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Ambulante Anästhesie

Letzte Aktualisierung: 10.9.2024

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Als „ambulant“ gelten Eingriffe, bei denen die behandelte Person die Nacht vor und nach der Operation zu Hause verbringt. In Deutschland stieg der Anteil ambulanter Eingriffe stetig zwischen 1995 und 2015, stagnierte aber in den letzten Jahren. Gemäß gesetzlicher Vorgabe müssen hierzulande einige Eingriffe ambulant durchgeführt werden, solange keine medizinischen oder sozialen Gründe dagegen sprechen.

Aufgabe der Anästhesie ist es, bei einer möglichst effizienten Arbeitsweise eine gleichbleibend hohe Sicherheit für die behandelten Personen zu garantieren. Dies erfordert eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine gute Information aller Beteiligten. Während der präoperativen Evaluation ist es besonders wichtig, die Voraussetzungen für ambulantes Operieren sicherzustellen und die behandelte Person bestmöglich über die Abläufe zu informieren.

Die Techniken der ambulanten Anästhesie zielen insb. auf die Vermeidung von Komplikationen und unerwünschten Medikamentenwirkungen, um die Aufenthaltsdauer der behandelten Person so kurz und angenehm wie möglich zu gestalten. Neben gut steuerbaren Allgemeinanästhetika stehen auch kurzwirksame Lokalanästhetika zur Verfügung, die sich sowohl für periphere als auch rückenmarksnahe Regionalanästhesieverfahren eignen.

Für einen reibungslosen Ablauf und die Vermeidung postoperativer stationärer Aufnahmen sind zudem eine adäquate Schmerztherapie nach ambulanten Eingriffen und die konsequente Vermeidung bzw. Therapie von Übelkeit und Erbrechen (PONV bzw. PDNV) entscheidend.

Falls nicht anders angegeben, beziehen sich die Informationen in diesem Kapitel auf die Allgemein- bzw. Regionalanästhesie bei Erwachsenen.

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Voraussetzungen und Rahmenbedingungentoggle arrow icon

Räumliche und personelle Anforderungen [1][2]

  • Räumliche Anforderungen
    • OP-Raum
    • Personalumkleide
    • Waschbecken und Vorrichtung zur Händedesinfektion
    • Entsorgungsraum
    • Aufwachraum oder Ruheraum [3]
  • Ausstattung [4]
  • Personelle Anforderungen
    • Facharztstandard oder
    • Ärztliches Personal in Weiterbildung unter unmittelbarer Aufsicht
    • Anästhesiefachpflegepersonal mit ausreichender Erfahrung und Qualifikation

Ambulantes Operieren kann – bei gegebenen Voraussetzungen – in verschiedenen Settings wie Krankenhaus, MVZ, Tagesklinik oder Praxis stattfinden!

Voraussetzungen für ambulantes Operieren [1][3][5][6]

  • Indikation: Indikationsstellung durch Operateur:in
  • Prüfung der Voraussetzungen durch Anästhesist:in
Voraussetzungen für ambulantes Operieren [6]
Operativ Medizinisch Sozial
  • Minimales Blutungsrisiko
  • Minimales Risiko für postoperative pulmonale Komplikationen
  • Begrenzte OP-Dauer
  • Postoperativ kein spezieller Pflegebedarf
  • Trinken und Nahrungsaufnahme rasch wieder möglich
  • Bereitschaft für ambulante Operation auf Patientenseite
  • ASA-Klasse I oder II
  • Präoperativ vorhanden: Befunde der klinischen Untersuchung, Einwilligungserklärung und Aufklärungsbogen
  • Sichergestellte postoperative Betreuung und Überwachung in den ersten 24 h
  • Sichergestellter Transport nach Hause durch eine betreuende Person
  • Minimalstandard bzgl. Komfort und Hygiene in der Häuslichkeit und telefonische Erreichbarkeit
  • Möglichkeit zur Nachsorge

Kontraindikationen für ambulantes Operieren

  • ASA-Klasse IV
  • Akute Erkrankung oder Exazerbation einer chronischen Grunderkrankung
  • Laparotomie, intrathorakale oder intrakranielle Eingriffe
  • Eingriffe mit großen Volumen- oder Elektrolytverschiebungen
  • Erwartet schwieriger Atemweg
  • Fehlende Kooperationsfähigkeit auf Patientenseite

Individuelle Abwägung für ambulantes Operieren

  • ASA-Klasse III
  • Adipositas permagna in Kombination mit kardialen, pulmonalen oder renalen Begleiterkrankungen
  • Einnahme von MAO-Hemmern
  • MH-Disposition oder Z.n. Maligner Hyperthermie
  • Ambulante Anästhesie bei OSAS , mögliche Kriterien [7]:
    • Anatomische und physiologische Besonderheiten
    • OSAS-Schweregrad und Form der Therapie
    • Schweregrad und Therapiestatus der Begleiterkrankungen [6]
    • Art des Eingriffs und der erforderlichen Anästhesieform
    • Bedarf für postoperative Opioidgabe
    • Ausreichende Ausstattung der behandelnden Klinik

Viele Eingriffe können inzwischen ambulant durchgeführt werden. Die behandelte Person darf durch den ambulanten Eingriff jedoch keinem erhöhten Risiko ausgesetzt sein!

Vorteile ambulanter Operationen [8]

  • Kostenreduktion
  • Längerer Verbleib im häuslichen Umfeld [9]
  • Reduziertes Risiko nosokomialer Infektionen
  • Entlastung der stationären Strukturen

Dokumentation zur Qualitätssicherung [1]

  • Unabhängig von der allgemeinen Dokumentationspflicht
  • Ziel: Statistische Auswertung zur Sicherung der Qualität ambulanter Anästhesien und Operationen
  • Anonyme Erfassung von
    • Präoperativer Diagnose (Kodierung nach ICD)
    • Präoperativer Vorbereitung
    • Operationsnummer und Art der Operation
    • Art der Narkose
    • Postoperativer Diagnose (Kodierung nach ICD)
    • Ggf. histologischer Befund
    • Komplikationen (intra- und postoperativ)
    • Narkosezwischenfällen
    • Revisionseingriffen
    • Infektionen
    • Spätkomplikationen
  • Zu hinterlegen in der Patientenakte
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Typische Eingriffetoggle arrow icon

Diagnostik und Interventionen

Bei vielen Interventionen ist eine Analgosedierung ausreichend, die häufig auch ambulant durchgeführt werden kann!

Allgemein- und Viszeralchirurgie

Orthopädie und Unfallchirurgie

HNO und Augenheilkunde

Urologische Eingriffe

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Präoperative Anamnese und Diagnostiktoggle arrow icon

Organisatorisches [10]

Patientenkollektiv

Ablauf der anästhesiologischen Vorbereitung

Anamnese und körperliche Untersuchung

Diagnostik

Für ambulante Eingriffe gelten die gleichen Anforderungen an die präoperative Evaluation und Aufklärung wie für stationäre Eingriffe! [10][11]

Patienteninformation [10]

  • Ablauf des gesamten OP-Tages erklären
  • Essenzielle Informationen mündlich und schriftlich mitteilen , bspw. als Merkblatt zu ambulanten Operationen
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Anästhesiologische Besonderheitentoggle arrow icon

Anforderungen an ambulante Narkoseverfahren [10]

  • Einfache und sichere Durchführbarkeit
  • Schnelle „Wechselzeiten“
  • Geringes PONV-Risiko
  • Komplikationsarmes Verfahren
  • Gute postoperative Schmerztherapie
  • Schnelle postoperative Mobilisierung
  • Kurze Aufenthaltsdauer im Aufwachraum
  • Kosteneffizienz
  • Hoher Patientenkomfort

Medikamentöse Prämedikation [10]

  • Vorteile
    • Reduktion präoperativer Angst
    • Risikoreduktion für vasovagale Reaktion bei Spinalanästhesie [13]
  • Nachteile
    • Gefahr der Atemwegsobstruktion (insb. bei OSAS)
    • Wirkung über die präoperative Phase hinaus mit kognitiver Beeinträchtigung [14]
  • Durchführung nach individueller Abwägung und guter Einbettung in die organisatorischen Abläufe , siehe: Medikamentöse Prämedikation

Postoperative Übelkeit und Erbrechen [10]

  • Vermeidung von Übelkeit und Erbrechen im ambulanten Setting essenziell
  • Mögliche Folgen, falls dennoch PONV auftritt
    • Verzögerte Entlassung
    • Reduktion der Patientenzufriedenheit
    • Risiko der stationären Aufnahme bzw. Wiederaufnahme

PONV (Postoperative Nausea and Vomiting)

PDNV (Postdischarge Nausea and Vomiting)

  • Definition: Auftreten von Übelkeit und/oder Erbrechen nach Verlassen des ambulanten Zentrums
  • Inzidenz: 30–40% nach ambulanten Eingriffen [6]
  • Risikofaktoren [15]
  • Prophylaxe
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Allgemeinanästhesietoggle arrow icon

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Regionalanästhesietoggle arrow icon

Vorteile der Regionalanästhesie [10]

  • Anwendbarkeit auch bei Vorerkrankten
  • Länger anhaltende postoperative Analgesie
  • Geringes PONV-Risiko
  • Frühere postoperative Nahrungsaufnahme möglich

Auswahl des Wirkstoffs [10]

Mögliche Verfahren [10]

Ambulante Spinalanästhesie [1][10]

Bei Personen mit erhöhtem Risiko für postoperativen Harnverhalt ist die Blasenentleerung nach ambulanter Spinalanästhesie ein obligates Entlasskriterium!

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Postoperatives Managementtoggle arrow icon

Schmerztherapie nach ambulanter Anästhesie [1][17]

Übersicht geläufiger Nicht-Opioid-Analgetika für die ambulante Schmerztherapie [1][17]
Wirkstoff Einzeldosis Dosisintervall Tagesmaximaldosierung
Celecoxib 100–200 mg 12 h 400 mg
Ibuprofen 400–800 mg 8 h 2.400 mg
Diclofenac 50 mg 4–6 h 200 mg
75 mg (retard) 8 h
Metamizol 1 g 4–6 h 4 g
Paracetamol 1 g 6 h 4 g

Entlasskriterien nach ambulanter Anästhesie [1][6][10]

  • Essenzielle Kriterien
  • Optionales Kriterium: Spontanurin
    • Ausnahme: Als Entlasskriterium von Operateur:in gefordert oder Risikofaktoren für POUR vorhanden
    • Aufklärung über Symptome des postoperativen Harnverhalts obligat

Entlassungsscore nach ambulanter Anästhesie [10]

Modified post anaesthetic Discharge Scoring System (PADSS) [22]
Parameter Befund Punkte
Vitalparameter Abweichung <20% vom Ausgangswert 2
Abweichung 20–40% vom Ausgangswert 1
Abweichung >40% vom Ausgangswert 0
Mobilisation Sicherer Gang bzw. Zustand wie präoperativ 2
Hilfe benötigt 1
Schwierig oder unmöglich 0
PONV Minimal bzw. kein PONV 2
Mäßig, behandelt 1
Stark bzw. anhaltend trotz Behandlung 0
Schmerzen Minimal (NRS 0–2) 2
Mäßig (NRS 3–5) 1
Stark (NRS 6–10) 0
Chirurgische Blutung Minimal, kein Verbandswechsel erforderlich 2
Mäßig, Verbandswechsel nötig 1
Stark, Revisions-OP 0
Spontanurin Problemlos 2
>1 Versuch bis zum Spontanurin 1
Harnverhalt 0
Bewertung: Entlassung möglich, wenn ≥9 Punkte (dabei kein Wert von 0 und mind. 2 Punkte bei Vitalparametern)

Entlasskriterien nach ambulanter Regionalanästhesie [1]

Aufklärung und Dokumentation vor Entlassung [18]

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