und nach jeder Nutzung gründliche Sprühdesinfektion
- Verschluss: 3-Wege-Hahn sollte bei Nicht-Benutzung jederzeit über rote Verschlusskappe verschlossen sein
- Arterielle Blutentnahme: Hygienisches Vorgehen beachten, siehe auch Entnahme von Blut aus einem arteriellen Zugang
- Kontinuierliches Druckspülsystem
- Auf luftfreies System achten
- Spüllösungen sollten möglichst keine Glucose enthalten
- Inspektion
- Verbandswechsel
- Kein routinemäßiger Verbandswechsel bei Gaze- oder transparenten Verbänden (Wechselintervalle nach Hygienevorschriften)
- Sofortiger Verbandswechsel bei Durchnässung, Verschmutzung, Kontamination mit Blut oder Ablösen des Verbands
- Täglicher Verbandswechsel, falls Inspektion der Punktionsstelle nicht möglich
- Steriles Vorgehen beim Verbandswechsel beachten [16]
- Katheterentfernung
- Liegedauer: So lange wie benötigt, Indikation täglich prüfen [17]
- Katheter prinzipiell immer entfernen
- Sobald nicht mehr benötigt
- Bei V.a. eine lokale Infektion oder andere Komplikation
- Sonderfall A. brachialis, A. axillaris (funktionelle Endarterien!) [1]
- Sorgfältige Überwachung der Hautdurchblutung
- Möglichst kurzzeitige Anwendung
Katheter sofort entfernen bei Abblassen der Haut!
Arterielle Katheter können Bakteriämien auslösen. Sie sind ungefähr ebenso häufig bakteriell kolonisiert bzw. infiziert wie zentralvenöse Katheter! [11]
Komplikationen
Komplikationen einer arteriellen Punktion
- Hämatom, Nachblutungen
- Gefäßspasmus
- Aneurysma spurium
- Arteriovenöse Fisteln
- Luftembolie
- Nervenverletzung
- Infektion
Komplikationen eines arteriellen Katheters
- Intravasale Thrombenbildung
- Mangelndes Durchspülen → Gerinnselbildung im Schlauchsystem
- Unzureichende Hygiene → Infektionen (Phlegmone, Abszess, bis hin zur Sepsis)
- Akzidentelle intraarterielle Injektion
- Durchblutungsstörungen → Nekrose [9][18]
- Versehentliche Dekonnektion und Blutverlust
Besonders bei sehr traumatischen und wiederholten Punktionen entsteht eine erhöhte Gefahr für Komplikationen!
Komplikationen werden mit einer Häufigkeit von 15–40% angegeben, selten jedoch sind sie schwerwiegend (Durchblutungsstörungen <1%)! [1][3]
Akzidentelle intraarterielle Injektion [1][7]
- Warnzeichen: Ausstrahlende, brennende Schmerzen
- Intraarteriellen Zugang belassen!
- Erstmaßnahme: Sofortige Aspiration
- Maßnahmen im Anschluss an die Aspiration
- Zur Verdünnung: Langsam nachspülen mit 10–20 mL NaCl 0,9% intraarteriell, Gabe wiederholen
- Bei Gefäßspasmus (Abblassen der Finger)
- Gabe von 5–10 mL Lidocain 1% intraarteriell
- Ggf. Blockade des Plexus axillaris oder des Ganglion stellatum
- Ggf. lokale oder systemische Antikoagulation mit Heparinen
- Ggf. lokale Vasodilatation mittels Prostaglandininfusion
- Ggf. chirurgische Thrombektomie
- Bei Anschwellen der Extremität: Kompartmentsyndrom ausschließen bzw. behandeln (Dermatofasziotomie)
Bei akzidenteller intraarterieller Injektion unverzüglich handeln! Je nach injizierter Substanz droht eine Gewebsnekrose (insb. bei Barbituraten, Benzodiazepinen)!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Entfernen des arteriellen Katheters
- Aseptisches Vorgehen beachten
- Hygienische Händedesinfektion
- Untersuchungshandschuhe (nicht steril) und Mundschutz
- Sterile Kompressen verwenden
- Sprühdesinfektion der Einstichstelle vor Entfernen des Katheters
- Verband entfernen
- Druckspülsystem entfernen
- Fäden zur Fixierung des Katheters durchtrennen
- Katheter durch zügigen und gleichmäßigen Zug entfernen
- Punktionsstelle kräftig komprimieren für ca. 3–5 Minuten
- Druckverband anlegen für ca. 3–5 Minuten
- Kontrolle auf Nachblutung und Ischämie des versorgten Gebiets