Zusammenfassung
Zu einer zeitgemäßen Geburtsmedizin gehört es, der Patientin rechtzeitig eine effektive Schmerztherapie anzubieten. Die Auswahl des am besten geeigneten Verfahrens richtet sich u.a. nach dem Patientinnenwunsch, etwaigen Risikofaktoren für eine sekundäre Sectio caesarea und dem Geburtsfortschritt. Bei jeglicher Maßnahme sind mögliche Auswirkungen auf das Kind zu berücksichtigen. Als Goldstandard gilt die Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt. In Deutschland werden rückenmarksnahe Verfahren bei etwa 25% der Geburten angewendet. [1]
Dieses Kapitel fokussiert sich auf das anästhesiologische Management bei vaginaler Geburt.
- Für allgemeine Informationen siehe: Regionalanästhesie und Anästhesiologisches Management: Patientin in der Schwangerschaft
- Für das geburtshilfliche Management bei vaginaler Geburt siehe: Geburtsablauf und Management im Kreißsaal
- Für das anästhesiologische Management bei Sectio caesarea siehe: Anästhesie zur Sectio caesarea
- Für weitere Verfahren zur Schmerztherapie siehe: Analgesie unter der Geburt
Anästhesiologische Besonderheiten
Besonderheiten auf Seiten der Schwangeren [2]
- Allgemeine Besonderheiten
- Kontraindikation bzw. Dosisanpassung für bestimmte Medikamente
- Physiologische Veränderungen während der Schwangerschaft im Vergleich zu nicht-schwangeren Frauen
- Siehe auch:
- Besonderheiten bei Regionalanästhesie
- Erschwerte Lagerung (eingeschränkte Möglichkeit zur Kyphosierung der LWS)
- Erweiterte Venen im Epiduralraum mit
- Erhöhtem Risiko für blutige Punktion [3]
- Kompression des Epidural- bzw. Spinalraums und geringerer benötigter Dosis pro Segment
- Neigung zu arterieller Hypotonie und stärkerer Reaktion auf Sympathikolyse, insb. bei Spinalanästhesie und [4]
- Adipositas (BMI >30 kg/m2)
- Alter >35 Jahre
- Ausbreitungsgebiet der Spinalanästhesie >Th4 [5]
- Präoperativer Hypotonie
- Hohem Geburtsgewicht des Fötus
- Erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Lokalanästhetika [6]
- Besonderer Verlauf der Wehenschmerzen: Schmerzausstrahlung wandert im Geburtsverlauf von thorakolumbal nach sakral
Im Geburtsverlauf wandert die Schmerzausstrahlung typischerweise von thorakolumbal nach sakral!
Besonderheiten auf Seiten der Anästhesie
Strukturelle und organisatorische Voraussetzungen [4][7][8]
- Allgemeine Anforderungen
- Enge interdisziplinäre Zusammenarbeit, siehe auch: Management im Kreißsaal
- Anästhesiologischer 24-h-Bereitschaftsdienst (inkl. Anästhesie-Pflegekraft)
- Geeignete räumliche Voraussetzungen zur Durchführung einer Regionalanästhesie
- Geräte und technische Möglichkeiten für Beatmung und Reanimation sowie Monitoring von Mutter und Kind
- Entscheidungs-Entbindungs-Zeit („E-E-Zeit“) ≤20 min muss allzeit gewährleistet sein (siehe auch: Sectio-Indikation)
- Spezielle anästhesiologische Aufklärung zur schmerzarmen Geburt
- Besonderheiten bei Regionalanästhesie
- Erfahrene durchführende Person
- Weitere Person als Assistenz
- Einhaltung der Hygieneempfehlungen für Regionalanästhesieverfahren
- Einhaltung der empfohlenen Sicherheitsabstände bei rückenmarksnaher Regionalanästhesie unter Antikoagulation
- Üblicherweise keine Testdosis nötig bei Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt [4]
- Vermeidung einer motorischen Blockade (Dosisreduktion des Lokalanästhetikums)
- Vor Durchführung einer Regionalanästhesie: Untersuchung der Schwangeren durch geburtshilfliches Personal
Peripartale Nahrungskarenz [4]
- Vaginale Geburt mit niedrigem Risiko für Sectio caesarea : Keine Einhaltung der präoperativen Nüchternzeiten nötig
- Aufnahme klarer Flüssigkeiten
- Leichte Mahlzeiten je nach Bedarf
- Vaginale Geburt mit hohem Risiko für Sectio caesarea: Einhaltung der präoperativen Nüchternzeiten
- Allenfalls Aufnahme klarer Flüssigkeiten
- Keine Aufnahme von Nahrungsmitteln
- Siehe auch:
Antibiotikaprophylaxe
- Keine perioperative Antibiotikaprophylaxe nötig
- Vorzeitiger Blasensprung: Antibiotikagabe möglich [9]
- Siehe auch: Subpartale antibiotische Therapie
Monitoring zur Regionalanästhesie in der Geburtshilfe
- Monitoring der Mutter: Nicht-invasive Blutdruckmessung, 3-Kanal-EKG, Pulsoxymetrie
- Beginn: Unmittelbar vor und während der Anlage einer rückenmarksnahen Regionalanästhesie
- Ende: Bis zum Erreichen der vollen Analgesie bei stabilen Kreislaufverhältnissen nach Anlage einer rückenmarksnahen Regionalanästhesie [4][9]
- Monitoring des Kindes: CTG
- Während der Anlage einer rückenmarksnahen Regionalanästhesie [4][9]
- Bei liegendem Periduralkatheter: Keine routinemäßige kontinuierliche CTG-Überwachung nötig [9]
Dokumentation [10][11]
- Allgemeine Besonderheiten
- Klinikinterne Standards beachten
- Aus haftungsrechtlichen Gründen großzügig dokumentieren
- Besonderheiten bei Regionalanästhesie
- Übliche Dokumentation der Regionalanästhesie
- Delegation der Aufrechterhaltung der Analgesie an geburtshilfliches Personal [4][8]
Wahl des Anästhesieverfahrens
Allgemeines
- Indikationsstellung durch geburtshilfliches Personal
- Möglichst interdisziplinäre Absprache zu Zeitpunkt und Auswahl des Verfahrens
- Individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung unter Berücksichtigung von [4]
- Patientinnenwunsch
- Risikofaktoren für eine sekundäre Sectio caesarea
- Geburtsfortschritt, siehe auch: Regelrechter Geburtsablauf
- Kontraindikationen für rückenmarksnahe Regionalanästhesie
- Komplementären Verfahren zur Analgesie unter der Geburt
- Mögliche Verfahren
- Rückenmarksnahe Verfahren
- Andere Verfahren
- Lokale Nervenblockaden
- Systemische Opioide zur schmerzarmen Geburt
- Lachgas
- Siehe auch: Analgesie unter der Geburt
Regionalanästhesieverfahren zur schmerzarmen Geburt
Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt
- Prinzip: Lumbale Periduralanästhesie mit Anlage eines Periduralkatheters unabhängig von der Muttermundsweite [4][9]
- Indikationen [1]
- Patientinnenwunsch nach einer schmerzarmen Geburt
- Protrahierte Geburt
- Beckenendlage
- Mehrlingsgeburt
- Frühgeburt <32. SSW
- Totgeburt
- Verbesserung der uteroplazentaren Durchblutung, bspw. bei Präeklampsie [12]
- Vaginale Entbindung nach Sectio (VBAC) [4]
- Anlage möglichst frühzeitig erwägen bei Risikokonstellation [4]
- Kontraindikationen
- Vorteile
- Hohe Patientinnenzufriedenheit
- Kein relevanter Einfluss auf den Geburtsverlauf bei adäquater Dosierung
- Analgesie bei erhaltenem Geburtserlebnis
- Effektivere Analgesie als durch systemische Opioidgabe (i.v. oder i.m.)
- Keine Beeinträchtigung von Essen und Trinken durch Regionalanästhesie
- Praktisch keine Einschränkung der Mobilität (Walking Epidural)
- Medikamentöse Geburtseinleitung ggf. seltener notwendig [9]
- Kaum systemische, medikamentöse Belastung für Mutter und Kind
- Nachteile
- Hämodynamik der Mutter beeinflusst das ungeborene Kind
- Ggf. eigenständige Blasenentleerung nicht mehr möglich
- Bei motorischer Blockade: Mitpressen in der Austrittsperiode erschwert, eingeschränkte Mobilität der Mutter
- Sonderform: Dural Puncture Epidural (DPE) mit Perforation der Dura mater und anschließender epiduraler Applikation des Wirkstoffs [4][14][15]
Bei Wunsch der Patientin nach einer schmerzarmen Geburt sollte rechtzeitig eine Periduralanästhesie angeboten werden!
Die Anlage einer Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt soll unabhängig von der Muttermundsweite erfolgen! [4]
Kombinierte Spinal- und Epiduralanästhesie (CSE) zur schmerzarmen Geburt
- Prinzip: Niedrigdosierte Spinalanästhesie und nachfolgend Anlage eines Periduralkatheters [16]
- Indikationen und Kontraindikationen: Analog zur Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt
- Vorteile [4]
- Analog zur Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt
- Wirkeintritt ca. 10 min früher als bei Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt
- Weniger unilaterale Blockaden als bei Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt [4]
- Kombination der Vorteile einer Spinalanästhesie (schnelle Anschlagzeit) und eines Periduralkatheters (längere Wirkdauer)
- Nachteile
- Analog zur Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt [4][17]
- Zusätzlicher technischer Aufwand im Vergleich zur Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt
Spinalanalgesie zur schmerzarmen Geburt [13]
- Prinzip: Niedrigdosierte Spinalanästhesie mit einem Lokalanästhetikum und/oder einem Opioid bei fortgeschrittenem Geburtsverlauf
- Indikationen: Ultima Ratio zur Analgesie bei fehlender Möglichkeit für Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt , bspw. bei
- Vollständig eröffnetem Muttermund
- Weit fortgeschrittenem Geburtsverlauf
- Erschwerten Punktionsbedingungen
- Fehlender Kooperation der Schwangeren zur Anlage eines Periduralkatheters
- Kontraindikationen: Analog zur Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt
- Vorteile [7]
- Schneller Wirkbeginn
- Seitengleiche Wirkung
- Einfache technische Durchführbarkeit, kostengünstig
- Suffiziente Analgesie ohne relevante motorische Blockade
- Nachteile
- Kurze Wirkdauer (ca. 1–2 h)
- Keine Wiederholung möglich
- Keine verlängerte Wirkdauer durch Nachinjektion möglich
- Hohe Rate an Juckreiz bei intrathekaler Gabe von Opioiden
Die Spinalanalgesie zur schmerzarmen Geburt ist einfach durchzuführen und erzielt eine schnelle, effektive Analgesie ohne ausgeprägte motorische Blockade!
Ablauf/Durchführung
Anamnese [18]
- Vorerkrankungen, bspw. [4]
- Arterielle Hypertonie bzw. hypertensive Schwangerschaftserkrankung
- Diabetes mellitus bzw. Schwangerschaftsdiabetes
- Kardiale Erkrankungen
- Adipositas
- Allergien
- Gerinnungsanamnese
- Anästhesierelevante Auffälligkeiten im Schwangerschaftsverlauf
- Komplikationen bei vorherigen Regionalanästhesien
- Komplikationen bei vorherigen Schwangerschaften/Entbindungen
- Vormedikation, insb. Antikoagulanzien
- Siehe auch: Prämedikationsvisite
Bei Planung eines rückenmarksnahen Regionalanästhesieverfahrens ist unbedingt die Vormedikation mit Antikoagulanzien zu erfragen! [13]
Körperliche Untersuchung [4]
- Anatomische Besonderheiten mit Fokus auf
- Schwierigen Atemweg
- Schwierige Venenverhältnisse
- Deformitäten bzw. Voroperationen der (Lenden‑)Wirbelsäule
- Kardiale oder pulmonale Vorerkrankungen [18]
- Allgemeine Hinweise auf Risikofaktoren für intra- und postpartale Blutungen [13]
Risikofaktoren für eine sekundäre Sectio caesarea
Risikofaktoren für sekundäre, dringliche oder Notsectio [4] | ||
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Anästhesiologisch | Geburtshilflich | |
Mütterliche Faktoren |
| |
Fetale Faktoren | — |
Insb. bei Risikofaktoren für eine sekundäre, dringliche oder Notsectio soll eine frühzeitige Abstimmung zwischen Anästhesie und Geburtshilfe erfolgen!
Apparative Untersuchung [4]
- Laboruntersuchungen: Bei gesunden Schwangeren i.d.R. nicht nötig , bedarfsgerecht je nach Vorerkrankungen bspw.
- Thrombozytenzahl bei Präeklampsie (siehe auch: Diagnostik bei hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen)
- Blutbild und Gerinnungsdiagnostik bei geburtshilflichen Risikofaktoren für intra- und postpartale Blutungen
- Weiterführende Gerinnungsdiagnostik bei
- HELLP-Syndrom
- Pathologischer Blutungsanamnese
- Pathologischer Thrombozytenzahl [4]
- Blutgruppenbestimmung und Kreuzblutprobe: Erforderlich bei Risikofaktoren für intra- und postpartale Blutungen [13]
- Bildgebung: I.d.R. nicht nötig (selten: Sonografie zur Regionalanästhesie)
Bei unauffälligem Schwangerschaftsverlauf und blander Blutungsanamnese sind keine weiteren Laboruntersuchungen nötig! [13]
Anästhesiologische Aufklärung zur schmerzarmen Geburt [4][5]
- Grundlagen
- Aufklärungsgespräch obligat vor Durchführung einer Regionalanästhesie
- Inhalt und Umfang abhängig von allgemeinen und spezifischen Risiken
- Grundsätzlich gleiche juristische Rahmenbedingungen wie bei anderen Aufklärungen in der Anästhesiologie [19]
- Siehe auch: Aufklärung zur Regionalanästhesie
- Aufklärung vor Beginn der Wehentätigkeit: Bevorzugter Zeitpunkt für mündliche und schriftliche Aufklärung, bspw.
- Im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung (durch Informationsmaterial [20])
- Termin in der Prämedikationsambulanz
- Termin zur Kreißsaalbesichtigung
- Aufklärung nach Beginn der Wehentätigkeit
- Alternatives Vorgehen, falls die Patientin zuvor keine Aufklärung erhielt
- Besonderheit: Beurteilung erforderlich, ob die Patientin dem Gespräch trotz Wehentätigkeit folgen kann (siehe: Tipps & Links)
- Aufklärung über intrathekale Opioidgabe: Aufklärungspflicht über etablierten Off-Label Use (kein individueller Heilversuch!) bei Fentanyl und Sufentanil
Sufentanil und Fentanyl sind klinisch etablierter Standard als Zusatz bei der intrathekalen Gabe, erfordern als Off-Label Use jedoch eine gesonderte Aufklärung!
Bei einer Aufklärung unter Geburt und starken Wehenschmerzen ist der mutmaßliche Wille der Schwangeren ausschlaggebend zur Rechtfertigung des Vorgehens!
Periduralanästhesie
Die folgenden Inhalte betreffen die Anwendung der Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt.
- Für die Indikationsstellung siehe: Wahl des Anästhesieverfahrens zur schmerzarmen Geburt
- Für Informationen zur Sectio caesarea siehe: Periduralanästhesie zur Sectio caesarea
- Für allgemeine Informationen zur Periduralanästhesie siehe: Periduralanästhesie - Klinische Anwendung
Sichtung der Befunde und Sicherheitscheck
- Anästhesiologische Aufklärung zur schmerzarmen Geburt erfolgt?
- Anatomische Auffälligkeiten der Wirbelsäule vorhanden?
- Gerinnungsstatus bei auffälliger Blutungsanamnese vorhanden?
- Empfohlene Sicherheitsabstände bei rückenmarksnaher Regionalanästhesie unter Antikoagulation eingehalten?
- Erfahrenes anästhesiologisches Personal vor Ort oder in Rufbereitschaft?
- Risikofaktoren für eine sekundäre Sectio caesarea vorhanden?
Material und Medikamente
- Punktionskanüle: Tuohy-Kanüle
- Wirkstoffe
- Lokalanästhetikum, bspw. Ropivacain max. 0,175% oder Bupivacain 0,125%
- Opioid, bspw. Sufentanil
- Siehe auch: Periduralanästhesie - Material und Medikamente
Übersicht der epiduralen Gabe von Opioiden in der Geburtshilfe [7][21] | ||||||
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Epidurale Gabe [22] | Dosis | Wirkbeginn | Maximale Wirkung | Wirkdauer | Vorteile | |
Sufentanil |
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Fentanyl |
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Morphin |
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Vorbereitung [1][7]
- Gefäßzugang und Infusion
- Liegenden Gefäßzugang prüfen bzw. Anlage eines peripheren Venenverweilkatheters [4]
- Ggf. Coloading
- Ggf. medikamentöse Kreislaufunterstützung vorbereiten, siehe auch: Vasopressoren bei Sectio caesarea
- Monitoring zur Regionalanästhesie in der Geburtshilfe anschließen
- Lagerung und Aufsuchen der Punktionsstelle
- Lagerung bevorzugt in sitzender Position, alternativ in Seitenlage [7]
- Ggf. Begleitperson bei der Lagerung einbinden
- Aseptisches Vorgehen bei rückenmarksnahen Verfahren beachten
- Desinfektion der Punktionsstelle und Abdecken der Punktionsstelle mit sterilem Lochtuch [4]
- Siehe auch: Periduralanästhesie - Vorbereitung
Durchführung [1][7]
- Allgemeine Informationen siehe:
- Besonderheiten bei vaginaler Geburt
- Möglichst Vermeidung einer motorischen Blockade (Walking Epidural)
- Lumbale Periduralanästhesie (Punktionshöhe L2–L4)
- Anlage des Periduralkatheters in Loss-of-Resistance-Technik
- Keine Testdosis erforderlich bei fraktionierter Gabe der Medikamente [4]
- Kein Ausschluss einer intravasalen Fehllage des Periduralkatheters mit Epinephrin
- Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Detektion einer Katheterfehllage [4]
- Aspirationskontrolle vor jeder Injektion
- Bougierung des Epiduralraumes mit NaCl 0,9%
- Verwendung von Soft-Tip-Kathetern
- Geringe Insertionstiefe des Periduralkatheters: ≤6 cm über Loss of Resistance
Bei Anlage eines Periduralkatheters zur schmerzarmen Geburt kann i.d.R. auf die Testdosis verzichtet werden! [4]
Dosierungsvorschläge bei Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt [4]
- Low-Dose Epidural: Niedrigdosiertes Lokalanästhetikum kombiniert mit einem Opioid [4]
- Lokalanästhetikum: Ropivacain max. 0,175% oder Bupivacain max. 0,125% [24]
- Opioid: Sufentanil 0,5–1 μg/mL
- Applikationsformen
- Patient-controlled epidural Analgesia (PCEA) mit oder ohne Hintergrundinfusion (Goldstandard)
- Intermittierende Bolusgaben, bspw. 10 mL
- Programmed intermittent epidural Bolus (PIEB): Bolusabgabe nach fest eingestelltem Zeitschema (Abrufen des Bolus durch Patientin nicht zwingend erforderlich ) [4][25]
- Nicht empfohlen
- Alleinige kontinuierliche Infusion [4]
- Ausschalten der Spritzenpumpe vor der Austrittsperiode [4]
Dosierungsvorschläge bei Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt [7] | |||
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Technik | Wirkstoffe (Opioid + Lokalanästhetikum) | Dosierung | Applikation |
Patient-controlled epidural Analgesia (PCEA) |
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Intermittierende Bolusgaben (manuell) |
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Programmed intermittent epidural Bolus (PIEB) [26] |
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Weiteres Vorgehen
- Monitoring: I.d.R. bis 30 min nach Applikation der Medikamente, siehe: Monitoring zur Regionalanästhesie in der Geburtshilfe [4]
- Delegation weiterer Bolusgaben [4][13]
- Protokollierung des mütterlichen und kindlichen Zustands
- Monitoring für mind. 30 min nach jeder weiteren Bolusgabe
- Mobilisierung (Walking Epidural) [4]
- Voraussetzungen
- Kontrolle und Dokumentation der Sensibilität und Motorik
- Regelrechter Geburtsverlauf und unauffälliges CTG
- Hämodynamische Stabilität der Mutter
- Keine peridurale Nachinjektion im Stehen
- Durchführung [21]
- Mobilisierungsversuch frühestens 30 min nach epiduraler Injektion
- Zunächst Mobilisierung an die Bettkante
- Messung von Blutdruck und Puls im Sitzen
- Bei subjektivem Wohlbefinden und unauffälligen Vitalparametern: Aufstehen möglich
- Umhergehen nur in Begleitung (Sturzprophylaxe) und nur innerhalb der Entbindungsstation
- Voraussetzungen
Erfolgskontrolle und Dokumentation
- Dokumentation der Prozedur
- Abwarten der Wirkung bis zum Eintritt der kompletten Analgesie bei hämodynamischer Stabilität
- Testung und Dokumentation der Wirkung
- Erfragen der objektiven Schmerzreduktion
- Ggf. Nachinjektion bei zu weit kaudal liegender Ausbreitungshöhe
- Bei Therapieversagen: Erwägen eines anderen Verfahrens, bspw.
Die durchführende Person bleibt so lange anwesend, bis die Analgesie vollständig ausgeprägt ist, und geht erst, wenn die Kreislaufverhältnisse stabil sind!
Kombinierte Spinal- und Epiduralanästhesie (CSE)
Die folgenden Inhalte betreffen die Anwendung einer kombinierten Spinal- und Epiduralanästhesie (CSE) zur schmerzarmen Geburt.
- Für die Indikationsstellung siehe: Wahl des Anästhesieverfahrens zur schmerzarmen Geburt
- Für Informationen zur Sectio caesarea siehe: Kombinierte Spinal- und Epiduralanästhesie zur Sectio caesarea
- Für allgemeine Informationen zur CSE siehe: Kombinierte Spinal- und Epiduralanästhesie - Klinische Anwendung
Sichtung der Befunde und Sicherheitscheck
- Anästhesiologische Aufklärung zur schmerzarmen Geburt erfolgt?
- Anatomische Auffälligkeiten der Wirbelsäule vorhanden?
- Gerinnungsstatus bei auffälliger Blutungsanamnese vorhanden?
- Empfohlene Sicherheitsabstände bei rückenmarksnaher Regionalanästhesie unter Antikoagulation eingehalten?
- Erfahrenes anästhesiologisches Personal vor Ort oder in Rufbereitschaft?
- Risikofaktoren für eine sekundäre Sectio caesarea vorhanden?
Material und Medikamente
- Punktionskanüle: Spezielles CSE-Set, bspw. mit
- Tuohy-Kanüle 18 G
- Sprotte-Kanüle 25 G
- Wirkstoffe
- Opioid, bspw. Sufentanil
- Lokalanästhetikum, bspw. Bupivacain 0,25%
Vorbereitung
- Gefäßzugang und Infusion
- Liegenden Gefäßzugang prüfen bzw. Anlage eines peripheren Venenverweilkatheters [4]
- Ggf. Coloading
- Ggf. medikamentöse Kreislaufunterstützung vorbereiten, siehe auch: Vasopressoren bei Sectio caesarea
- Monitoring zur Regionalanästhesie in der Geburtshilfe anschließen
- Lagerung und Aufsuchen der Punktionsstelle
- Lagerung bevorzugt in sitzender Position
- Ggf. Begleitperson bei der Lagerung einbinden
- Aseptisches Vorgehen bei rückenmarksnahen Verfahren beachten
- Desinfektion der Punktionsstelle und Abdecken der Punktionsstelle mit sterilem Lochtuch [4]
- Siehe auch: Kombinierte Spinal- und Epiduralanästhesie - Klinische Anwendung
Durchführung [7]
- Allgemeine Informationen siehe:
- Besonderheiten bei vaginaler Geburt
- Punktionshöhe L2–L4
- Intrathekale Dosierung niedriger als bei anderen Indikationen üblich (Low-Dose Spinal)
- Eher geringere Neigung zu Hypotonie als nach Anlage einer Spinalanästhesie in üblicher Dosierung
- Beginn analog zur Durchführung einer Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt
- Anschließende Punktion des Spinalraums analog zur klassischen CSE
Dosierungsvorschläge bei CSE zur schmerzarmen Geburt
- Intrathekale Initialdosis: Analog zur Spinalanalgesie zur schmerzarmen Geburt [4][7][13][27]
- Alleinige Gabe eines Opioids, bspw. Sufentanil 7,5 μg oder
- Alleinige Gabe eines Lokalanästhetikums, bspw. Bupivacain 0,25% 1,5 mL (≙ 3,75 mg) oder
- Kombinierte Gabe von Opioid und Lokalanästhetikum, bspw. Sufentanil 2,5 μg und Bupivacain 0,25% 1 mL (≙ 2,5 mg)
- Peridurale Dosierung bei nachlassender Wirkung
- Analog zur Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt i.d.R. keine Testdosis erforderlich
- Start der PCEA durch die Anästhesie
- Siehe: Dosierungsvorschläge bei Periduralanästhesie zur schmerzarmen Geburt
- Monitoring: Bis 30 min nach Applikation der Medikamente, siehe: Monitoring zur Regionalanästhesie in der Geburtshilfe
- Übergabe an Kreißsaalpersonal bei suffizienter Schmerzlinderung
Erfolgskontrolle und Dokumentation
- Dokumentation der Prozedur
- Abwarten der Wirkung bis zum Eintritt der kompletten Analgesie bei hämodynamischer Stabilität
- Testung und Dokumentation der Wirkung
- Erfragen der objektiven Schmerzreduktion
- Ggf. peridurale Nachinjektion bei zu weit kaudal liegender Ausbreitungshöhe
- Bei Therapieversagen: Erwägen eines anderen Verfahrens, bspw.
- Remifentanil-PCIA zur schmerzarmen Geburt
- Weitere Verfahren zur Analgesie unter der Geburt
Die durchführende Person bleibt so lange anwesend, bis die Analgesie vollständig ausgeprägt ist, und geht erst, wenn die Kreislaufverhältnisse stabil sind!
Spinalanalgesie
Die folgenden Inhalte betreffen die Anwendung der Spinalanalgesie zur schmerzarmen Geburt.
- Für die Indikationsstellung siehe: Wahl des Anästhesieverfahrens zur schmerzarmen Geburt
- Für Informationen zur Sectio caesarea siehe: Spinalanästhesie zur Sectio caesarea
- Für allgemeine Informationen zur Spinalanästhesie siehe: Spinalanästhesie - Klinische Anwendung
Sichtung der Befunde und Sicherheitscheck
- Anästhesiologische Aufklärung zur schmerzarmen Geburt erfolgt?
- Anatomische Auffälligkeiten der Wirbelsäule vorhanden?
- Gerinnungsstatus bei auffälliger Blutungsanamnese vorhanden?
- Empfohlene Sicherheitsabstände bei rückenmarksnaher Regionalanästhesie unter Antikoagulation eingehalten?
- Erfahrenes anästhesiologisches Personal vor Ort oder in Rufbereitschaft?
- Risikofaktoren für eine sekundäre Sectio caesarea vorhanden?
Material und Medikamente
- Punktionskanüle
- Ausschließlich atraumatische Spinalkanülen (Sprotte®- oder Whitacre®-Kanüle) [4]
- Möglichst dünnlumige Kanüle (bspw. 27 G) [28]
- Wirkstoffe
- Opioid, bspw. Sufentanil oder Fentanyl
- Lokalanästhetikum, bspw. Bupivacain 0,25%, Bupivacain 0,0625% oder Ropivacain 0,1%
- Siehe auch: Spinalanästhesie - Material und Medikamente
Vorbereitung [4][7]
- Gefäßzugang und Infusion
- Liegenden Gefäßzugang prüfen bzw. Anlage eines peripheren Venenverweilkatheters [4]
- Ggf. Coloading
- Ggf. medikamentöse Kreislaufunterstützung vorbereiten, siehe auch: Vasopressoren bei Sectio caesarea
- Monitoring zur Regionalanästhesie in der Geburtshilfe anschließen
- Lagerung und Aufsuchen der Punktionsstelle
- Lagerung bevorzugt in sitzender Position
- Ggf. Begleitperson bei der Lagerung einbinden
- Aseptisches Vorgehen bei rückenmarksnahen Verfahren beachten
- Desinfektion der Punktionsstelle und Abdecken der Punktionsstelle mit sterilem Lochtuch [4]
- Siehe auch: Spinalanästhesie - Vorbereitung
Durchführung [4][7]
- Allgemeine Informationen siehe:
- Besonderheiten bei vaginaler Geburt
- Ziel: Schnelle, gute Analgesie ohne ausgeprägte motorische Blockade
- Intrathekale Dosierung niedriger als bei anderen Indikationen üblich (Low-Dose Spinal)
- Eher geringere Neigung zu Hypotonie als nach Anlage einer Spinalanästhesie in üblicher Dosierung
Dosierungsvorschläge bei Spinalanalgesie zur schmerzarmen Geburt
- Spinalanalgesie : Auswahl und Dosierung der Wirkstoffe analog zur CSE zur schmerzarmen Geburt
- Alleinige Gabe eines Opioids, bspw. Sufentanil 7,5 μg oder
- Alleinige Gabe eines Lokalanästhetikums, bspw. Bupivacain 0,25% 1,5 mL (≙ 3,75 mg) oder
- Kombinierte Gabe von Opioid und Lokalanästhetikum, bspw. Sufentanil 2,5 μg und Bupivacain 0,25% 1 mL (≙ 2,5 mg)
- Ungeeignet: Andere Adjuvanzien zum Lokalanästhetikum als Opioide [7][13]
- Monitoring: Bis 30 min nach Applikation der Medikamente, siehe: Monitoring zur Regionalanästhesie in der Geburtshilfe
In der klinischen Praxis hat sich für die Spinalanalgesie die einmalige intrathekale Gabe von Sufentanil 7,5 μg bewährt! [1]
Erfolgskontrolle und Dokumentation
- Dokumentation der Prozedur
- Abwarten der Wirkung bis zum Eintritt der kompletten Analgesie bei hämodynamischer Stabilität
- Testung und Dokumentation der Wirkung
- Erfragen der objektiven Schmerzreduktion
- Bei zu ausgeprägter motorischer Blockade: Beruhigung der Patientin und Information der Hebammen
- Bei Therapieversagen: Erwägen eines anderen Verfahrens, bspw.
- Remifentanil-PCIA zur schmerzarmen Geburt
- Weitere Verfahren zur Analgesie unter der Geburt
Die durchführende Person bleibt so lange anwesend, bis die Analgesie vollständig ausgeprägt ist, und geht erst, wenn die Kreislaufverhältnisse stabil sind!
Systemische Opioide
Remifentanil-PCIA zur schmerzarmen Geburt [4][7][29]
- Prinzip: Intravenöse Bolusgabe von Remifentanil mit Beginn der Wehe bzw. bei unmittelbar bevorstehender Wehentätigkeit
- Indikationen
- Auf Patientinnenwunsch bei starken Wehenschmerzen [30]
- Rückenmarksnahes Verfahren unmöglich
- Kontraindikation für rückenmarksnahe Regionalanästhesie vorhanden
- Ablehnung eines rückenmarksnahen Verfahrens durch die Patientin
- Vorteile [9]
- Schneller Wirkeintritt
- Kurze Wirkdauer
- Nachteile
- Im Vergleich zu rückenmarksnahen Verfahren weniger effektive Analgesie
- Siehe auch: Opioide - Nebenwirkungen
- Voraussetzungen
- Anästhesiologische Aufklärung (inkl. Hinweis auf Off-Label Use)
- Einsatzbereite Möglichkeit zur Sauerstoffgabe
- Interdisziplinäre Absprache zwischen Anästhesie und Geburtshilfe über Anwendung des Verfahrens
- Ständige(!) Anwesenheit durch eine mit dem Verfahren vertraute Person (bspw. Hebamme)
- Kontinuierliche Überwachung
- Pulsoxymetrie
- CTG-Monitoring
- Ggf. Kapnografie bzw. -metrie
- Pumpeneinstellungen
- Konzentration: 20 μg/mL (≙ 1 mg auf 50 mL)
- Initiale Dosis: 1 mL (≙ 20 μg)
- Weiterer Bolus: 1–2 mL (≙ 20–40 μg)
- Basalrate: Keine
- Sperrintervall: 2 min
- Maximaldosis: 1.000 μg/h
- Beendigung der Zufuhr: Ca. 5 min vor Abnabelung
- Dokumentation des mütterlichen und kindlichen Outcomes im Rahmen der Qualitätssicherung (siehe: Tipps & Links)
- Komplikationen: Atemdepression bei der Mutter, Opioidüberhang beim Neugeborenen
Für eine schmerzarme Geburt ist die Remifentanil-PCIA derzeit die beste Alternative zur rückenmarksnahen Regionalanästhesie (Goldstandard)!
Zu beachten sind die Sicherheitsmaßnahmen, insb. die ununterbrochene Anwesenheit einer erfahrenen Person mit entsprechender Fachkenntnis im Kreißsaal!
Fentanyl-PCIA zur schmerzarmen Geburt [7]
- Prinzip: Intravenöse Bolusgabe von Fentanyl mit Beginn der Wehe bzw. bei unmittelbar bevorstehender Wehentätigkeit
- Indikationen
- Auf Patientinnenwunsch bei starken Wehenschmerzen [30]
- Alternative zur Remifentanil-PCIA (2. Wahl) [31]
- Vorteile
- Schneller Wirkeintritt
- Ausgeprägte Proteinbindung im Blut der Mutter
- Nachteile
- Längere Wirkdauer als Remifentanil
- Anreicherung im Fettgewebe mit unvorhersehbarer Rückverteilung und verlängerter Wirkdauer bei kumulativer Gabe (kontextsensitive Halbwertszeit)
- Siehe auch: Opioide - Nebenwirkungen
- Durchführung: Erfüllung der Voraussetzungen und kontinuierliche Überwachung analog zur Remifentanil-PCIA
- Pumpeneinstellungen
- Konzentration: 10 μg/mL (≙ 0,5 mg auf 50 mL)
- Initiale Dosis: 5 mL (≙ 50 μg)
- Weiterer Bolus: 2–2,5 mL (≙ 20–25 μg)
- Basalrate: Keine
- Sperrintervall: 5 min
- Maximaldosis: 250 μg/h
- Komplikationen: Atemdepression bei der Mutter, Opioidüberhang beim Neugeborenen
Sonderfälle
Frühgeburt [7]
- Definition: Geburt vor der vollendeten 37. SSW (<37+0 SSW)
- Geeignete Anästhesieverfahren: Periduralanästhesie
Mehrlingsgeburt [7][16]
- Definition: Geburt nach Mehrlingsschwangerschaft
- Geeignete Anästhesieverfahren
Geburt aus Beckenendlage [7][16]
- Definition: Gesäß geht Kopf voran (verschiedene Varianten)
- Geeignete Anästhesieverfahren: Periduralanästhesie
Totgeburt [32][33][34]
- Definition: Geburt eines in utero verstorbenen Fötus nach 24+0 SSW
- Geeignete Anästhesieverfahren
- Prinzipiell alle Möglichkeiten, die bei einer Lebendgeburt zur Auswahl stehen
- Regionalanästhesieverfahren nach Ausschluss von Kontraindikationen für rückenmarksnahe Regionalanästhesieverfahren
- Pethidin möglichst vermeiden [33]
- Aufklärungsgespräch und Entscheidung der Patientin über Schmerztherapie möglichst vor Einsetzen der Wehentätigkeit
- Durchführung der Analgesie unter der Geburt in interdisziplinärer Absprache
- Prinzipiell alle Möglichkeiten, die bei einer Lebendgeburt zur Auswahl stehen
Bei den meisten Frauen wird die vaginale Entbindung im Falle einer Totgeburt empfohlen! [33]
Schmerzen werden bei einer Totgeburt oft als besonders stark empfunden, daher ist das Angebot einer adäquaten Schmerztherapie essenziell! [33]