Zusammenfassung
Phobien, die Panikstörung und die generalisierte Angststörung werden meist unter dem Oberbegriff „Angststörungen“ zusammengefasst. Dabei unterscheidet sich das Leitsymptom „Angst“ im Hinblick auf Ausprägung, Intensität, Dauer und potenziell auslösender Situation, wodurch die einzelnen Angststörungen voneinander abgegrenzt werden können. Bei der generalisierten Angststörung liegt Angst bspw. als chronischer Dauerzustand vor, wohingegen eine Panikstörung durch plötzliche, wiederkehrende Angstattacken in unspezifischen Situationen gekennzeichnet ist. Bei phobischen Störungen beschränken sich Ängste auf definierte Objekte oder Situationen, wie bspw. auf öffentliche Plätze (Agoraphobie), soziale Situationen (soziale Phobie) oder Spinnen (spezifische Phobie).
Die Komorbidität mit anderen psychiatrischen Störungen, bspw. anderen Angststörungen oder Depressionen, ist hoch. Da körperliche Symptome wie bspw. Palpitationen oder Zittern oft vorhanden sind, ist die Differenzialdiagnostik hinsichtlich somatischer Erkrankungen sehr wichtig. Therapeutisch stehen mit Psychotherapie (insb. kognitive Verhaltenstherapie) und medikamentöser Behandlung (insb. Antidepressiva) wirksame Mittel zur Verfügung. Ohne Behandlung verlaufen die Angststörungen meist chronisch.
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Übersicht
Unterschiede der Angstzustände
Charakter | Situation | |
---|---|---|
Phobische Störungen | Akut | Spezifisch |
Panikstörung | Akut | Unspezifisch |
Generalisierte Angststörung | Anhaltend | Unspezifisch |
Phobien (F40)
- Allgemein [1]
- Angst wird durch klar definierte und im Grunde ungefährliche Situationen ausgelöst
- Variable Symptome können das Ausmaß einer Panikattacke erreichen, siehe auch: Symptome bei Phobien
- Häufig tritt im Vorfeld schon Erwartungsangst auf und es kommt zu Vermeidungsverhalten
- Deutlicher Leidensdruck wegen Angstsymptomatik oder Vermeidungsverhalten
- Eigene Angstreaktion wird als unangemessen bewertet
- Ängste vor Krankheit oder Entstellung werden der hypochondrischen Störung (F45.2) zugeordnet
Agoraphobie (F40.0) [2]
- Merkmale
- Furcht oder Vermeidung von
- Menschenansammlungen
- Öffentlichen Plätzen
- Reisen ohne Begleitung
- Reisen mit großer Entfernung vom Wohnort
- Siehe auch: Diagnostische Kriterien der Agoraphobie nach ICD-10
- Furcht oder Vermeidung von
- Häufige Sonderform: Agoraphobie mit Panikstörung (F40.01)
Soziale Phobie (F40.1) [2]
- Merkmale
- Furcht oder Vermeidung von Situationen, in denen die Person im Zentrum der Aufmerksamkeit steht
- Vermeidung von Situationen aufgrund der Befürchtung von
- Kritischer Bewertung durch Andere
- Eigener Peinlichkeit
- Häufig geringes Selbstwertgefühl
- Siehe auch: Diagnostische Kriterien der sozialen Phobie nach ICD-10
- Typische Situationen
- Gespräche mit Vorgesetzten
- Essen in der Öffentlichkeit
- Sprechen vor Publikum
- Wortmeldungen in Kleingruppen
Spezifische (isolierte) Phobie (F40.2) [2]
- Merkmale
- Ängste sind auf spezifische Objekte oder Situationen beschränkt (ausgenommen: Agoraphobie und soziale Phobie)
- Situationen oder Objekte meist gefahrlos
- Siehe auch: Diagnostische Kriterien der spezifischen Phobie nach ICD-10
- Häufige spezifische Phobien
- Höhe (Akrophobie)
- Geschlossene Räume (Klaustrophobie)
- Spinnen (Arachnophobie)
- Blut (Hämatophobie)
- Spitze Gegenstände
- Flugreisen
- Zahnarztbesuche
- Urinieren auf öffentlichen Toiletten
- Donner
- Genuss bestimmter Speisen
Andere Angststörungen (F41)
Der Begriff „andere Angststörungen“ umfasst die Erkrankungen, bei denen das Leitsymptom „Angst“ ohne festen Bezug zu bestimmten Objekten, Situationen oder Umgebungsbedingungen auftritt.
Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst) (F41.0) [2]
- Merkmale [2][3]
-
Wiederholte, intensive Angstattacken ohne Vorliegen objektiver Gefahr
- Nicht vorhersehbar
- Ohne spezifischen Auslöser
- Stark ausgeprägte körperliche Symptomatik [4]
- Angstfreie Zeiträume zwischen den Panikattacken
- Oft entwickelt sich eine Phobophobie
- Siehe auch: Diagnostische Kriterien der Panikstörung nach ICD-10
-
Wiederholte, intensive Angstattacken ohne Vorliegen objektiver Gefahr
- Obligate Charakteristika einer Panikattacke (nach ICD-10) [2]
- Episode intensiver Angst oder Unbehagen
- Abrupter Beginn
- Symptome steigern sich innerhalb weniger Minuten zum Maximum
- Dauer: I.d.R. 10–30 min [3]
- Mind. 4 Symptome aus Gemeinsame Symptome der Angststörungen, davon eines vegetativ
Generalisierte Angststörung (F41.1) [2]
- Merkmale
- Anhaltende, frei flottierende Angst (an den meisten Tagen der Woche)
- Ständige Besorgnis und Anspannung
- Negative Vorahnungen
- Stärke und Art der Symptomatik typischerweise variabel
- Siehe auch: Diagnostische Kriterien der generalisierten Angststörung nach ICD-10
- Obligate Charakteristika einer generalisierten Angststörung (nach ICD-10) [2]
- Vorherrschende Anspannung, Besorgnis und Befürchtung bzgl. alltäglicher Ereignisse über mind. 6 Monate
- Mind. 4 Symptome aus Gemeinsame Symptome der Angststörungen, davon eines vegetativ
Angst und depressive Störung, gemischt (F41.2) [2]
- Ängstliche und depressive Symptome bestehen gleichzeitig
- Kombination relativ leichter Symptome
- Nur wenn eigenständige Diagnose von Angststörung oder depressiver Störung nicht gerechtfertigt ist
- Keine klare Behandlungsempfehlung [5]
Epidemiologie
- Lebenszeitprävalenz (International, Stand 2006): 14–29% [1][6]
- Jahresprävalenz (Stand 2014): Ca. 15% [1]
- Gruppe der häufigsten psychischen Erkrankungen [7]
- Spezifische Phobien haben größten Anteil [1]
- Bei familiärer Belastung erhöht: Erstgradige Verwandte sind 3–5x häufiger betroffen [8]
- Nimmt mit zunehmendem Alter ab [1]
- Mittleres Erkrankungsalter: Insgesamt zwischen 35–41 Jahren [1]
- Geschlechterverteilung: ♀ > ♂ (2:1) [1]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Bei der Entstehung von Angststörungen wird von einem komplexen Vulnerabilitäts-Stress-Modell ausgegangen. Meist liegt eine genetische Prädisposition vor, die sich in neurobiologischen Veränderungen zeigen kann. Zusammen mit belastenden Umweltfaktoren und anderen individuellen Stressoren kann ein Störungsbild entstehen. Ein gänzlich einheitlicher Erklärungsansatz für die Ätiologie der Angsterkrankungen existiert nicht.
- Genetik: Assoziierte Gen-Varianten für u.a. folgende Proteine [8][9]
- Serotonin-1A-Rezeptor (5-HT1A)
- Catechol-O-Methyltransferase (COMT)
- Monoaminoxidase A (MAOA)
- Neuropeptid-S-Rezeptor (NSPR1)
- Epigenetik: Bei Panikstörung u.a. reduziertes DNA-Methylierungsmuster des MAOA-Gens
- Neurobiologie [1]
- Dysregulation des Angstnetzwerkes in insb. zwei neuroanatomischen Arealen [3][8]
- Reduzierte Inhibition der Amygdala
- Gesteigerte Aktivität des Bed Nucleus der Stria terminalis (BNST) [10]
- Störung von Neurotransmittersystemen (bspw. Serotonin, Noradrenalin, Adenosin, GABA)
- Bei spezifischer Phobie: Angeborene, neurobiologische Verankerung „natürlicher“ Gefahrenreize (wie bspw. Spinnen, tiefes Wasser) als Angstauslöser [1]
- Dysregulation des Angstnetzwerkes in insb. zwei neuroanatomischen Arealen [3][8]
- Risikobehaftete psychosoziale Faktoren [1]
- Stressoren in der Kindheit (bspw. sexueller Missbrauch, Verlust eines Elternteils, Krankheiten)
- Aktuelle Belastungen (bspw. Tod einer nahestehenden Person)
- Lernprozesse [3][8]
- Modelllernen
- Zwei-Faktoren-Modell nach Mowrer
- Klassische Konditionierung
- Operante Konditionierung: Negative Verstärkung führt zu einer schnellen Etablierung eines Fehlverhaltens
- Preparedness für gewisse Angstreize, wie bspw. Dunkelheit
- Kognitive Modelle: Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Bewertung [3]
- Fehlinterpretation von Körperempfindungen
- Eigene Ressourcen zur Bewältigung der vermeintlichen Gefahr werden unterschätzt
- Psychodynamische Modelle der Symptomentstehung, u.a.
- Bei phobischen Störungen: Ein innerer Konflikt wird durch Verschiebung abgewehrt [3]
- Bei generalisierter Angststörung: Schwäche in der Ich-Struktur [1]
- Niedrigere Schwelle für Sorgen und Beunruhigung
- Hohes Bedürfnis nach Sicherheit
- Verunsicherung und Angst bei bereits geringen Belastungen
Symptomatik
Gemeinsame Symptome der Angststörungen nach ICD-10 [2]
I.d.R. treten nicht alle Symptome zusammen auf. Das Vorliegen mind. eines der vegetativen Symptome ist zur Diagnosestellung jedoch erforderlich. [2]
- Vegetativ
- Palpitationen, Herzrasen (EKG: Sinustachykardie, ansonsten meist unauffälliger Befund)
- Schwitzen, Schweißausbrüche
- Tremor
- Mundtrockenheit
- Thorakal/Abdominell
- Atemnot
- Beklemmungsgefühl, Erstickungsgefühl
- Brustschmerzen
- Übelkeit, Missempfindungen (bspw. Kribbeln/Unruhegefühl)
- Psychisch
- Schwindel, Benommenheit, Unsicherheit
- Derealisation, Depersonalisation
- Angst vor Kontrollverlust oder davor „verrückt“ zu werden
- Angst zu sterben
- Allgemeine Symptome
- Hitzewallung, Kältegefühl
- Gefühllosigkeit oder Parästhesien
Zusätzliche spezielle Symptome nach ICD-10 [2]
Die hier aufgeführten Symptome können prinzipiell bei allen Angststörungen auftreten. Jedoch zählen sie nur bei den hier angegebenen Erkrankungen zu den diagnostisch relevanten Krankheitssymptomen.
- Bei sozialer Phobie
- Erröten
- Zittern
- (Angst vor) Harn- und Defäkationsdrang
- Angst zu Erbrechen
- Bei generalisierter Angststörung
- Anspannung
- Muskelverspannungen
- Ruhelosigkeit
- Nervosität
- Kloßgefühl im Hals
- Unspezifisch
- Schlafstörungen
- Konzentrationsstörungen
- Reizbarkeit
- Erhöhte Schreckhaftigkeit
- Anspannung
Diagnostik
Exploration
- Allgemeine Exploration
- Diagnostisches Gespräch in der Psychiatrie
- Psychiatrische Anamnese mit Sucht- und Medikamentenanamnese [1]
- Kernfragen [1]
- Angstgefühle
- In welchen Situationen tritt die Angst auf?
- Wie lange hält das Angstgefühl an?
- Gibt es angstfreie Zeiten?
- Wann sind die Ängste erstmals aufgetaucht?
- Wie macht sich die Angst bemerkbar?
- Wodurch nimmt die Angst ab?
- Angstbesetzte Gedanken
- Gibt es konkrete Befürchtungen?
- Gibt es ein Gefühl der ständigen, diffusen Besorgnis?
- Machen sich andere Menschen ähnlich viele Sorgen?
- Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten
- Werden Orte nicht mehr aufgesucht oder bestimmte Situationen/Objekte gemieden?
- Wird die Lebensqualität durch die Vermeidung beeinträchtigt?
- Gibt es intensive Vorbereitungen auf eine Situation?
- Angstgefühle
Ausschluss organischer Ursachen [1][3][11]
- Somatische Ausschlussdiagnostik, u.a
- Labordiagnostik
- Routinelaboruntersuchung
- Ggf. Urinuntersuchung auf Drogen
- Siehe auch: Labordiagnostik in der Psychiatrie
- Apparative Diagnostik
- EKG (mit Rhythmusstreifen)
- Ggf. Lungenfunktion
- Ggf. bildgebende Verfahren (cCT, cMRT)
- Ggf. EEG
- Siehe auch: Apparative Diagnostik in der Psychiatrie
Somatische Differenzialdiagnosen der Angststörungen müssen ausgeschlossen werden!
Es muss beachtet werden, dass insb. wiederholte Untersuchungen gesundheitsbezogene Ängste aufrechterhalten und verstärken können! [3]
Testpsychologische Verfahren
Screening
- Alle Angststörungen
- Patient Health Questionnaire-4 (PHQ-4)
- Generalisierte Angststörung
- Generalized Anxiety Disorder Assessment
- GAD-2
- GAD-7
- Generalized Anxiety Disorder Assessment
Schweregradbestimmung und Verlaufsdiagnostik
- Generalisierte Angststörung
- Beck-Angst-Inventar (BAI)
- Hamilton-Angst-Skala (HAMA)
- Panikstörung und Agoraphobie
- Panik- und Agoraphobie-Skala (PAS)
- Panic Disorder Severity Scale (PDSS)
- Soziale Phobie: Liebowitz-Soziale-Angst-Skala (LSAS)
- Spezifische Phobie: Fear Questionaire (FQ)
ICD-10
Agoraphobie (F40.0)
Kriterium | Diagnostische Kriterien der Agoraphobie nach ICD-10 [2] |
---|---|
A |
|
B |
|
C |
|
D |
|
E |
|
Differenzierungen |
Soziale Phobie (F40.1)
Kriterium | Diagnostische Kriterien der sozialen Phobie nach ICD-10 [2] |
---|---|
A |
|
B |
|
C |
|
D |
|
E |
|
Spezifische (isolierte) Phobie (F40.2)
Kriterium | Diagnostische Kriterien der spezifischen (isolierten) Phobie nach ICD-10 [2] |
---|---|
A |
|
B |
|
C |
|
D |
|
Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst) (F41.0)
Kriterium | Diagnostische Kriterien der Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst) nach ICD-10 [2] |
---|---|
A |
|
B |
|
C |
|
Differenzierungen |
|
Generalisierte Angststörung (F41.1)
Kriterium | Diagnostische Kriterien der generalisierten Angststörung nach ICD-10 [2] |
---|---|
A |
|
B |
|
C |
|
D |
|
ICD-11
- Wesentliche Änderungen, u.a. [12]
- Kategorie: „Angst- oder furchtbezogene Störungen“
- Trennung in Phobien und andere Angststörungen aufgehoben
- Neu in dieser Kategorie und im Erwachsenenalter diagnostizierbar
- Unter den depressiven Störungen gelistet: Gemischte depressive Störung und Angststörung
- Kategorie: „Angst- oder furchtbezogene Störungen“
- Mehr Informationen zur ICD-11 (deutsche Entwurfsfassung) unter Tipps & Links
Differenzialdiagnosen
Somatische Differenzialdiagnosen [1][3]
- Lungenerkrankungen (bspw. Asthma, COPD, Lungenembolie, Pneumothorax)
- Kardiovaskuläre Erkrankungen (bspw. HRST, KHK, ACS)
- Neurologische Erkrankungen (bspw. Parkinson-Syndrom, Tumoren, Multiple Sklerose, Epilepsie)
- Endokrine Störungen (bspw. Hyperthyreose, Phäochromozytom, akute intermittierende Porphyrie, Hypoglykämie)
- Elektrolytstörungen (bspw. Hypokalzämie, Hyperkaliämie)
- Unerwünschte Medikamentenwirkung (bspw. β2-Sympathomimetika) [11]
Psychiatrische Differenzialdiagnosen [1][3]
Die aufgeführten Differenzialdiagnosen sind auch häufige Komorbiditäten einer Angststörung.
- Depressive Störung
- Psychotische Störung
- Somatoforme Störung
- Zwangsstörung
- Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
- Persönlichkeitsstörung
- Entzugssymptomatik bei Substanzmissbrauch
- Alkoholabhängigkeit
Angststörungen zeigen eine hohe Komorbidität mit anderen psychischen Erkrankungen, insb. mit anderen Angststörungen, depressiven Störungen, Suchterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen! [3]
Therapie
Allgemein
- Behandlungsziele [1]
- Angstsymptomatik reduzieren
- Vermeidungsverhalten abbauen
- Rückfallprophylaxe erarbeiten
- Soziale Integration und berufliche Eingliederung wiederherstellen
- Grundsätzliches Vorgehen [1][4]
- Sowohl medikamentöse Therapie als auch Psychotherapie möglich (Ausnahme spezifische Phobie: Alleinige KVT/Expositionstherapie)
- Präferenz der Patient:innen berücksichtigen
- Bei unzureichender Wirksamkeit einer Therapieform allein → jeweils andere Therapieform anbieten (ggf. auch zusätzlich)
- Setting [1][4]
- Ambulante Behandlung anstreben
- Stationäre Behandlung erwägen bei
- Komorbiditäten (bspw. Suchterkrankung, schwere depressive Symptomatik)
- Besonderer psychosozialer Belastung
- Schwerer Symptomausprägung
- Suizidalität
Medikamentöse Therapie [1][8]
- Allgemein [1][5][8]
- Primärer Einsatz von Antidepressiva: Höchster Empfehlungsgrad für SSRI und SSNRI
- Beachte
- Anfängliche Wirklatenz: Ca. 2 Wochen
- Allgemeine Nebenwirkungen von Antidepressiva, u.a.
- Risiko eines Jitteriness-Syndroms → Beginn mit halbierter Einstiegsdosis erwägen und dann langsame Steigerung
- Beachte
- Vorgehen
- Bei Ängsten gegenüber Pharmakotherapie: Ausführliche Aufklärung über Medikamente
- Bei fehlender Response nach 4–6-wöchiger Behandlung in angemessener Dosis: Umstellung der Medikation
- Nach Remission: Fortführung der Medikation für mind. 6–12 Monate
- Medikation am Ende langsam ausschleichen [5]
- Primärer Einsatz von Antidepressiva: Höchster Empfehlungsgrad für SSRI und SSNRI
Medikamentöse Therapie bei Angststörungen [1][13] | |||
---|---|---|---|
Wirkstoffgruppe | Panikstörung/Agoraphobie | Soziale Phobie | Generalisierte Angststörung |
SSRI |
|
|
|
SSNRI |
|
|
|
Trizyklische Antidepressiva | — | — | |
MAO-Hemmer | — |
| — |
Anfallssuppressiva | — | — | |
Trizyklisches Anxiolytikum | — | — |
|
Azapiron | — |
|
|
Benzodiazepine [1] |
|
Nach eingetretener Remission sollte die medikamentöse Behandlung noch mind. 6–12 Monate fortgeführt werden! [1]
Da insb. Benzodiazepine in Akutsituationen eine schnelle Symptomverbesserung bewirken, kann es bereits nach kurzer Zeit zu einer Fixierung auf die Substanzen und zu einer Abhängigkeit kommen!
Weitere medikamentöse Alternativen [1][13]
Nachfolgende Substanzen können als Off-Label Use bei Nicht-Ansprechen oder Unverträglichkeiten der zugelassenen Medikamente erwogen werden.
Off-Label Use bei Angststörungen | |||
---|---|---|---|
Substanz | Panikstörung/Agoraphobie | Soziale Phobie | Generalisierte Angststörung |
Agomelatin | — | — | + |
Quetiapin | (+) | — | + [4] |
Mirtazapin | + | + | + |
Lavendelöl | — | — | + [1][8] |
Psychotherapie
Übersicht der empfohlenen Psychotherapieverfahren bei Angststörungen [1] | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Psychotherapieverfahren | Panikstörung/Agoraphobie | Generalisierte Angststörung | Soziale Phobie | Spezifische Phobie | |||
Kognitive Verhaltenstherapie |
|
| |||||
Psychodynamische Therapie |
| — | |||||
Systemische Psychotherapie | — |
|
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
- Allgemein: Standardverfahren zur Behandlung aller Angststörungen
- Grundbausteine [8]
- Aufklärung über die Angsterkrankung (Psychoedukation)
- Konfrontation mit angstbesetzten Situationen oder Stimuli
- Habituation der Angst durch wiederholtes Üben
- Inhibitionslernen [14]
Typische Elemente der KVT bei Angststörungen [3][8][14] | ||||
---|---|---|---|---|
Panikstörung/Agoraphobie | Soziale Phobie | Generalisierte Angststörung | Spezifische Phobie | |
Psychoedukation und kognitive Vorbereitung |
| |||
Expositionstraining |
|
|
|
|
Virtuelle-Realität-Expositionstherapie [1] | — |
| — |
|
Kognitive Strategien |
| |||
Selbstmanagement und Rückfallprophylaxe |
|
Psychodynamische Psychotherapie [1][14]
Grundlage der psychodynamischen Psychotherapie ist die Bearbeitung unbewusster Konflikte (konfliktorientierte Gesprächstherapie).
- Wirksamkeit für manualisierte Therapieformen nachgewiesen [4][14]
- Aktuelle Leitlinienempfehlung besteht als Therapie der 2. Wahl für
Systemische Psychotherapie [1]
- Prinzip: Fokus auf sozialen Kontext innerhalb eines Systems [15]
- Indikation
- Aktuelle Leitlinienempfehlung besteht nur für soziale Phobie
- Nachrangig hinter KVT und psychodynamischer Therapie
Supportive Behandlungsmaßnahmen
Hierzu zählen Maßnahmen, die nicht als alleinstehende Behandlung empfohlen werden, aber eine Therapie unterstützen können (bspw. stützende Gespräche, Entspannungsverfahren oder Ausdauertraining, Angehörigenberatung insb. bei Minderjährigen).
Selbsthilfe [1]
- Selbsthilfegruppen: Zum besseren Verständnis und Umgang mit der Erkrankung
- KVT-basierte Internetinterventionen möglich bei
Entspannungsverfahren [3]
- Ziel: Kompetenzaufbau zur Beherrschung körperlicher Symptome
- Indikation: Insb. bei generalisierter Angststörung
- Reduktion der erhöhten Grundanspannung [3][4]
- Als Applied Relaxation im Rahmen einer KVT (laut aktuellen Leitlinienempfehlungen)
- Relative Kontraindikation: Symptomverschlechterung durch Fokus auf die Körperwahrnehmung (bspw. bei autogenem Training) [4]
Autogenes Training kann durch den Fokus auf die Körperwahrnehmung zu einer Symptomverschlechterung führen und ist daher nicht immer geeignet! [3]
Sport [1]
- Bei Panikstörung/Agoraphobie als Ergänzung zur Standardtherapie möglich [4]
- Ausdauertraining (z.B. 3x wöchentlich 5 km Jogging)
- Wenig Evidenz für spezifische Effekte
Prognose
- Gut behandelbar durch [3][7]
- Frühzeitige und zielgerichtete Therapie
- Möglichkeit der Therapieumstellung [7]
- Chronischer Verlauf bei [7]
- Fehlender Behandlung [4]
- Komorbiditäten [4]
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
F40.-: Phobische Störungen
- F40.0-: Agoraphobie
- F40.00: Ohne Angabe einer Panikstörung
- F40.01: Mit Panikstörung
- F40.1: Soziale Phobien
- Anthropophobie
- Soziale Neurose
- F40.2: Spezifische (isolierte) Phobien
- Akrophobie
- Einfache Phobie
- Klaustrophobie
- Tierphobien
- Exklusive: Dysmorphophobie (nichtwahnhaft) (F45.2), Nosophobie (F45.2)
- F40.8: Sonstige phobische Störungen
- F40.9: Phobische Störung, nicht näher bezeichnet
- Phobie o.n.A.
- Phobischer Zustand o.n.A.
F41.-: Andere Angststörungen
- F41.0: Panikstörung [episodisch paroxysmale Angst]
- Panikattacke
- Panikzustand
- Exklusive: Panikstörung mit Agoraphobie (F40.01)
- F41.1: Generalisierte Angststörung
- Angstneurose
- Angstreaktion
- Angstzustand
- Exklusive: Neurasthenie (F48.0)
- F41.2: Angst und depressive Störung, gemischt
- Ängstliche Depression (leicht oder nicht anhaltend)
- F41.3: Andere gemischte Angststörungen
- F41.8: Sonstige spezifische Angststörungen
- Angsthysterie
- F41.9: Angststörung, nicht näher bezeichnet
- Angst o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.
Meditricks
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Buspiron
Angststörungen
Angststörungen – Teil 1
Angststörungen – Teil 2
Angststörungen – Teil 3
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