ambossIconambossIcon

Fetale Alkoholspektrumstörung

Letzte Aktualisierung: 4.2.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Mütterlicher Alkoholkonsum während der Schwangerschaft kann zu Zelltod und Entwicklungsstörungen der Organe beim Kind führen. Besonders vulnerabel ist das Gehirn des Ungeborenen. Die pränatale alkoholtoxische Gehirnschädigung ist irreparabel und geht mit einer chronischen Behinderung einher. Die aus pränataler Alkoholexposition resultierende Erkrankung wird unter dem Begriff Fetale Alkoholspektrumstörung (FASD) zusammengefasst. Hierzu zählen die drei Formen: Fetales Alkoholsyndrom (FAS), partielles Fetales Alkoholsyndrom (pFAS) und alkoholbedingte entwicklungsneurologische Störung (ARND).

Statistischen Schätzungen zufolge ist die FASD eine der häufigsten angeborenen chronischen Erkrankungen in Deutschland (177 Fälle pro 10.000 Neugeborene). Eine vollständige Alkoholabstinenz während der Schwangerschaft verhindert die Erkrankung. Dennoch ergeben Daten einer Studie des RKI, dass etwa ein Drittel aller schwangeren Frauen Alkohol konsumiert. Für den deutschsprachigen Raum liegt eine evidenz- und konsensbasierte S3-Leitlinie zur Diagnose von Fetalen Alkoholspektrumstörungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis <18 Jahren vor. Sie dient der Einteilung der einzelnen Störungsbilder anhand von vier diagnostischen Säulen: Wachstumsauffälligkeiten, faziale Auffälligkeiten, ZNS-Auffälligkeiten und pränatale Alkoholexposition.

Dieses Kapitel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen AMBOSS und dem integrierten Sozialpädiatrischen Zentrum (iSPZ) im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) entstanden. Beteiligte Autor:innen: Markovic A, Heinen F, Landgraf MN

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Einteilungtoggle arrow icon

Zur Differenzierung der einzelnen Formen siehe: Diagnosekriterien der FASD!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Epidemiologietoggle arrow icon

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Ätiologietoggle arrow icon

  • Risikofaktoren für mütterlichen Alkoholkonsum während der Schwangerschaft [4]
  • Risikofaktoren für die Entstehung einer FASD [4]
    • Höheres Alter (>30 Jahre)
    • Geringer sozioökonomischer Status
    • African Americans und Native Indians
    • Genetische Faktoren
    • Mangelernährung
    • Geburtshilfliche Komplikationen
    • Alkoholkonsum während der gesamten Schwangerschaft
    • Hoher und/oder chronischer Alkoholkonsum
    • Konsum verschiedener Drogen
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Pathophysiologietoggle arrow icon

Die fetale Enzymfunktion und -konzentration ist im Vergleich zu Erwachsenen deutlich geringer!

Ethanol wird ungehindert von der Schwangeren auf das ungeborene Kind übertragen!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Symptomatiktoggle arrow icon

Die klinischen Auffälligkeiten einer FASD lassen sich in Wachstumsauffälligkeiten, faziale Auffälligkeiten und ZNS-Auffälligkeiten unterteilen. Zusammen mit der pränatalen Alkoholexposition bilden sie die vier diagnostischen Säulen der S3-Leitlinie FASD. Die einzelnen Kriterien dienen der Diagnose und Differenzierung der verschiedenen Formen der Fetalen Alkoholspektrumstörung. Zur Diagnosestellung siehe: Diagnosekriterien der FASD. [4]

Wachstumsauffälligkeiten

Faziale Auffälligkeiten

Kurze Lidspaltenlänge, schmale Oberlippe und verstrichenes Philtrum sind die wegweisenden Merkmale eines Fetalen Alkoholsyndroms (FAS)!

ZNS-Auffälligkeiten

Fast alle Kinder mit FASD weisen Störungen der Exekutivfunktionen auf!

Angeborene Fehlbildungen [14]

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Diagnostiktoggle arrow icon

Für eine möglichst frühzeitige und adäquate Diagnostik ist bei V.a. FASD eine Überweisung an ein interdisziplinäres Zentrum sinnvoll (z.B. Sozialpädiatrisches Zentrum oder Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie). [4][15]

Mögliche Vorstellungsgründe

  • Entwicklungsstörungen
  • Kognitive Beeinträchtigungen, Schwierigkeiten in der Schule
  • Verhaltensauffälligkeiten, geringe Frustrationstoleranz
  • Kein altersadäquates Erledigen von Alltagsaufgaben, Unselbstständigkeit
  • Bekannte pränatale Alkohol- und/oder Drogenexposition

Anamnese

Klinische Untersuchung

Neuropsychologische Untersuchung

  • Verhaltensbeobachtung
  • Spezifische Tests und Fragebögen für die Bereiche
    • Entwicklung
    • Intelligenz
    • Sprache
    • Räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich-konstruktive Fähigkeiten
    • Lern- oder Merkfähigkeit
    • Exekutivfunktionen
    • Rechenfertigkeiten
    • Aufmerksamkeit
    • Soziale Fertigkeiten oder Verhalten

Diagnosestellung [4]

Die Unterformen der FASD werden anhand klinischer Kriterien der vier diagnostischen Säulen (Wachstumsauffälligkeiten, faziale Auffälligkeiten, ZNS-Auffälligkeiten, pränatale Alkoholexposition) diagnostiziert. Siehe auch: Symptome der FASD.

Diagnosekriterien der Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD)
Diagnose Wachstumsauffälligkeiten Faziale Auffälligkeiten ZNS-Auffälligkeiten Pränatale Alkoholexposition

Fetales Alkoholsyndrom (FAS)

  • Mind. 1 Kriterium erfüllt
  • Alle 3 Kriterien erfüllt
  • Mikrozephalie und/oder
  • Globale Intelligenzminderung oder signifikante kombinierte Entwicklungsverzögerung bei Kindern <2 Jahren und/oder
  • Signifikante Beeinträchtigung in mind. 3 Bereichen (bei Epilepsie mind. 2 Bereiche)
  • Muss nicht bestätigt oder wahrscheinlich sein
Partielles Fetales Alkoholsyndrom (pFAS)
  • Kein Kriterium notwendig
  • Mind. 2 Kriterien erfüllt
  • Mind. 3 Kriterien erfüllt
  • Muss nicht bestätigt, aber mind. wahrscheinlich sein
Alkoholbedingte entwicklungsneurologische Störung (ARND)
  • Kein Kriterium notwendig
  • Kein Kriterium notwendig
  • Mind. 3 Kriterien erfüllt
  • Muss bestätigt sein

Für die Diagnose FAS muss der pränatale Alkoholkonsum nicht bestätigt sein!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Bei Wachstumsauffälligkeiten [4]

Bei fazialen Auffälligkeiten [4]

Bei ZNS-Auffälligkeiten [4]

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Therapietoggle arrow icon

Da der FASD eine alkoholtoxische und biologisch irreparable Gehirnschädigung zugrunde liegt, ist eine Kausaltherapie nicht möglich. Um eine möglichst gute Alltagsfunktionalität und Lebensqualität zu erreichen, sollte hauptsächlich funktionell therapiert werden. Unterstützend kann eine medikamentöse Behandlung erwogen werden.

Funktionell [16][17][18][19][20][21]

Medikamentös [22]

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Prognosetoggle arrow icon

Persistenz der Symptome

Aufgrund der irreversiblen gehirntoxischen Schädigung können Defizite bis ans Lebensende persistieren.

Persistierende Symptome und Auffälligkeiten der Fetalen Alkoholspektrumstörung
Wachstumsauffälligkeiten [23]
Faziale Auffälligkeiten [23]
  • Schmale Oberlippe (ca. 92%)
  • Flaches Mittelgesicht (ca. 46%)
ZNS-Auffälligkeiten [23][24]
  • Strukturell: Mikrozephalie (ca. 49%)
  • Funktionell
    • Sehr häufig Beeinträchtigung der Exekutivfunktionen
    • Reduzierte Aufmerksamkeit
    • Störungen des Verhaltens und der Kognition
    • Intelligenzminderung
    • Schulbildung und Arbeit
      • Häufig Förderschule
      • Meist keine abgeschlossene Berufsausbildung und keine langfristige Beschäftigung (ca. 86%)
    • Eingeschränkte Selbstständigkeit (ca. 70%)
Psychische Auffälligkeiten [25][26][27]

Ca. 70% aller Erwachsenen mit FASD sind im Alltag auf Hilfe angewiesen!

Protektive Faktoren [1][28]

  • Frühe Diagnose (<6 Jahren)
  • Stabiles, förderndes Umfeld
  • Gewaltfreie Kindheit
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Präventiontoggle arrow icon

Ziel der präventiven Maßnahmen ist die Vermeidung der FASD durch möglichst vollständige Alkoholabstinenz während der gesamten Schwangerschaft.

Universelle Prävention [29]

  • Zielgruppe: Gesamte Bevölkerung
  • Maßnahme: Aufklärung über Alkoholkonsum und die FASD
  • Beispiele
    • Pädagogische Projekte an Schulen
    • Öffentliche Ausstellungen
    • Hinweise auf alkoholischen Getränken
    • Aufklärungskampagnen, die sich insb. an Schwangere richten
  • Projekte siehe: Tipps & Links

Universelle Prävention soll möglichst viele Menschen dazu befähigen, das Risiko für eine FASD durch Alkoholabstinenz während der Schwangerschaft zu vermeiden!

Selektive und indizierte Prävention [29]

Selektive und indizierte Prävention setzen die Identifikation von Risikofaktoren voraus (siehe: Ätiologie der FASD)!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Probiere die Testversion aus und erhalte 30 Tage lang unbegrenzten Zugang zu über 1.400 Kapiteln und +17.000 IMPP-Fragen.
disclaimer Evidenzbasierte Inhalte, von festem ärztlichem Redaktionsteam erstellt & geprüft. Disclaimer aufrufen.