Zusammenfassung
Harnwegsinfektionen gehören zu den häufigsten bakteriellen Infektionen im Kindesalter und können je nach Lebensalter mit verschiedenen Symptomen einhergehen. Diagnostisch sollte neben Anamnese und körperlicher Untersuchung vor Einleiten einer antibakteriellen Therapie eine Urinkultur angelegt werden. Bei jeder ersten und jeder komplizierten Harnwegsinfektion wird zusätzlich eine sonografische Untersuchung von Niere und Harnwegen empfohlen. Die Therapie orientiert sich an Alter und Allgemeinzustand des Kindes und Schweregrad der Infektion sowie an möglichen komplizierenden Faktoren.
Dieses Kapitel widmet sich insb. den pädiatrischen Aspekten von Harnwegsinfektionen, für eine Gesamtübersicht siehe: Urozystitis
Epidemiologie
- Häufigste bakterielle Infektion im Kindesalter bei Fieber unklarer Genese
- Bis zum 6. Geburtstag haben ca. 7% der Mädchen und ca. 2% der Jungen mind. eine Harnwegsinfektion
- Geschlecht
- Rezidivhäufigkeit: 25% innerhalb von 2 Jahren nach Erstinfektion [2]
- Risikofaktoren: Alter <6 Monate bei Erstinfektion und dilatierender VUR Grad III–V
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Keimspektrum
- Unkomplizierte Harnwegsinfektionen: Uropathogene Escherichia-coli-Stämme (ca. 80% der Fälle, wie bei Erwachsenen)
- Komplizierte Harnwegsinfektionen: Pseudomonas aeruginosa, Proteus mirabilis und Klebsiellen
- Im Säuglingsalter: Häufiger andere Erreger (insb. Enterokokken)
Infektionsweg
- Aszendierende Infektion durch periurethrale und perineale Besiedelung uropathogener Keime
- Hämatogener Infektionsweg bei Pyelonephritis sehr selten, betrifft eher Früh- und Neugeborene
Begünstigende Faktoren
- Vesikoureteraler Reflux: Ca. 30% aller Säuglinge und Kleinkinder mit symptomatischen Harnwegsinfektionen
- Harnwegsanomalien
- Obstipationsneigung
- Labiensynechie
- Phimose
- Blasenfunktionsstörungen
- Verminderte antibakterielle Abwehrfähigkeit des Uroepithels
Klassifikation
- Definition Harnwegsinfektion: Bakterieller Erregernachweis im Urin mit lokalen oder systemischen Entzündungszeichen
Nach Lokalisation
- Untere Harnwegsinfektion
- Bakterielle Urethritis: Entzündliche Infektion der Harnröhre bei Jungen
- Zystitis: Entzündliche Infektion der Harnblase
- Obere Harnwegsinfektion
- Pyelonephritis: Harnwegsinfektion mit Beteiligung des Nierenparenchyms
Bei einer isolierten Urethritis im Kindesalter mit Nachweis sexuell übertragbarer Erreger muss sexueller Kindesmissbrauch in Betracht gezogen werden!
Nach komplizierenden Faktoren
- Unkomplizierte Harnwegsinfektion: Infektion der Harnwege ohne relevante funktionelle oder anatomische Anomalien, Nierenfunktionsstörungen oder Begleiterkrankungen, die eine Harnwegsinfektion bzw. Komplikationen begünstigen
- Komplizierte Harnwegsinfektion: Infektion der Harnwege bei
- Säuglingen in den ersten Lebensmonaten
- Fehlbildungen von Nieren und/oder Harntrakt
- Relevanten Harnabflussbehinderungen
- Neurogener Blasenfunktionsstörung
- Harnwegskonkrementen (Urolithiasis)
- Niereninsuffizienz
- Z.n. Nierentransplantation
- Immundefizienz
- Diabetes mellitus
- Fremdkörpern (bspw. transurethraler Blasenkatheter)
Nach zeitlicher Abfolge
- Erste Harnwegsinfektion: Erste mikrobiologisch nachgewiesene Harnwegsinfektion
- Relaps: Rezidiv mit demselben Erreger nach erfolgreich therapiertem HWI
- Re-Infektion: Rezidiv mit serotypisch unterschiedlichem Erreger gegenüber vorausgegangener Infektion
- Rezidivierende Harnwegsinfektion: ≥2 Infektionen/Halbjahr oder ≥3 Infektionen/Jahr
Nach Symptomen
- Asymptomatische Bakteriurie: Signifikante Bakteriurie ohne Leukozyturie oder Symptome
- Asymptomatische Harnwegsinfektion: Bakteriurie und Leukozyturie ohne Symptome
- Symptomatische Harnwegsinfektion: Bakteriurie und Leukozyturie mit Symptomen
Symptomatik
- Neugeborene (fast immer Urosepsis oder Pyelonephritis)
- Trinkschwäche
- Gewichtsverlust
- Ikterus
- Graublasses Hautkolorit
- Berührungsempfindlichkeit
- ZNS-Symptome
- Ggf. direkte Hyperbilirubinämie
- Hohes Fieber eher selten
- Säuglinge
- Fieber
- Durchfall
- Erbrechen
- Hyperexzitabilität
- Trinkschwäche
- Aktivitätsminderung
- Ggf. auffälliger Uringeruch
- Kinder und Jugendliche
- Pollakisurie, Dysurie, Algurie, imperativer Harndrang, sekundäre Enuresis nocturna
- Selten Makrohämaturie
- Unterbauchschmerzen
- Bei Pyelonephritis
- Zusätzlich Fieber/Schüttelfrost und ein- oder beidseitige Flankenschmerzen
- Bei Kleinkindern häufig nur unspezifische Bauchschmerzen
Diagnostik
Diagnosekriterien[2]
- Harnwegsinfektion
- Klinische Symptome
- Leukozyturie
- Bakteriennachweis in der Urinkultur
- Hinweise für eine Pyelonephritis
- Fieber >38,5 °C
- CRP >20 mg/L oder Procalcitonin >0,5 ng/mL
- Leukozytose und Linksverschiebung
- Leukozytenzylinder im Urin
- Perfusionsausfälle (DMSA-Szintigrafie oder farbcodierte Dopplersonografie)
Leukozytenzylinder sind beweisend für eine Pyelonephritis! Allerdings sind sie im Nativurin nur selten nachweisbar!
Im Säuglings- und Kleinkindalter kann kaum zwischen unteren und oberen Harnwegsinfektionen differenziert werden, da der Verlauf im Allgemeinen einer Pyelonephritis entspricht!
Anamnese
- Lokalisation der Beschwerden
- Obstipationsneigung
- Vorerkrankungen/-befunde: Stattgehabte Harnwegsinfektionen, Harnwegsanomalien, auffällige Ultraschallbefunde, OPs
Körperliche Untersuchung
- Nierenklopfschmerz
- Suprapubische Palpation und Perkussion
- Äußeres Genitale
- ♂: Phimose, Balanitis, Meatusstenose, Epididymitis
- ♀: Labiensynechie, Vulvitis
- Wirbelsäule: Hinweise für neurogene Blasenfunktionsstörungen, bspw. Spina bifida occulta, sakrale Dysgenesie
- Ausschluss von Differenzialdiagnosen, bspw. Appendizitis und Meningitis
Urindiagnostik
Uringewinnung
Urindiagnostik im Kindes- und Jugendalter | ||
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Alter | Indikation | Technik zur Uringewinnung |
Säuglinge ≤3 Monate |
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Säuglinge >3 Monate und Kleinkinder <2 Jahre |
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Kinder ≥2 Jahre und Jugendliche |
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Bei kontinenten Kindern kann Mittelstrahlurin (auch für die Urinkultur) verwendet werden!
Bei Säuglingen und Kleinkindern reicht der Beutelurin zum Ausschluss einer Harnwegsinfektion! Vor Beginn einer antibiotischen Therapie sollte allerdings in diesem Alter immer eine mikrobiologische Untersuchung mittels Katheterurin, Blasenpunktion oder zumindest Clean-Catch-Urin erfolgen!
VOR Einleiten einer antibiotischen Therapie sollte IMMER Urin für eine Urinkultur asserviert werden!
Urinuntersuchung
- Urin-Teststreifen (Urin-Stix)
- Leukozyturie (bzw. hohe Aktivität der Leukozytenesterase)
- Hämaturie/Erythrozyturie
- Nitrit positiv
- Ggf. Proteinurie, Glucosurie
- Ggf. Urinmikroskopie [2]
- Urinkultur: Immer und in jedem Alter vor Antibiotikagabe (bei positivem Urin-Teststreifen oder positiver Urinmikroskopie)
- Verzicht möglich bei weiblichen Jugendlichen mit V.a. eine unkomplizierte Zystitis
Bei anamnestischem und klinischem Verdacht auf eine Harnwegsinfektion sollte IMMER eine Urinuntersuchung erfolgen!
VOR Einleiten einer antibiotischen Therapie sollte IMMER Urin für eine Urinkultur asserviert werden!
Blutdiagnostik
- Klinische Chemie
- Entzündungsparameter: Keine Basisdiagnostik, gibt aber Hinweise auf die Nierenparenchymbeteiligung
- Ggf. Kreatinin: Bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen, Zeichen für Hydronephrose oder Nierenparenchymschädigung
- Ggf. BGA (Elektrolyte, Säure-Basen-Haushalt): Insb. bei obstruktiven Harnwegsinfektionen bis zum Alter von 6 Monaten
- Blutkultur
- Bei jeder Harnwegsinfektion bei Säuglingen <1 Jahr
- Bei V.a. Bakteriämie/Urosepsis
- Ggf. bei komplizierter Harnwegsinfektion
Entzündungsparameter, insb. Procalcitonin, können in Zusammenschau mit Klinik und Ultraschallbefund zur Differenzierung zwischen Zystitis und Pyelonephritis beitragen!
Bei einer Leukopenie kann eine Harnwegsinfektion trotz fehlender Leukozyturie vorliegen!
Bildgebende Untersuchung der Nieren und ableitenden Harnwege
Sonografie der Nieren und ableitenden Harnwege
- Indikationen
- Jede erste fieberhafte Harnwegsinfektion
- Verdacht auf komplizierte Harnwegsinfektion
- Zeitpunkt: Zeitnah nach Diagnosestellung, möglichst ≤24 h
- Orientierende Uro-Sonografie
- Harnblase und ableitende Harnwege: Von ventral in Rückenlage
- Ureter: Echogenität, Wanddicke, Weite
- Harnblase: Füllungszustand, Wanddicke, (Pseudo‑)Divertikel
- Nieren: In Rücken- und Bauchlage
- Atemverschieblichkeit
- Nierenvolumen
-
Nierenparenchym
- Echogenität, Mark-Rinden-Differenzierung, Zysten, Konkremente
- Parenchymdicke
-
Nierenbecken (Pyelon)
- Echogenität, Wanddicke
- Nierenbeckenweite
- Maximale Kelchweite
- Harnblase und ableitende Harnwege: Von ventral in Rückenlage
- Befundbeurteilung
- Hinweise für eine Harnwegsinfektion
- Urothelschwellung
- „Schwebeteilchen“ oder Sludgebildung (in den ableitenden Harnwegen)
- Hinweise für eine Pyelonephritis
- Echogenitätsanhebungen im Nierenparenchym (generalisiert oder fokal)
- Verminderte Mark-Rinden-Differenzierbarkeit
- Hinweise für einen VUR
- Dilatation des Nierenbeckenkelchsystems
- Narbige Parenchymveränderungen
- Retrovesikal dilatierter Ureter
- Verdickte Pyelonwand
- Hinweise für eine Harnwegsinfektion
- Ggf. Duplexsonografie: Verminderte Vaskularisation oder Perfusion als Risiko für Parenchymnarben
- Ggf. intravenös kontrastverstärkte Sonografie (CEUS: Contrast enhanced Ultrasound): Off-Label, mögliche Alternative zu MRT oder CT bei komplizierter Pyelonephritis
Beim ersten fieberhaften Harnwegsinfekt im Säuglings- und Kleinkindalter ist IMMER eine orientierende Sonografie der Nieren und der ableitenden Harnwege indiziert!
Weiterführende Diagnostik (bei nachgewiesener Harnwegsinfektion) [1][2]
Vesikoureterale Refluxdiagnostik
- Verfahren: Miktionszystourethrogramm (MCU) oder Miktionsurosonografie (MUS); siehe auch: Vesikoureterale Refluxdiagnostik
- Indikationen
- Erste Pyelonephritis bei Säuglingen
- Pyelonephritis mit sonografischen Hinweisen für einen VUR
- Rezidivierende Pyelonephritis
- Non-E.-coli-Harnwegsinfektion
- Zeitpunkt: Möglichst ab der 2. Woche nach Therapieeinleitung
Bei der ersten Pyelonephritis im Säuglings- und Kleinkindalter ist IMMER eine Refluxdiagnostik indiziert!
Blasenfunktionsdiagnostik [2]
- Indikation: Hinweise auf Blasenfunktionsstörung (im infektfreien Intervall)
- Diagnostik, siehe: Enuresis und funktionelle Harninkontinenz im Kindes- und Jugendalter - Diagnostik
Blasenfunktionsstörungen erhöhen insb. bei Mädchen im Kindergarten- und frühen Schulalter das Risiko für (rezidivierende) Harnwegsinfektionen, weshalb auf entsprechende Hinweise im infektionsfreien Intervall geachtet werden sollte!
DMSA-Szintigrafie [2]
- Nuklearmedizinisches Verfahren, um Perfusions- und Funktionsausfälle im Nierenparenchym mit hoher Sensitivität und Spezifität zu erfassen
- In Deutschland nicht empfohlen
Therapie
Prinzipien
- Kalkulierte Antibiotikatherapie je nach Alter und lokaler Resistenzlage von E. coli
- Antibiogrammgerechte Monotherapie nach Erhalt der mikrobiologischen Diagnostik
- Insb. bei komplizierter Pyelonephritis: Vorbefunde berücksichtigen
VOR Einleiten einer antibiotischen Therapie sollte IMMER Urin für eine Urinkultur asserviert werden!
Die Kontrolle des Therapieerfolgs erfolgt primär klinisch und kann ggf. mittels Urinstreifentest gestützt werden; eine erneute mikrobiologische Urinkultur ist bei unkompliziertem Verlauf nicht indiziert!
Supportive Maßnahmen
- Gute Hydratation
- Analgesie und parenterale Flüssigkeitssubstitution bedarfsorientiert
- Bei Blasentenesmen und starker Drangsymptomatik/-inkontinenz: Antimuskarinergika, bspw. Propiverinhydrochlorid
- Bei sog. Infektsteinen : Ansäuerung des Urins, bspw. mit L-Methionin
- Bei anatomischer/funktioneller infravesikaler Obstruktion : Ggf. passagere Entlastung der Harnblase durch transurethralen Verweilkatheter; bei längerfristig geplanter Harnableitung ggf. suprapubische Zystostomie
Indikationen für eine initiale parenterale Antibiotikatherapie
- Früh-/Neugeborene und Säuglinge ≤3 Lebensmonate
- Verdacht auf Urosepsis
- Orale Einnahme unmöglich
-
Komplizierte Harnwegsinfektionen
- Pyelonephritis mit hochgradiger Harntransportstörung
- Pyonephrose, Nierenabszess, Nierenkarbunkel, xanthogranulomatöse Nephritis
- Persistierendes Fieber >3 d trotz resistenzgerechter Therapie
Asymptomatische Bakteriurie
- Verzicht auf antibiotische Therapie
- Ausnahme: Geplante Intervention oder Manipulation am Harntrakt, dann Therapie wie bei Harnwegsinfektion
Wirkstoffauswahl und Dosierungen
Pyelonephritis bei Neugeborenen und Säuglingen ≤3 Lebensmonate
Antibiotikatherapie der Pyelonephritis bei Neugeborenen und Säuglingen ≤3 Lebensmonate (parenteral) | |||
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Wirkstoffe | Dosierung nach Alter | Therapiedauer | |
Ampicillin plus |
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Plus | Gentamicin |
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oder Tobramycin |
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oder Ceftazidim oder anderes Cephalosporin der Gruppe 3 |
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Ampicillin soll die Enterokokkenlücke abdecken, da Enterokokken in dieser Altersgruppe häufige Erreger sind! Die Auswahl der Kombination sollte nach lokaler Resistenzlage erfolgen!
Als Monotherapeutikum ist Ampicillin aufgrund der hohen Resistenzrate insb. bei E. coli nicht geeignet!
Aminoglykoside sollen max. 3–5 d gegeben und nach Erhalt des Antibiogramms auf nebenwirkungsärmere Antibiotika umgestellt werden!
Unkomplizierte Pyelonephritis im Alter >3 Lebensmonate bis ≤18 Jahre
Antibiotikatherapie der unkomplizierten Pyelonephritis im Alter >3 Lebensmonate bis ≤18 Jahre (peroral) | |||
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Wirkstoffe | Dosierung nach Alter | Therapiedauer | |
Cefpodoxim oder anderes Cephalosporin der Gruppe 3 |
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Antibiotikatherapie der unkomplizierten Pyelonephritis im Alter >3 Lebensmonate bis ≤18 Jahre (parenteral) | |||
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Wirkstoffe | Dosierung nach Alter | Therapiedauer | |
Ampicillin plus |
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Plus | Gentamicin oder anderes Aminoglykosid |
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oder Ampicillin/Sulbactam |
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oder Ceftazidim oder anderes Cephalosporin der Gruppe 3 |
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Komplizierte Pyelonephritis im Alter >3 Lebensmonate bis ≤18 Jahre
Antibiotikatherapie der komplizierten Pyelonephritis im Alter >3 Lebensmonate bis ≤18 Jahre (parenteral) | |||
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Wirkstoffe | Dosierung nach Alter | Therapiedauer | |
Ampicillin plus |
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Plus | Gentamicin oder anderes Aminoglykosid |
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oder Ceftazidim oder anderes Cephalosporin der Gruppe 3 |
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oder Piperacillin/Tazobactam |
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Harnwegsinfektion durch multiresistente Keime in jedem Alter
Reserveantibiotika bei Harnwegsinfektionen durch multiresistente Keime (parenteral) | |||
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Wirkstoffe | Dosierung nach Alter | Therapiedauer | |
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oder Meropenem |
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oder Imipenem/Cilastatin |
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oder Ertapenem |
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oder Ciprofloxacin |
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oder Fosfomycin [4] |
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Urosepsis (Harnwegsinfektion und Zeichen eines SIRS) im Alter >3 Lebensmonate bis ≤18 Jahre
Antibiotikatherapie der ambulant erworbenen Urosepsis (parenteral) | |||
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Wirkstoffe | Dosierung nach Alter | Therapiedauer | |
Ceftazidim oder anderes Cephalosporin der Gruppe 3 |
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oder Piperacillin/Tazobactam |
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Antibiotikatherapie der nosokomial erworbenen Urosepsis (parenteral) | |||
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Wirkstoffe | Dosierung nach Alter | Therapiedauer | |
Ceftazidim oder anderes Pseudomonas-wirksames Cephalosporin der Gruppe 3 |
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oder Piperacillin/Tazobactam plus |
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Plus | Gentamicin oder anderes Aminoglykosid |
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oder Carbapeneme |
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Unkomplizierte Zystitis im Kindes- und Jugendalter
- Bei kaum beeinträchtigenden Symptomen: Urinkultur und rein symptomatische Therapie; dann Therapieeinleitung entsprechend Antibiogramm
- Bei ausgeprägten Symptomen: Urinkultur und kalkulierte Antibiotikatherapie peroral plus symptomatische Therapie; dann Therapieumstellung entsprechend Antibiogramm
Antibiotika bei unkomplizierter Zystitis im Kindes- und Jugendalter (peroral) | |||
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Wirkstoffe | Dosierung nach Alter | Therapiedauer | |
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oder Fosfomycin |
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oder Trimethoprim |
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oder Nitroxolin |
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Reserveantibiotika wie bspw. Ciprofloxacin und Cephalosporine der Gruppe 2 oder 3 sollten zur Therapie der unkomplizierten Zystitis NICHT eingesetzt werden!
VOR Einleiten einer antibiotischen Therapie sollte IMMER Urin für eine Urinkultur asserviert werden!
Infektionsprophylaxe
Rezidivrisiko [1]
- Rezidivwahrscheinlichkeit (nach der ersten fieberhaften Harnwegsinfektion): Ca. 30% in den nächsten 6 Monaten
- Risikofaktoren
- VUR Grad III–V (Hauptrisikofaktor)
- Erstmanifestation im Alter ≤6 Lebensmonaten
- Aktuelles Alter <3 Monaten bei Jungen oder >3 Monate bei Mädchen
- Harntraktanomalien
- Blasenfunktionsstörung
- Verminderte Flüssigkeitszufuhr
- Obstipation
Antibakterielle Infektionsprophylaxe
- Indikationen
-
Säuglinge/Kleinkinder
- VUR Grad III–V
- Hochgradige obstruktive Uropathie
- ≥2 vorausgegangene Pyelonephritiden
- Kinder und Jugendliche jedes Alters
- Blasenfunktionsstörung und
- Rezidivierende symptomatische Harnwegsinfektionen
- Mädchen jedes Alters: Rezidivierende Zystitiden (häufig) und Leidensdruck durch Dysurie und Drangsymptomatik
-
Säuglinge/Kleinkinder
Die Indikation zur antibakteriellen Prophylaxe wird kontrovers diskutiert! Sie soll nur nach strenger Nutzen-Risiko-Analyse gestellt und mind. alle 3 Monate überprüft werden!
- Wirkstoffe zur antibakteriellen Infektionsprophylaxe
- Nitrofurantoin: Säuglinge und Kinder ≥1 Monat bis <18 Jahre (Off-Label Use bei Säuglingen <3 Monaten)
- Trimethoprim
- Säuglinge und Kinder ≥6 Wochen bis <5 Jahre
- Kinder ≥5 bis <12 Jahre
- Jugendliche ≥12 Jahre
- Nitroxolin: Jugendliche ≥14 Jahre
- Cefaclor (jedes Alter): Nur bei Neugeborenen oder bei Unverträglichkeit der anderen Wirkstoffe indiziert!
Zur antibakteriellen Prophylaxe sollten Cephalosporine möglichst NICHT eingesetzt werden, um die Selektion von ESBL-Bildnern zu vermeiden!
Vor Einleiten einer antibakteriellen Infektionsprophylaxe muss deren Nutzen gegen das Risiko möglicher Mikrobiomveränderungen und einer Resistenzentwicklung von (uropathogenen) Darmbakterien abgewogen werden – insb. in den ersten Lebensjahren!
Weitere Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe [1]
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
- Regelmäßige komplette Blasenentleerung
- Therapie von Komorbiditäten
- Blasenfunktionsstörung
- Obstipation
-
Physiologische Phimose: Lokaltherapie mit Hydrocortison- oder Betamethason-Salbe (0,05–0,1%ig) über 4(–8) Wochen
- Siehe: Therapie der Phimose
- Ggf. prophylaktische Zirkumzision (auch ohne Vorliegen einer Phimose): Bei höhergradigen Harnwegsanomalien und rezidivierenden Harnwegsinfektionen
-
Labiensynechie: Lokaltherapie mit östrogenhaltiger Creme (1 mg Estriol/g) über 4 Wochen
- Siehe: Labiensynechie
- Ggf. orale Vakzinierung
Ohne Druckerhöhung entsteht die Schädigung beim VUR durch eine Pyelonephritis, daher kann eine frühzeitige Antibiotikatherapie das Risiko für Nierenparenchymnarben verringern!
Komplikationen
- Transienter sekundärer Pseudohypoaldosteronismus
- Symptome: Nahrungsverweigerung, Erbrechen, Dehydratation, Gewichtsverlust
- Laborbefunde: Salzverlust, Hyperkaliämie, metabolische Azidose
- Ursache: Mineralocorticoidresistenz im Rahmen der tubulointerstitiellen Entzündung und Unreife bei obstruktiver Uropathie insb. im Alter von <3 Monaten
Im Rahmen einer obstruktiven Uropathie kann es insb. im Alter von <3 Monaten zu einem transienten sekundären Pseudohypoaldosteronismus mit Salzverlust, Hyperkaliämie und metabolischer Azidose kommen!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Verzögertes Nierenwachstum: Möglich nach Pyelonephritis
- Persistierende Parenchymschädigung : Ca. 5% der Kinder nach fieberhafter Harnwegsinfektion
- Als Spätfolge erhöhtes Risiko für
- Arterielle Hypertonie
- Nierenfunktionseinschränkung
- Schwangerschaftskomplikationen, bspw. Präeklampsie
- Als Spätfolge erhöhtes Risiko für
Prävention
- Stillen
- Häufiges Windelwechseln
- Miktionsverhalten: Häufige Miktionen über den Tag verteilt ermöglichen
- Kindgerechte Toilettenverhältnisse
- Gute Hygienebedingungen der Toiletten in Gemeinschaftseinrichtungen
- Genitalhygiene: Reinigung nach dem Toilettengang „von vorn nach hinten“
Stundenlanges „Einhalten“ kann die Entwicklung einer Harnwegsinfektion begünstigen!
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- N10: Akute tubulointerstitielle Nephritis
- Inklusive: Akut
- Infektiöse interstitielle Nephritis
- Pyelitis
- Pyelonephritis
- Soll der Infektionserreger angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer (B95–B98) zu benutzen.
- Inklusive: Akut
- N11.-: Chronische tubulointerstitielle Nephritis
- Inklusive: Chronisch
- Infektiöse interstitielle Nephritis
- Pyelitis
- Pyelonephritis
- N11.0: Nicht-obstruktive, mit Reflux verbundene chronische Pyelonephritis
- Pyelonephritis (chronisch) in Verbindung mit Reflux (vesikoureteral)
- Exklusive: Vesikoureteraler Reflux o.n.A. (N13.7)
- N11.1: Chronische obstruktive Pyelonephritis
-
Pyelonephritis (chronisch) in Verbindung mit (jeweils pelviureteral, pyeloureteral bzw. Ureter):
- Abknickung
- Anomalie
- Obstruktion
- Striktur
- Exklusive: Obstruktive Uropathie (N13.‑)
-
Pyelonephritis (chronisch) in Verbindung mit (jeweils pelviureteral, pyeloureteral bzw. Ureter):
- N11.8: Sonstige chronische tubulointerstitielle Nephritis
- Nicht-obstruktive chronische Pyelonephritis o.n.A.
- N11.9: Chronische tubulointerstitielle Nephritis, nicht näher bezeichnet
- Chronisch:
- Interstitielle Nephritis o.n.A.
- Pyelitis o.n.A.
- Pyelonephritis o.n.A.
- Chronisch:
- Inklusive: Chronisch
- N12: Tubulointerstitielle Nephritis, nicht als akut oder chronisch bezeichnet
- Inklusive: Interstitielle Nephritis o.n.A., Pyelitis o.n.A., Pyelonephritis o.n.A.
- N30.-: Zystitis
- Soll der Infektionserreger (B95–B98) oder das verursachende exogene Agens (Kapitel XX) angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer zu benutzen.
- Exklusive: Prostatazystitis (N41.3)
- N30.0: Akute Zystitis
- N30.1: Interstitielle Zystitis (chronisch)
- N30.2: Sonstige chronische Zystitis
- N30.3: Trigonumzystitis
- Urethrotrigonumzystitis
- N30.4: Strahlenzystitis
- N30.8: Sonstige Zystitis
- Harnblasenabszess
- N30.9: Zystitis, nicht näher bezeichnet
- N39.0: Harnwegsinfektion
- Soll der Infektionserreger angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer (B95-B98) zu benutzen.
- A41.-: Sonstige Sepsis
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.