Zusammenfassung
Das Klimakterium ist die Zeit zwischen dem Ende der reproduktiven Phase und dem Senium (Erlöschung der ovariellen Funktion). „Menopause“ bezeichnet dabei den Zeitpunkt der letzten Menstruation. Die hormonelle Umstellung ist geprägt von einem Absinken der Progesteron- und Östrogenspiegel, mit gleichzeitigem Anstieg der Gonadotropine FSH und LH. Klinisch kann diese Umstellung inapparent verlaufen, bei einigen Frauen kommt es jedoch zu den „typischen Wechseljahresbeschwerden“ mit vasomotorischen Beschwerden wie Schweißausbrüchen und Hitzewallungen. Weitere Symptome sind bspw. Schlaflosigkeit, depressive Verstimmung und innere Unruhe, sowie die sog. Vaginitis senilis. Diagnostisch stehen die klinischen Symptome im Vordergrund. Therapeutisch kann eine menopausale Hormontherapie mit einer Östrogen-Gestagen-Kombination oder einer Östrogen-Monotherapie zur Anwendung kommen, worunter sich jedoch das Risiko für bestimmte Karzinome erhöht.
Definition
Das Klimakterium bezeichnet die Zeit zwischen Ende der Geschlechtsreife und dem Senium. Es wird in folgende Phasen eingeteilt: [1][2]
- Prämenopause: Zeit zwischen ersten klimakterischen Beschwerden und der letzten Menstruation (Menopause)
- Perimenopause: Zeitraum um die Menopause (sehr variabel!)
- Menopause: Letzte ovariell gesteuerte Menstruation (im Durchschnitt um das 52. Lebensjahr)
- Postmenopause: Beginnt 12 Monate nach der letzten Menstruation
- Primäre prämature Ovarialinsuffizienz: Einsetzen des Klimakteriums vor dem Alter von 40 Jahren
Physiologie
Wenn die Anzahl der Follikel eine kritische Grenze erreicht hat und die Ovarialfunktion abnimmt, führt dies zu geringeren Östrogen- und Progesteronspiegeln. Die Blutspiegel der gonadotropen Hormone FSH und LH sind erhöht, da das negative Feedback wegfällt (hypergonadotroper Hypogonadismus). Es treten vermehrt anovulatorische Zyklen bis zum vollständigen Erlöschen der Ovarialfunktion auf.
Prämenopause [1][2][3]
- Inhibin↓
- Östradiol↓
- Progesteron↓
- FSH: ↑ oder im Normbereich
- AMH↓
Perimenopause [1][2]
Gekennzeichnet durch starke Hormon- und Zyklusschwankungen [1][2]
- Inhibin↓↓
- Östradiol: ↑ oder ↓
- FSH: ↑ oder ↓
- Progesteron: In anovulatorischen Zyklen↓ (Follikelpersistenz)
Postmenopause [1][2][4]
Keine stimulierbaren Follikel mehr vorhanden. Für Laborwerte siehe: Laboruntersuchungen im Klimakterium.
- Inhibin (↓↓↓↓ oder nicht nachweisbar)
- Östradiol↓↓
- Progesteron↓↓↓
- FSH↑↑
- LH↑
Symptomatik
Es leiden etwa 80% aller Frauen durchschnittlich über 2 Jahre an klimakterischen Beschwerden während der Peri- und Postmenopause.
Klimakterische Symptome
- Leitsymptome [2]
- Vasomotorische Beschwerden, insb. Hitzewallungen und Schweißausbrüche
- Schlafstörungen (meist durch Hitzewallungen)
-
Vaginale/vulväre Trockenheit (durch Atrophie von Vagina und Vulva) mit
- Vaginitis senilis
- Pruritus, Wundgefühl
- Schmerzen
- Dyspareunie
- Weitere Symptome [2][5]
- Depressive Verstimmung
- Stimmungsschwankungen
- Ängstlichkeit
- Innere Unruhe
- Gelenkbeschwerden
- Urologische Beschwerden, bspw. Pollakisurie, Dysurie, Drang- oder Belastungsinkontinenz
- Libidoverlust
- Herz-Kreislauf-Beschwerden, bspw. Palpitationen [6][7]
- Kopfschmerzen
- Obstipation
Vaginitis senilis (Colpitis senilis, Östrogenmangelkolpitis)
- Zeitpunkt: Meist postmenopausal
- Ätiologie: Östrogenmangel
- Pathophysiologie: Östrogenmangelbedingte Minderperfusion der weiblichen Genitalien und Schleimhautatrophie mit verminderter Einlagerung von Glykogen
- Klinisches Bild
- Starker Juckreiz
- Blutig-seröser Ausfluss
- Vaginaltrockenheit → Dyspareunie
- Erhöhte Infektionsgefahr (bakteriell, mykotisch)
- Differenzialdiagnose: Plattenepithelkarzinom der Vagina
- Therapie: Lokale Östrogentherapie
Verlaufs- und Sonderformen
Primäre prämature Ovarialinsuffizienz (veraltet: Klimakterium praecox)
Eine Ovarialinsuffizienz <40 Jahren wird als primäre prämature Ovarialinsuffizienz bezeichnet (veraltet: Klimakterium praecox, Premature Ovarian Failure). Die Ursachen für diesen hypergonadotropen Hypogonadismus können sehr unterschiedlich sein, präsentieren sich klinisch aber ähnlich. [2][3]
- Prävalenz: 1% (<40 Jahren), 0,1% (<30 Jahren) [2][8]
- Ätiologie (Auswahl) [2][8]
- Idiopathisch (85–90% der Fälle)
- Genetisch (Chromosomenaberrationen (bei ca. 10% der Patientinnen), Turner-Syndrom, Fragiles-X-Syndrom mit der FMR1-Prämutation, autosomale Genmutationen)
- Autoimmunerkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis, CED, Hypoparathyreoidismus), Stoffwechselerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus)
- Iatrogen (Strahlen- und Chemotherapie, operative Entfernung der Ovarien)
- Klinik: Klimakterische Beschwerden und Sistieren der Menstruation
- Diagnostik [2][3][5][9]
- Eigen- und Familienanamnese
- Hypergonadotroper Hypogonadismus
- Bestimmung der ovariellen Reserve: Inhibin und AMH (beides↓)
- Alle 3 Jahre: Nüchternblutzucker-, Cortisol- und TSH-Kontrolle
- Ggf. genetische Testung (z.B. Karyotypisierung oder FMR1-Prämutation)
- Therapie [5]
- Menopausale Hormontherapie (Frauen >40 Jahre) oder
- Kombinierte orale Kontrazeptiva
Diagnostik
Die Diagnose der Peri- und Postmenopause wird i.d.R. klinisch gestellt. [5]
Anamnese [1]
- Gynäkologische Anamnese, insb. mit Frage nach
- Zyklusstörungen
- Klimakterischen Beschwerden, inkl. Dyspareunie und Harninkontinenz
- Psychischen Symptomen
Körperliche Untersuchung [1]
- Gynäkologische Untersuchung, mit Fokus auf
- Klinische Symptomatik (bspw. vaginale Trockenheit oder Vaginitis senilis)
- Vulvaveränderungen (bspw. Lichen sclerosus)
- TVUS: Ggf. Follikelpersistenz (in anovulatorischen Zyklen)
Laboruntersuchungen im Klimakterium [1][5]
Die Blutentnahme sollte zwischen dem 3. und 5. Zyklustag erfolgen.
- Indikationen
- Frauen im Alter von 40–45 Jahren mit klimakterischen Beschwerden
- Frauen <40 Jahren mit V.a. primäre prämature Ovarialinsuffizienz
- Laborbestimmungen
Therapie
Allgemeine Aufklärung [5]
- Aufklärung
- Physiologie des Klimakteriums
- Typische Symptome des Klimakteriums
- Langzeitauswirkungen der Menopause (bspw. Osteoporose)
- Verhütung nach der Menopause
- Behandlungsmöglichkeiten (Menopausale Hormontherapie, nicht-hormonelle Therapie, weitere medikamentöse Therapieoptionen)
- Ggf. Empfehlung von Lebensstiländerungen (u.a. ausgewogene Ernährung, sportliche Aktivität) zur allgemeinen Verbesserung der Gesundheit
Menopausale Hormontherapie (HRT) [2][5]
Ziel der menopausalen Hormontherapie ist die Linderung der klimakterischen Symptome. Wichtig ist eine ausführliche Aufklärung der Patientin über Risiken, Nutzen und Nebenwirkungen der Therapie. Bei Patientinnen mit Uterus sollte die Östrogensubstitution als Kombinationstherapie mit einem Gestagenpräparat erfolgen, da sich das Risiko für eine Endometriumhyperplasie mit maligner Entartung unter alleiniger Östrogentherapie erhöht. Da die menopausale Hormontherapie so kurz wie möglich verabreicht werden sollte, muss jährlich eine Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.
Allgemeines [1][2][5]
- Indikationen
- Primäre prämature Ovarialinsuffizienz
- Starke vasomotorische Beschwerden, insb. Hitzewallungen
- Behandlung des Östrogenmangels (bspw. zur Prävention einer Osteoporose)
- Blutungsstörungen
- Wunsch der Patientin
- Aufklärung, u.a.
- Nebenwirkungen
- Nach Absetzen Wiederauftreten der vasomotorischen Symptome möglich
- Information über Krebsfrüherkennungsuntersuchungen
- Überwachung: Gynäkologische Vorstellung 3 Monate nach Beginn, dann jährlich mit Fokus auf
- Nutzen-Risiko-Abwägung mit Ermittlung der Risikofaktoren und neu aufgetretene Kontraindikationen
- Blutungsstörungen
- Schweregrad der Beschwerden
- Individuelle Bedürfnisse
- Absetzen: Abrupt vs. ausschleichend
Therapieprinzipien
- Therapieformen [5]
-
Östrogen-Gestagen-Therapie (EPT): Standard bei Patientinnen mit Uterus
- Sequenziell kombinierte EPT (Perimenopause, frühe Postmenopause)
- Kontinuierlich kombinierte EPT (Postmenopause)
- Östrogen-Monotherapie (ET): Standard bei Patientinnen mit Z.n. Hysterektomie
-
Östrogen-Gestagen-Therapie (EPT): Standard bei Patientinnen mit Uterus
- Darreichungsformen
- Transdermal (vorzuziehen) [10]
- Oral
- Vaginal
Kontraindikationen (Auswahl)
- Mammakarzinom oder Z.n. Mammakarzinom
- Z.n. Endometriumkarzinom oder Ovarialkarzinom
- Erhöhtes Risiko für Schlaganfälle
- Nikotinabusus
- Adipositas Grad II
- Höhergradige Leberfunktionsstörungen
- Relative Kontraindikationen (nur unter besonderer Vorsicht strenger und Risiko-Nutzen-Abwägung!) [10]
- Herz- und Niereninsuffizienz
- Asthma bronchiale
- Migräne
- Hereditäre Thrombophilie, bspw. Faktor-V-Leiden Mutation (deshalb: EPT mit transdermaler Östrogengabe!)
- Z.n. Thrombose (deshalb: EPT mit transdermaler Östrogengabe und kurzzeitige Anwendung!)
Nebenwirkungen einer menopausalen Hormontherapie
- Einfluss auf das Risiko von Karzinomen
- Endometriumkarzinom↑ (bei Östrogen-Monotherapie) [5][11]
- Ovarialkarzinom↑ [5][12]
- Kolorektales Karzinom↓ [5][13]
- Mammakarzinom: Geringgradig↑ [5]
- Einfluss auf die Knochengesundheit [5]
- Signifikante Risikoreduktion osteoporosebedingter Frakturen
- Einfluss auf urogynäkologische Beschwerden: Auftreten oder Verschlechterung einer Harninkontinenz oder überaktiven Blase möglich (bei systemischer(!) ET/EPT)
- Andere Nebenwirkungen
- Ödeme
- Mastodynie
- Gastrointestinale Beschwerden
- Übelkeit
Nicht-hormonelle Therapie [2][5]
- Pflanzliche Präparate, u.a.
- Cimicifuga: Phytotherapeutikum mit fraglicher östrogenähnlicher Wirkung [5]
- Isoflavone
- Johanniskraut
- Weitere Therapiemöglichkeiten, u.a.
- Kognitive Verhaltenstherapie
- Placebo
- Akupunktur [14]
- Tiefenentspannung
- Sport
- Anwendung von Gleit- oder Befeuchtungsmitteln (bei vaginaler Trockenheit)
Weitere medikamentöse Therapieoptionen [5]
Die folgenden Präparate gelten laut aktueller Leitlinienempfehlungen nicht als Mittel der ersten Wahl zur Behandlung vasomotorischer Beschwerden! Sie sind jedoch eine therapeutische Option, wenn eine menopausale Hormontherapie kontraindiziert ist (Off-Label Use!).
- Antidepressiva: SSRI, SSNRI
- Anfallssuppressiva: Gabapentin
- Antihypertensiva: Clonidin
- Testosteron: Bei Libidoverlust nach psychosexueller Vorstellung (nur bei Unwirksamkeit einer HRT!)
- Neurokinin-3-Rezeptor-Antagonist: Fezolinetant [15]
- Rote-Hand-Brief zu Fezolinetant: Risiko für Leberschädigungen [16]
Studientelegramme zum Thema
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 77-2023-3/3: Nitro patch is no match for the hot flash
- One-Minute Telegram 65-2022-1/3: 2022 U.S. Preventive Services Task Force: summary of recommendations
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- N95.-: Klimakterische Störungen
- Exklusive: Postmenopausal: Osteoporose (M81.0‑), Osteoporose mit pathologischer Fraktur (M80.0‑) Urethritis (N34.2); Vorzeitige Menopause o.n.A. (E28.3), Zu starke Blutung in der Prämenopause (N92.4)
- N95.0: Postmenopausenblutung
- N95.1: Zustände im Zusammenhang mit der Menopause und dem Klimakterium
- Symptome, wie z.B. Hitzewallungen, Schlaflosigkeit, Kopfschmerz, Konzentrationsschwäche im Zusammenhang mit der Menopause
- Exklusive: Im Zusammenhang mit artifizieller Menopause (N95.3)
- N95.2: Atrophische Kolpitis in der Postmenopause
- N95.3: Zustände im Zusammenhang mit artifizieller Menopause
- Postartifizielles Menopausensyndrom
- N95.8: Sonstige näher bezeichnete klimakterische Störungen
- N95.9: Klimakterische Störung, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.
AMBOSS-Podcast zum Thema
Perimenopause (1): Stimmung, Schlaf, Gedächtnis – Symptome von Beginn an richtig einordnen (April 2024)
Perimenopause (2): Hormontherapie heute – Zwischen Hilfe und Herausforderung (Mai 2024)
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